05.12.2012 Aufrufe

themenheft 1 - DGAP

themenheft 1 - DGAP

themenheft 1 - DGAP

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

Wechseljahre: Amerika zwischen den Wahlen<br />

Barack Obama und Vizepräsident Joseph Biden (li.) verfolgen mit Regierungsmitgliedern und Angehörigen des Nationalen Sicherheits-<br />

rats den Einsatz gegen Osama bin Laden am 2. Mai 2011.<br />

vorstellungen in der Region nutzbar machen. Um die USA<br />

als pazifische Macht zu stärken, nahm US-Präsident Obama<br />

während seines Asienbesuches im November 2009 am<br />

APEC-Gipfeltreffen teil, wo er auch Gelegenheit hatte, sich<br />

mit den zehn Staats- und Regierungschefs der ASEAN-<br />

Staaten zu beraten. Neben der künftigen, von Washington<br />

dominierten APEC-Agenda wurde dabei auch die Intensi -<br />

vie rung der Beziehungen zwischen den USA und der<br />

ASEAN diskutiert.<br />

Für Amerika ist die ASEAN-Integration höchst in -<br />

teressant: Bis 2015 sollen eine gemeinsame Freihan dels zone<br />

und eine Sicherheits-, Wirtschafts- und soziokulturelle Ge -<br />

meinschaft etabliert werden. 170 Seit Obamas Amtsan tritt<br />

haben die USA bereits erhöhte diplomatische Anstrengun -<br />

gen unternommen, um schließlich am 22. Juli 2009 mit Au -<br />

ßenministerin Clintons Unterzeichnung dem Vertrag für<br />

Freundschaft und Zusammenarbeit (TAC), eines der<br />

Haupt dokumente der ASEAN, beizutreten. Damit wurde<br />

auch der Grundstein für Amerikas möglichen Beitritt zum<br />

Ostasiengipfel (EAS) gelegt: 171 Im November 2011 hat Ba -<br />

rack Obama als erster amerikanischer Präsident am Gipfel<br />

teilgenommen. Das Engagement der USA in der Region<br />

wird von den ASEAN-Staaten begrüßt, weil Amerikas<br />

Interes sen auch ihre Handlungsspielräume, nicht zuletzt<br />

gegenüber China, erweitern.<br />

Im Sinne eines kompetitiven Multi-Multilateralismus<br />

werden die verschiedenen multilateralen Organisatio -<br />

nen und Institutionen künftig dazu angehalten, um<br />

die Aufmerksamkeit der USA zu konkurrieren. Damit<br />

kann Amerika je nach Bedarf aus einem breiteren,<br />

regional und funktional ausdifferenzierten Angebot an<br />

multilateralen Dienstleistungen für die jeweilige Auf -<br />

gabe das am besten geeignete Instrument auswählen,<br />

um seine Interessen und liberalen Weltordnungsvor -<br />

stellungen durchzusetzen.<br />

168 Hillary Clinton zit. in: Clinton Declares U.S. ‘is Back’ in Asia, in: Associated Press v. 22.7.2009.<br />

169 Barack Obama in Berlin (wie Anm. 164).<br />

170 Ferner versuchen die USA im Rahmen des Trans-Pacific Partnership Agreement (TPP) die Liberalisierung und Marktintegration in der<br />

transpazifischen Region voranzutreiben. Fraglich bleibt indes, ob die US-Administration das dafür nötige innenpolitische Kapital einsetzen<br />

wird, dem protektionistisch eingestellten Kongress dieses Freihandelsabkommen abzuringen.<br />

50<br />

Einsichten und Perspektiven Themenheft 1 | 12<br />

Schlussfolgerungen für Deutschland<br />

und die Welt<br />

Nach den Alleingängen der Bush-Regierung beabsichtigen<br />

die USA unter Präsident Obama, wieder auf den Pfad multilateraler<br />

Tugenden zurückzukehren. Während insbesondere<br />

die erste Amtszeit Bushs noch unter dem Mantra „unilateral,<br />

soweit möglich, multilateral, wenn nötig“ stand,<br />

kün digte die Regierung Obama eine umgekehrte Hand -<br />

lungs logik an: „Wir handeln in Partnerschaft, wo wir können,<br />

und im Alleingang nur, wenn wir müssen.“ Oba mas<br />

Regierung befürchtet also nicht, dass internationale Bünd -<br />

nisse und Organisationen die Macht der Vereinigten Staaten<br />

verringern. Im Gegenteil: „Wir glauben“, so US-Vizepräsi -<br />

dent Joseph Biden, „sie helfen, unsere kollektive Sicherheit,<br />

unsere gemeinsamen Wirtschaftsinteressen und Werte zu<br />

stärken.“ 172<br />

Gleichwohl sollten die Europäer daran denken, dass<br />

„multilateral“ in den USA seit jeher anders verstanden<br />

wird, nämlich instrumentell. Multilaterale Organisatio -<br />

nen wie die Vereinten Nationen und die NATO wurden<br />

geschaffen, um amerikanische Interessen und Weltord -<br />

nungs vorstellungen durchzusetzen und die dabei anfallenden<br />

Lasten mit den Nutznießern zu teilen und Tritt -<br />

brettfahrer abzuhalten.<br />

Der innen- und fiskalpolitische Druck in den USA wird eine<br />

kontroverse transatlantische Lastenteilungsdebatte forcieren.<br />

Die sich zuspitzende Banken-, Finanz- und Wirt -<br />

schafts krise verschaffte dem Demokraten Obama einen<br />

gro ßen Vorteil bei den Präsidentschaftswahlen – aber auch<br />

ein umso größeres Problem als Präsident: Einem demokratischen<br />

Präsidenten fällt es in der Auseinandersetzung –<br />

selbst mit einem ebenso demokratisch kontrollierten Kon -<br />

gress – um einiges schwerer, die eigene Wählerbasis und<br />

seine Landsleute vom nachhaltigen außenpolitischen Enga -<br />

ge ment Amerikas zu überzeugen. Denn Barack Obamas<br />

Wahl er folg ist in erster Linie der erfolgreichen Mobilisie -<br />

rung von Minderheiten gutzuschreiben. Diese sind weniger<br />

daran interessiert, dass Amerika weltweit Demokratien er -<br />

richtet (Stichworte: regime change und nation building),<br />

sondern wollen vielmehr die knappen Ressourcen dafür<br />

einsetzen, um die sozioökonomische Lage im eigenen Land<br />

Wechseljahre: Amerika zwischen den Wahlen<br />

zu verbessern. Unter Obamas Führung wird Amerika vielmehr<br />

versuchen, einen größeren Teil der „Last globaler<br />

Staatsangehörigkeit“ auf die Alliierten zu verteilen.<br />

Mittlerweile, nach der in den USA parteiübergreifend<br />

gefeierten Tötung Osama bin Ladens und trotz der allgemeinen<br />

Einschätzung, dass damit die Terrorgefahr keineswegs<br />

be seitigt worden sei, erklärte die Hälfte der US-<br />

Bevölkerung, Amerika solle seine Truppen „so schnell wie<br />

möglich“ aus Afghanistan zurückziehen. 173 Nach Auffas -<br />

sung des scheiden den US-Verteidigungsministers Robert<br />

Gates seien die amerikanischen Bürger und nicht zuletzt<br />

auch die für die Finanzierung von Auslandseinsätzen ausschlaggebenden<br />

Ab geordneten und Senatoren im Kongress<br />

müde, amerikanische Steuergelder zu verwenden, um über<br />

die NATO die Sicherheit trittbrettfahrender europäischer<br />

Länder zu gewährleisten. 174<br />

Den europäischen Alliierten wird weiterhin Ge le -<br />

gen heit geboten, ihr „effektives multilaterales“ Engage ment<br />

unter Beweis zu stellen, sei es mit einem umfangreicheren<br />

Truppenkontingent in Afghanistan, mit weniger Auflagen<br />

bei Kampfeinsätzen, mit einem stärkeren finanziellen En -<br />

gagement beim Wiederaufbau im Irak, in Afghanis tan und<br />

Libyen oder bei Wirtschaftshilfen für Pakistan. Die US-<br />

Regierung unter Obama wird sich an die diplomatische<br />

Arbeit machen, aus George W. Bushs viel gescholtener coalition<br />

of the willing eine Koalition der Zahlungswilligen zu<br />

schmieden.<br />

Aber auch in der Wirtschafts- und Handelspolitik<br />

werden die USA Mittel und Wege finden, um Lasten auf die<br />

Alliierten in Europa und Asien abzuwälzen. Selbst wenn<br />

man die positiven Einschätzungen amerikanischer Regie -<br />

rungsverantwortlicher teilt, wonach sich die Lage stabilisiert<br />

habe und bereits wieder nachhaltiges Wachstum erwartet<br />

werden könne, ist weiterhin mit hohen Arbeits lo sen -<br />

zahlen zu rechnen, weil die Lage auf dem Arbeitsmarkt<br />

immer erst zeitverzögert die wirtschaftliche Lage widerspiegelt.<br />

Arbeitslosigkeit oder die Sorge, den Job zu verlieren,<br />

werden die Konsumbereitschaft hemmen und den<br />

Wiederaufschwung bremsen; sie könnten sogar eine weitere<br />

Rezession verursachen. Entsprechend stark bleibt der<br />

Druck auf die sozialen Sicherungssysteme. Erhöhte Kosten<br />

für Sozialausgaben, in Verbindung mit den enormen Sum -<br />

men, die bereits für die Rettung des Banken- und Finanz -<br />

sektors und für die Wiederbelebung der Wirtschaft inve-<br />

171 Im Rahmen des Ostasiengipfels treffen sich seit 2005 die 16 Staats- und Regierungschefs der zehn ASEAN-Staaten sowie Chinas, Japans,<br />

Südkoreas, Australiens, Neuseelands und Indiens.<br />

172 US-Vizepräsident Joseph Biden bei der 45. Münchner Sicherheitskonferenz vom 7.2.2009.<br />

173 Laut Umfrage der Washington Post und des Pew Research Center vom 2.5.2011, zit. in: Jon Cohen/Peyton M. Craighill: More See Success<br />

in Afghanistan; Half Still Want U.S. Troops Home, in: Washington Post v. 3.5.2011.<br />

174 „The blunt reality is that there will be dwindling appetite and patience in the U.S. Congress – and in the American body politic writ large<br />

– to expend increasingly precious funds on behalf of nations that are apparently unwilling to devote the necessary resources or make<br />

the necessary changes to be serious and capable partners in their own defense,“ lautete Robert Gates Warnung an seine Kollegen während<br />

eines Treffens der NATO-Verteidigungsminister am 10.6.2011 in Brüssel. Robert Gates zit. in: Jonathan Broder: Bearing the Burden of<br />

Einsichten und Perspektiven Themenheft 1 | 12 51

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!