Circus Arm Circus Arm - Terre des Hommes
Circus Arm Circus Arm - Terre des Hommes
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1<br />
<strong>Circus</strong> <strong>Arm</strong><br />
Ein Theaterstück zum Thema<br />
<strong>Arm</strong>ut in den Ländern <strong>des</strong> Südens und ihre Ursachen<br />
von Reinhardt Jung<br />
für Schülerinnen und Schüler der Sek. I und Sek. II<br />
1979 erstmals publiziert, 2007 neu lektoriert<br />
<strong>Circus</strong> <strong>Arm</strong><br />
Ein Theaterstück zum Thema »<strong>Arm</strong>ut in den Ländern <strong>des</strong> Südens und ihre Ursachen« von<br />
Reinhardt Jung. Bis 2015 sollen im Kampf gegen <strong>Arm</strong>ut und Hunger in der Welt entscheidende<br />
Erfolge erzielt werden. Das haben die Staats- und Regierungschefs der Welt in<br />
den Millenniumsentwicklungszielen versprochen. Das Theaterstück »<strong>Circus</strong> <strong>Arm</strong>« hat das<br />
Thema <strong>Arm</strong>ut bereits 1979 aufgegriffen. Hier wird es Schulen und Theater-AGs noch einmal<br />
zur Verfügung gestellt.<br />
Die <strong>Arm</strong>ut in den Ländern <strong>des</strong> Südens ist durch die Millenniumsentwicklungsziele, die im Jahr<br />
2000 von zahlreichen Staats- und Regierungschefs unterzeichnet wurden, wieder in das öffentliche<br />
Bewusstsein gerückt. An das seinerzeit gegebene Versprechen, die <strong>Arm</strong>ut in der<br />
Welt bis zum Jahr 2015 entscheidend zurückzudrängen, müssen sie und die Öffentlichkeit<br />
aber immer wieder erinnert werden.<br />
Eine der Möglichkeiten, dies zu tun, bildet das Theater. Dieses Theaterstück von Reinhardt<br />
Jung wurde 1979 geschrieben, ist seitdem oft aufgeführt und durch die Millenniumsentwicklungsziele<br />
wieder ganz aktuell geworden. In einem Anschreiben an das Publikum in Reichland<br />
schrieb der Autor:<br />
Leider können wir nicht selbst zu Ihnen kommen, da die Hauptdarsteller <strong>des</strong> Stückes nicht abkömmlich<br />
sind.<br />
Die Generäle machen ihren Krieg in ihren eigenen Ländern, die Bankiers machen ihre Geschäfte<br />
damit, die Delegationen verhandeln und wir sind zu arm, um die Reisekosten zu<br />
tragen.<br />
Wir bitten sie <strong>des</strong>halb, das Stück selbst vorzuführen mit falschen Generälen, Bankiers und<br />
Delegationen, womit Sie der Wahrheit sicher schon sehr nahe kommen werden.<br />
Mit vorzüglicher Hochachtung<br />
CIRCUS ARM<br />
zurzeit Dritte Welt
2<br />
Für alle, die dieser Aufforderung nachkommen möchten, hier zuvor noch ein paar einführende<br />
Gedanken und Informationen.<br />
Millenniumsentwicklungsziele<br />
Millenniumsentwicklungsziele – was für ein Wortmonster! Muss nicht etwas, das sich hinter<br />
einem solchen drögen Wortungetüm verbirgt, trocken und langweilig sein? Weit gefehlt!<br />
Nimmt man die Millenniumsentwicklungsziele ernst, enthalten sie Dynamik pur.<br />
Als sich im Jahr 2000 189 Staats- und Regierungschefs aus aller Welt bei den Vereinten Nationen<br />
trafen, verpflichteten sie sich, die Menschen »aus den erbärmlichen und entmenschlichenden<br />
Lebensbedingungen der extremen <strong>Arm</strong>ut zu befreien.«<br />
Wie dringend dieser Vorsatz war und noch immer ist, zeigen bereits die nackten Zahlen: 1,1<br />
Milliarden Menschen leiden unter extremer <strong>Arm</strong>ut. Sie müssen versuchen, mit weniger als<br />
einem US-Dollar am Tag zu überleben. Schulbesuch ist unter solchen Bedingungen für mehr<br />
als 100 Millionen Kinder nicht denkbar.<br />
Es lag auf der Hand, dass etwas getan werden musste. Darum unterzeichneten die Staatsund<br />
Regierungschefs die Millenniumserklärung. In ihr verpflichteten sie sich, sich dafür einzusetzen,<br />
dass <strong>Arm</strong>ut und Hunger, die Ungleichheit unter den Geschlechtern, die Umweltzerstörung<br />
und HIV/AIDS beseitigt oder zumin<strong>des</strong>t zurückgedrängt werden. Sie versprachen, dass<br />
mehr Menschen Zugang zu Bildung, Gesundheitsversorgung und sauberem Trinkwasser<br />
haben sollten. Bis zum Jahre 2015 sollen in diesen Bereichen entscheidende Fortschritte gemacht<br />
werden. Das versprachen sie den Völkern und schrieben dieses Versprechen in den<br />
Millennium Development Goals (MDGs) fest.<br />
Gemeinsam müssen wir jetzt darauf achten, dass dieses Versprechen auch gehalten wird,<br />
denn Regierungen können sehr vergesslich sein. Und so hochgesteckt die Ziele auch sind,<br />
sie lassen sich erreichen. Das technische Wissen dazu ist vorhanden, was oft fehlt, ist der politische<br />
Wille, Taten folgen zu lassen und die Ziele auch Schritt für Schritt zu verwirklichen.<br />
Man wird die Regierungen ständig daran erinnern müssen, dass zu Beginn eines jeden Kapitels<br />
der Millenniumserklärung, die sie unterschrieben haben, zu lesen ist: »Wir werden keine<br />
Mühen scheuen, alles was in unserer Macht steht zu tun, um diese Ziele zu erreichen.«<br />
Nehmen wir die Regierungen beim Wort und zeigen wir ihnen beständig, dass wir nicht<br />
vergessen, was sie uns versprochen haben.<br />
Das gilt besonders auch für Kinder und Jugendliche. Denn wenn die Millenniumsentwicklungsziele<br />
nicht umgesetzt werden, werden vor allem sie die Leidtragenden sein. Sie werden<br />
die Folgen unseres Handelns und Nicht-Handelns zu spüren bekommen. Nur wenn wir die<br />
Ziele ernst nehmen und uns mit aller Kraft für ihr Erreichen einsetzen, können die Weichen<br />
hin zu einer gerechteren Globalisierung gestellt werden. Darum dürfen die Kinder und<br />
Jugendlichen diese Themen nicht den Erwachsenen überlassen. Es ist wichtig, dass sie sich<br />
einmischen.<br />
Anmerkungen zum Theaterstück<br />
Eine Möglichkeit, sich einzumischen, bildet das Theater spielen. Mit Theater lässt sich ein<br />
Anliegen sehr direkt ausdrücken. Und es kann nachhaltiger wirken als allein durch Zahlen und<br />
Statistiken.<br />
Das Stück »<strong>Circus</strong> <strong>Arm</strong>« ist der Versuch einer Antwort auf die Frage, warum wir in Wohlstand<br />
leben und die meisten Menschen in Afrika, Asien und Lateinamerika sich aus <strong>Arm</strong>ut und<br />
Elend nicht befreien können. Es ist ein Stück, das bereits 1979 von Reinhardt Jung, einem<br />
damaligen Mitarbeiter von terre <strong>des</strong> hommes, der inzwischen leider verstorben ist, ge-
3<br />
schrieben wurde. Es ist immer wieder aufgeführt worden. Es ist erstaunlich, wie aktuell auch<br />
heute noch die Thematik ist. In manchem spiegelt der Text natürlich die Sprache und Argumentationsweise<br />
der 70er Jahre wieder. Aber sich <strong>des</strong>sen zu erinnern und dabei aktuelle Bezüge<br />
aufzuzeigen, ist nach 40 Jahren terre <strong>des</strong> hommes-Geschichte ein interessantes Unterfangen.<br />
Jetzt hat das Stück durch die Millenniumsentwicklungsziele und das Versprechen,<br />
die <strong>Arm</strong>ut in der Welt engagiert zu bekämpfen, neue Aktualität gefunden. Darum stellt terre<br />
<strong>des</strong> hommes es erneut in leicht überarbeiteter Form zur Verfügung.<br />
»Mitspieler sind wir alle«, schrieb Reinhardt Jung seinerzeit in einem Anschreiben an die Mitspieler.<br />
»Denn wir leben in Wohlstand, der ohne die Arbeit und den erzwungenen Verzicht der<br />
Menschen in der Dritten Welt so nicht denkbar ist. So lange wir alle unsere Rolle der unnachgiebigen<br />
Reichländer gerne spielen, wird sich für die Menschen in der Dritten Welt nur wenig<br />
ändern können. Aber zuerst müssen wir erkennen, dass unsere Rolle schlecht ist, bevor wir<br />
daran gehen, sie zu ändern.«<br />
Reinhardt Jung, der auch Kinder- und Jugendbücher geschrieben hat und sich später beim<br />
Südwest Funk intensiv mit Hörspielen befasst hat, war kein Theaterfachmann. Darum schrieb<br />
er: »Ich bin kein Theatermensch, weshalb ich mit Regiehinweisen sparsam umgegangen bin.<br />
Aber muss man denn ein Theaterfachmann sein, um ein Stück zu schreiben? Nein!<br />
In alten Zeiten waren es einfache Menschen, Bauern und Handwerker, die als Narren verkleidet<br />
ihren Mitbürgern und der Obrigkeit ihre Standpunkte vorgespielt haben, wenn es<br />
gegen Unterdrückung <strong>des</strong> Volkes und für mehr soziale Gerechtigkeit zu kämpfen galt. Till Eulenspiegel<br />
hatte einen Spiegel in der Hand, in dem alle, die hineinsahen, ihr wahres Gesicht<br />
erkennen sollten. <strong>Circus</strong> <strong>Arm</strong> soll auch ein Spiegel sein. Wer mitspielt, schaut hinein.«<br />
Theater weltweit<br />
Zahlreiche Projektpartner von terre <strong>des</strong> hommes in Afrika, Asien und Lateinamerika bedienen<br />
sich <strong>des</strong> Mediums Theater, um auf ihre Anliegen aufmerksam zu machen, um die Menschen<br />
zum Nachdenken und Handeln zu bewegen, um sie wach zu rütteln, um die Ursachen von<br />
Unterdrückung, Ausbeutung und Ungerechtigkeit deutlich zu machen, um Wege zur Lösung<br />
aufzuzeigen. terre <strong>des</strong> hommes unterstützt solche Ansätze, mit denen sich die Menschen in<br />
den Projekten für ihre Rechte, vor allem auch für die der Kinder, und für eine Erde der<br />
Menschlichkeit einsetzen.<br />
Erde der Menschlichkeit<br />
terre <strong>des</strong> hommes Deutschland e.V. wurde 1967 von engagierten Bürgern gegründet, um<br />
schwer verletzten Kindern aus dem Vietnamkrieg zu helfen. Der Verein ist unabhängig von<br />
Staat, Kirche und Parteien und fördert in 25 Projektländern rund 500 Projekte für Not leidende<br />
Kinder. Unser Ziel ist eine »terre <strong>des</strong> hommes«, eine »Erde der Menschlichkeit«. Wir helfen<br />
Straßenkindern, verlassenen und arbeitenden Kindern, kümmern uns um Kinder, die Opfer<br />
von Krieg und Gewalt wurden und sorgen für die Ausbildung von Kindern. Wir unterstützen<br />
Jungen und Mädchen, deren Familien an AIDS gestorben sind, setzen uns ein für die Bewahrung<br />
der biologischen und kulturellen Vielfalt und für den Schutz diskriminierter Bevölkerungsgruppen.<br />
terre <strong>des</strong> hommes schickt keine Entwicklungshelfer, sondern unterstützt einheimische Initiativen.<br />
Unsere Projektpartner vor Ort bauen Schulen und Kinderschutzzentren, organisieren<br />
kleine Produktionsgemeinschaften und Bewässerungsprojekte und betreuen kranke oder<br />
kriegsverletzte Kinder. Gemeinsam mit unseren Partnern setzen wir uns für eine gerechtere<br />
Politik gegenüber der Dritten Welt ein.<br />
In Deutschland engagieren sich Menschen in 150 Orten ehrenamtlich für die Rechte von<br />
Kindern.
4<br />
Der Vorhang auf der großen Bühne ist geschlossen, auf dem Po<strong>des</strong>t hat Specksack Platz genommen,<br />
von hinten kommt der Zeitungsjunge in den Zuschauerraum gelaufen, geht um den<br />
Zuschauerraum herum bis vor Specksacks Po<strong>des</strong>t, dabei ruft er:<br />
Zeitungsjunge: Extrablatt, Extrablatt, das<br />
Wichtigste schwarz auf weiß, Extrablatt, die<br />
neue-sten Nachrichten <strong>des</strong> Tages,<br />
Extrablatt, aktuelle und brandheiße Informationen<br />
aus Reichland und dem Rest<br />
der Welt, Extrablatt ist da, Extrablatt!<br />
Extrablatt, heute mit der großen Serie »Wie<br />
esse ich mich schlank«, Extrablatt erklärt<br />
den Fettpölsterchen den Krieg, lesen Sie<br />
Extrablatt mit der einmaligen Schlankheitskur<br />
nur für unsere Leser, von und mit Herrn<br />
Professor Dr. Dr. Meier-Müllerbrink,<br />
Extrablatt mit der neuen Serie »Wie esse<br />
ich mich schlank« jeden Mittag neu,<br />
Extrablatt mit der Serie »Tote -Kriege - Unglücksfälle«,<br />
Extrablatt, Wir waren zu Gast<br />
bei Königin Ottilie, Extrablatt stellt die<br />
Frage: Majestät, wie kleidet sich eine Königin?<br />
Extrablatt, mit der Serie auch für Sie.<br />
Essen Sie sich schlank mit Extrablatt!<br />
Zu Specksack: Guten Tag, na wie wär´s<br />
mit einem Extrablatt mein Herr?<br />
Specksack:Nun gut, so gib schon her, es<br />
steht ja doch nichts Gescheites drin.<br />
Zeitungsjunge: Und das Geld?<br />
Specksack:Mein Geld? – Ach so, immer<br />
dasselbe, Geld, mein Geld, jeder will mein<br />
Geld, hier hast du es, aufdringlicher Kerl,<br />
ich bekomme es ja sowieso zurück!<br />
Zeitungsjunge: Pss sooooowas!<br />
(Der Zeitungsjunge geht weiter sein Blatt<br />
anpreisend aus dem Zuschauerraum hinaus.<br />
Oben auf dem Po<strong>des</strong>t liest Specksack<br />
die Schlagzeilen und führt ein lautes Selbstgespräch)<br />
Specksack:Ja, ja, es ist schon ein Kreuz,<br />
wenn man jeden Tag seine eigene Zeitung<br />
lesen muss, ein Kreuz ist das. Aber das<br />
Blatt ist gut gemacht, das muss ich meinen<br />
Leuten schon lassen. Das mit der Königin<br />
Ottilie zum Beispiel, ein toller Farbbericht<br />
über die alte Vogelscheuche, wirklich ein<br />
toller Farbbericht! Und alles frei erfunden!<br />
Ich glaube, es war gut, dass ich die Zeitung<br />
aufgekauft habe. Vorher war sie voll Kritik,<br />
Politik, Vorwürfe an mich und meine Partei;<br />
ein übles Blatt, gemacht von Wahrheitsfanatikern.<br />
Und heute? Eine saubere Zeitschrift,<br />
ohne falsche Politik und ohne Kritik.<br />
Das Geschäft floriert, meine Zeitung wird<br />
überall gelesen! Ja, das nenne ich einen<br />
Erfolg. Das Volk ist dumm, es will eine<br />
dumme Zeitung, meine Zeitung! Mal sehen,<br />
was es heute Abend an Unterhaltungen<br />
gibt: Aah, ein <strong>Circus</strong> ist in der Stadt, ein<br />
richtiger <strong>Circus</strong>. Das ist fein, ganz nach<br />
meinem Wunsch. Ein <strong>Circus</strong> lenkt die Leute<br />
ab! Ein Clown, ein paar wilde Tiere, und<br />
schon ist das Publikum zufrieden! (Er zerreißt<br />
die Zeitung und wirft sie ins Publikum.)<br />
Keine Politik ist meine Politik, keine Kritik,<br />
das ist das Erfolgsrezept, Brot und Spiele –<br />
so hat es der alte Römer Cäsar genannt<br />
und er hatte Recht. Er war eben ein genauso<br />
tüchtiger Geschäftsmann wie ich!<br />
(Da bricht die Musik los, die Scheinwerfer<br />
auf der Bühne gehen an, Specksack sitzt<br />
wieder im Dunkeln, der Clown Ferdinand<br />
steckt seinen Kopf aus dem Vorhang,<br />
wartet auf den Tusch, die Musik wird leise,<br />
Trommelwirbel, der Vorhang geht auf,<br />
Clown Ferdinand springt auf der Bühne vor<br />
bis an den Rand, verbeugt sich mehrmals<br />
(Klatschen, Anfeuern!) und beginnt laut und<br />
reißerisch seine Ansage):<br />
Akt<br />
Clown<br />
Ferdinand: Hochverehrtes Publikum, liebe<br />
Kinder, Väter und Mütter, Omas und Opas,<br />
Tanten und sonstige Menschen, hochverehrtes<br />
Publikum, als einmalige Sensation<br />
gastiert heute hier bei Ihnen in Reichland<br />
der weltberühmte <strong>Circus</strong> <strong>Arm</strong>! Vorhang auf,<br />
Manege frei, Applaus für den <strong>Circus</strong> <strong>Arm</strong>!!<br />
(verbeugt sich)<br />
(Musik setzt wieder ein)<br />
Hochverehrtes Publikum, Bürger von<br />
Reichland, heute Abend hier bei Ihnen, eine<br />
aufregende Fülle spannender Sensationen,<br />
sagenhaft, oft kopiert und nie erreicht, <strong>Circus</strong><br />
<strong>Arm</strong> präsentiert Ihnen heute Abend:<br />
Tigerlilly mit der wilden Bestie Zimba.<br />
(Lilly trippelt auf die Bühne, knickst und<br />
geht wieder ab.)<br />
Mogli und seine Elefanten-Parade!<br />
(Tritt vor, verbeugt sich und geht ab)
5<br />
Ali Ben Ali mit seiner Löwendressur!<br />
(Tritt vor, verbeugt sich und geht ab.)<br />
Und aus dem fernen Amazonasgebiet<br />
Juan Juanito mit seinem tollkühnen Ritt auf<br />
zwei Krokodilen!<br />
(Tritt vor, verbeugt sich und geht ab.)<br />
Sie sehen, lieber Bürger von Reichland,<br />
<strong>Circus</strong> <strong>Arm</strong> kommt zu Ihnen mit einem Feuerwerk<br />
an Sensationen, Nervenkitzel, ja<br />
Hochspannung!<br />
(Musik hört auf)<br />
Und nun, hochverehrtes Publikum,<br />
nun geht es los mit der ersten Sensation<br />
<strong>des</strong> heutigen Abends, schnallen Sie sich an<br />
und putzen Sie ihre Brille, denn jetzt, jetzt<br />
kommt Zimba Zimba, der wilde Tiger aus<br />
den unwegsamen Dschungeln <strong>des</strong> fernen<br />
Indiens, Zimba, die riesige Bestie, der fauchende<br />
Tiger mit den gelben Augen, hochverehrtes<br />
Publikum Sie werden den Atem<br />
anhalten, Ihr Herz bleibt stehen und Sie<br />
werden sich verschlucken vor Angst, wenn<br />
Sie sehen, wie unsere zarte, charmante,<br />
zierliche Lilly…<br />
(Lilly mit der Peitsche in der Hand trippelt<br />
herein, tippt dem Clown von hinten auf die<br />
Schulter, er aber redet ununterbrochen weiter)<br />
die wilde Bestie Zimba zu einem zarten,<br />
schnurrenden süßen Tigerkätzchen<br />
verwandelt. Ihnen stockt das Blut in den<br />
Adern, wenn Sie dann erleben werden, wie<br />
unsere zarte Lilly ihr zierliches Köpfchen<br />
tief in den Rachen der Bestie steckt<br />
(er dreht sich um, bemerkt endlich Lilly und<br />
ruft ins Publikum:)<br />
Und hier ist die mutigste kleine Tigerbändigerin<br />
der Welt unsere zierliche Tigerlilly!<br />
Applaus für Tigerlilly und die Bestie<br />
Zimba!<br />
(Tusch)<br />
Und nun bitte ich um absolute Stille,<br />
reißen Sie sich zusammen und halten Sie<br />
die Luft an bei der atemberaubenden Vorstellung<br />
von Tigerlilly mit der Bestie Zimba!<br />
(legt den Zeigefinger vor den Mund und<br />
macht Psst! Stille!)<br />
Lilly: Du, Ferdinand…(zaghaft)<br />
Clown: (eindringlich flüsternd) was ist<br />
denn, du musst jetzt anfangen!<br />
Lilly: Du Ferdinand, ich muss dir etwas<br />
sagen…<br />
Clown: Hab ich was vergessen?<br />
(bohrt sich fragend in der Nase und schaut<br />
suchend und überlegend ins Publikum)<br />
Ach ja, jetzt fällt’s mir wieder ein,<br />
Liebe Zuschauer aus Reichland, bitte achten<br />
Sie darauf, dass während dieser<br />
spannenden und gefährlichen Minuten niemand<br />
von den Omas und Opas den Tiger<br />
am Schwanz zieht und versuchen Sie bitte<br />
auch nicht, den Tiger mit Eis oder Kaugummi<br />
zu füttern, davon bekommt er nämlich<br />
Schluckauf!<br />
(Schaut fragend zu Lilly)<br />
Meinst du dies?<br />
Lilly: Nein, das nicht! Du. Ferdinand, ich<br />
muss Dir was sagen<br />
(Pause)<br />
Wir haben keinen Tiger mehr!<br />
Clown: Waas?<br />
Lilly: Der Tiger ist weg!<br />
Clown: Richtig weg und es kommt auch<br />
keiner neuer mehr nach?<br />
Lilly: (traurig) Richtig weg und es kommt<br />
auch kein neuer mehr nach!<br />
Clown: Oooch, und wo ist er jetzt?<br />
Lilly: Wenn ich das nur wüsste!<br />
Clown: (ins Publikum) Haben sie unseren<br />
Tiger gesehen, so ein großer mit<br />
gelbem Fell und schwarzen Streifen, ganz<br />
zahm?<br />
Wo? Im Zoo? Nein, das ist nicht unser<br />
Tiger, wir sperren ihn doch nicht im Käfig<br />
ein!<br />
Lilly: Hat ihn denn niemand gesehen? So<br />
ein Tiger fällt doch auf, wenn er frei herumläuft<br />
Clown: Vielleicht haben sie ihn totgeschossen,<br />
weil sie Angst vor ihm haben?<br />
Lilly: Aber er ist doch ganz zahm und<br />
außerdem hat ihn niemand gesehen! Oder?<br />
(Sie schaut suchend ins Publikum)<br />
Clown: (traurig zu Lilly) Sie haben ihn<br />
nicht…<br />
Lilly:<br />
(legt ihren Kopf an die Schulter <strong>des</strong> Clowns,<br />
der nimmt sie in den <strong>Arm</strong> und beide seufzen<br />
laut)<br />
<strong>Arm</strong>er Zimba!<br />
(Plötzlich geht das Licht aus, Barmusik wird<br />
laut, ein Scheinwerfer erfasst ein Mannequin,<br />
das an der Seite am Publikum vorbei<br />
tänzelt und dabei einen Mantel aus Tigerfell
6<br />
vorführt; immer wieder öffnet Sie den<br />
Mantel und dreht sich im Scheinwerferlicht.<br />
Während sie langsam am Publikum vorbei<br />
in Richtung Bühne tänzelt, ruft Specksack<br />
von seinem Po<strong>des</strong>t mit gekünstelter<br />
Stimme die Ansage diese Modenschau<br />
aus:<br />
Specksack:Meine Damen und Herren,<br />
Ladies und Gentlemen und hier sehen Sie<br />
das neueste Modell <strong>des</strong> Pelzhauses Specksack<br />
– International: Indischer Tigermantel,<br />
innen weich mit Seide gefüttert. Bitte beachten<br />
Sie den eleganten Schnitt dieses<br />
außergewöhnlichen Modells, die besonders<br />
ausgeprägte Zeichnung <strong>des</strong> Pelzes! Nun,<br />
meine Damen, der Preis dieses edlen<br />
Stückes ist eine besondere Leistung <strong>des</strong><br />
Hauses Specksack – International: ganze<br />
4000 Euro kostet dieses Stück!<br />
(Inzwischen ist das Mannequin auf der<br />
Bühne angetänzelt, der Scheinwerfer<br />
erfasst den Clown und Lilly, die ungläubig<br />
auf das Mannequin starren, das den Mantel<br />
öffnet, sich dreht, einen Knicks macht und<br />
dann auf der anderen Bühnenseite<br />
verschwindet.)<br />
(Der Clown und Lilly sehen sich entsetzt an<br />
und schreien dann laut:)<br />
Clown und Lilly: Zimbaaaa!<br />
(Lilly rennt hinter dem Mannequin her und<br />
schreit:)<br />
Lilly: Gib sofort den Tiger her, du Ziege,<br />
das ist unser Tiger, los gib ihn her<br />
Mannequin: Hilfe, Überfall, Hilfe!!<br />
Lilly: Den Mantel her, los, sofort!<br />
(Stille, Lilly erscheint außer Atem zurück<br />
auf der Bühne, in der einen Hand den<br />
Mantel hinter sich herziehend. Sie hebt den<br />
Mantel hoch und zeigt ihn dem Clown und<br />
der sagt;)<br />
Clown: Zimba<br />
(und zum Publikum hin)<br />
und dabei war er soo zahm!<br />
Lilly: Was soll ich nur machen?<br />
(geht langsam ab von der Bühne, der<br />
Clown sieht traurig nach)<br />
Was soll ich jetzt nur machen?<br />
(Vorhang zu; nachdenklich schaut der<br />
Clown ihr nach bis das Publikum klatscht,<br />
weil es meint, der erste Akt sei zu Ende.<br />
Nach dem Applaus dreht der Clown sich<br />
wieder zum Publikum und fragt)<br />
Clown: Weitermachen? (achselzuckend)<br />
Sollen wir weitermachen?<br />
Musik!<br />
(Musik fängt an und der Clown sagt die<br />
nächste Sensation an im gleichen Schwung<br />
wie am Anfang!)<br />
Aber jetzt, hochverehrtes<br />
Publikum, jetzt zeigt Ihnen der <strong>Circus</strong><br />
<strong>Arm</strong> die zweite Sensation unseres ersten<br />
Gastspiels in Reichland: die riesengroße<br />
Elefantenparade mit Mogli, dem schwarzen<br />
Elefantenjungen und sieben riesengroßen<br />
afrikanischen Elefanten.<br />
(Musik bricht ab, Clown hebt den <strong>Arm</strong>)<br />
Vorhang frei für Mogli und seine<br />
große Elefantenparade!<br />
(Vorhang öffnet sich, Mogli mit Peitsche<br />
und Turban steht da, keine Elefanten weit<br />
und breit)<br />
Mogli: Du, Ferdinand…<br />
Clown: Mensch Mogli, wo hast du denn<br />
deine Elefanten gelassen?<br />
Mogli: Du, Ferdinand, das ist es ja, die<br />
Elefanten sind verschwunden!<br />
Clown: Und es kommen auch keine<br />
mehr nach?<br />
Mogli: Es kommen keine mehr nach!<br />
Clown: Aber, ich meine, wo sind denn<br />
deine Elefanten geblieben?<br />
Mogli: Ich weiß es nicht, aber ich habe<br />
eine Ahnung.<br />
Clown: Los, sag schnell, vielleicht<br />
können wir sie wieder einfangen.<br />
Mogli: Einfangen? Ich glaube, dazu ist<br />
es zu spät.<br />
Clown: Aber warum denn?<br />
Mogli: Weißt du, ich war vorhin in<br />
einem Möbelgeschäft, einem ganz teuren<br />
Möbelgeschäft.<br />
Clown: In einem Möbelgeschäft?<br />
Wolltest du dir Möbel kaufen?<br />
Mogli: Nein, aber stell Dir vor, was ich<br />
da gesehen habe.<br />
(Lilly ist von hinten auf die Bühne gekommen<br />
und hat sich zum Clown und Mogli gestellt)<br />
Lilly: Die Elefanten im Möbelgeschäft, womöglich<br />
im Schaufenster?<br />
Mogli: Nein, nicht so, sondern viel<br />
schlimmer…<br />
Clown: Ja, was denn?<br />
Mogli: (zum Publikum) Ich habe einen<br />
Aschenbecher aus Elfenbein gesehen, den<br />
haben sie aus Elefantenzähnen geschnitzt
7<br />
(knallt mit der Peitsche)<br />
und einen Schirmständer aus Elefantenfüßen<br />
Lilly und Clown: Ohh!<br />
Mogli: Und einen Sessel aus<br />
Elefantenleder<br />
(knallt mit der Peitsche)<br />
Lilly und Clown: Nein!<br />
Mogli:<br />
(wütend) Das (knallt mit der Peitsche)<br />
habe (knallt mit der Peitsche)<br />
ich (knallt mit der Peitsche)<br />
gesehen (knallt mit der Peitsche)<br />
(Mogli setzt sich mit angezogenen Beinen<br />
in eine Ecke der Bühne, legt den Kopf auf<br />
die Knie und schweigt) (Vorhang geht zu,<br />
der Clown tritt vor und singt:)<br />
Clown: Was mögen das für Menschen<br />
sein, die auf Riesenelefanten zur Jagd ausgehn,<br />
um sie abzuschießen?<br />
Was mögen das für Leute sein, die<br />
nur wegen dem selten teuren Elfenbein die<br />
Elefanten erlegen?<br />
Was mögen das für Menschen sein,<br />
die nur aus Mode die Elefanten ausrotten<br />
und jagen bis zum Tode?<br />
(Clown verbeugt sich und wartet Beifall ab)<br />
Clown: Aber liebe Zuschauer, noch ist<br />
unser Gastspiel in Reichland nicht beendet,<br />
<strong>Circus</strong> <strong>Arm</strong> präsentiert Ihnen trotz aller Probleme<br />
heute Abend ein Feuerwerk an Sensationen,<br />
wir machen weiter, jetzt und sofort<br />
mit Ali Ben Ali und seiner weltberühmten<br />
Löwendressur!<br />
(Der Clown reißt die eine Hälfte <strong>des</strong> Vorhangs<br />
schwungvoll auf, aber Ali steht da<br />
und winkt ab.)<br />
Clown: Waas? Die Löwen auch?<br />
Ali: Die Löwen sind weg!<br />
(Die anderen kommen ungläubig angelaufen)<br />
Alle: Und es kommen auch keine mehr<br />
nach?<br />
Ali: Weg ist weg. Woher soll ich denn so<br />
schnell neue Löwen bekommen?<br />
(Der Clown rennt vor zum Bühnenrand und<br />
hebt beschwichtigend seine <strong>Arm</strong>e)<br />
Clown: Halt, gehen Sie noch nicht nach<br />
Hause, keine Panik, liebe Zuschauer, noch<br />
haben wir ja die Sensation aus <strong>Arm</strong>land,<br />
Juan Juanito, den Indianer aus dem Amazonasgebiet,<br />
Juan Juanito mit seinem tollkühnen<br />
Ritt auf zwei Krokodilen!<br />
(Der Clown rennt zurück und reißt die zweite<br />
Hälfte <strong>des</strong> Vorhangs auf. Da steht Juan<br />
Juanito stumm und mit einem Plastikkrokodil<br />
unter dem <strong>Arm</strong>. Der Clown schaut sich<br />
suchend um, geht um Juan Juanito herum,<br />
schaut auf die anderen und alle rufen laut:)<br />
Alle: Die Krokodile sind weg!<br />
(Juan Juanito zieht zögernd sein Plastikkrokodil<br />
unter dem <strong>Arm</strong> hervor, hält es den<br />
anderen hin und sagt:)<br />
Juan Juanito: Und da hab ich gedacht,<br />
so ein Krokodil ist besser als gar keines.<br />
Lilly: Aber das ist ja ein Spielzeugkrokodil!<br />
Clown: Und wo sind die echten geblieben?<br />
Juan Juanito: Ich musste gar nicht lange<br />
suchen, sie sind hier!<br />
Clown: Hier in Reichland?<br />
Juan Juanito: Hier in Reichland.<br />
Mogli: Und was haben sie mit den echten<br />
Krokodilen gemacht?<br />
Juan Juanito: Handtaschen aus Krokodilleder,<br />
Gürtel aus Krokodilleder, Schuhe<br />
aus Krokodilleder, Brieftaschen aus Krokodilleder…<br />
Clown: Hör auf, das ist ja nicht zum<br />
Aushalten!<br />
Lilly: Das ist verrückt! Die Leute sind verrückt,<br />
alles ist verrückt!<br />
Clown: Wieso?<br />
Lilly: Aus den echten Krokodilen machen<br />
sie Handtaschen und aus den unechten<br />
Plastik<br />
(hebt Juan Juanitos Krokodil hoch und wirft<br />
es ins Publikum)<br />
machen sie Krokodile!<br />
Mogli: Ich habe keine Lust mehr, wenn<br />
die uns hier alle Tiere wegnehmen!<br />
Juan Juanito: Und ohne Tiere gibt es<br />
auch keinen <strong>Circus</strong> <strong>Arm</strong>! Ein armer <strong>Circus</strong>!<br />
Lilly: Die Leute in Reichland machen uns<br />
arm!<br />
Clown: Sie nehmen uns alles weg.<br />
Juan Juanito: Und geben uns Krokodile<br />
aus Plastik!<br />
Mogli: Ich habe keine Lust mehr, ich<br />
will zurück.<br />
Lilly: Aber was können wir denn machen?<br />
Clown: Mogli hat Recht, lasst uns zurückgehen<br />
nach <strong>Arm</strong>land und dafür sorgen,<br />
dass sie nicht noch die letzten seltenen Tiere<br />
dort abschießen.<br />
Geh'n wir, Reichland ist nicht unser<br />
Land, geh'n wir.<br />
(alle packen ihre Sachen und verlassen die<br />
Bühne, Licht aus.)
8<br />
Ende <strong>des</strong> 1. Aktes<br />
2. Akt<br />
Vorspiel zum 2. Akt<br />
(Der Bühnenvorhang ist geschlossen,<br />
Specksack sitzt auf seinem Po<strong>des</strong>t und liest<br />
für alle sichtbar Zeitung.<br />
Er blättert um und stutzt:)<br />
Specksack:Was muss ich hier lesen? In Indien<br />
haben sie Jagd auf Tiger verboten? Ja<br />
woher soll ich denn jetzt meine Tigerfelle<br />
bekommen? Das ist ein harter Schlag für<br />
das Pelzhaus Specksack – International.<br />
Was sich diese Inder nur einbilden, so<br />
einfach die Jagd auf Tiger zu verbieten, das<br />
ist ja unerhört! Und was soll denn das? In<br />
Afrika ist die Elefantenjagd verboten<br />
worden, damit diese Tiere nicht<br />
aussterben? Ja an mich und mein Möbelgeschäft<br />
denkt wohl keiner? Und die Krokodiljagd<br />
am Amazonas ist auch verboten? Das<br />
ist ja eine ungeheure Frechheit! Soll ich<br />
denn alles aus Plastik machen? Da kann<br />
man es wieder einmal sehen, diese Eingeborenen<br />
in <strong>Arm</strong>land haben keinen Sinn für<br />
ein gutes Geschäft! Verbieten einfach die<br />
Jagd auf Tiger, Elefanten und Krokodile!<br />
Die ruinieren mein Geschäft! Ich muss mir<br />
etwas Neues ausdenken, ein neues Geschäft,<br />
ein gutes Geschäft – ich muss nachdenken!<br />
Ich muss mir etwas einfallen<br />
lassen, ich brauche ein neues Geschäft!<br />
Aha! ich glaube, ich hab's! Wenn ich keine<br />
Tigerfelle und Elefantenzähne, kein<br />
Elefantenleder und keine Krokodile her bekommen<br />
kann, dann muss ich eben die<br />
Leute von Reichland dazu bekommen, dass<br />
sie dort hinfahren, wo sie Tiger, Elefanten<br />
und Krokodile zu sehen bekommen. Ich<br />
kaufe einfach eine Reisefirma! Fräulein<br />
Mietze, Fräulein Mietze, wo stecken Sie<br />
denn schon wieder?<br />
(Die Sekretärin Fräulein Mietze – das<br />
Mannequin – kommt aus dem Zuschauerraum<br />
herangestöckelt, mit Stenoblock und<br />
Riesenbrille, stellt sich unten vor das Po<strong>des</strong>t<br />
und haucht:)<br />
Frl. Mietze: Haben Sie mich gerufen, Chef?<br />
Specksack:Ich habe Sie immer gerufen,<br />
wenn Sie zu spät kommen.<br />
Frl. Miete: Aber ich war im Theater…<br />
Specksack:Wer macht hier Theater, Sie<br />
machen Theater! Also schreiben Sie: An<br />
meine Bank<br />
Frl. Mietze: An meine Bank<br />
Specksack:Doch nicht an ihre Bank, an<br />
meine Bank!<br />
Frl. Mietze: Aber das hab ich doch geschrieben,<br />
Chef!<br />
Specksack:Also, schreiben Sie jetzt das,<br />
was ich ihnen sage!<br />
Frl. Mietze: Jawohl, Chef<br />
Specksack:An meine Bank<br />
Frl. Mietze: Das hab ich schon Chef!<br />
Specksack:Sie sollen mir nicht dauern<br />
widersprechen, wie oft soll ich Ihnen das<br />
noch sagen!<br />
Frl. Mietze: Jawohl, Chef!<br />
Specksack:Schreiben Sie jetzt endlich an<br />
meine Bank – hiermit gebe ich ihnen<br />
Anweisung, sofort alle wichtigen Reisebüros<br />
in Reichland zu kaufen. Hochachtungsvoll<br />
Specksack<br />
Frl. Mietze: …voll Specksack<br />
Specksack:Los verschwinden Sie, Frl.<br />
Mietze, der Brief muss sofort raus!<br />
(Frl. Mietze stöckelt weg und Specksack<br />
greift zum Telefon)<br />
Specksack:Hallo, Hallo, ist dort das<br />
Extrablatt? Jawohl! Hier ist Specksack, ich<br />
bin's persönlich! Also, hören Sie genau zu!<br />
Ich will im neuen Extrablatt einen Riesenartikel<br />
über die Schönheit von <strong>Arm</strong>land.<br />
Was sagen Sie?<br />
Was reden Sie da für dummes Zeug<br />
von Hunger und <strong>Arm</strong>ut, von Elend und<br />
Krankheit? Wen interessiert das denn, dass<br />
in <strong>Arm</strong>land die Kinder verhungern? Was?<br />
Das ist die Wahrheit? Also, jetzt hören Sie<br />
mir einmal ganz genau zu: Was die Wahrheit<br />
ist, bestimme ich und ich sage Ihnen<br />
die Wahrheit, denn mir gehört die Zeitung.<br />
So, und wenn ihnen ihre Arbeit beim<br />
Extrablatt lieb ist, dann schreiben Sie, was<br />
ich Ihnen jetzt sage, sonst fliegen Sie raus!<br />
(Pause)<br />
Ahaa, das klingt schon freundlicher,<br />
also, ich will einen Artikel über das Traumland<br />
<strong>Arm</strong>land!<br />
Was?<br />
Kommen Sie mir nicht schon wieder<br />
mit der <strong>Arm</strong>ut der Menschen, ich habe Ihnen<br />
doch schon einmal gesagt, dass interessiert<br />
unsere Leser nicht! Schreiben Sie<br />
einen Artikel nach dem Motto: arm aber
9<br />
glücklich, Sonne, Abenteuer, Sand, Meer,<br />
alles was Sie suchen! Unsre Leser müssen<br />
von der Reiselust gepackt werden! Haben<br />
Sie verstanden? Umso besser, und jetzt<br />
schreiben Sie!<br />
(Specksack wirft den Hörer auf die Gabel<br />
und lacht)<br />
Sehen Sie, so einfach ist das und ein<br />
gutes Geschäft dazu!<br />
(Der Zeitungsjunge kommt von hinten in<br />
den Saal, ruft seine Schlagzeilen aus, gibt<br />
Specksack eine Zeitung, der lacht so laut er<br />
kann, geht weiter und verlässt den Saal<br />
wieder)<br />
Zeitungsjunge: Extrablatt, Extrablatt, heute<br />
mit dem großen Sonderteil Traumreisen<br />
ins Abenteuer, Extrablatt, lesen Sie heute,<br />
warum Königin Ottilie in <strong>Arm</strong>land auf Tigerjagd<br />
geht, Extrablatt, Extrablatt, lesen Sie<br />
die neue Serie »Krokodile im Amazonas«,<br />
Extrablatt, gerade frisch, heute mit der<br />
Reportage »warum sind die Inder<br />
schlank?«<br />
Extrablatt mit dem Forscherbericht<br />
»<strong>Arm</strong> aber glücklich – oder warum die<br />
Neger immer lachen«,<br />
Extrablatt hat für Sie erkundet: die billigsten<br />
Reisen ins Land der Sonne, ans<br />
Meer, in den Dschungel, lesen Sie im<br />
Extrablatt, warum die Nordsee so dreckig<br />
ist, Extrablatt mit dem neuen Preisrätsel,<br />
gewinnen Sie eine Reise an die Traumstrände<br />
Afrikas, Extrablatt, Sommer,<br />
Sonne, ferne Länder, Extrablatt zeigt Ihnen,<br />
wo Sie noch echte Gastfreundschaft finden,<br />
Extrablatt, Extrablatt…<br />
(Gong, Specksacks Po<strong>des</strong>t versinkt im<br />
Dunkeln, die Bühnenbeleuchtung geht an,<br />
der Vorhang geht auf und wir sehen unsere<br />
<strong>Circus</strong>leute in ihren Trachten und Kostümen<br />
zusammensitzen auf dem Boden; im<br />
Hintergrund sind ein paar Hütten gemalt,<br />
kein Grün, auf der rechten Seite der Bühne<br />
steht ein Schilfzaun. Plötzlich zieht hinter<br />
dem Schilfzaun eine Reisegruppe auf, und<br />
ein Herr mit Fernglas macht Psst, zeigt auf<br />
die <strong>Circus</strong>leute und reicht jedem das Fernglas,<br />
damit er einmal durchgucken kann.<br />
Von der Reisegruppe ist nur leises Getuschel<br />
zu hören, während sich die <strong>Arm</strong>länder<br />
deutlich unterhalten; sie klingen erschöpft<br />
und reden mit großen Pausen.)<br />
Clown: Ich kann nichts dafür, dass es<br />
nicht regnet!<br />
Mogli: Wenn wir nicht bald etwas zu<br />
essen bekommen, dann müssen wir alle<br />
verhungern!<br />
Lilly: Unsere Kinder sind krank, sie liegen<br />
in den Hütten und haben Fieber. Wir brauchen<br />
Milch für unsere Kinder!<br />
Clown: Wir haben keine Milch!<br />
(stößt Topf mit dem Fuß um)<br />
Juan, Juanito: Wenn wir wenigstens<br />
Wasser hätten.<br />
Clown: Es hat nicht geregnet seit wir<br />
zurück sind. Die Felder sind verdorrt, die<br />
Brunnen sind leer.<br />
(Ali kommt mit einem Speer in der Hand auf<br />
die Bühne und setzt sich wortlos zu den<br />
anderen)<br />
Clown:<br />
(zu Ali): Was bringst du von der Jagd<br />
zurück?<br />
Ali: Nichts, es gibt nichts zu jagen, die<br />
Herden sind weg gewandert, dorthin, wo es<br />
Wasser gibt.<br />
Mogli: Ich habe Hunger.<br />
Clown: Wir haben nichts zu essen.<br />
Lilly: Die Kinder brauchen Milch.<br />
Juan Juanito: Ich habe Durst.<br />
Clown: Wir haben kein Wasser, die<br />
Brunnen sind leer.<br />
Ali: Warum regnet es nicht?<br />
Mogli: Was haben wir falsch gemacht,<br />
dass wir hungern müssen, dass unsere<br />
Kinder nicht leben dürfen – was haben wir<br />
falsch gemacht, dass es nicht geregnet hat,<br />
seit wir zurückgekommen sind?<br />
Clown: Nichts<br />
Wir müssen warten.<br />
Lilly: Warten. Worauf?<br />
Clown: Auf den großen Regen, der die<br />
Brunnen füllt und die Weide saftig macht,<br />
der die Ernte segnet und uns Essen gibt,<br />
damit unsere Kinder satt werden.<br />
Ali: Lasst es uns noch einmal probieren,<br />
wie es uns unsere Väter gelehrt haben!<br />
(Sie hocken sich alle im Kreis hin, jeder vor<br />
sich ein Stück Holz, mit dem sie rhythmisch<br />
auf den Boden klopfen.)<br />
Clown: O Herr, der du den Regen<br />
bringst, hier sitzen wir und sagen Dir, dass<br />
un- sere Brunnen ausgetrocknet sind. Unsere<br />
Kinder liegen krank in den Hütten, die<br />
Herden sind verschwunden.<br />
O Herr, der du den Regen bringst,<br />
warum müssen Deine Kinder hungern,<br />
Deine Felder verdorren, Deine Krieger verdursten?
10<br />
O Herr, der du die Wolken bewegst,<br />
wir, Deine Kinder flehen Dich an und bitten<br />
Dich, schicke uns Regen, lasse uns nicht<br />
länger warten, hungern und dursten, denn<br />
wir haben keine Kraft mehr!<br />
(Der Clown setzt sich wieder hin, wie alle<br />
anderen und beginnt rhythmisch mitzuklopfen,<br />
wobei alle immer wieder gemeinsam<br />
zum Rhythmus das Wort »Reeegen«<br />
beschwörend aussprechen. Mit der Zeit<br />
werden sie leiser, hören einer nach dem<br />
anderen auf »Regen« herbeizuflüstern,<br />
klopfen aber weiter. Nur der Clown<br />
beschwört immer noch deutlich vernehmbar<br />
den Regen. Langsam fallen einige<br />
»Klopfer« aus dem Takt und dann ganz<br />
aus. Zum Schluss der Beschwörung klopft<br />
der Clown alleine, viel langsamer als zuvor<br />
und stößt immer wieder die Formel<br />
»Regen« hervor. Die anderen sitzen mehr<br />
oder weniger apathisch, den Blick auf den<br />
Boden gerichtet da. Während der Clown<br />
fast alleine und verzweifelt den Regen<br />
beschwört, werden die Touristen hinter dem<br />
Schilfzaun lauter, so dass die Zuschauer<br />
ihre Gespräche deutlich mitbekommen.)<br />
Reiseführer: Psst, liebe Gäste der Fotosafari<br />
durch die Wildnis von <strong>Arm</strong>land, Sie<br />
haben die seltene Gelegenheit, eine<br />
Gruppe Eingeborener beim Kriegstanz zu<br />
Gesicht zu bekommen.<br />
Eine Frau: Siehst du, Hermann, das sind<br />
richtige <strong>Arm</strong>länder Eingeborene! Herr<br />
Reiseleiter, sind diese Eingeborenen gefährlich?<br />
Reiseleiter: Man muss vorsichtig sein, aber<br />
ich glaube, sie sind harmlos. Sehen Sie<br />
nur, wie still sie dort sitzen. So, und nun<br />
nehmen wir unsre Kameras in die Hand,<br />
Blende 16, ein 125stl, Achtung, Aufnahme!<br />
(Bei dem Kommando »Aufnahme!« blitzen<br />
die Touristen mit ihren Kameras los, trampeln<br />
den Schilfzaun nieder und überrumpeln<br />
die völlig teilnahmslosen <strong>Arm</strong>länder,<br />
die stumm vor Erstaunen alles mehr oder<br />
weniger über sich ergehen lassen.)<br />
Reiseführer: Und nun, liebe Safarigäste,<br />
nehmen Sie bitte den kleinen Plastikbeutel<br />
mit Bonbons, Glasperlen, Spiegeln,<br />
Kugelschreiber und anderen Krimskrams<br />
und machen Sie den Eingeborenen ein Geschenk<br />
oder tauschen Sie damit ein Reiseandenken<br />
ein!<br />
Eine Frau: Das gelbe Plastikbeutelchen,<br />
Hermann!<br />
Reiseführer: Und ich rede inzwischen<br />
mit dem Häuptling, dem mit den vielen<br />
Farben im Gesicht!<br />
(geht auf Ferdinand zu und spricht ihn laut<br />
und direkt an)<br />
Umga, umnuga, batta, batta, Foto-<br />
Knipsi, ratta-ratta, viel Touristi, tanzi, tanzi,<br />
umnuga, Knipse auf Safari, du verstehn?<br />
Clown: Ich habe Hunger<br />
Eine Frau: Hermann, guck mal der Kleine<br />
hier, is der nich niedlich, seinen Turban,<br />
Hermann, den muss ich unbedingt haben,<br />
wat denkste, was die Krause von nebenan<br />
sagt, wenn ich mit dem Hut nach dem<br />
Urlaub zum Kaffeekränzchen komme!<br />
(sie dreht sich direkt zu Mogli)<br />
Du Kleiner, der Hut, was kostet der?<br />
Mogli: Ich habe Hunger.<br />
Frau: Hermann, was hat er gesagt?<br />
Mogli: Ich habe Durst!<br />
Frau: Ach ist der süüüß, Hermann, so und<br />
nun gib her Kleiner, so, her damit, hier hasde<br />
die Perlen, so, und jetzt Hermann, jetzt<br />
mach ein Foto von uns beiden!<br />
(Sie hat sich den Turban von Mogli aufgesetzt<br />
und sich neben Mogli gestellt.<br />
Hermann fotografiert beide.)<br />
Frau: Ach und die Kleine hier, Hermann,<br />
sieh mal das Halsband!<br />
(ratsch, reißt sie Lilly das Halsband ab)<br />
Und dieser <strong>Arm</strong>reif, ach ist der niedlich.<br />
(reißt ihr das <strong>Arm</strong>band vom <strong>Arm</strong>)<br />
Und hier der Kleine¸ sieht ja aus wie’n<br />
Löwenbändiger, die Peitsche, aus Leder<br />
geflochten, Hermann, die passt gut über die<br />
Kommode im Esszimmer<br />
(nimmt Ali die Peitsche weg)<br />
Und der hier mit seinem Krokodil,<br />
Hermann, die sind echt, ich will das Krokodil<br />
(nimmt Juan Juanito das Krokodil ab)<br />
Ach Hermann, ist das schön bei<br />
diesen drolligen Wilden, Hast du auch alles<br />
schön geknipst? Ja, Hermann?<br />
(sie wendet sich zum Reiseführer)<br />
So, Herr Reiseführer, und jetzt ab<br />
zum nächsten Stamm, von dem hier haben<br />
wir schon alles, gell Hermann?<br />
(Alle ziehen geräuschvoll ab, trampeln noch<br />
einmal über den Schilfzaun. Die <strong>Arm</strong>länder<br />
stehen da ohne sich zu rühren, fassungslos<br />
sehen sie sich an)
11<br />
Mogli:<br />
(achselzuckend) Sie haben meinen Turban<br />
mitgenommen und haben mir Glasperlen<br />
hier gelassen. Wie soll ich mich mit<br />
Glasperlen vor der Sonne schützen?<br />
Lilly: Du hättest der Alten eine runterhauen<br />
sollen!<br />
Mogli: Du hast dich ja auch nicht gewehrt!<br />
Ich bin müde. Sie hat mir alles abgenommen<br />
und son’n Mistzeug hat sie hier<br />
rumliegen lassen. Was soll ich damit?<br />
Werden davon unsere Kinder satt?<br />
Ali: Meine Peitsche ist auch futsch.<br />
Juan, Juanito: Sie haben mir mein letztes<br />
Krokodil genommen und den Gürtel<br />
meiner Hose, So,<br />
(damit streift er seine kaputte Hose ab)<br />
Wenn sie sowieso alles wegnehmen,<br />
dann sollen sie diesen Fetzen auch noch<br />
haben!<br />
(wirft die Hose in die Richtung, in der die<br />
Touristen die Bühne verlassen haben)<br />
Clown:<br />
(traurig) Sie nehmen uns alles ab. Ein<br />
Wunder, dass sie mir die Farben im Gesicht<br />
gelassen haben!<br />
(zum Publikum, beschwörend)<br />
Oh Bürger von Reichland, was macht<br />
ihr nur mit uns?<br />
(Alle treten vor an den Bühnenrand und<br />
singen nach der Melodie <strong>des</strong> »Bürgerlie<strong>des</strong>«)<br />
Oh Bürger von Reichland,<br />
Ihr nehmt uns alles ab,<br />
Ihr tötet unsere Tiere,<br />
damit Ihr alles habt,<br />
und das nur, weil’s modern ist<br />
und chic und elegant,<br />
erst sterben unsre Tiere,<br />
dann stirbt das ganze Land.<br />
Oh Bürger von Reichland,<br />
und kommt Ihr mal zu uns,<br />
dann nehmt Ihr unsere Schätze,<br />
dann nehmt Ihr unsere Kunst,<br />
und alles, weil’s modern ist<br />
und chic und elegant,<br />
erst nehmt Ihr unsere Schätze<br />
und dann das ganze Land.<br />
Oh Bürger von Reichland,<br />
wann hört Ihr endlich auf,<br />
uns alles wegzunehmen für euren<br />
Saus und Braus,<br />
wann gebt Ihr uns was wieder,<br />
wann bringt Ihr uns zurück, was Ihr<br />
uns weggenommen, und was uns fehlt<br />
zum Glück.<br />
(Alle verbeugen sich und bleiben mit<br />
gesenkten Köpfen stehen)<br />
Vorhang, Ende <strong>des</strong> 2. Aktes<br />
(Die <strong>Arm</strong>länder sitzen auf dem Boden,<br />
nichts hat sich geändert, stumm,<br />
verzweifelt. Gotthilf Büchsel sitzt im Zuschauerraum.<br />
Er steht auf und ruft in den<br />
Zuschauerraum)<br />
Gotthilf Büchsel: Da muss man doch was<br />
machen! Wenn wir nichts machen, dann<br />
verhungern die Menschen in <strong>Arm</strong>land. Wir<br />
müssen ihnen helfen, meint Ihr nicht auch?<br />
(Er geht durch die Zuschauerreihen hoch<br />
zur Bühne, dabei spricht er laut)<br />
Wenn wir nichts machen, dann<br />
verhungern die Leute in <strong>Arm</strong>land, irgendwie<br />
muss man doch helfen; ich habe mich fest<br />
entschlossen: Ich werde ihnen helfen, jawohl!<br />
Clown: Wer bist du?<br />
Gotthilf: Ich bin Gotthilf Büchsel, euer<br />
Entwicklungshelfer!<br />
Lilly: Was ist das?<br />
Juan Juanito: Wer soll entwickelt<br />
werden?<br />
Mogli: Wo kommst du her?<br />
Ali: Und vor allem, wie willst du uns helfen?<br />
Gotthilf: Ich komme aus Reichland, ich<br />
bin euer Entwicklungshelfer, ich will euch<br />
helfen!<br />
Alle <strong>Arm</strong>länder: Aus Reichland, ausgerechnet<br />
aus Reichland?<br />
Gotthilf: Ja, dort aus Reichland.<br />
(Zeigt in den Zuschauerraum)<br />
Genau, denn in Reichland gibt es<br />
auch Menschen, die euch wirklich helfen<br />
wollen!<br />
Lilly: Aber Ihr habt doch gerade alles weggenommen,<br />
warum wollt Ihr uns dann helfen?<br />
Gotthilf: Vielleicht haben wir Mitleid?<br />
Vielleicht ein schlechtes Gewissen?<br />
Vielleicht wollen wir einfach helfen, weil Ihr<br />
Menschen seid wie wir?<br />
Clown: Gut, aber wie willst du uns helfen?<br />
Wie?
12<br />
Gotthilf: Ich bringe euch Arbeit durch die<br />
Industrie, große Werke, große Fabriken,<br />
riesige Chemieanlagen.<br />
(Gotthilf packt aus seinem großen Koffer,<br />
auf dem in großen Buchstaben »Entwicklungshilfe«<br />
steht all das aus, was er den<br />
Leuten verspricht)<br />
Lilly: Das stinkt, qualmt und macht Dreck,<br />
igitt das wollen wir nicht.<br />
Gotthilf: Ich will euch doch nur helfen!<br />
Ali: Solche Hilfe wollen wir nicht!<br />
Gotthilf: Aber stellt euch vor, ihr habt<br />
hier eigene Maschinen, Autos, Züge,<br />
Busse, alles könntet ihr selber machen,<br />
wenn ihr erst die Fabriken habt!<br />
(Wieder packt Gotthilf aus, was er anbietet)<br />
Mogli: Das macht Krach und unser<br />
Land kaputt. Wozu sollen uns die Maschinen<br />
die Arbeit wegnehmen? Was<br />
wollen wir mit der Industrie? Wer soll das<br />
alles kaufen, wer soll das alles bezahlen?<br />
Vergiss nicht, wir sind arm und Ihr kauft uns<br />
sowieso nichts ab, weil Ihr schon alles habt!<br />
Lilly: Was wir brauchen ist Wasser, damit<br />
auf unseren Feldern wieder etwas wächst!<br />
Juan Juanito: Gotthilf, wir haben Hunger<br />
und nichts zu essen! Die Felder machen<br />
uns satt und nicht die Fabriken!<br />
Clown: Und da ist noch etwas: Wir<br />
wollen nicht so werden, wie Ihr in Reichland.<br />
In diesem Reichland: Wo alles stinkt,<br />
wo die Menschen nicht mehr leben, weil sie<br />
immer mehr und immer reicher werden<br />
wollen!<br />
Mogli: Wo alles schnell kaputt geht,<br />
damit die Leute immer wieder das Gleiche<br />
kaufen!<br />
Lilly: Wo sich die reichen Leute in Mänteln<br />
aus Tigerfellen kleiden, nur weil’s modern<br />
ist…<br />
Mogli: Wo sich die reichen Leute<br />
Schmuck aus Elfenbein kaufen, und dafür<br />
bei uns die Elefanten ausrotten…<br />
Juan Juanito: Wo sich die reichen Leute<br />
Handtaschen aus kleinen Krokodilen machen<br />
lassen…<br />
Ali: Und wo die meisten Menschen immer<br />
nur ans Geldverdienen denken müssen, so<br />
dass sie keine Zeit mehr haben für die alten<br />
Leute und die Kinder, jawohl, sie haben<br />
keine Zeit mehr für die Kinder!<br />
Gotthilf: Aber wir haben Autos (zeigt<br />
Auto).<br />
Ali: Mit denen werden die Kinder überfahren,<br />
weil alle es immer so eilig haben!<br />
Gotthilf: Aber wir haben schöne<br />
Wohnungen (zeigt Modellhaus)<br />
Ali: Wo Kinder keinen Krach machen<br />
dürfen, wenn sie spielen wollen.<br />
Gotthilf: Aber wir haben Arbeit und jeder<br />
verdient Geld… (zeigt Geld hoch)<br />
Ali: Ja, Geld haben viele,<br />
aber sie sind nicht glücklich, weil sie<br />
alle dem Geld nachlaufen, weil alle nur das<br />
machen, wo sie am meisten Geld verdienen<br />
und nicht das, was ihnen am meisten Spaß<br />
macht!<br />
Gotthilf: Aber wir haben alle genug zu<br />
essen! Wir haben sogar Überfluss.<br />
Ali: Das stimmt! Ihr habt alle mehr als<br />
genug zu essen und wir haben nichts! Ihr<br />
könnt essen, was Ihr wollt und wir wollen<br />
essen und haben nichts außer Hunger.<br />
Clown: Das ist der Unterschied zwischen<br />
Reichland und <strong>Arm</strong>land.<br />
Gotthilf: Aber <strong>des</strong>halb bin ich doch hier,<br />
um mit euch den Unterschied zu beseitigen!<br />
Lilly: Das ist ganz einfach, Ihr gebt uns<br />
alles zurück, was Ihr uns abgenommen<br />
habt, dann ist der Unterschied weg!<br />
• (Inzwischen ist Specksack wieder auf<br />
seinem Po<strong>des</strong>t oben und ruft lauf hinunter:)<br />
• Specksack: Nichts da, es wird nichts<br />
zurückgegeben, weil wir nichts weggenommen<br />
haben!<br />
• Ali:<br />
• (zu Gotthilf) Wenn die Herren in<br />
Reichland so reden, was sagen Sie<br />
dann zu dem Unterschied?<br />
• Gotthilf:Wie meinst du das?<br />
• Ali: Na, was sagen Sie, warum wir<br />
arm sind und Sie sind reich?<br />
• Specksack: Die <strong>Arm</strong>länder stehen den<br />
ganzen Tag in der Sonne herum und<br />
sind faul.<br />
• Gotthilf:Sie sagen Ihr wäret faul!<br />
• Specksack: Die <strong>Arm</strong>länder wollen<br />
nicht lesen und schreiben lernen, sie<br />
lungern lieber in der Sonne herum und<br />
feiern Feste!<br />
• Gotthilf:Sie sagen, Ihr wäret dumm!<br />
• Specksack: Die <strong>Arm</strong>länder kaufen sich<br />
von unserer Hilfe doch nur goldene<br />
Betten!<br />
• Gotthilf:Sie sagen, dass die <strong>Arm</strong>länder<br />
sich goldene Betten kaufen von dem<br />
Hilfegeld!
13<br />
• Specksack: Die <strong>Arm</strong>länder sind selbst<br />
schuld an ihrer <strong>Arm</strong>ut, weil sie keinen<br />
Fortschritt wollen!<br />
• Gotthilf:Sie sagen von euch, Ihr wäret<br />
primitiv. Wilde Eingeborene, die nicht<br />
wissen, was los ist auf der Welt!<br />
• Specksack: Und dann gibt es natürlich<br />
noch die Katastrophen: Dürrekatastrophen,<br />
Flutkatastrophen, Erdbeben,<br />
Na ja, da müssen wir schon mal helfen!<br />
• Gotthilf:Sie sagen, dass die <strong>Arm</strong>en<br />
nicht fähig sind, sich selbst zu helfen,<br />
wenn etwas passiert!<br />
• Specksack: Was heißt hier »Sie<br />
sagen“? Das steht in meiner Zeitung,<br />
schwarz auf weiß!<br />
• Gotthilf:Es steht sogar in der Zeitung!<br />
• Clown: Eure Zeitung lügt, wie gedruckt!<br />
• Lilly: Siehst du hier goldene Betten?<br />
• Gotthilf:<br />
• (sieht sich um, zögernd:)<br />
• Nein<br />
• Juan Juanito:Was siehst du?<br />
Gotthilf: Nichts! Nur euch.<br />
Ali:<br />
(dreht Gotthilf so herum, dass er in den Zuschauerraum<br />
sieht)<br />
Bei uns siehst du nichts, keine<br />
goldenen Betten, aber was siehst du dort in<br />
Reichland? Na, was siehst du?<br />
Gotthilf: Menschen, die genug zu essen<br />
haben, Menschen, die Kleidung haben,<br />
einen ganz reichen Menschen und viele<br />
weniger reiche Menschen.<br />
Clown: Und warum haben sie alles und<br />
wir nichts?<br />
Gotthilf: Das mit den goldenen Betten<br />
stimmt nicht, dumm seid Ihr auch nicht –<br />
vielleicht, vielleicht, weil es bei euch nicht<br />
regnet?<br />
Lilly: Es hat seit zwei Jahren nicht mehr<br />
geregnet! Seit zwei Jahren.<br />
Ali: Das musst du dir mal vorstellen, seit<br />
zwei Jahren keinen Tropfen Regen!<br />
Gotthilf: Bei uns regnet es oft, das ist ein<br />
Unterschied.<br />
Clown: Holt dieses Stück Unterschied,<br />
wir wollen den Gotthilf draufstellen!<br />
(Die anderen laufen hinter die Bühne und<br />
schleppen den ersten Kasten herbei und<br />
stellen ihn vor Gotthilf auf. Auf den Kasten,<br />
der schräg zum Publikum steht, ist in<br />
großen Buchstaben das Wort Wetter aufgemalt.)<br />
Lilly: So, jetzt muss sich Gotthilf auf die<br />
Kiste stellen, denn in Reichland regnet es<br />
genug, das Wetter ist besser für die Felder<br />
und Gotthilf kommt aus Reichland.<br />
Clown: Seht Ihr, jetzt steht er schon ein<br />
bisschen höher als wir.<br />
Juan Juanito: Aber nur ein bisschen, in<br />
Wirklichkeit ist der Unterschied zwischen<br />
Reichland und <strong>Arm</strong>land viel, viel größer!<br />
Ali: Es fehlt uns noch ein Stück Unterschied!<br />
Mogli: Es fehlt noch ein großes Stück<br />
Unterschied!<br />
Lilly: Es fehlt, dass sie uns alles weggenommen<br />
haben, das fehlt!<br />
Juan Juanito: Warum hat sich denn das<br />
Wetter bei uns geändert? Weil die Reichländer<br />
früher unsere Wälder gerodet haben.<br />
Ali: Weil sie uns erobert haben und dann<br />
haben sie die Wälder abgeholzt, sie haben<br />
uns unsere Felder abgenommen und Kaffee,<br />
Kakao und Baumwolle angepflanzt.<br />
Lilly: Von Kaffee wird keiner satt.<br />
Ali: Von Baumwolle auch nicht.<br />
Juan, Juanito: Und wenn die Wälder<br />
abgeholzt werden, dann wird die gute Erde<br />
in die Flüsse geschwemmt, dann gibt es<br />
Überschwemmungen!<br />
Clown: Und es gibt auch das Gegenteil!<br />
Die Wälder waren wie große Schwämme,<br />
die den Regen auffingen und das Wasser<br />
langsam wieder abgaben.<br />
Juan Juanito: Und was ist heute?<br />
Clown: Und wenn es regnet, werden<br />
die Bäche zu reißenden Strömen, alles<br />
Wasser fließt ab und danach herrscht<br />
große Trockenheit und Dürre.<br />
Lilly: Daran sind die Reichländer schuld,<br />
weil sie die Wälder abgeholzt haben, um<br />
Schiffe zu bauen!<br />
Ali: Und dann haben sie uns auch noch<br />
unsere Äcker abgenommen.<br />
Gotthilf: Wann war das?<br />
Clown: Mein Ur-Urgroßvater hat es<br />
noch erlebt! Die Reichländer waren die Herren<br />
und die <strong>Arm</strong>länder mussten für die Herren<br />
schuften.<br />
Ali: Und meinen Ur-Urgroß-vater haben<br />
sie gefangen und gefesselt und dann haben<br />
sie ihn als Sklaven nach Amerika verkauft!<br />
Clown: Diese Zeit war die Kolonialzeit.<br />
Die reichen herrschten über <strong>Arm</strong>land,<br />
ließen die <strong>Arm</strong>länder für sich schuften und
14<br />
nahmen sich das Land und die Menschen,<br />
als wären sie der liebe Gott!<br />
Mogli:<br />
(Geht hinter die Bühne und zerrt die nächste<br />
Kiste hervor, auf der in großen Buchstaben<br />
Kolonialzeit steht)<br />
Das macht auch ein Stück Unterschied,<br />
dass die Reichen soviel reicher sind<br />
als wir. Der Unterschied, dass sie uns<br />
damals alles abgenommen haben.<br />
Kann mir mal einer helfen?<br />
Juan Juanito: Was sollen wir Dir helfen?<br />
Mogli: Den Gotthilf auf den ersten Unterschied<br />
hochheben, damit ich die Kolonialzeit<br />
drunterschieben kann!<br />
(Mit viel Hauruck und Anstrengung schaffen<br />
sie es, Gotthilf steht nun ein ganzes Stück<br />
höher als die <strong>Arm</strong>länder)<br />
Lilly: Jetzt steht der Gotthilf schon ein<br />
ganzes Stück höher als wir.<br />
Juan Juanito: Und alles wegen der Kolonialzeit.<br />
Lilly: Ja, er steht schon deutlich höher, fast<br />
die Hälfte.<br />
Clown: Aber… eigentlich geht es den<br />
Leuten in Reichland noch viel, viel besser<br />
als uns. Vielmehr als die Hälfte! Da fehlt<br />
noch was.<br />
Lilly: Du Gotthilf, hörst du mich da oben?<br />
Gotthilf: Klar höre ich Dich!<br />
Lilly: Sag, Gotthilf, liegt Reichland noch höher<br />
über <strong>Arm</strong>land als du jetzt?<br />
(Gotthilf sieht von oben prüfend herab auf<br />
die anderen, faltet einen Zollstock auf und<br />
misst den Unterschied, liest oben ab,<br />
schüttelt den Kopf und steckt den Zollstock<br />
wieder ein.)<br />
Gotthilf: Ich glaube, der Unterschied ist<br />
noch größer, es fehlt noch ein Stück Unterschied!<br />
Lilly:<br />
(zu den anderen) Es fehlt noch ein Stück<br />
Unterschied!<br />
Gotthilf: Ich habe eine Ahnung, gebt mir<br />
meinen Koffer.<br />
Mogli: Er hat eine Ahnung! Hier, Dein<br />
Koffer.<br />
Gotthilf:<br />
(er zieht Bananen heraus)<br />
Die Bananen sind hier so billig!<br />
Ali: Wo?<br />
Gotthilf: Hier in Reichland<br />
(er steckt die Bananen wieder weg und holt<br />
ein Radio raus, das spielt)<br />
Und die Transistorradios sind billig.<br />
Juan Juanito: Und wo werden die gemacht?<br />
Gotthilf:<br />
(Radio zurück und Hemd raus)<br />
Von Arbeiterinnen in <strong>Arm</strong>land! Und<br />
Hemden sind auch billig.<br />
Lilly: Und wer näht die Hemden?<br />
Gotthilf:<br />
(Hemd weg und Beutel Reis raus)<br />
Frauen in <strong>Arm</strong>land! Und Reis ist ganz<br />
billig bei uns.<br />
Mogli: Und wo wird der angebaut?<br />
Gotthilf:<br />
(Reis weg und Ei raus)<br />
Der Reis kommt aus <strong>Arm</strong>land! …und<br />
Hühner sind billig!<br />
Lilly: Und wo leben die Hühner?<br />
Gotthilf: In Reichland bei uns, ist doch<br />
klar.<br />
Aber….<br />
Clown: Was aber?<br />
Gotthilf:<br />
(Ei weg und Legemehlsack raus)<br />
Das Hühnerfutter kommt aus <strong>Arm</strong>land.<br />
(Legemehl weg und Hundefutter raus)<br />
Das Hundefutter auch.<br />
(Hundefutter weg und Dose Fisch raus)<br />
Und Fisch, der Fisch ist auch billig bei<br />
uns!<br />
Clown: Und wo kommt der Fisch her?<br />
Gotthilf: Aus dem Meer natürlich.<br />
Clown: Aus welchem Meer?<br />
Gotthilf: Aus dem Meer bei <strong>Arm</strong>land!<br />
(steckt die Dose Fisch wieder weg)<br />
Clown: Gotthilf, von Deinem Standpunkt<br />
da oben, kannst du dort mehr sehen,<br />
als wir da unten.<br />
Gotthilf: Und was seht Ihr?<br />
Clown: Ich sehe, dass wir keinen Fisch<br />
essen können, weil eure Schiffe uns alle<br />
Fische vor der Nase wegfangen!<br />
Lilly: Und ich sehe, dass wir kein Getreide<br />
haben, um Brot zu backen, weil das<br />
wenige, das bei uns wächst an die Reichländer<br />
verkauft wird, die es an ihre Hühner<br />
verfüttern.<br />
Gotthilf: Darum sind unsere Eier so billig!<br />
Lilly: Und ich sehe, dass der Reis so teuer<br />
ist bei uns, weil er an die Reichländer verkauft<br />
wird und die können einfach mehr bezahlen<br />
als wir! Und ich sehe, dass ihr für<br />
den Biosprit eurer Autos bei uns in riesigen
15<br />
Monokulturen Mais, Palmöl, Zucker und<br />
Raps anbauen lasst und dafür Regenwälder<br />
abgeholzt werden.<br />
Gotthilf: Huch, dann essen wir ja euch<br />
den Reis weg!<br />
Lilly: Und ich sehe, dass bei uns die<br />
Frauen für einen Hungerlohn eure Hemden<br />
nähen!<br />
Gotthilf: Das ist ungerecht, wenn diese<br />
Hemden bei uns so billig sind, weil die<br />
Frauen dafür einen Hungerlohn bekommen!<br />
Clown: Das ist Ausbeutung!<br />
Lilly: Das ist ein Stück Unterschied! Die<br />
Ausbeutung, das macht die Reichländer<br />
noch reicher! Deshalb sind dort die Bananen,<br />
die Hemden, die Fische und die Eier<br />
so billig. Die nutzen einfach unsere Arbeit<br />
aus!<br />
Mogli: Das stimmt. Holen wir die Ausbeutung,<br />
das macht noch einen großen Unterschied.<br />
(Die anderen schleppen die letzte Kiste herbei,<br />
auf der das Wort Ausbeutung steht,<br />
und stellen sie vor Gotthilf auf.)<br />
Gotthilf:<br />
(protestierend)<br />
Hey: Ihr könnt mich doch nicht<br />
einfach so hoch heben!<br />
Juan Juanito: Wir Menschen von <strong>Arm</strong>land<br />
haben schon immer die Last der<br />
Reichländer getragen, warum nicht auch<br />
jetzt?<br />
Gotthilf: Aber Ihr macht den Unterschied<br />
ja noch größer!<br />
Clown: Hebt ihn hoch, Hau ruck, höher,<br />
so, auf der Ausbeutung kann er sicher<br />
stehen, so und jetzt ab.<br />
Seht Ihr, das ist die Wahrheit über<br />
den Unterschied zwischen <strong>Arm</strong>land und<br />
Reichland!<br />
Lilly: Zuerst war die Kolonialzeit. Da haben<br />
sie uns alles abgenommen.<br />
Ali: Und seit wir arm sind, seitdem haben<br />
sie diese <strong>Arm</strong>ut ausgenutzt, ja, sie beuten<br />
uns aus. Das ist die Ausbeutung.<br />
Juan Juanito; Und weil sie unsere restliche<br />
Natur zerstört haben, gibt es heute nur<br />
noch Steppe, Wüste und keinen Regen<br />
mehr.<br />
Gotthilf: Das macht den Unterschied!<br />
Clown: Ein großer Unterschied ist das.<br />
Lilly: Es ist die Wahrheit!<br />
(Gotthilf steht oben, still, auf dem Unterschied<br />
und blickt in die Runde, die anderen<br />
stehen unten und sehen sich um. Gotthilf<br />
hat ein Fernglas und guckt damit rum, sieht<br />
aber die <strong>Arm</strong>länder nicht, weil er nicht nach<br />
unten guckt.)<br />
Gotthilf: Haalloo, wo seid Ihr?<br />
Clown: Hier sind wir!<br />
Gotthilf:<br />
(mit Fernglas) Ich sehe nur den Herrn<br />
Specksack und die anderen Reichländer!<br />
Lilly: Du brauchst nur nach unten zu gucken,<br />
dann siehst du uns auch.<br />
Gotthilf: Ach, da seid Ihr!<br />
Lilly: Wer von oben nicht nach unten guckt,<br />
der sieht nur die, die oben sind, ist doch<br />
klar, oder?<br />
Mogli: Er steht ganz schön hoch über<br />
uns!<br />
Ali: Er ist über uns.<br />
Juan Juanito: Er steht da, wie auf einem<br />
Thron, als ob er über uns herrschen würde!<br />
Clown: Jeder, der über uns steht, will<br />
auch über uns herrschen!<br />
Gotthilf: Ich nicht, ich will doch nur helfen!<br />
Juan Juanito: Aber du kommst aus<br />
Reichland und die Leute aus Reichland<br />
haben uns alles weggenommen, alles!<br />
Lilly: Weil sie uns alles wegnehmen, ist der<br />
Unterschied so groß.<br />
Clown: Das ist der Unterschied zwischen<br />
<strong>Arm</strong> und Reich.<br />
Gotthilf: Nein, nein, das stimmt nicht,<br />
ich, ich will euch doch nur helfen, ich stehe<br />
zwar über euch und komme aus Reichland,<br />
aber ich will euch helfen das Nord-Süd-Gefälle<br />
zu überwinden.<br />
Clown: Aha, so nennt ihr den Unterschied<br />
zwischen <strong>Arm</strong>land und Reichland<br />
Nord-Süd-Gefälle, soso.<br />
Gotthilf: Naja, weil doch die reichen<br />
Länder alle im Norden liegen und die armen<br />
im Süden!<br />
Lilly: Quatsch, das ist doch nur, weil Ihr<br />
euch nicht traut, den Unterschied beim<br />
Namen zu nennen!<br />
Gotthilf: Aber es ist doch wahr, alle reichen<br />
Länder liegen im Norden: Amerika,<br />
Russland, Deutschland, Frankreich, England…<br />
Clown: Die Namen kommen mir bekannt<br />
vor!<br />
Ali: Das sind die, die uns alles<br />
wegnehmen!<br />
Juan Juanito: Das sind die Reichländer!<br />
Gotthilf: Und die wohnen im Norden<br />
Mogli: Aber die sind Reichländer
16<br />
Gotthilf: Warum streitet ihr mit mir, ich<br />
will euch doch nur helfen!<br />
Lilly: Du stehst so hoch über uns, wie willst<br />
du das anstellen, uns zu helfen?<br />
Gotthilf: Ich brauche eine Brücke zu<br />
euch, eine Brücke <strong>des</strong> guten Willens!<br />
Ali und<br />
Juan Juanito: Moment, wir holen ein<br />
Brett!<br />
(Sie rennen und schleppen ein Brett ran,<br />
das sie an die Kiste stellen. Auf der einen<br />
Breitseite <strong>des</strong> Brettes steht Nord, auf der<br />
anderen Seite Süd.)<br />
Gotthilf: Das Ende, wo Nord draufsteht,<br />
das muss hier oben her zu mir.<br />
Ali: Weil die Reichländer im Norden<br />
leben.<br />
Juan Juanito: Und das Ende, wo Süd<br />
draufsteht, ist hier unten bei uns, bei den<br />
<strong>Arm</strong>ländern<br />
Gotthilf: Da seht ihr es selbst, das ist<br />
das Nord-Süd-Gefälle zwischen <strong>Arm</strong>land<br />
und Reichland.<br />
Lilly: Das sieht aber ziemlich steil von hier<br />
unten aus!<br />
Clown: Das ist genau so steil für uns,<br />
weil wir unten sind.<br />
Und wenn wir es umdrehen?<br />
Lilly: Dann ist es genau so steil für uns,<br />
weil wir unten sind.<br />
Clown: Dann ist es für uns kein Gefälle,<br />
sondern eine Steigung!<br />
Mogli: Jawohl, für uns ist es eine ungeheure<br />
Steigung, denn wir müssen hinauf,<br />
um zu leben!<br />
Gotthilf: Und für mich ist es ein Gefälle!<br />
Juan Juanito: Du hast gut reden, du<br />
stehst ja auch oben, du bist reich!<br />
Mogli: Richtig, für dich ist es ein Gefälle,<br />
weil du etwas weggeben müsstest vom<br />
großen Unterschied. Du stehst oben.<br />
Ali: Und für uns ist es eine Steigung.<br />
Lilly: Weil wir unten stehen<br />
Clown: Das ist der Unterschied!<br />
Alle: Das ist der Unterschied zwischen arm<br />
und reich.<br />
(Vorhang)<br />
(Der Vorhang ist geschlossen, niemand ist<br />
zu sehen, Specksacks Po<strong>des</strong>t wird angeleuchtet,<br />
er räuspert sich und hält eine<br />
Rede:)<br />
Specksack:Verehrte Reichländer, liebe<br />
Freunde, die armen Länder mausern sich,<br />
es ist für Reichland schwer geworden. Die<br />
<strong>Arm</strong>en wollen reich werden und dafür sollen<br />
die Reichen ärmer werden! Dennoch versichere<br />
ich Ihnen, dass wir von der Industrie<br />
unser geliebtes Reichland nicht im Stich<br />
lassen werden! Wir Reichländer sitzen alle<br />
in einem Boot und schwimmen in einem<br />
Meer der <strong>Arm</strong>ut. Wir lassen unser Boot<br />
nicht kentern, nur weil die <strong>Arm</strong>en nicht<br />
schwimmen wollen! Aber keine Angst, die<br />
Zeit arbeitet für uns, die Zeit ist unser<br />
Freund!<br />
(Eine Delegation geht durch den Zuschauerraum<br />
mit der Kiste Zeit auf dem Rücken,<br />
sie gehen hinter den Vorhang, stellen dort<br />
die Kiste oben auf den Unterschied und<br />
kommen ohne Kiste wieder zum Po<strong>des</strong>t<br />
von Specksack, rufen »Bravo«, wenn er<br />
eine Pause macht, rufen »Richtig« und klatschen<br />
zum Schluss frenetisch zu ihm aufblickend<br />
Beifall.)<br />
Specksack:Solange, meine Damen und<br />
Herren, solange, wie es uns hier in Reichland<br />
gelingt, die Bevölkerung in <strong>Arm</strong>land<br />
durch Welthandelskonferenzen am Handeln<br />
zu hindern, solange haben wir nichts zu<br />
fürchten. Reichland soll ein Reichland<br />
bleiben! Wir sind gegen die Gleichmacherei!<br />
Nutzen wir unsere Zeit. Wir haben uns<br />
unseren Wohlstand erarbeitet, <strong>des</strong>halb sind<br />
wir reich. Die <strong>Arm</strong>länder wollen auch reich<br />
werden. Aber wir wollen dabei nicht arm<br />
werden. Wir sind gegen Gleichmacherei!<br />
Reichland, Reichland über alles, über alles<br />
in der Welt!!!<br />
(Licht auf Po<strong>des</strong>t von Specksack schwächer,<br />
Bühne auf: Oben auf dem erhöhten<br />
Unterschied »Zeit« steht Gotthilf, das Nord-<br />
Süd-Gefälle lehnt davor, die <strong>Arm</strong>länder<br />
stehen davor, sichtlich erstaunt, Gotthilf<br />
räuspert sich)<br />
Gotthilf: Hm, Hm, was habt ihr denn?<br />
Mogli: Wie, was? (blickt nach oben)<br />
Ach du bist das.<br />
Gotthilf: Was ist denn, warum seid ihr so<br />
komisch, sagt!<br />
Lilly: Ich hab das komische Gefühl, dass<br />
etwas mit der Steigung nicht stimmt!<br />
Gotthilf: Du meinst das Nord-Süd-Gefälle?<br />
Lilly: Die Steigung! Mir ist so, als ob die<br />
Steigung in der Pause steiler geworden wäre.
17<br />
Clown: Was du nicht sagst, ich hatte<br />
auch gleich so ein komisches Gefühl, als<br />
ich davorstand!<br />
Ali: Tatsächlich, es sieht so aus, als ob<br />
die Steigung steiler ist!<br />
Gotthilf: Ich habe das Nord-Süd-Gefälle<br />
nicht angerührt.<br />
Juan Juanito: Und wir haben die Steigung<br />
auch nicht verändert.<br />
Clown: Und doch ist die Steigung steiler<br />
geworden in dieser kurzen Zeit.<br />
Lilly: Die Zeit!<br />
Mogli: Die Zeit!<br />
(Er deutet auf die obere Kiste)<br />
Clown: Das ist es, wenn wir nichts<br />
ändern an der Steigung, dann wird sie mit<br />
der Zeit immer steiler für uns! Der Unterschied<br />
zwischen uns und den Reichländern<br />
wächst!<br />
Ali: Gotthilf, wir müssen etwas unternehmen!<br />
Der Unterschied wächst mit der<br />
Zeit. Die Steigung wird steiler!<br />
Gotthilf: Was soll ich denn machen, damit<br />
ich euch helfen kann von hier oben<br />
aus?<br />
Clown: Gotthilf, wir haben Hunger,<br />
wenn die Reichen immer reicher werden,<br />
stehen sie bald so hoch oben, dass sie<br />
nicht mehr sehen, wie sie uns verhungern<br />
lassen!<br />
Lilly: Gotthilf, gib uns zurück, was die<br />
Reichländer uns abnahmen. Bitte gib es<br />
uns zurück, oder sollen wir den Unterschied<br />
einfach umstoßen, die Kisten einfach umwerfen?<br />
Sollen wir Gewalt anwenden, um<br />
den Unterschied abzubauen?<br />
Gotthilf:<br />
(öffnet seinen Koffer, die anderen strecken<br />
ihm die <strong>Arm</strong>e entgegen)<br />
Dann gebe ich euch zurück, was wir euch<br />
genommen haben, hier, die Büchse Fisch…<br />
Alle: Weiter, weiter, bevor es zu spät ist!<br />
(Specksack schreit und stürmt von seinem<br />
Po<strong>des</strong>t auf die Bühne, reißt Gotthilf die Bananen<br />
aus der Hand, springt auf den Unterschied<br />
und ruft:)<br />
Specksack:Halt, halt, mein lieber Freund,<br />
so geht das natürlich nicht!<br />
Clown: Wer ist das?<br />
Specksack:Mein Name ist Otto Specksack,<br />
Präsident der Nationalen Industrie-und<br />
Handelskammer, Vorsitzender der Reichlandpartei<br />
und dem Programm »Wohlstand<br />
muss ein Zustand bleiben«. Kurz Sie se-<br />
hen, ich bin ein hohes Tier und habe ein<br />
Wörtchen mitzureden.<br />
Gotthilf: Aber sehen Sie doch, dass ich<br />
selbst ganz gut zu Recht komme mit den<br />
Menschen in <strong>Arm</strong>land!<br />
Specksack:Aber so, wie Sie das machen<br />
wollen, geht das doch nun wirklich nicht!<br />
Gotthilf: Die Leute haben Hunger, wie<br />
soll es denn sonst gehen?<br />
Specksack:Reichland bleibt Reichland und<br />
wir geben kein Stück von unserem Reichland<br />
an die <strong>Arm</strong>länder zurück. Gotthilf, das<br />
sollten Sie eigentlich wissen, wir geben<br />
keine Geschenke, wir geben Kredit!<br />
Gotthilf: Kredit?<br />
Specksack:Jawohl, wir geben Kredit und<br />
nehmen uns Zinsen! So,<br />
(blickt runter zu den erstarrten <strong>Arm</strong>ländern)<br />
und nun zu euch, liebe Freunde!<br />
Clown: Liebe Freunde?<br />
Wie können wir mit Ihnen befreundet<br />
sein, wenn Sie uns noch nicht einmal die<br />
Büchse Fisch gönnen, die der Gotthilf uns<br />
zurückgegeben hat. Wir haben Hunger, wir<br />
brauchen den Reis, den Sie bei uns aufkaufen,<br />
wir brauchen unsere eigenen<br />
Fische, wir wollen unser Getreide zurück,<br />
das ihr an euer Vieh verfüttert, wir wollen<br />
alles zurück, was ihr uns abgenommen<br />
habt!<br />
Specksack:Nana, wer wird denn gleich von<br />
abnehmen reden, das klingt ja sehr radikal,<br />
meine lieben <strong>Arm</strong>länder. Wie sieht es denn<br />
wirklich aus? Ihr wollt herauf zum Wohlstand<br />
und wir wollen nicht herunter von unserem<br />
Wohlstand. Und weil das so ist, geben<br />
wir euch nichts zurück, sondern geben<br />
euch Kredit! Und bei den Zinsen, nun gut,<br />
da mache ich euch ein günstiges Angebot!<br />
Clown: Wir sollen bei Ihnen Schulden<br />
machen? Gebt uns doch erst einmal zurück,<br />
was ihr uns abgenommen habt!<br />
Ali: Jawohl, zuerst alles zurück, was ihr<br />
uns abgenommen habt!<br />
Specksack:Ich habe euch nichts abgenommen,<br />
ich mache lediglich Geschäfte. Aber<br />
ich will euch helfen: Deshalb gebe ich euch<br />
Kredit!<br />
Lilly: Was passiert denn mit Kredit, und<br />
was ist das?<br />
Clown: Gotthilf, sag uns was passiert,<br />
wenn wir den Kredit von Specksack<br />
nehmen.<br />
Gotthilf: Also, ich an eurer Stelle würde<br />
keinen Kredit von Specksack nehmen. Wer
18<br />
erst mal Schulden beim Specksack hat, der<br />
kann nur noch ärmer werden!<br />
Specksack:Schweigen Sie still, Sie sind ein<br />
gefährlicher Idealist!<br />
Gotthilf: Aber ich habe die Wahrheit gesagt!<br />
Specksack:Es geht hier nicht um die Wahrheit,<br />
es geht um ein Geschäft. Was Sie hier<br />
anfangen, ist der Ausverkauf von Reichland!<br />
So kommen wir nie auf einen grünen<br />
Zweig. Sie wollen unseren Wohlstand doch<br />
genauso wie wir alle in Reichland, oder?<br />
Gotthilf: Ich will helfen, die <strong>Arm</strong>länder<br />
haben Hunger!<br />
Specksack:Ich sage ja, Sie sind ein gefährlicher<br />
Idealist, und ich sage Ihnen noch etwas:<br />
Sie sind abgesetzt, jetzt und sofort,<br />
Basta!<br />
Gotthilf: Sie können mich ja gar nicht absetzen,<br />
das kann nur die Regierung!<br />
Specksack:Ich habe sie gewarnt, Sie<br />
können unserem Reichland nicht das Geschäft<br />
vermasseln, Sie nicht!<br />
(Specksack schnippt mit den Fingern, da<br />
fällt ein Telefon herunter und klingelt,<br />
Specksack nimmt ab, grinst hämisch und<br />
sagt:)<br />
Das ist für Sie, Herr Gotthilf, die Regierung<br />
will Sie sprechen.<br />
Gotthilf: Für mich?<br />
(Specksack reibt sich schadenfroh die<br />
Hände und Gotthilf hält den Hörer ans Ohr)<br />
Ja, hier Gotthilf Büchsel. Ja, wie ?<br />
Aber ich habe doch nur…<br />
(legt den Hörer langsam wieder auf das<br />
Telefon und zuckt resigniert mit den<br />
Schultern)<br />
Entlassen!<br />
(Da gibt ihm Specksack einen Stoß von hinten<br />
und schubst ihn vom Unterschied runter<br />
zu den <strong>Arm</strong>ländern)<br />
Specksack:Wer uns die Geschäfte vermasselt,<br />
den schmeißen wir raus! Der muss<br />
weg! Da, geh zu Deinen Freunden in <strong>Arm</strong>land,<br />
wirst schon sehen, was Du davon<br />
hast!<br />
Und nun zu euch, ihr armen Schlucker.<br />
Wie ist das mit dem Kredit, wollt ihr<br />
oder wollt ihr nicht?<br />
Gotthilf:<br />
(rappelt sich wieder auf und ruft:)<br />
Nein, tut das nicht, liebe Freunde, er<br />
will euch gar nicht helfen, er will nur sein<br />
Geschäft mit euch machen!<br />
Specksack:Hört nicht auf diesen gefährlichen<br />
Idealisten, er hat keine Ahnung. Aber<br />
entschließt euch schnell, ich gebe euch 5<br />
Minuten Bedenkzeit, denn Zeit ist Geld für<br />
mich.<br />
Gotthilf: Ja, Zeit ist Geld für ihn, denn er<br />
verdient Geld in der Zeit, in der ihr<br />
verhungert!<br />
Lilly: Gotthilf, schnell, erkläre uns, wie das<br />
ist mit dem Kredit! Wir haben Hunger und je<br />
länger wir warten, <strong>des</strong>to schlimmer wird es!<br />
(Inzwischen baut Specksack oben ein<br />
kleines Tischchen auf, zieht eine Flasche<br />
Wein aus der Tasche, ein Brot dazu und<br />
tafelt auf dem Unterschied:)<br />
Gotthilf: Stört euch nicht an Specksack,<br />
der isst euch nur <strong>des</strong>halb etwas vor, damit<br />
ihr noch hungriger werdet und einen Kredit<br />
bei ihm nehmt!<br />
(Specksack schlürft seinen Wein, hält das<br />
Glas ins Licht und sagt.)<br />
Specksack:Ein guter Tropfen!<br />
Clown: Bitte, Gotthilf, erklär uns, wie<br />
das ist mit dem Kredit!<br />
Gotthilf: Das ist so:<br />
(Er stellt sich vor das Brett <strong>des</strong> Nord-Süd-<br />
Gefälles, die anderen sehn ihm zu, Brett<br />
und Unterschied dürfen zum Zuschauerraum<br />
nicht verdeckt werden!)<br />
Zuerst bekommt ihr den Kredit.<br />
(Er steigt ein Stück das Brett hoch)<br />
Jetzt kauft ihr euch was zu essen,<br />
dann habt ihr nur noch die Hälfte vom Geld!<br />
(Er geht ein Stück zurück auf dem Brett)<br />
Jetzt erschreckt ihr, weil ihr gerade<br />
satt geworden seid und schon die Hälfte<br />
vom Kredit ist weg. Schnell kauft ihr Saatgut,<br />
damit ihr eure Nahrung selber anbauen<br />
könnt. Das Saatgut müsst ihr natürlich bei<br />
Specksack kaufen, der daran verdient.<br />
(Rutscht wieder ein Stück herunter)<br />
Sagen wir mal, die Hälfte eurer Felder<br />
ist verdorrt, weil es zu heiß ist und kein<br />
Regen fällt…<br />
(Rutscht wieder ein Stück nach unten)<br />
Mit der anderen Hälfte habt ihr Glück<br />
und könnt ernten.<br />
(Steigt wieder ein erhebliches Stück hinauf)<br />
Tja, wenn ihr nun denkt, ihr hättet damit<br />
genug zum Essen, dann irrt Ihr euch.<br />
Die eine Hälfte der Ernte müsst ihr ver-
19<br />
kaufen, damit ihr im nächsten Frühjahr<br />
wieder neues Saatgut habt.<br />
(Rutscht wieder die Hälfte seines Aufstieges<br />
herunter auf dem Brett)<br />
Und was euch dann noch bleibt,<br />
braucht ihr, um die erste Rate <strong>des</strong> Kredites<br />
mit den Zinsen an Specksack zurückzuzahlen!<br />
(Rutscht ganz vom Brett herunter)<br />
Und nun seid ihr genauso arm dran,<br />
wie vorher. Nur Specksack, der ist reicher<br />
geworden. Versteht ihr nun, was er will mit<br />
dem »Zeit ist Geld“?<br />
Juan Juanito: Und was passiert dann?<br />
Gotthilf: Tja, dann kommt Specksack<br />
und macht euch ein neues Angebot!<br />
Lilly: Er gibt uns einen neuen Kredit!<br />
Gotthilf: Richtig! Und dafür müsst ihr<br />
Düngemittel, Maschinen, Wasserpumpen<br />
und alles was ihr braucht, kaufen. Von<br />
Specksack, das steht im Vertrag! Und<br />
Specksack ist schlau: er lässt euch am<br />
Anfang immer soviel übrig, dass ihr zuviel<br />
habt zum Verhungern und zu wenig zum<br />
Leben.<br />
Clown: So ist das also!<br />
(Rennt auf das Nord-Süd-Gefälle bis fast<br />
oben hin und ruft:)<br />
Und immer, wenn wir meinen, wir hätten’s<br />
geschafft, wenn wir schon Essen auf<br />
dem Tisch von Specksack riechen können,<br />
dann ruft der:<br />
Specksack:Zinsen, Raten, Rückzahlungen.<br />
Das sind klare Abmachungen.<br />
Clown: Und ratsch,<br />
(rutscht wieder ganz nach unten)<br />
sind wir wieder da, wo wir<br />
angefangen haben:<br />
Alle: In <strong>Arm</strong>land<br />
Ali: Und kein Stückchen besser dran als<br />
vorher<br />
Juan Juanito: Schlechter sind wir dran,<br />
weil wir dann Schulden haben!<br />
Lilly: Und Specksack wird immer reicher<br />
dabei!<br />
Mogli: Und wir werden immer ärmer.<br />
Gotthilf: Darum sage ich euch, lasst<br />
euch nicht mit Specksack ein, seine Bank<br />
ist gefährlicher als ein Vampir. Zeit ist Geld.<br />
Mit dem Kredit macht Specksack aus der<br />
Zeit Geld. Er verlangt Zinsen und stürzt<br />
euch in Schulden.<br />
Lasst die Finger von solchem Kredit.<br />
Specksack:<br />
(von oben zum Publikum)<br />
Die Kerle sind klüger als ich dachte!<br />
(packt seinen Tisch und das Essen weg)<br />
(laut) So liebe Freunde, wie habt ihr<br />
euch entschlossen? Wollt ihr den Kredit<br />
oder nicht?<br />
Clown:<br />
(räuspert sich) Herr Specksack, haben<br />
Sie gut gegessen?<br />
Specksack:Vielen Dank für die Nachfrage,<br />
der Wein und die Speisen waren exzellent!<br />
Clown: Herr Specksack, hätten Sie Lust<br />
auf etwas Musik und Gesang zum<br />
Nachtisch, ja?<br />
Specksack:<br />
(leise zum Publikum)<br />
Oha, Sie werden weich und höflich,<br />
also wollen sie Kredit!<br />
(zu den anderen)Nun, ein kleines Liedchen<br />
nach dem Essen hilft verdauen, aber<br />
singen Sie ein schönes Lied, ich habe<br />
einen so empfindlichen Magen!<br />
Clown: Keine Angst, Herr Specksack,<br />
ich werde dirigieren!<br />
(dreht sich um zu den anderen und macht<br />
Psst!... 1, 2, 3, 4)<br />
(alle stellen sich vor Specksack auf, der<br />
sich in Positur setzt)<br />
Das Lied vom Specksack und dem<br />
Knecht!<br />
Hochverehrter, hochgelehrter, reicher,<br />
werter Herr Bankier,<br />
Ach, Sie haben gut gegessen, gut getrunken<br />
und geschmaust und wir <strong>Arm</strong>en<br />
zum Erbarmen Hungrigen, die hier vor dir<br />
stehen, durften dir bei deiner Mahlzeit voller<br />
Freude noch zusehen. Diese Ehre, diese<br />
Würde, wie du dich mit Wonne stopfst,<br />
während uns, den armen Schluckern, Spucke<br />
aus dem Mund tropft. Dieses Schauspiel,<br />
wie du schlemmest, ach, das nahm<br />
uns mächtig mit, und in deiner Gier nach<br />
Wohlstand bietest du uns noch Kredit. Nein,<br />
Herr Specksack, wir sind klüger, wir<br />
nehmen nichts aus ihrer Hand, Sie sind ein<br />
Geizhalt und Betrüger, hauen Sie ab aus<br />
unserem Land!<br />
(Bei »hauen Sie ab« stürzen alle auf den<br />
Specksack zu, der vor Schreck vom Kasten<br />
fällt! Alle lachen fürchterlich)<br />
Gotthilf: Das war aber ein schönes Lied,<br />
das wird der fette Specksack so schnell<br />
nicht vergessen!<br />
Lilly: Es wird ihm auf den Magen schlagen!
20<br />
Clown: Hoffentlich, wer so viel isst und<br />
nichts davon abgibt, dem geschieht das<br />
recht.<br />
Ali: Habt ihr gesehen, wie er vor Schreck<br />
von der Kiste gefallen ist? Ich hab mich fast<br />
totgelacht! Plumps, da lag der Specksack<br />
unten!<br />
Mogli: Na ja, mir ist aber nicht so zum<br />
Lachen zumute, Ich habe Hunger und wir<br />
haben nichts zu essen!<br />
Gotthilf: Das stimmt. Das ist gar nicht<br />
lustig.<br />
Lilly: Was wird jetzt aus uns?<br />
Mogli: Vielleicht hätten wir doch den<br />
Kredit von Specksack nehmen sollen!<br />
Clown: Nie! Davon wäre es uns auch<br />
nicht besser gegangen.<br />
(Pause, dann Düsenjägergeräusche)<br />
Hört mal, Da kommt ein Flugzeug!<br />
Lilly: Ein Flugzeug zu uns nach <strong>Arm</strong>land?<br />
Nichts wie weg, da sind sicherlich wieder so<br />
fürchterliche Touristen, solche mit Fotos,<br />
Blitze, Blitzi, umga, mumga, und so!<br />
(Will wegrennen)<br />
Gotthilf:<br />
(hält sie fest) Nein, bleibt hier, lasst uns<br />
erst mal sehen, wer das ist!<br />
Ali: Flugzeuge kommen immer aus Reichland,<br />
was können die schon von uns<br />
wollen!<br />
Gotthilf: Lasst mich nur machen, wir<br />
warten erst mal ab.<br />
(Folgt Auftritt Regierungsdelegation. Drei<br />
mit Zylinder, Aktenkoffer, Frack, steigen mit<br />
Leiter auf die Reichlandkiste)<br />
Lilly: Gotthilf, wer ist denn das schon<br />
wieder?<br />
Die Drei: Wir sind die Abordnung!<br />
Gotthilf: Und was wollt ihr hier?<br />
Die Drei: Wir sind eine Verhandlungsabordnung!<br />
Clown: Und worüber wollen Sie mit uns<br />
verhandeln?<br />
Erster: Ähm…<br />
Zweiter: Nun denn…<br />
Dritter: Also…<br />
Alle Drei: Sie hatten bereits…<br />
Erster: die Ehre…<br />
Zweiter: und das Vergnügen…<br />
Dritter: kurz, die Gelegenheit…<br />
Alle Drei: unseren allseits beliebten und<br />
hochgeschätzten Herr Specksack kennen<br />
zu lernen,<br />
Erster: den Präsidenten der Nationalen<br />
Industrie-und Handelskammer,<br />
Zweiter: den Aufsichtsratsvorsitzenden<br />
<strong>des</strong> Bankhauses Specksack und Beutelschneid<br />
Dritter: und großen Vorsitzenden der<br />
»Reichlandpartei«.<br />
Juan Juanito: Ja, ja, den verfressenen<br />
mit dem empfindlichen Magen, den Geschäftemacher,<br />
den haben wir kennen gelernt.<br />
Ali: Und der hat uns auch kennen gelernt!<br />
(Die anderen lachen, Lilly ruft)<br />
Lilly: »Plumps, weg war er!«<br />
Wie geht es seinem »empfindlichen«<br />
Magen?<br />
Erster: Oh, danke der Nachfrage, nicht<br />
besonders, Herr Specksack weilt zur Kur in<br />
der Schweiz.<br />
Clown: Und dabei haben wir ihm ein so<br />
schönes Liedchen gesungen!<br />
Gotthilf: Und worüber wollt ihr mit uns<br />
verhandeln?<br />
Zweiter: Nun, nach unserer Kenntnis hat<br />
Herr Specksack Ihnen in seiner Großzügigkeit<br />
einen Kredit…<br />
Ali: Ein mieses Geschäft!<br />
Zweiter: einen Kredit angeboten, den Sie<br />
abgelehnt haben.<br />
Clown: Stimmt genau!<br />
Dritter: Nun, sicherlich ist Ihnen nicht<br />
entgangen, dass Herr Specksack natürlich<br />
ein Geschäft im Auge hatte.<br />
Ali: Ein mieses Geschäft!<br />
Alle Drei: Sagen Sie das nicht!<br />
Erster: Er macht nur gute Geschäfte!<br />
Juan Juanito: Für euch sind das gute<br />
Geschäfte.<br />
Ali: Und für uns sind das miese Geschäfte.<br />
Zweiter: Egal, aber es ist klar, dass<br />
Specksack nur Geschäfte macht, wenn er<br />
ein Geschäft dabei machen kann.<br />
Lilly: Er wollte uns Kredit, so einen Kredit<br />
wollte er uns geben!<br />
Clown: Und dann wollte er jede Menge<br />
Zinsen dafür haben.<br />
Ali: Er wollte ein mieses Geschäft mit uns<br />
machen!<br />
Juan Juanito: Und das nannte er<br />
»Hilfe«.<br />
Dritter: Ihr habt abgelehnt, nun ja, wir<br />
sind darüber informiert. Deshalb möchten<br />
wir gerne mit ihnen verhandeln.<br />
Gotthilf: Verhandeln? Worüber denn?
21<br />
Clown: Wir wollen keine Hilfe, wenn<br />
das doch nur ein Geschäft für Sie ist!<br />
Lilly: Wir haben nichts zu verkaufen und<br />
wollen auch nicht verkauft werden!<br />
Alle: Jawohl!<br />
Erster: Und woher wisst ihr,<br />
Zweiter: dass ihr nichts habt,<br />
Dritter: was ihr verkaufen könnt?<br />
Erster: Meint ihr denn, der Specksack<br />
gibt Kredit, wenn er nicht genau wüsste,<br />
dass er sein Geld doppelt und dreifach zurückbekommt?<br />
Gotthilf:<br />
(ins Publikum) So deutlich hat das noch<br />
keiner gesagt!<br />
Lilly: Und was hat sich Specksack als Gewinn<br />
versprochen?<br />
Erster: Unser hochverehrter Herr<br />
Specksack,<br />
Zweiter: Präsident der Nationalen Industrie-<br />
und Handelskammer…<br />
Dritter: der große Vorsitzende der Nationalen<br />
Reichlandpartei.<br />
Erster: Aufsichtsratsvorsitzender <strong>des</strong><br />
Bankhauses Specksack und Beutelschneid<br />
Juan Juanito: Ja, ja, wissen wir doch<br />
alles, mit den Niederlassungen in Toronto,<br />
Mombasa und wer weiß nicht alles, wo er<br />
noch sein Unwesen treibt.<br />
Erster: Sie wissen bei weitem noch<br />
nicht alles. Unser hochverehrter Herr<br />
Specksack…<br />
Zweiter: ist nämlich Hauptbesitzer<br />
Dritter: der Internationalen Bergwerksgesellschaft<br />
»Raffke & Goldstein-Companie<br />
Ali: Und was soll das?<br />
Gotthilf: Halt, sagten Sie Bergwerkskompanie?<br />
Alle Drei: Ja, das sagten wir bereits!<br />
Gotthilf: Dann muss es bei uns Bodenschätze<br />
geben!<br />
(Die Drei ziehen eine lange Liste hervor<br />
und lesen laut vor.)<br />
Die Drei: Bericht der Forschungsexpedition<br />
der Raffke- & Goldstein-Companie über<br />
die Vorkommen von Bodenschätzen in<br />
<strong>Arm</strong>land. Erstellt im Auftrage von Herrn<br />
Specksack.<br />
Erster: In <strong>Arm</strong>land lagern folgende<br />
Erze im Boden:<br />
Eisen, Kupfer, Zinn, Zink, Gold,<br />
Mangan, Uran und Silber!<br />
Zweiter: Die Erze sind von hoher<br />
Reinheit<br />
Dritter: und wären für die Indu-strie in<br />
Reichland von großem Nutzen, auch Öl<br />
wird unter der Erde vermutet.<br />
Alle: Aha!<br />
Die Drei: Und <strong>des</strong>halb wollen wir<br />
verhandeln.<br />
Erster: Wir wollen uns mit Ihnen an<br />
einen Tisch setzen!<br />
Zweiter: Wir wollen über die Lieferung<br />
der Erze verhandeln.<br />
Dritter: Wir wollen zusammen mit euch<br />
euer Land erschließen.<br />
• Lilly: Das ist zuviel auf einen Schlag!<br />
• Juan Juanito: Ich habe Hunger!<br />
• Ali: Wir haben Bodenschätze!<br />
• Clown: Ich habe noch nie verhandelt.<br />
• Mogli: Aber wir könnten’s ja mal versuchen<br />
das Verhandeln.<br />
• Gotthilf:Aber seid vorsichtig dabei,<br />
Freunde!<br />
• Alle: Es geht um ein Geschäft!<br />
• (Vorhang)<br />
•<br />
• Clown:<br />
• (tritt vor den Vorhang und spricht)<br />
• Hochverehrtes. Heißgeliebtes Publikum,<br />
es wird nichts so heiß gegessen,<br />
wie es gekocht wird, es wird nichts so<br />
offen gezeigt, wie es verhandelt wird!<br />
Erleben Sie nun, wie man mit uns<br />
verhandelt.<br />
• (Hinter der Bühne werden Rufe laut,<br />
»Hauruck, pack doch mal mit an!« Man<br />
hört Gepolter und Geräusche, wie etwas<br />
über den Boden gezogen wird,<br />
alles ziemlich laut)<br />
• Was ist denn los?<br />
• (Zieht den Vorhang auf und man sieht,<br />
wie sich alle bemühen, einen schweren<br />
Tisch auf die Bühne zu schleppen)<br />
• Lilly: Komm, Ferdinand, pack mit an,<br />
hilf uns mal!<br />
• Clown: Was wollt ihr denn mit diesem<br />
riesigen Tisch?<br />
• Ali:<br />
• (lustig) Verhandeln, verhandeln!<br />
• Juan Juanito: Quatsch, wir wollen nicht<br />
mit dem Tisch verhandeln, sondern an<br />
einem Tisch.<br />
• Mogli: Die Herren von der Delegation<br />
haben gesagt, sie wollen sich mit uns<br />
an einen Tisch setzen!<br />
• Ali: Zum Verhandeln; ist ja klar.
22<br />
• Delegation: Wir wollen uns mit Ihnen<br />
an einen Tisch setzen und mit Ihnen<br />
verhandeln, so lautet unser Auftrag!<br />
• Clown: Wir brauchen Stühle.<br />
• Alle: Stühle, Stühle.<br />
• (Sie schleppen Stühle heran, stellen sie<br />
um den Tisch herum und setzen sich;<br />
erstaunt warten sie auf die Delegierten<br />
von Reichland, die sich tuschelnd oben<br />
auf der Kiste unterhalten; das dauert<br />
einen Moment, bis Gotthilf fragt:)<br />
• Gotthilf:Nun, meine Herren, wie ist das<br />
mit dem »an einen Tisch setzen«, kommen<br />
Sie nun oder nicht?<br />
• Erster: Tja, wir wollen uns ja mit Ihnen<br />
gerne an einen Tisch setzen,<br />
• Zweiter: aber unsere Regierung<br />
sagt,<br />
• Dritter: Sie sollten uns dabei zumin<strong>des</strong>t<br />
ein Stück entgegenkommen.<br />
• Gotthilf:Soso, und wieweit sind Sie bereit<br />
uns entgegenzukommen?<br />
• (Wieder tuscheln die Delegierten untereinander,<br />
bevor sie sich einig sind. Sie<br />
stellen sich auf der Kiste auf, halten die<br />
Hände an den Kistendeckel und rufen:)<br />
• Alle Drei: Bis hierhin, bis hierhin<br />
sind wir bereit Ihnen entgegenzukommen.<br />
• (Dann setzen sie sich auf die Kiste,<br />
lassen die Beine über den Rand baumeln<br />
und starren auf die <strong>Arm</strong>länder)<br />
• Lilly:<br />
• (nach einem Augenblick <strong>des</strong> Staunens)<br />
• Ist das alles?<br />
• Erster: Immerhin sind wir Ihnen von da<br />
oben bis hier unten<br />
• (hält erst Hand hoch und dann vor die<br />
Brust)<br />
• entgegengekommen. Jetzt sind Sie<br />
wieder dran.<br />
• Clown: Aber wie denn? Sie wissen so<br />
gut wie wir, dass es für uns unmöglich<br />
ist, die Nord-Süd-Steigung…<br />
• Die Drei: das Nord-Süd-Gefälle!<br />
• Clown: Für uns ist das eine Steigung,<br />
also da hoch zu kommen, nachdem Sie<br />
uns alles weggenommen haben.<br />
• Zweiter: Aber Sie haben die Behandlungsplattform<br />
• Lilly: Der meint den Tisch.<br />
• Dritter: Und damit müssen Sie uns unbedingt<br />
entgegenkommen, sonst<br />
können wir nicht verhandeln.<br />
• Ali: Aber wie denn, wie denn?<br />
Sollen wir etwa den Tisch hochheben?<br />
• Erster: Gar nicht so schlecht, meine<br />
Herren, denn immerhin würden wir dann<br />
alle an einem Tisch sitzen.<br />
• Lilly: Und ich finde das ungerecht, wir<br />
sollen den Tisch so hoch halten, nur<br />
weil sich die Herren da oben nicht bequemen<br />
können, einmal mit uns auf<br />
gleicher Höhe zu verhandeln, also das<br />
mache ich nicht mit!<br />
• Mogli: Komm Lilly, wir haben Hunger,<br />
und es ist das erste Mal, dass die<br />
Reichländer sich mit uns an einen Tisch<br />
setzen wollen. Also, diese Chance<br />
müssen wir nutzen! Los, Pack mit an!<br />
Wer will uns dabei helfen?<br />
• (Hier könnte man ein Kind aus dem Publikum<br />
rufen, als Sachverständiger, der<br />
über die gerechten Ausgangsbedingungen<br />
der Verhandlung entscheiden<br />
soll!)<br />
• (Alle packen mit an und hieven den<br />
Tisch so hoch, dass er an der Kiste<br />
lehnt und oben die Reichländerdelegation<br />
am Tisch sitzt und unten die <strong>Arm</strong>länder<br />
mehr oder weniger am Tisch<br />
sitzen. Lilly steht vor dem Ganzen und<br />
zeigt auf den Tisch, der als zweite Nord-<br />
Süd-Steigung da steht und beschwert<br />
sich beim Publikum:)<br />
• Lilly: Seht euch das an, das nennen<br />
die gerecht, und »an einen Tisch<br />
setzen“: die Reichländer haben einen<br />
viel besseren Platz als wir, sie sitzen<br />
oben, immer noch soo ein Stück über<br />
uns, und wir sitzen unten und haben<br />
Hunger! Und dann wollen sie mit uns<br />
verhandeln an einem Tisch von oben<br />
herab, nee, das ist eine so schiefe Sache,<br />
das kann doch nicht gut gehen.<br />
• Mogli: Komm Lilly, sei kein Spielverderber,<br />
komm endlich her und hilf<br />
uns verhandeln!<br />
• Gotthilf:Ich finde, die Lilly hat Recht. So<br />
kann man einfach nicht verhandeln!<br />
• (steht auf und stellt sich neben Lilly. In<br />
diesem Moment fällt über die Reichlandkiste<br />
wieder das Telefon vom<br />
Himmel, es klingelt ein paar Mal und
23<br />
dann nimmt einer der Delegierten den<br />
Hörer ab und meldet sich:)<br />
• Erster: Hallo, Hallo, ach, Sie sind es<br />
Herr Specksack, ja, ja, jawohl. Wie geht<br />
es ihrem Magen? So, das ist ja erfreulich.<br />
Nein, wir sind den <strong>Arm</strong>ländern nicht<br />
zu weit entgegen gekommen, genau<br />
wie sie es gesagt haben, - wie bitte? –<br />
Nein, die Verhandlungen haben noch<br />
nicht begonnen – nein, nein, keine<br />
Sorge, wir passen schon auf – Schwierigkeiten?<br />
Och, eigentlich nicht, Herr<br />
Specksack, die beiden einzigen, die uns<br />
Schwierigkeiten machen wollten, die<br />
haben die Verhandlung schon<br />
verlassen, - wie? – Klar, Herr Specksack,<br />
wir werden unser Bestes tun, damit<br />
wir das Erz so billig wie möglich bekommen,<br />
Sie können sich ganz auf uns<br />
verlassen! – Ja, ja, klar, für billige<br />
Arbeitskräfte sorgen wir auch, keine Bedenken,<br />
Herr Specksack, die <strong>Arm</strong>länder<br />
werden alles machen, was wir wollen,<br />
schließlich haben sie Hunger! – Wie<br />
bitte? – Ach so, Ja, sicher, wenn es<br />
Schwierigkeiten gibt, benutzen wir die<br />
alte Methode – ja, wir haben da auch<br />
schon einen im Auge, ja, Mogli heißt er,<br />
jawohl, Herr Specksack, Sie können<br />
sich ganz auf uns verlassen, jawohl!<br />
Aufwiedersehen, Herr Specksack!<br />
• (Er zieht eine Glocke aus der Tasche<br />
und bimmelt)<br />
• Alle Drei: Die Verhandlung kann beginnen!<br />
• (Lilly und Gotthilf stehen an der<br />
vorderen Seite der Bühne und kommentieren<br />
die Verhandlung zum Publikum<br />
hin:)<br />
• Erster: Liebe Freunde in <strong>Arm</strong>land,<br />
• Zweiter: liebe Vertreter der <strong>Arm</strong>länder,<br />
• Dritter: wir begrüßen Sie zur großen<br />
Verhandlung und freuen uns, dass Sie<br />
sich mit uns an einen Tisch gesetzt<br />
haben, um mit uns über die Lösung <strong>des</strong><br />
Nord-Süd-Gefälles zu verhandeln.<br />
• Gotthilf:Was höre ich da? Ich denke, die<br />
wollen über die Erze verhandeln und<br />
jetzt tun sie so, als würden sie über die<br />
Nord-Süd-Steigung verhandeln!<br />
• Lilly: Alles leere Worte, die wollen<br />
uns nur Honig um den Mund schmieren!<br />
• Gotthilf:Süßes Gesabber!<br />
• Erster: Liebe Freunde aus <strong>Arm</strong>land,<br />
wie Sie sicherlich wissen, ist unser<br />
hochgeehrter Präsident im Namen unseres<br />
fleißigen und <strong>des</strong>halb reichen<br />
Volkes nicht abgeneigt, allen zu mehr<br />
Reichtum zu verhelfen.<br />
• Gotthilf:Hört, hört, er will ein Geschäft<br />
mit uns machen und nennt das Ganze<br />
»helfen«.<br />
• Lilly: Das ist der alte Schwindel! Damit<br />
sind sie reich geworden.<br />
• Zweiter: Deshalb unterbreitet Ihnen<br />
unsere Delegation folgende Vorschläge:<br />
• (packt Aktentasche und lässt je einen<br />
Vorschlag für Mogli, Ali, Mufti und den<br />
Clown nach unten rutschen.)<br />
• Unsere Delegation macht jetzt eine<br />
Verhandlungspause, damit Sie Gelegenheit<br />
haben, über unsere Vorschläge<br />
nachzudenken!<br />
• Gotthilf:Vorsicht, Freunde, warum bekommt<br />
ihr vier verschiedene Vorschläge?<br />
• Lilly: Lest vor, was drin steht!<br />
• Erster: Ich verbitte mir, die dauernden<br />
Störungen der Verhandlung durch diese<br />
beiden da, ihre Vertreter werden schon<br />
wissen, wie sie verhandeln müssen<br />
• Clown: Quatsch, Gotthilf und Lilly<br />
haben Recht, warum bekommen wir jeder<br />
einzelne Vorschläge? Warum nicht<br />
ein Vorschlag für uns alle? Was steht in<br />
Deinem Vorschlag drin, Ali?<br />
• Ali: Lies du zuerst Deinen Vorschlag<br />
vor, den du von der Delegation<br />
bekommen hast.<br />
• (während<strong>des</strong>sen haben die Delegierten<br />
von Reichland ihren Fresskrempel ausgepackt<br />
und schmausen genüsslich am<br />
oberen Ende <strong>des</strong> Verhandlungstisches.<br />
Sie stoßen an und fressen, was das<br />
Zeug hält. Während <strong>des</strong> gesamten<br />
Vorganges steht Mogli unten und<br />
schaut dann und wann nach oben,<br />
stöhnt leise und kaut mit.)<br />
• Clown: Also in dem Vorschlag für mich<br />
steht:<br />
• Sehr geehrter Herr Ferdinand,<br />
• die Delegation bietet Ihnen die Stellung<br />
eines Direktors in der Firma Raffke<br />
& Goldstein Kompanie, sofern Sie sich<br />
dafür einsetzen, dass diese Firma, die<br />
Erze aus dem Boden von <strong>Arm</strong>land ho-
24<br />
len wird. Weiterhin werden wir Sie mit<br />
viel Geld unterstützen und dafür sorgen,<br />
dass Sie einen Ministerposten in der<br />
Regierung von <strong>Arm</strong>land bekommen.<br />
• Unsere kleine Bitte ist, dass Sie als<br />
einer der Minister von <strong>Arm</strong>land dafür<br />
sorgen werden, dass wir die Erze ungehindert<br />
und mit Arbeitern aus <strong>Arm</strong>land<br />
abbauen können.<br />
• Weiterhin sollen Sie dafür sorgen,<br />
dass die Arbeiter mit einem Stundenlohn<br />
von 5 Cent arbeiten werden, dass<br />
ist immerhin besser als gar nichts. Sollten<br />
diese Arbeiten aus <strong>Arm</strong>land damit<br />
unzufrieden sein und streiken, so<br />
müssen Sie dafür sorgen, dass diese<br />
Anführer in ein Gefängnis gesteckt<br />
werden, damit sie nicht die Arbeit unserer<br />
gemeinsamen Gesellschaft Raffke<br />
& Erzstein-Companie, zerstören. Das ist<br />
alles. Die Kosten für den Aufbau einer<br />
Polizeitruppe und eines Gefängnisses<br />
übernehmen wir gerne.<br />
• Mit freundlichem Gru߸ Specksack!<br />
• Ali: In dem Vorschlag für mich,<br />
steht genau das Gleiche…<br />
• Juan Juanito:Bei mir auch!<br />
• Lilly: Und wir sollen wohl die Arbeiter<br />
sein, die für euch schuften und ins Gefängnis<br />
gesteckt werden, wenn wir mehr<br />
Lohn wollen.<br />
• Gotthilf:Ihr sollt reich sein und dann auf<br />
uns aufpassen und uns ausnutzen,<br />
wenn ihr den Vorschlag annehmt, dann<br />
seid ihr genau so fies wie die Reichländer!<br />
• Lilly: Das wollen die doch nur, dann<br />
brauchen sie sich nicht selbst Die<br />
Finger schmutzig zu machen!<br />
• Clown: Was steht denn bei Dir drin,<br />
Mogli?<br />
• Mogli: Bei mir?<br />
• (versteckt das Papier schnell hinter seinem<br />
Rücken)<br />
• Na ja, auch so ähnlich, wie bei euch!<br />
Jaja, fast genau so!<br />
• Gotthilf:Über solche Vorschläge könnt<br />
ihr doch nicht verhandeln!<br />
• Lilly: Das kann doch nicht euer Ernst<br />
sein, dass ihr uns und die anderen <strong>Arm</strong>länder,<br />
die jetzt nicht hier sind, für 5<br />
Cent Stundenlohn an Specksack verkauft,<br />
nur damit ihr selbst reich werdet!<br />
• Clown: Lilly hat Recht, wir müssen<br />
einen Gegenvorschlag machen, wir<br />
können diese Vorschläge nicht<br />
annehmen!<br />
• Juan Juanito: Einen Gegenvorschlag!<br />
• Ali: Lasst uns über einen Gegenvorschlag<br />
reden!<br />
• Mogli:<br />
• (der immer noch auf die futternden Delegierten<br />
aus Reichland schielt)<br />
• Ich habe Hunger!<br />
• Erster: Aber bitte sehr, Herr Mogli, hier<br />
haben Sie etwas zu Essen und hier ein<br />
Gläschen Wein dazu.<br />
• (Reicht das runter zu Mogli)<br />
• Alle anderen: Wir haben auch Hunger.<br />
•<br />
• (Sie springen auf und rennen zu Mogli,<br />
der schnell den Wein runterkippt und<br />
sich das Brot in den Mund steckt, enttäuscht<br />
sehen die anderen hoch zur Delegation<br />
und sagen:)<br />
• Wirklich, wir haben auch Hunger!<br />
• Erster:<br />
• (zu seinen Kollegen)<br />
• So ist das immer mit den <strong>Arm</strong>ländern,<br />
reicht man ihnen den kleinen Finger,<br />
dann wollen sie gleich die ganze Hand.<br />
Tsss So was!<br />
• (Alle schütteln tadelnd den Kopf) (Lachen!)<br />
• Clown:<br />
• (Enttäuscht)<br />
• Kommt, lassen wir das Betteln, von<br />
Almosen werden wir auf die Dauer auch<br />
nicht satt. Wir müssen einen vernünftigen<br />
Gegenvorschlag finden, dann<br />
brauchen wir in Zukunft auch nicht mehr<br />
zu betteln bei den Reichländern, dann<br />
müssen sie uns einfach geben, was uns<br />
zusteht!<br />
• (Zu Lilly und Gotthilf:)<br />
• Gotthilf, Lilly, kommt, helft uns dabei,<br />
einen vernünftigen Gegenvorschlag zu<br />
finden!<br />
• Mogli: Die auch? Und wer soll dann im<br />
Bergwerk arbeiten? Wir können doch<br />
nicht alle Minister werden?<br />
• Lilly: Quatsch, wir wollen ja auch<br />
nicht alle Minister werden, wir wollen<br />
alle arbeiten, für einen gerechten Lohn<br />
und nicht für 5 Cent die Stunde schuften.
25<br />
• und wir wollen, dass unser ganzes Volk<br />
in <strong>Arm</strong>land von dem Verkauf unserer<br />
Bodenschätze etwas hat, nicht nur ein<br />
paar bevorzugte Leute, die von Specksack<br />
Geld bekommen, damit er den<br />
anderen keines geben muss.<br />
• Wir wollen uns selbst eine Regierung<br />
wählen, eine Regierung, die macht, was<br />
wir wollen und brauchen, nicht aber<br />
eine Regierung, die macht, was Specksack<br />
will!<br />
• Und wir wollen auch mit anderen Stellen<br />
verhandeln und nicht mit Specksack.<br />
Vielleicht ist unser Erz so wichtig, dass<br />
wir woanders viel mehr Geld dafür bekommen<br />
als bei Specksacks Firma der<br />
Raffke & Erz-Companie!<br />
• Juan Juanito:Prima Lilly, das sind unsere<br />
Vorschläge und die geben wir der<br />
Delegation, damit sie mit Specksack<br />
darüber nachdenken können.<br />
• Ali:<br />
• (nimmt Lilly den Zettel aus der Hand)<br />
• Kommt her,<br />
• (alle setzen sich wieder auf die Stühle<br />
am Tisch)<br />
• Wir unterschreiben das jetzt alle und<br />
geben das hoch zur Delegation aus<br />
Reichland!<br />
• Mogli: Ich unterschreibe das nicht! Ich<br />
habe Hunger, ich will, dass sofort etwas<br />
geschieht!<br />
• Die Drei: Bravoo, bravoo!<br />
• Juan Juanito:Aber du hast doch gerade<br />
erst etwas gegessen?<br />
• Mogli: Das ist es ja, ich will mehr!<br />
• Clown: Naja, du musst nicht unterschreiben,<br />
wenn du nicht willst, wir<br />
geben unseren Vorschlag auch ohne<br />
deine Unterschrift ab, wir sind die Mehrheit,<br />
also unterschreiben wir.<br />
• (alle unterschreiben)<br />
• Erster: Hier, Herr Mogli, wir sind ja<br />
nicht so, hier haben Sie noch etwas zu<br />
Essen!<br />
• Mogli:<br />
• (hält sich den Finger vor den Mund und<br />
macht Psst, zeigt auf die anderen, die<br />
am Tisch über das Papier gebeugt<br />
sitzen, nimmt sich das Stück Fleisch<br />
und schiebt es sich schnell in den<br />
Mund.)<br />
• Zweiter: So, meine Herren, die<br />
Verhandlungspause ist zu Ende.<br />
• (räumt seinen Fresskram weg und wirft<br />
den Müll hinter sich auf die Bühne, die<br />
anderen beiden machen es ihm nach)<br />
• Es kann losgehen.<br />
• (es klingelt wieder)<br />
• Zweiter: Haben Sie über unser<br />
großzügiges schriftlich vorgelegtes<br />
Angebot nachgedacht und zu welchem<br />
Entschluss sind Sie gekommen?<br />
• Juan Juanito Ferdinand, sag du es Ihnen.<br />
• Lilly: O.K., Ferdinand spricht für uns<br />
alle!<br />
• Mogli: Für mich nicht!<br />
• Ali: Dann lässt du’s eben bleiben!<br />
Bei uns wird niemand gezwungen.<br />
• Clown: Nun ja, wir <strong>Arm</strong>länder müssen<br />
ihre Vorschläge leider ablehnen, weil<br />
sie ungerecht sind und weil sie den<br />
meisten <strong>Arm</strong>ländern nur einen Hungerlohn<br />
für Schwerarbeit bieten. Unser<br />
Gegenvorschlag lautet:<br />
• Die Drei: Wir hören.<br />
• (halten sich die Hand ans Ohr)<br />
• Juan Juanito: 1.<br />
• Wir wollen etwas Zeit, um auch mit<br />
anderen Gesellschaften zu verhandeln,<br />
damit wir wissen, was unsere Bodenschätze<br />
wirklich wert sind.<br />
• 2.<br />
• Wir wollen uns eine eigene Regierung<br />
wählen, die das macht, was wir brauchen<br />
und nicht nur solche Dinge<br />
beschließt, wie der Specksack sie<br />
haben will!<br />
• 3.<br />
• Wir wollen, dass es dem ganzen Volk<br />
von <strong>Arm</strong>land durch den Verkauf unserer<br />
Bodenschätze besser geht, und nicht<br />
nur ein paar Ministern, die dann doch<br />
nur auf Befehl vom Specksack die<br />
Arbeiter ins Gefängnis stecken müssen,<br />
wenn sie nicht für den Hungerlohn von<br />
5 Cent pro Stunde arbeiten wollen! Und<br />
wir bitten Sie, unsere Gegenvorschläge<br />
anzunehmen.<br />
• (schiebt seinen Vorschlag auf den Tisch<br />
ein Stück hoch zur Delegation hin. Die<br />
sehen sich das Schriftstück von weitem<br />
an und sagen:)<br />
• Alle Drei: Das ist Kommunismus,<br />
das ist die rote Gefahr!
26<br />
• Lilly: Was soll das sein? Wir wollen<br />
keine rote Gefahr, wir wollen nur einen<br />
gerechten Vertrag, sonst nichts!<br />
• Alle zusammen: Deshalb lehnen wir<br />
ihre Vorschläge ab!<br />
• Die Drei: Wir können euren Vorschlag<br />
nicht annehmen.<br />
• Juan Juanito:Aber warum denn, er liegt<br />
doch vor ihrer Nase!<br />
• Erster: In dieser Verhandlung können<br />
wir euch nicht weiter entgegenkommen,<br />
das ist eine Anordnung von Herrn<br />
Specksack.<br />
• Lilly: Aber Sie brauchen doch nur zuzugreifen<br />
und mit Herrn Specksack darüber<br />
zu reden, und dann setzen wir die<br />
Verhandlung fort!<br />
• Zweiter: Tut uns leid, dieser Vorschlag<br />
kann von uns so nicht angenommen<br />
werden, wir können euch nicht soweit<br />
entgegenkommen!<br />
• Juan Juanito:Mensch, jetzt nehmt doch<br />
endlich unseren Vorschlag, ihr braucht<br />
uns doch nur 20 cm entgegenkommen<br />
und dann habt ihr ihn. Also, was ist?<br />
• Alle Drei: Nein!<br />
• Clown: Dann brechen wir die Verhandlung<br />
hier ab, so lassen wir nicht mit uns<br />
umspringen!<br />
• (Alle stehen auf und verlassen die<br />
Bühne nach einer Seite, Mogli geht als<br />
letzter mit, bleibt aber dann stehen und<br />
dreht sich zur Delegation um.)<br />
• Erster: Nun, Herr Mogli, noch etwas zu<br />
essen?<br />
• Mogli: Nein danke, ich bin jetzt satt.<br />
• Zweiter: Und warum gehst du nicht<br />
mit deinen Freunden?<br />
• Mogli: (eilig) Ich habe nicht unterschrieben!<br />
• (zögert) Sagen Sie, war das Ernst gemeint,<br />
dass Sie mich zum Präsidenten<br />
und Regierungschef von <strong>Arm</strong>land machen<br />
wollen?<br />
• Dritter: Wenn Herr Specksack unterschreibt,<br />
dann hält er es auch ein!<br />
• Mogli: Und wie ist das mit der großen<br />
Villa, die ich bekommen soll?<br />
• Alle Drei: Bekommst du.<br />
• Mogli: Und das viele Geld, damit<br />
meine ganze Familie reich wird?<br />
• Alle Drei: Bekommst du.<br />
• Mogli: Und das Geld für die Polizei<br />
und das Gefängnis und die Waffen, damit<br />
ich mich gegen die anderen <strong>Arm</strong>länder<br />
durchsetzen kann, bekomme ich<br />
das auch?<br />
• Erster: Das sollst du alles bekommen,<br />
wenn du unterschreibst!<br />
• (Mogli springt an den Tisch, zieht seinen<br />
Vorschlag aus der Tasche, unterschreibt<br />
und reicht ihn hoch zur Delegation.<br />
Die stehen auf, verbeugen sich<br />
und ziehen die Elefantenpeitsche hervor.)<br />
• Zweiter: Herr General Mogli, Herrscher<br />
über <strong>Arm</strong>land, wir danken Ihnen<br />
für die Unterschrift auf diesem Friedensvertrag<br />
und das neue Wirtschaftsabkommen<br />
zwischen Ihnen, dem Präsidenten<br />
von <strong>Arm</strong>land und dem Präsidenten<br />
von Reichland, Herrn Dr.<br />
Specksack. Als Zeichen ihrer neuen<br />
Macht übergeben wir ihnen heute ihre<br />
Elefantenpeitsche! Sie soll es Ihnen<br />
erleichtern, sich auch gegen jene <strong>Arm</strong>länder<br />
durchzusetzen, die diesen Vertrag<br />
missachten und nicht für gute 5<br />
Cent Stundenlohn im Bergwerk der<br />
Raffke & Erzstein Companie arbeiten<br />
wollen.<br />
• Herr General, wir trinken auf ihr Wohl!<br />
• (holen Gläser und stoßen an)<br />
•<br />
• VORHANG<br />
•<br />
• (Clown tritt vor die Bühne, er ist dreckig<br />
und auf seinem Kopf trägt er einen Bauhelm.<br />
Auf dem nackten Oberkörper hat<br />
er Striemen, er trägt eine Spitzhacke,<br />
auf die er sich stützt.)<br />
• Clown:<br />
• (versucht lustig zu wirken. Es gelingt<br />
ihm aber nur eine bedauernswerte<br />
Traurigkeit)<br />
• Hochverehrtes Publikum, sehen Sie<br />
nun haha, die lustige Geschichte von<br />
der Verwandlung <strong>des</strong> Mogli, der nun<br />
keine Elefanten mehr bändigt und doch<br />
seine Peitsche bekam!<br />
• Mogli:<br />
• (ruft von hinten)<br />
• Ferdinand, los, rede nicht soviel herum,<br />
geh an die Arbeit, sonst spürst du<br />
die Peitsche, los!
27<br />
• (Man hört die Peitsche knallen, ein <strong>Arm</strong><br />
erscheint zwischen dem Vorhang, packt<br />
Ferdinand und zieht ihn hinter die<br />
Bühne)<br />
• Mogli:<br />
• (ruft wieder von hinten:)<br />
• Los, macht auf oder denkt Ihr, Ihr<br />
könnt hier ewig faulenzen?<br />
• (wieder knallt die Peitsche)<br />
• (Die Zuschauer sehen, wie der Vorhang<br />
in der Mitte unten aufgehoben und gerollt<br />
wird, und dann sehen sie, wie sich<br />
Juan Juanito, Ali, Lilly, Gotthilf und<br />
Ferdinand den Vorhang auf die Schulter<br />
laden, um ihn beiseite zu schieben. Das<br />
alles geht ohne Hast und langsam. Davor<br />
steht Mogli, der eine Uniform trägt<br />
und die Peitsche in der Hand hält. Er<br />
klopft sich mit der Peische ans Bein und<br />
im Rhythmus seines Klopfens machen<br />
die anderen mit dem Vorhang ihre<br />
Schritte, bis der Vorhang ganz aufgezogen<br />
ist.)<br />
•<br />
• Bühnenbild: In der linken Bühnenecke<br />
liegt ein Haufen Steine, davor zwei<br />
Schubkarren. Hinten kann so etwas wie<br />
ein Förderturm oder ein Steinbruch gemalt<br />
sein.<br />
•<br />
• Mogli: Los, los, ein bisschen Beeilung,<br />
oder meint Ihr, Ihr könntet euer Geld im<br />
Schlaf verdienen?<br />
• Clown: Wir schuften schon genug für<br />
die jämmerlichen 5 Cent.<br />
• Lilly: Du bist einer von uns, daran<br />
solltest du auch mal denken.<br />
• Mogli:<br />
• (lässt die Peitsche knallen)<br />
• Keine frechen Redensarten, los,<br />
schafft die Steine da weg, das Erz muss<br />
nach Reichland!<br />
• Ali: Und so was war bei uns im <strong>Circus</strong>.<br />
• Juan Juanito:Unglaublich, wie der sich<br />
aufführt!<br />
• (Sie laden die Erzbrocken in eine<br />
Schubkarre und fahren diese auf die<br />
andere Seite der Bühne, wo sie die<br />
Steine abladen.)<br />
• Mogli: Los, los, etwas schneller, wenn<br />
ich bitten darf, in etwa einer Stunde<br />
kommt Herr Specksack und möchte sehen,<br />
wie Ihr für die Raffke & Goldstein-<br />
Companie arbeitet, auch ohne europäische<br />
Aufsicht, also,<br />
• (lässt die Peitsche knallen)<br />
• macht voran, diese Tonne Erz muss<br />
heute noch verladen werden.<br />
• (schweigend verladen Juan Juanito, Ali,<br />
Lilly, Ferdinand und Gotthilf die Steine.<br />
Es wird eine Weile nur gearbeitet, bis<br />
Mogli verschwindet.)<br />
• Lilly: Ist er weg?<br />
• Clown: Ja, wir können reden.<br />
• Ali: So geht das nicht weiter.<br />
• Juan Juanito: Der Mogli ist ja schlimmer<br />
als der Specksack!<br />
• Gotthilf:Wir hätten es merken müssen.<br />
• Lilly: Was denn?<br />
• Gotthilf:Naja, wie der Mogli sich hat<br />
füttern lassen von der Reichländerabordnung,<br />
bei der Verhandlung meine<br />
ich.<br />
• Ali: Und als er uns seinen Vorschlag<br />
nicht vorlesen wollte und was da<br />
drin stand, da war er auch so komisch!<br />
• Clown: Wir sind selber schuld, hätten<br />
wir besser aufgepasst, dann müssten<br />
wir jetzt nicht für 5 Cent die Stunde<br />
schuften.<br />
• (Schmeißt wütend einen Stein in die<br />
Schubkarre.)<br />
• Ali: Hätten, hätten, hätten. Das<br />
nutzt uns auch jetzt nichts mehr! Wir<br />
sollten uns lieber überlegen, was wir<br />
jetzt anfangen wollen!<br />
• Juan Juanito: Ali hat Recht, mit dieser<br />
Schufterei für einen Hungerlohn, das<br />
mach ich nicht mehr lange mit!<br />
• (Sie arbeiten eine Weile ohne Gespräch<br />
weiter.)<br />
• Lilly: Und dann die Peitsche; seht<br />
euch mal den Rücken von Ferdinand,<br />
das ist ja richtige Tierquälerei, wenn er<br />
das bei seinen Elefanten gemacht hätte!<br />
• Gotthilf:Die Elefanten haben sie zuerst<br />
genommen und jetzt nehmen sie uns!<br />
• Clown: Wir sollten Mogli absetzen!<br />
Einfach absetzen und selber eine Regierung<br />
machen, die unsere Mitbürger<br />
nicht mit der Peitsche zwingt, für Specksack<br />
zu arbeiten!<br />
• Lilly: Und wie sollen wir das<br />
machen?<br />
• Gotthilf:Ich habe eine Idee.
28<br />
• Clown: Los, erzähle, bevor Mogli mit<br />
Specksack kommt!<br />
• Gotthilf:Das ist es ja, wenn Mogli mit<br />
Specksack kommt, dann nehmen wir<br />
Specksack gefangen. Ohne Specksack<br />
ist Mogli ein Nichts!<br />
• Ali: Und du meinst, dann würde sich<br />
etwas ändern?<br />
• Clown: Ich bin dafür, und wir werden ja<br />
sehen, ob sich dann etwas ändert!<br />
• Alle: O.K. wir probieren es!<br />
• Clown: Auf jeden Fall müssen wir uns<br />
wehren!<br />
• Lilly: Ruhe, - Los, an die Arbeit, sie<br />
kommen und Ihr wisst genau, was zu<br />
machen ist.<br />
• Gotthilf:Achtung, nichts anmerken<br />
lassen!<br />
• (sie arbeiten, wie besessen, Mogli erscheint<br />
mit Specksack zusammen.)<br />
• Mogli: Sie sehen, Herr Specksack, die<br />
Raffke & Goldstein-Companie kann<br />
stolz sein auf die Zusammenarbeit mit<br />
unserem Land.<br />
• Specksack:<br />
• (zeigt auf die Arbeiter)<br />
• Herr General, ich habe keinen Grund<br />
zur Klage und die Geschäfte gehen gut!<br />
• Mogli: Das freut mich zu hören. Und<br />
wie geht es ihrem Magen? Ich weiß,<br />
dass unser Land da noch etwas wieder<br />
gutzumachen hat und wollte Sie<br />
<strong>des</strong>halb heute Abend zum Galaessen<br />
einladen.<br />
• Specksack:<br />
• (lachend) Ach, die alte Geschichte,<br />
schon vergessen, ist ja alles zum Besten,<br />
seit Sie regieren, Herr General!<br />
• Mogli: Ach, Herr Specksack, man tut<br />
was man kann. Sie wissen ja, das Volk<br />
wird aufmüpfig, wenn man nicht immer<br />
mit der Peitsche dahinter steht!<br />
• Specksack: Bleiben Sie hart, Herr<br />
General, Sie sehen ja, solang das Volk<br />
schuftet, kommt es auf keine dummen<br />
Gedanken!<br />
• Mogli: Trotzdem, Herr Specksack, die<br />
Zeiten sind unsicher geworden, die<br />
Arbeiter werden immer frecher, - ich für<br />
meinen Teil habe mein Geld vorsichtshalber<br />
schon auf ein geheimes<br />
Konto in der Schweiz eingezahlt und<br />
meine Familie lebt in Paris!<br />
• Specksack: Recht so, Herr General,<br />
ich sehe, Sie handeln wie alle großen<br />
Männer unserer Zeit, auch ich habe<br />
mein Geld in der Schweiz und meine<br />
Familie lebt in Paris.<br />
• Mogli: Aber gibt es in Reichland denn<br />
auch Probleme?<br />
• Specksack: Lieber General, mehr als<br />
Sie denken, lieber General, die Arbeiter<br />
wollen immer mehr Lohn und immer<br />
weniger arbeiten. Sie fordern Umweltschutz,<br />
weniger Lärm weniger Abgase<br />
und wollen verbieten, unser Abwasser<br />
in die Flüsse zu leiten.<br />
• Was denken Sie, Herr General,<br />
warum wir immer mehr Fabriken in <strong>Arm</strong>land<br />
bauen müssen!<br />
• Mogli: Jaja, der Stress und die undankbare<br />
Frechheit der Arbeiter, wie<br />
soll das nur gut gehen?<br />
• Specksack: Eines muss ich Ihnen<br />
dabei sagen, Herr General, achten Sie<br />
auf ihren Magen, unser schweres Amt<br />
schlägt uns leider allzu oft auf den<br />
Magen, und das, Herr General, ist<br />
angesichts der vielen Empfänge und<br />
kalten Buffets, der Arbeitsessen, an<br />
denen wir teilnehmen müssen, ein wahrer<br />
Jammer!<br />
• Also, wenn Sie mich fragen…<br />
•<br />
• Plötzlich umringen die anderen, die bisher<br />
schweigend geschuftet haben, die<br />
beiden, jeder hält einen Stein in der<br />
Hand und hält ihn wurfbereit hoch.<br />
Clown und Ali stehen hinter Mogli und<br />
Specksack, Juan Juanito, Lilly und Gotthilf<br />
stehen vor den beiden.)<br />
• Lilly: Er wird Sie nicht fragen, denn<br />
jetzt reden wir!<br />
• Specksack: Also, ich verbitte mir diese<br />
Drohung Herr General Mogli, sorgen<br />
Sie für Ruhe und Ordnung in ihrem<br />
Land!<br />
• Mogli: Polizei, Polizei, Aufstand und<br />
Aufruhr, wo bleibt denn nur die Polizei?<br />
• Hilfe!<br />
• Juan Juanito: Schrei nicht so doof rum,<br />
es nutzt Dir doch nichts, hier im Bergwerk<br />
hört Dich keiner!<br />
• (Mogli und Specksack wollen abhauen,<br />
aber Ferdinand und Ali halten sie fest.)
29<br />
• Clown: Halt, halt, Herr Specksack, hier<br />
geblieben, Sie werden hier noch gebraucht!<br />
• Ali: Und unser hoch geliebter General<br />
wollte sich wohl auch so einfach aufund<br />
davon machen, zu seinem fetten<br />
Bankkonto in der Schweiz, ja?<br />
• Lilly: Unser hochverehrter General<br />
meint wohl, er hätte uns immer und<br />
ewig mit der Peitsche zu harter Arbeit<br />
zwingen können?<br />
• Ferdinand: Wir waren Gefangene im<br />
eigenen Land und der da<br />
• (zeigt Mogli dem Publikum)<br />
• war unser größter Menschenschinder!<br />
Ihr beiden seid jetzt unsere<br />
Gefangenen, denn Ihr seid an allem<br />
Schuld!<br />
• Juan Juanito:Und wir wählen uns jetzt<br />
eine eigene Regierung in <strong>Arm</strong>land!<br />
• Ali: Und wir verteilen alle Reichtümer<br />
unter das ganze Volk, so dass jeder<br />
von uns genug Arbeit hat und genug<br />
zu essen, er nicht verhungern muss!<br />
• Alle: Wir sind jetzt frei, versteht Ihr?<br />
Wir sind frei!<br />
• Gotthilf:Und was machen wir mit den<br />
beiden da?<br />
• (zum Publikum)<br />
• Was sollen wir mit den beiden hier<br />
machen? Mogli hat uns immer mit der<br />
Peitsche zur Arbeit gezwungen, Specksack<br />
hat uns betrogen, beide wollten sie<br />
nur auf unsere Kosten reich werden,<br />
sollen wir sie laufen lassen? Sollen wir<br />
sie ins Gefängnis stecken? Sollen wir<br />
sie schuften lassen, bis sie uns alles zurückgezahlt<br />
haben?<br />
• Alle: Was sollen wir mit den beiden<br />
machen?<br />
• (Jetzt fesseln Ferdinand und Ali den<br />
Specksack und den Mogli. Ali und Gotthilf<br />
bleiben oben zur Bewachung der<br />
beiden und die anderen gehen ins Publikum<br />
um zu fragen, was sie mit<br />
Specksack und Mogli machen sollen.<br />
Je<strong>des</strong> Mal, wenn ein Vorschlag kommt,<br />
rufen sie ihn hoch zur Bühne, wo Gotthilf<br />
den Vorschlag aufschreibt und zurückfragt<br />
»warum« – Die Kinder sollen<br />
das eigene Urteil kurz begründen. Zum<br />
Schluss gehen alle wieder auf die<br />
Bühne und Gotthilf liest die Anklagen<br />
und Urteile vor! Bei den letzten Worten<br />
von Gotthilf geht plötzlich das Licht aus,<br />
auf der Bühne entsteht ein Tumult im<br />
Dunkeln, man hört Rufe von Specksack<br />
und Mogli, wie »schlagt sie, nehmt sie<br />
alle gefangen, lasst keinen entkommen,<br />
aua, Schüsse, da ist noch einer, wir<br />
haben sie«, etc.<br />
• Dies dauert nur kurze Zeit, dann<br />
herrscht Stille, das Licht geht wieder an,<br />
der Vorhang ist geschlossen, nach einer<br />
kurzen Atempause kommt der Zeitungsjunge<br />
auf die Bühne und ruft seine<br />
Schlagzeigen aus:)<br />
• Zeitungsjunge: Extrablatt,<br />
Extrablatt,<br />
• Aufstand in <strong>Arm</strong>land niedergeschlagen,<br />
• die Rebellen wurden von den<br />
Truppen <strong>des</strong> Generals Mogli besiegt,<br />
Bankier Specksack aus den Händen der<br />
Rebellen befreit.<br />
• Extrablatt, Extrablatt,<br />
• Aufstand in <strong>Arm</strong>land niedergeschlagen,<br />
Specksack und Mogli aus den<br />
Händen der Terroristen befreit,<br />
Extrablatt, Extrablatt, Aufstand in <strong>Arm</strong>land<br />
gescheitert.<br />
• Reichland sichert dem General Mogli<br />
auch weiterhin Militärhilfe und Wirtschaftshilfe<br />
zu, Extrablatt, Extrablatt<br />
• (Zeitungsjunge verlässt die Bühne,<br />
langsam hebt sich der Vorhang und wir<br />
sehen Juan Juanito, Ali, Lilly, Gotthilf<br />
und Ferdinand hinter einem Gitter<br />
stehen. Sie halten sich mit erhobenen<br />
<strong>Arm</strong>en am Gitter fest und starren stumm<br />
ins Publikum. In der anderen Bühnenecke<br />
sitzen Mogli und Specksack und<br />
essen und trinken an einem kleinen<br />
Tisch. Das dauert solange, bis das Publikum<br />
unruhig wird.)<br />
• Lilly; Mogli, schau her, sieh uns an!<br />
• (Mogli dreht sich demonstrativ weg)<br />
• Es nutzt Dir nichts, wenn du dich<br />
wegdrehst, wenn du uns auch nicht in<br />
die Augen sehen kannst, so musst du<br />
uns doch hören.<br />
• Clown: Und das wollen wir dir sagen:<br />
• Du kannst UNS zwar einsperren in<br />
deine neuen Gefängnisse, du kannst<br />
uns in Ketten legen und uns schlagen,<br />
aber unsere Gedanken, die kannst du<br />
weder fesseln noch in Gefängnisse stecken!
30<br />
• Juan Juanito:Und wenn du uns auch<br />
einsperrst, so kannst du doch nicht das<br />
ganze Volk einsperren!<br />
• Ali: Das Volk ist gegen dich, Mogli.<br />
Sie haben es satt, von Dir und Deiner<br />
Polizei zur Arbeit mit der Peitsche gezwungen<br />
zu werden! Sie haben es satt,<br />
für 5 Cent Stundenlohn den ganzen Tag<br />
in der glühenden Sonne zu schuften<br />
und sich nicht einmal satt essen zu<br />
können!<br />
• Lilly: In den Hütten weinen die Kinder<br />
weil sie Hunger haben und nichts zu<br />
essen bekommen.<br />
• (Still und ohne Vorwurf)<br />
• Mogli, die Menschen in <strong>Arm</strong>land<br />
hassen Dich.<br />
• Mogli:<br />
• (Aufgeregt, springt vom Tisch, hält sich<br />
die Ohren zu)<br />
• Hört auf, hört auf, ich kann das nicht<br />
mehr hören! Ich halte das nicht mehr<br />
aus! Warum hasst Ihr mich denn? Ich<br />
denke, wir spielen ein Theaterstück, das<br />
Theaterstück vom <strong>Circus</strong> <strong>Arm</strong>, ich kann<br />
doch nichts dafür, dass ich den Mogli<br />
spielen muss, das ist doch nur ein<br />
Theaterstück! Aber ich weiß, was ich<br />
mache, ich spiele nicht mehr mit, nein,<br />
ich spiele nicht mehr mit! Ich bin doch<br />
der<br />
• (nennt seinen richtigen Namen)<br />
• Und meint Ihr denn,<br />
• (er spricht zum Publikum)<br />
• es macht mir Spaß, den fiesen Mogli<br />
zu spielen, der seine Freunde mit der<br />
Peitsche zur Arbeit zwingt, um sie dann<br />
ins Gefängnis zu werfen? Nein, es<br />
macht mir keinen Spaß, ich will das<br />
nicht, ich steige aus, ich spiele nicht<br />
mehr mit!<br />
• (zieht seinen Anzug aus und wirft ihn in<br />
die Ecke in Richtung Specksack)<br />
• Specksack:<br />
• (steht langsam auf und geht zu Mogli)<br />
• Ich spiele zwar den gierigen und<br />
tückischen Specksack, aber ich bin<br />
nicht der Specksack und ich will es<br />
auch nicht mehr sein, auch nicht im<br />
Theaterstück!<br />
• Ich bin der<br />
• (nennt seinen richtigen Namen)<br />
• Und ich spiele nicht mehr mit! Ich will<br />
nicht, dass andere für meinen Wohl-<br />
stand hungern müssen, dass sie mit der<br />
Peitsche zur Arbeit gezwungen werden<br />
und doch nur 5 Cent pro Stunde<br />
verdienen! Ich will nicht, dass es mir gut<br />
geht, weil es anderen schlecht geht!<br />
• (zieht sein Kostüm aus, steigt in normale<br />
Kleider und legt das Kostüm vor sich<br />
auf die Bühne)<br />
• Mannequin:<br />
• (trippelt auf die Bühne, trägt Stoffmantel,<br />
dreht sich, bis sie am Bühnenrand<br />
steht und haucht zu den Zuschauern)<br />
•<br />
• Ich steh’ nicht mehr auf Tigerfell, auf<br />
Löwen, Seehund, Nerz, ich stehe jetzt<br />
auf Baumwollstoff und Kleider mit Herz!<br />
• Touristenführer: Was nutzt mir unsere<br />
Reiselust, wenn die Leute keinen<br />
Blick für die Not und das Elend in <strong>Arm</strong>land<br />
haben? Ich mach das auch nicht<br />
mehr mit, ich steige aus!<br />
• Gotthilf:<br />
• (schüttelt seine Fesseln ab und geht mit<br />
den anderen Gefangenen langsam vor<br />
zum Bühnenrand)<br />
• Es ist gut, dass Ihr in diesem Stück<br />
nicht mehr mitspielt, denn wir haben unsere<br />
Fesseln gelöst, weil wir auch nicht<br />
mehr mitspielen wollen.<br />
• Lilly:<br />
• (ins Publikum) Das ist ein schlechtes<br />
Stück, wo die einen in <strong>Arm</strong>land<br />
nichts zu essen haben und die anderen<br />
in Reichland haben soviel, dass sie<br />
Magenschmerzen bekommen!<br />
• (zeigt ins Publikum)<br />
• Wie lange wollt ihr euch so ein Stück<br />
noch anschauen, wo die <strong>Arm</strong>en für die<br />
Reichen schuften müssen und doch<br />
dabei noch hungern?<br />
• Wo die Kinder weinen und die<br />
Männer mit der Peitsche zur Arbeit gezwungen<br />
werden!?<br />
• Alle <strong>Arm</strong>länder: Wir haben keine<br />
Lust mehr, immer nur die <strong>Arm</strong>länder zu<br />
spielen!<br />
• Lilly: Wir wollen essen…<br />
• Gotthilf:wir wollen trinken…<br />
• Ali: Wir wollen arbeiten…<br />
• Clown: Wir wollen leben!<br />
• Alle:
31<br />
• (Zeigen mit den Fingern auf die Leute<br />
im Saal)<br />
• Lasst uns endlich in Frieden miteinander<br />
leben!<br />
• (Licht aus – da kommt sicher Beifall)<br />
• (In den Beifall klingt der Ruf <strong>des</strong><br />
Zeitungsjungen »Extrablatt, Extrablatt“!<br />
Der Junge kommt wieder von hinten<br />
aus dem Zuschauerraum auf die<br />
Bühne)<br />
• Zeitungsjunge: Extrablatt,<br />
Extrablatt, heute mit der Sensationsmeldung<br />
<strong>des</strong> Tages »Das Hungerproblem<br />
ist zu lösen!« Extrablatt bringt die Antwort<br />
auf das größte Problem der<br />
Menschheit, den Hunger und die <strong>Arm</strong>ut.<br />
Die Weltgemeinschaft will bis 2015 den<br />
Anteil der in <strong>Arm</strong>ut lebenden Menschen<br />
um die Hälfte verringern. Extrablatt,<br />
lesen Sie Extrablatt mit der Sensation<br />
<strong>des</strong> Tages, lesen Sie, wie Millionen<br />
Kinder vor Hunger und Elend bewahrt<br />
werden können, Extrablatt bringt die<br />
neue Serie »Hoffnung für die Erde«,<br />
Extrablatt sagt Ihnen, wie Sie mithelfen<br />
können, dass alle Kinder in den armen<br />
Ländern genug zu essen haben,<br />
Extrablatt mit der einfachen Antwort auf<br />
das größte Problem der Menschheit: es<br />
ist so leicht, dass Sie nie darauf kommen<br />
werden, lesen Sie <strong>des</strong>halb<br />
Extrablatt,<br />
• Extrablatt wird vor der Tür verkauft,<br />
lesen Sie Extrablatt.<br />
• Geht ab, Vorhang, Licht an, alle ziehen<br />
auf)<br />
•<br />
•<br />
• E N D E<br />
•<br />
• Das Extrablatt soll eine als Begleitschrift<br />
zum Stück gemachte Zeitung sein, die<br />
mit Fotos und leicht lesbar das Stück jeweils<br />
in einer Seite erklärt und dann<br />
reale Bezüge annimmt.