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Kostenerstattung statt Sachleistung - Zahnärztekammer ...

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WISSENSCHAFT<br />

Plädoyer zum Versuch der Vitalerhaltung,<br />

denn in der Literatur werden für<br />

die direkte Überkappung mit Kalziumhydroxid<br />

Behandlungserfolge in 70 %<br />

bis fast 98 % der Fälle angegeben, obwohl<br />

diese Behandlungsmaßnahme<br />

nicht unumstritten sei. Wie so häufig<br />

in der Medizin ist die Erfolgsquote direkt<br />

abhängig von der richtigen Indikationsstellung.<br />

Das Pulpagewebe muss<br />

vital und frei von (irreversiblen) Entzündungen<br />

sein: die Sensibilitätsprobe<br />

muss positiv ausfallen und der zu behandelnde<br />

Zahn sollte beschwerde-<br />

bzw. schmerzfrei sein. Die Blutung des<br />

freigelegten Pulpagewebes muss einfach<br />

zu stillen sein, da eine massive<br />

Pulpablutung Hinweis auf eine Entzündung<br />

ist. Zur Kavitätentoilette und<br />

Blutstillung gab Dammaschke nur eine<br />

Empfehlung: NaOCl »scheint« ein geeignetes<br />

Mittel zu sein, da die desinfizierende<br />

Wirkung von H 2 O 2 sehr gering<br />

ist. CHx 0,2%ig hat leider keine blutstillende<br />

Wirkung. Der Schutz vor dem<br />

Eindringen von Mikroorganismen in<br />

die Pulpa ist ein Schlüsselfaktor für<br />

den Erfolg einer direkten Überkappung.<br />

Daher sollte die Behandlung unter<br />

Kofferdam erfolgen und sofort<br />

nach direkter Überkappung eine bakteriendichte<br />

Füllung aus Amalgam<br />

oder Komposit gelegt werden. Entgegen<br />

der landläufigen Meinung seien<br />

das Alter des Patienten und die Größe<br />

der Pulpafreilegung keine zwingenden<br />

Kontraindikationen für eine direkte<br />

Überkappung, aber ab einem Lebensalter<br />

von 60 Jahre sinkt die Erfolgsquote<br />

doch ab. Eine Anleitung zum praktischen<br />

Vorgehen rundete den Vortrag<br />

ab: Abdeckung der offenen Pulpa mit<br />

frisch angerührtem Ca(OH)2 oder Pro-<br />

Root MTA® (überschüssiges Material in<br />

einer leeren Filmdose aufbewahren),<br />

da die pH-Werte vergleichbar sind. Histologische<br />

Untersuchungen zur direkten<br />

Überkappung mit Dentinadhäsiven<br />

haben am Menschen wenig positive<br />

Ergebnisse gezeigt, so dass sie keine<br />

Alternative zu Ca(OH)2 darstellen. Zinkoxid-Eugenol-Zement<br />

ist für die direkte<br />

Überkappung ungeeignet, da er zyto-<br />

und neurotoxisch ist und in direktem<br />

Kontakt mit dem Gewebe zu einer<br />

Pulpadegeneration führt. Auch Kortison/Antibiotika-Präparate<br />

wie z.B. das<br />

weit verbreitete Ledermix® eignen sich<br />

nicht zur direkten Überkappung, sondern<br />

lediglich als Notfallmedikament<br />

zur Versorgung der vitalen Pulpa bis<br />

zur Vitalexstirpation. Die Schmerzfreiheit<br />

nach Applikation sei kein Indiz für<br />

eine Pulpaheilung.<br />

Ohne Gummi läuft nix<br />

Es folgte der erste<br />

Vortrag eines niedergelassenen<br />

Kollegen: Dr. Florian<br />

Bertzbach, Bremen<br />

hielt ein leidenschaftliches<br />

Plädoyer für den<br />

Einsatz des Kofferdam:<br />

»Ohne Gummi läuft nix!«.<br />

Seine provokante These: der Zahnarzt<br />

hat bei endontischen Maßnahmen<br />

nicht die Wahl Kofferdam: ja oder nein,<br />

vielmehr ist aus Sicht von Bertzbach ei-<br />

ne Behandlung ohne Kofferdam ein<br />

quasi-Kunstfehler. Seine Begründung:<br />

»Unsere Zeit ist zu schade, als dass wir<br />

Behandlungen doppelt machen sollten.«<br />

Die vitale Pulpa, die durch ein<br />

Trauma eröffnet wird, hat nur eine Pufferzone<br />

von ca. 30 min, bis sie bakteriell<br />

infiltriert ist. Daher ist danach die Erfolgsrate<br />

erheblich geringer, was den<br />

Praktiker geradezu obligat dazu anhalte,<br />

weitere bakterielle Infiltration<br />

durch einen suffizienten Aufbau und<br />

die Benutzung von Kofferdam zu vermeiden.<br />

Grundsätzlich sind suffiziente<br />

Aufbauten zum Anlegen des Kofferdams<br />

von entscheidendem Vorteil und<br />

oft die einzige Möglichkeit, einen dichten<br />

Abschluss zur Mundhöhle zu errei-<br />

chen. Bertzbach plädierte eindringlich<br />

für die Benutzung von »gutem Werkzeug«:<br />

Latexgummi (x-heavy-Qualität)<br />

mit einer guten Stanzzange (Aeskulap<br />

DF 392 R), die ein Ausreißen der Löcherränder<br />

und damit auch ein Reißen des<br />

Gummis grundsätzlich verhindert. Mit<br />

wenigen Klammern in der Auswahl,<br />

die je 4 Branchenpunkte je Zahn aufweisen<br />

(z.B. Hu-Friedy 8a, W4, W2, 212),<br />

sei eine Einzelzahn- Kofferdamisolierung<br />

für Endo-Maßnahmen binnen 30<br />

sec. gelegt. Allerdings sollte die Trepanation<br />

wegen der besseren anatomischen<br />

Orientierung vorher erfolgen. Eine<br />

zusätzliche Abdichtung des Gummis<br />

könne mit Hilfe von »Putty«, also<br />

Abformmasse erfolgen. Bertzbach<br />

schloss seinen Vortrag mit einem kurzen<br />

Statement zum Thema digitales<br />

Röntgen und dessen Vorteilen ab.<br />

Behandlung akuter Schmerzfälle<br />

Nach einer kurzenKaffeepause,<br />

in der auch<br />

die Dentalausstellung<br />

in der<br />

stimmungsvoll<br />

geschmückten<br />

Mensa besucht<br />

werden konnte,<br />

durften die Zuhörer dem Vortrag von<br />

Dr. Jens Versümer, Bovenden, dem zweiten<br />

niedergelassenen Kollegen des Tages<br />

folgen. Sein Referat befasste sich<br />

mit der »Behandlung akuter Schmerzfälle<br />

in der zahnärztlichen Praxis«. Der<br />

Schmerzpatient stellt das gesamte<br />

Team vor große Herausforderungen, ist<br />

doch der Anspruch des Patienten nicht<br />

weniger, als von seinen oft höllischen<br />

Schmerzen befreit zu sein, wenn er die<br />

Praxis wieder verlässt. Versümer verglich<br />

diese Patienten mit einem Überraschungs-Ei:<br />

man weiß nie, was drin<br />

ist. Die logistische Herausforderung<br />

für die Bestellpraxis fängt mit der richtigen<br />

»Voranamnese« durch die Rezeptionskraft<br />

an. Diese sollte die »fleischgewordene<br />

Empathie mit besonders<br />

dickem Fell« verkörpern, prasselt doch<br />

auf sie als erste Anlaufstation das aufgestaute<br />

Leid, aber auch die Wut des<br />

Betroffenen hernieder. Die Analyse<br />

muss aber in erster Linie ergeben: den<br />

zu erwartenden Zeitbedarf, die technische<br />

und räumliche Anforderung sowie<br />

die Dringlichkeit. Des Weiteren<br />

kann sie bereits durch die eine analgetische<br />

Anamnese dafür sorgen, dass<br />

die Anästhesietiefe etwa durch die Einnahme<br />

von 200mg Ibuprofen eine<br />

Stunde vor dem Eingriff entscheidend<br />

verbessert werden könne. Im Wesentlichen<br />

sind die Schmerzursachen in drei<br />

Umständen zu suchen: 88,6% Karies<br />

mit und ohne Restvitalität, 5,8% Trauma<br />

und ca. 3% Hypersensibilität. Dabei<br />

ist die Diagnostik an den Leitsymptomen<br />

zu orientieren und führt zur Diagnose<br />

»reversible Pulpitis« (leichter<br />

Schmerz, kurze Schmerzattacken, kein<br />

Nachtschmerz, hohe Kälteempfindlichkeit<br />

mit anhaltendem reizsynchronem<br />

Schmerz nach Provokation), oder »irreversibler<br />

Pulpitis« (heftiger Schmerz,<br />

längere Schmerzattacken, Nachtschmerz,<br />

Dauerschmerz auf Wärme,<br />

Schmerz überdauert Reiz länger). Klinisch<br />

zeigen sich Karies, defekte Füllungen,<br />

exponiertes Dentin. Oft hat<br />

auch vor kurzem bereits eine Behandlung<br />

am betroffenen Zahn <strong>statt</strong>gefunden.<br />

Aus dem Gesamtbild ergibt sich<br />

der Behandlungsablauf. Allen Interventionen<br />

geht eine Anästhesie voraus.<br />

Versagen Standardtechniken, so sollten<br />

intraligamentäre bzw. intrapulpale<br />

Techniken angewendet werden. Devitalisierungen<br />

etwa mit Formaldehyd<br />

freisetzenden Präparaten sind in jedem<br />

Falle zu vermeiden und entsprechen<br />

nicht mehr dem State-of-the-art.<br />

Eine eingehende Röntgendiagnostik<br />

mit orthoradialen bzw. exzentrischen<br />

Aufnahmen ist obligat. Es folgte eine<br />

Reihe von klinischen Empfehlungen bei<br />

irreversiblen Pulpaerkrankungen: Pulpanekrose<br />

mit symptomatischer Parodontitis<br />

apicalis: vollständige Aufbereitung<br />

in der ersten Sitzung mit<br />

endometrischer/ röntgenologischer<br />

Längebestimmung, intensiver NaOCl-<br />

Spülung und medizinischer Einlage<br />

(Med) mit Ca(OH)2 oder aber Wurzelfüllung<br />

(Wf). Die postoperativen Beschwerden<br />

zeigen statistisch keinen<br />

Unterschied zwischen ein- und mehrzeitiger<br />

Behandlung. Akuter apikaler<br />

Abszess: Trepanation zur Entlastung,<br />

nach Abfluss vollständige Aufbereitung<br />

und Med und Verschluss, ggfs. Inzision.<br />

Bei akutem Zeitmangel ist ausnahmsweise<br />

ein Offenlassen angezeigt.<br />

In der nächsten Sitzung folgen eine<br />

intensive Spülung und dann ein<br />

Verschluss. Als geeignete Materialien<br />

sieht Versümer Cavit® (Schichtdicke<br />

3mm), Zinkoxid-Eugenol-Zement oder<br />

Glas-Ionomer-Zement. Die gewählte<br />

Aufbereitungstechnik überlässt Versümer<br />

ganz dem Praktiker und seinen<br />

Fähigkeiten: maschinell, manuell oder<br />

kombiniert. Das Resümee: die grundsätzliche<br />

Vorgehensweise hat sich in<br />

den letzten Jahrzehnten nicht verän-<br />

dert. Zur Schmerzbeseitigung empfiehlt<br />

der Referent 800mg Ibuprofen<br />

sofort in der Praxis und danach alle 6<br />

Stunden bis zum Abklingen der akuten<br />

Beschwerden.<br />

Die endodontische Landkarte<br />

Es folgte ein vom<br />

Aufbau her interessanterVortrag<br />

von Dr.<br />

Christian Friedrichs,<br />

Kiel. »Die<br />

endodontische<br />

Landkarte«.<br />

Friedrichs, ein<br />

passionierter Segler, fand viele Analogien<br />

zwischen dem korrekten Aufsuchen<br />

und Darstellen der Kanaleingänge<br />

nach Eröffnung des Pulpadaches<br />

und seinem Segelsport. Wie auf einer<br />

Landkarte ist das Verständnis für den<br />

Pulpakammerboden mit seinen vielfältigen<br />

Formen, Farben und Strukturen<br />

nur dann vollständig, wenn man alle<br />

Zeichen und Hinweise auch deuten<br />

kann, sprich: wenn man die Legende<br />

der Karte richtig lesen kann. Die Möglichkeiten,<br />

Details der endodontischen<br />

Landkarte zu erfassen und zu differen-<br />

Abb.1: Gleichmäßige Dicke des Dentins um die Pulpakammer herum. Konzenzitätsregel (Krasner,<br />

Rankow 2004)<br />

108 · ZKN mit teiluNgeN · 2 | 2010 2 | 2010 · ZKN mit teiluNgeN · 109

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