06.12.2012 Aufrufe

Peer Pasternack „Demokratische Erneuerung“

Peer Pasternack „Demokratische Erneuerung“

Peer Pasternack „Demokratische Erneuerung“

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

1.<br />

Problemstellung & Untersuchungsgegenstände<br />

Die hier zu leistende universitätsgeschichtliche Untersuchung widmet sich einem Gegenstand,<br />

der wesentlich durch eine gesellschaftliche Systemtransformation bestimmt war. Insofern<br />

muß sie in einen gesellschafts-, insbesondere transformationsanalytischen Rahmen eingeordnet<br />

werden. Innerhalb dieses Rahmens sollen (heutige) Universitäten in ihrem hybriden Charakter<br />

begriffen werden: als Institutionen wie Organisationen, als Vermittlungsräume staatlicher<br />

und gesellschaftlicher Ansprüche, die kooperative Verdichtungen wie konfliktorische<br />

Zuspitzungen so integrieren, wie dies kaum ein anderer Bereich innerhalb staatlich organisierter<br />

Gesellschaften leistet. Diese widersprüchliche Integrationsleistung macht Universitäten zu<br />

einem Untersuchungsgegenstand, der im Zuge der Analyse gesellschaftlichen Wandels herausgehobenes<br />

Interesse beansprucht.<br />

Die ostdeutschen Hochschulen waren Bestandteil einer DDR-Gesellschaft, die im 41. Jahr<br />

ihres Bestehens – vom Ende 1989 bis zum Herbst 1990 – von sich ein durchaus euphorisch<br />

anmutendes demokratisches Selbstbild hatte. Selbstredend mangelte es zwar den anfänglich<br />

vorhandenen politischen Institutionen, die allesamt noch nicht aus freien Wahlen hervorgegangen<br />

waren, an Legitimation; doch wurden solche Mängel in der seinerzeitigen Perspektive<br />

durch Strukturergänzungen behoben, die basisdemokratisch waren bzw. als Ausdruck von<br />

Basisdemokratie verstanden wurden. Deren bekannteste Formen waren Bürgerkomitees und<br />

Runde Tische.<br />

Im Vergleich dazu hatte die bundesdeutsche Gesellschaft von sich – nach Adenauer-Ära,<br />

Notstandsgesetzen, "Mehr Demokratie wagen", Deutschem Herbst und 1982er Wende –<br />

schon längere Zeit ein zwar nüchternes, doch im wesentlichen gefestigtes demokratisches<br />

Selbstbild.<br />

Nachdem die DDR dann am 3. Oktober 1990 dem "Geltungsbereich des Grundgesetzes",<br />

also der Bundesrepublik beigetreten war, offenbarten sich in Ostdeutschland deutliche<br />

Applikationsschwierigkeiten hinsichtlich des politischen Institutionen- und Verfahrenstransfers.<br />

Zunächst brachen die Mitglieder der autoritär tradierten DDR-Gesellschaft<br />

ihre demokratischen Ziel- und Implementationsprojektionen im Prisma des 'gesetzlosen',<br />

mithin ungewöhnlich gestaltungsoffenen letzten Jahres der DDR. Hinzu trat das in<br />

Ostdeutschland bereitwillig aufgenommene Versprechen der Vereinigungsprotagonisten, mit<br />

dem Beitritt gelange man in ein gefestigtes demokratisches Strukturgefüge.<br />

Im wesentlichen abseits der dominierenden Debatten blieb dagegen anfangs eine Frage:<br />

Wie ist eine rechtsstaatlich-repräsentative Demokratie mittels überkommener demokratischrechtsstaatlicher<br />

Instrumente und Institutionen in eine Gesellschaft einzuführen, die einesteils<br />

13

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!