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newsticker - Märkische Kliniken

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<strong>newsticker</strong><br />

onen Großbritanniens vergleichbar. Es gibt einen nationalen<br />

Gesundheits- oder Psychiatrieplan, national einheitliche Standards<br />

und einheitliche Qualitätsstandards und externe Qualitätskontrollen.<br />

Aus einer übergeordneten Perspektive heraus<br />

kann man leicht den Eindruck bekommen, dass das englische<br />

System in vielerlei Hinsicht besser und effektiver organisiert ist<br />

als das deutsche. Die Realität sieht jedoch oft ganz anders aus.<br />

Aus Patientensicht sind im NHS die relativ langen Wartezeiten<br />

z.B. für Elektiveingriffe sicherlich ein Nachteil. Für eine Kernspinuntersuchung<br />

oder andere diagnostische Untersuchungen<br />

muss man durchaus schon mal 3 Monate Wartezeit in Kauf<br />

nehmen. Das NHS arbeitet prinzipiell sehr kostenbewusst und<br />

versucht Überversorgung und Überdiagnostik zu vermeiden.<br />

A.K.: Gibt es auch einen (Fach-)Ärztemangel wie bei uns?<br />

Dr. B.: Es gab lange Zeit einen Fachärztemangel in Großbritannien.<br />

Das hat sich aber seit einigen Jahren positiv verändert.<br />

Ein Faktor hierfür ist sicherlich die Sprache. Englisch ist in vielen<br />

Staaten des British Commonwealth offizielle Amtssprache<br />

und so ist England für Ärzte aus Commonwealth Ländern eine<br />

interessante Option. Tatsächlich praktizieren auch sehr viele<br />

Ärzte aus Indien, Pakistan oder Nigeria in England. Ein anderer<br />

Faktor, der zur Beseitigung des Ärztemangels beitrug, war, dass<br />

ab ca. 2005 das Arbeiten als Freelancer (Locum in UK) deutlich<br />

an Attraktivität verloren hat. Vor 2005 konnten Ärzte als<br />

Freelancer mühelos das doppelte oder dreifache Gehalt eines<br />

fest angestellten Arztes verdienen. Dies führte dazu, dass es<br />

für Fachärzte finanziell unattraktiv war, sich auf feste Anstellungen<br />

zu bewerben. Wegen des auch in Großbritannien stärker<br />

werdenden Spardrucks wurden dann aber nach und nach<br />

auch die Gehälter der Freelancer auf ein normales NHS Niveau<br />

reduziert. Durch diese Veränderung haben Festanstellungen<br />

wieder deutlich an Attraktivität gewonnen und viele früher<br />

vorwiegend als Freelancer tätige Ärzte befinden sich heute in<br />

festen Angestelltenverhältnissen.<br />

A.K.: Wie schätzen Sie das Management und die Instrumente<br />

der Qualitätssicherung im NHS ein?<br />

Dr. B.: Am Anfang meiner Tätigkeit in London war ich begeistert<br />

von den im NHS etablierten Managementstrukturen<br />

und der flächendeckend etablierten Qualitätssicherung. Im<br />

NHS sind die meisten Arbeitsabläufe klar definiert und es gibt<br />

fast zu allem klinischen und nicht klinischen Prozessen Policies,<br />

Leitlinien und festgelegte Standards, die einem internen<br />

und teilweise auch externen Monitoring unterliegen. Prinzipiell<br />

ist das System sehr gut. Tatsächlich ist es aber zu bürokratisch<br />

und überreguliert. Kliniker fühlen sich im NHS durch<br />

die Vielzahl an Leitlinien, Policies und Managern mittlerweile<br />

in ihrem klinischen Handeln eher behindert als unterstützt<br />

und die Ursprungsidee, dass Kliniker durch Administration und<br />

Management bei der Erfüllung ihrer klinischen Aufgaben unterstützt<br />

werden sollen, ist im Laufe der Jahre irgendwie abhanden<br />

gekommen.<br />

Heute haben viele Kliniker im NHS den Eindruck, dass es primäre<br />

Aufgabe der Kliniker ist, Manager beim Erfüllen ihrer Targets/Ziele<br />

zu unterstützen. Hier kommt es offenbar zu einer<br />

Verwechselung von sekundären und primären Prozessen. Insofern<br />

würde ich sagen, Qualitätssicherung und Qualitätsmanagement<br />

sind wichtige und unverzichtbare Bestandteile des<br />

Gesundheitswesens, müssen aber selbst auch immer wieder<br />

auf den Prüfstand genommen werden.<br />

A.K.: Wie haben sich diese Strukturen im klinischen Alltag bemerkbar<br />

gemacht? Hierzulande werden ja häufig Bürokratie<br />

und zeitraubenden Abstimmungsprozesse mit Krankenkassen<br />

oder Trägern beklagt.<br />

Dr. B.: Eine gute administrative und management-bezogene<br />

Unterstützung von Klinikern ist natürlich prinzipiell wünschenswert<br />

und ermöglicht es, dass Kliniker sich auf ihre Kernkompetenzen<br />

konzentrieren können. Die Gefahr ist jedoch,<br />

dass die Verwaltungs- und Managementstrukturen zu groß<br />

und komplex werden. Das ist eine diesen Strukturen immanente<br />

Tendenz, die man aktiv gegen regulieren muss. Geschieht<br />

dies nicht, werden die zeitraubenden Abstimmungsprozesse<br />

mit Krankenkassen oder Trägern, auf die sie in ihrer Frage abzielen,<br />

lediglich durch andere zeitraubende interne Abstimmungsprozesse<br />

und Bürokratismen ausgetauscht. Im NHS hat<br />

sich in den letzten 10 Jahren die Zahl der Manager verdoppelt.<br />

Das bedeutet aber nicht unbedingt, dass Kliniker nun deutlich<br />

mehr Zeit für klinische Aufgaben haben. Eher scheint sogar das<br />

Gegenteil der Fall zu sein. Die Klagen der Kliniker über eine<br />

überbordende Bürokratie, auszufüllende Formulare und Dokumentationszwang<br />

sind sogar größer als hier in Deutschland.<br />

Aber vielleicht klagen Kliniker eigentlich immer und überall<br />

über zuviel „Bürokram“.<br />

A.K.: Hat die im britischen National Health Service praktizierte<br />

gemeindenahe Versorgung psychisch Kranker Vorzüge gegenüber<br />

der deutschen? Würden Sie es gut finden, wenn man einfach<br />

bestimmte, in Ihren Augen positive Bereiche der Versorgung in<br />

England auf Deutschland „kopieren“ könnte? Welche Bereiche<br />

wären das?<br />

Dr. B.: In England sind im Prinzip regionale Psychiatriebudgets<br />

flächendeckend eingeführt. Diese Art der Finanzierung<br />

ermöglicht eine an den Patientenbedürfnissen orientierte<br />

Ressourcenallokation und Versorgungsplanung. Dadurch,<br />

dass in der Regel die gesamte psychiatrische Versorgung<br />

einer Region von einem Anbieter sichergestellt wird und<br />

somit alle in einem Boot sitzen, entstehen auch keine<br />

typischen Verteilungskämpfe z.B. zwischen ambulanten und<br />

stationären Versorgungsanbietern. Diese Strukturen reduzieren<br />

Schnittstellenprobleme und ermöglichen den Aufbau<br />

integrierter Versorgungsstrukturen und sichern gleichzeitig eine<br />

hohe Behandlungskontinuität für den Patienten. Üblicherweise<br />

wird ein Patient über alle Versorgungssektoren hinweg von den<br />

gleichen Ärzten/Therapeuten behandelt, wobei die schwerer<br />

bzw. chronisch erkrankten Patienten immer auch einen Care-<br />

Coordinator / Case-Manager zur Seite gestellt bekommen.<br />

So können Synergieeffekte genutzt und die vorhandenen<br />

Ressourcen effektiv und effizient genutzt werden. Eine<br />

gewisse Einschränkung besteht für den Patienten bei der Arzt-<br />

bzw. Therapeutenwahl. Diese ist deutlich weniger frei als bei<br />

uns in Deutschland und im Prinzip bestimmt in England die<br />

Wohnadresse, welchen Arzt sie sehen können oder in welches<br />

Krankenhaus sie gehen können. Im ambulanten Bereich besteht<br />

in England, wie bereits erwähnt, eine viel größere Diversifizierung<br />

und Servicevielfalt. Das bringt für Patienten große Vorteile mit<br />

sich. Nehmen sie beispielsweise die Versorgung ersterkrankter<br />

schizophrener Patienten. In Deutschland werden ersterkrankte<br />

schizophrene Patienten nach der stationären Behandlung in<br />

der Regel durch einen niedergelassenen Psychiater betreut.<br />

Das bedeutet für viele Patienten dann etwa einen Termin<br />

pro Quartal. In England werden ersterkrankte Patienten in

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