MBZ Ausgabe 09/2009 - Zahnärztekammer Berlin
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KZV i n t E r n<br />
6<br />
Praxisalltag mit geistig behinderten<br />
Patienten<br />
„Ganz vorsichtig habe ich ihr die Prothese<br />
in die Hand gegeben. Sie nahm sie, betrachtete sie eine Weile und<br />
ich dachte schon, jetzt gleich zerbricht sie die oder wirft sie durch<br />
die Gegend. Aber nichts dergleichen geschah. Sie setzte sie ein und<br />
sagte: Das sind meine Zähne. Wir waren alle völlig perplex, wie<br />
sie das als ihr eigenes angenommen hat.“ Es sind diese kleinen Erfolgsgeschichten,<br />
die Dr. Uljana Dornberger darin bestätigen, geistig<br />
behinderten Menschen als Zahnärztin beizustehen.<br />
Seit über 25 Jahren behandelt sie unter Vollnarkose behinderte Menschen.<br />
Das ist immer dann erforderlich, wenn der Patient schlichtweg<br />
den Mund nicht aufmacht oder Zahnreinigungen, Füllungen oder so-<br />
Dr. Wieland Schmidt, Maria Menden und Dr. Walter Dornberger<br />
mit Patientin<br />
gar Extraktionen bei Menschen anstehen, die man geistig nicht erreicht,<br />
um zu erklären, was passiert. Auch hier ist Vertrauen der Anfang<br />
von allem: „Ein geistig behinderter Mensch braucht über Jahre<br />
hinweg den gleichen Ansprechpartner und einen guten Betreuer.<br />
Wenn das Dreiecksverhältnis zwischen Arzt, Patient und Betreuer<br />
funktioniert, kriegt man sogar Kontrolluntersuchungen nach einem<br />
Implantat hin ohne Vollnarkose. Es hängt aber vom Schweregrad der<br />
Erkrankung ab. Man sollte nie pauschal denken, sondern es zumindest<br />
einmal versuchen“, so Dr. Uljana Dornberger.<br />
Drei bis vier Menschen mit geistiger Behinderung behandeln<br />
Dr. Uljana Dornberger und ihr Team unter Vollnarkose im Monat.<br />
Dann steht neben der Behandlungseinheit ihr Mann Dr. Walter<br />
Dornberger. Der Anästhesist strahlt Ruhe und Sicherheit aus.<br />
Selbst Angstpatienten können tapfer lächeln, während seine Arzthelferin<br />
den Zugang legt, den Fingerklipp zur Messung des Sauerstoffgehaltes<br />
im Blut befestigt und vom Monitor ein leises Piepsen<br />
zu hören ist. Gerade noch lauscht der Patient seiner eigenen Herz-<br />
<strong>MBZ</strong> Heft 9 20<strong>09</strong><br />
Dr. Dana Vettorazzi, Dr. Walter Dornberger und Helena Gawrilow<br />
mit Patientin<br />
frequenz, schon gleitet er hinüber in Morpheus Arme. Ein paar<br />
Augenblicke später hat Dr. Walter Dornberger den Tubus gesetzt.<br />
Der Patient erhält 100prozentigen Sauerstoff, die Schlafmittelzufuhr<br />
wird eingestellt, gleichzeitig laufen Schmerzmittel in die Vene<br />
des Patienten. Der Zahnarzt beginnt mit seiner Arbeit. „Bei manchen<br />
geistig behinderten Menschen hilft leider alles Zureden nicht.<br />
In solchen Fällen gehen wir zügig vor, fixieren, setzen den Zugang<br />
und leiten die Narkose ein“, meint Dr. Walter Dornberger.<br />
Mediziner wie das Ehepaar Dornberger sind engagiert. Vieles liegt<br />
ihrer Ansicht nach aber im Argen sowohl bei den Krankenkassen<br />
als auch auf Seite des Gesetzgebers. So wie bei dem jungen Mann,<br />
für den sie einen Antrag auf Implantate gestellt hatten: Der geistig<br />
Behinderte hatte alle Prothesen selbst herausgenommen, zerbissen<br />
Dr. Uljana Dornberger mit ihrer Kollegin Silke Kühn<br />
oder zerbrochen. Der Gutachter, der die Implantate befürworten<br />
sollte, schrieb in seiner Beurteilung lapidar, dass der Patient nicht<br />
besichtigt werden konnte, weil er den Mund nicht aufgemacht