02.12.2015 Aufrufe

zett-Magazin August / September

Magazin für Stadtkultur, Schlachthof / Lagerhaus

Magazin für Stadtkultur,
Schlachthof / Lagerhaus

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

7<br />

I N T E R V I E W : A N D R E A S S C H N E L L<br />

EINE HERZENSANGELEGENHEIT<br />

Platt lässt sie nicht los: Janine Claßen war die erste niederdeutsche<br />

Dramaturgin am Staatstheater Oldenburg und im letzten Jahr<br />

veranstaltete sie den ersten Bremer Poetry-Slam auf Platt.<br />

Wie sind Sie darauf gekommen, einen Poetry-Slam auf Platt zu machen?<br />

Claßen: Darauf hat mich Vera Ihler gebracht, eine Freundin, die ich<br />

über das Platt kennengelernt habe. Sie gehört zu den wenigen Menschen,<br />

die mit Platt als Muttersprache aufgewachsen sind. Sie ist gerade mal über<br />

30, kommt aus Ostfriesland, lebt aber in Bremen und sitzt auch mit am<br />

Runden Tisch für Plattdeutsch in Bremen und Bremerhaven. Sie ist Poetry-<br />

Slam-Fan und hatte die Idee. Als ich dann vor einem Jahr im Brodelpott<br />

anfing, habe ich mir zum einen vorgenommen, das Publikum zu verjüngen<br />

und zum anderen ist mir Plattdeutsch eine Herzensangelegenheit, deswegen<br />

wollte ich das auch ins Programm integrieren. Da lag es nahe, den<br />

Poetry-Slam auszuprobieren.<br />

Gab es so etwas schon vorher?<br />

Claßen: In Bremen zumindest nicht. Es gibt aber in anderen Städten<br />

plattdeutsche Poetry-Slams. Dafür muss man allerdings weiter in den<br />

Norden gehen. In Schleswig-Holstein wird das gemacht, in Teilen Niedersachsens<br />

und auf den Inseln.<br />

Wie viele Teilnehmer gab es beim Bremer Platt-Slam?<br />

Claßen: Ich glaube, es waren vier. Bezeichnenderweise kamen sie<br />

allesamt nicht aus Bremen, sondern aus Schleswig-Holstein und Niedersachsen.<br />

Unter anderem war Marlene aus Wilhelmshaven dabei, die ist in<br />

der Slammer-Szene recht bekannt. Marlene ist schon über 70 und slammt<br />

auch auf Hochdeutsch.<br />

Und die anderen?<br />

Claßen: Sven Kamin ist Ende 20, der hat sich Platt erst beigebracht.<br />

Ein anderer kam aus dem Bremer Umland, ist Anfang 30, und kann gar<br />

kein Platt, dem haben wir das beigebracht für den Abend. Der Vierte<br />

kommt aus Schleswig-Holstein und ist schon über 50. Das ist eine sehr<br />

kleine Szene.<br />

Unterscheiden sich die Texte von denen bei normalen Slams?<br />

Claßen: Weniger, aber manche machen Platt durchaus zum Thema.<br />

Sven Kamin hat darüber geschrieben, mit welchen Widerständen er<br />

umgehen musste, als er Platt lernte.<br />

Janine Claßen<br />

beim Sommerinterview<br />

Wird es eine Wiederholung geben?<br />

Claßen: Ich würde das sehr gern wieder machen. Ich stelle<br />

mir einen Zweijahresrhythmus vor. Ich würde gern versuchen,<br />

eine kleine Szene aufzubauen und mich vielleicht auch noch<br />

intensiver umzuschauen, um Leute zu finden, die das können.<br />

Könnten Sie nicht Workshops im Brodelpott veranstalten?<br />

Claßen: Ich mache einen offenen monatlichen Plattschnacker-Treff,<br />

wo sich Leute treffen, die Platt sprechen,<br />

aber auch solche, die Platt schön finden und das lernen wollen<br />

oder einfach nur gern hören. Das mache ich seit April und<br />

das läuft sehr gut. Wir sind so ungefähr ein Dutzend Teilnehmer.<br />

Ich lade aber auch plattdeutsche Künstler ein. Es gibt<br />

zum Beispiel eine plattdeutsche Comedienne, Annie Heger,<br />

geboren und aufgewachsen in Aurich. Sie lebt in Berlin und<br />

ist eine totale Rampensau. Die kommt mit ihrem Programm<br />

›Watt’n Skandal‹ nach Bremen. Es gibt kein großes Publikum<br />

dafür, das ist mir klar. Aber das kann ich aushalten. Ich merke,<br />

dass es viel Sympathie und Interesse für das Thema gibt.<br />

Auch im Golden City gab es ja ein kleines Platt-Festival.<br />

Ist Platt im Aufwind?<br />

Claßen: Ich glaube schon, dass De Fofftig Penns durchaus<br />

inspirierend wirken. Es gibt zum Beispiel einen jungen Musiker<br />

namens Blowm, der macht Hiphop auf Platt. Ich glaube,<br />

der hat sich davon ermutigen lassen. Es wäre wohl übertrieben<br />

zu sagen, dass es da jetzt eine große Szene gäbe.<br />

Aber ich finde es super, wenn jemand künstlerisch mit Platt<br />

arbeitet. In Bremen gibt es jetzt die Band Knipp Gumbo*, die<br />

machen Rock’n’Roll mit plattdeutschen Texten. Das ist toll.<br />

Warum liegt Ihnen Platt so am Herzen?<br />

Claßen: Ich habe einen sehr persönlichen Bezug dazu. Ich<br />

habe Platt immer im Ohr, weil meine Oma das viel mit uns<br />

gesprochen hat. Ich komme aus Zetel bei Wilhelmshaven, da<br />

wird noch viel Platt gesprochen. Ich wollte außerdem als Kind<br />

schon Theaterspielen und die einzige Möglichkeit war bei<br />

einer plattdeutschen Amateurbühne im Nachbarort. Da habe<br />

ich im Grunde das Theaterspielen<br />

gelernt. Mich auf<br />

Platt zu unterhalten, habe<br />

ich aber erst vor drei oder<br />

vier Jahren angefangen. Das<br />

hat mich zuerst große Überwindung<br />

gekostet. Das ist<br />

natürlich was ganz anderes,<br />

als einen auswendig gelernten<br />

Text zu sprechen.<br />

*Live zu erleben sind<br />

Knipp Gumbo gemeinsam<br />

mit Den Schkandolmokers<br />

am 26. <strong>September</strong> im<br />

Lagerhaus.<br />

F o t o : B EGÜM YÜCELAY

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!