zett-Magazin August / September
Magazin für Stadtkultur, Schlachthof / Lagerhaus
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Schlachthof / Lagerhaus
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I N T E R V I E W : A N D R E A S S C H N E L L<br />
EINE HERZENSANGELEGENHEIT<br />
Platt lässt sie nicht los: Janine Claßen war die erste niederdeutsche<br />
Dramaturgin am Staatstheater Oldenburg und im letzten Jahr<br />
veranstaltete sie den ersten Bremer Poetry-Slam auf Platt.<br />
Wie sind Sie darauf gekommen, einen Poetry-Slam auf Platt zu machen?<br />
Claßen: Darauf hat mich Vera Ihler gebracht, eine Freundin, die ich<br />
über das Platt kennengelernt habe. Sie gehört zu den wenigen Menschen,<br />
die mit Platt als Muttersprache aufgewachsen sind. Sie ist gerade mal über<br />
30, kommt aus Ostfriesland, lebt aber in Bremen und sitzt auch mit am<br />
Runden Tisch für Plattdeutsch in Bremen und Bremerhaven. Sie ist Poetry-<br />
Slam-Fan und hatte die Idee. Als ich dann vor einem Jahr im Brodelpott<br />
anfing, habe ich mir zum einen vorgenommen, das Publikum zu verjüngen<br />
und zum anderen ist mir Plattdeutsch eine Herzensangelegenheit, deswegen<br />
wollte ich das auch ins Programm integrieren. Da lag es nahe, den<br />
Poetry-Slam auszuprobieren.<br />
Gab es so etwas schon vorher?<br />
Claßen: In Bremen zumindest nicht. Es gibt aber in anderen Städten<br />
plattdeutsche Poetry-Slams. Dafür muss man allerdings weiter in den<br />
Norden gehen. In Schleswig-Holstein wird das gemacht, in Teilen Niedersachsens<br />
und auf den Inseln.<br />
Wie viele Teilnehmer gab es beim Bremer Platt-Slam?<br />
Claßen: Ich glaube, es waren vier. Bezeichnenderweise kamen sie<br />
allesamt nicht aus Bremen, sondern aus Schleswig-Holstein und Niedersachsen.<br />
Unter anderem war Marlene aus Wilhelmshaven dabei, die ist in<br />
der Slammer-Szene recht bekannt. Marlene ist schon über 70 und slammt<br />
auch auf Hochdeutsch.<br />
Und die anderen?<br />
Claßen: Sven Kamin ist Ende 20, der hat sich Platt erst beigebracht.<br />
Ein anderer kam aus dem Bremer Umland, ist Anfang 30, und kann gar<br />
kein Platt, dem haben wir das beigebracht für den Abend. Der Vierte<br />
kommt aus Schleswig-Holstein und ist schon über 50. Das ist eine sehr<br />
kleine Szene.<br />
Unterscheiden sich die Texte von denen bei normalen Slams?<br />
Claßen: Weniger, aber manche machen Platt durchaus zum Thema.<br />
Sven Kamin hat darüber geschrieben, mit welchen Widerständen er<br />
umgehen musste, als er Platt lernte.<br />
Janine Claßen<br />
beim Sommerinterview<br />
Wird es eine Wiederholung geben?<br />
Claßen: Ich würde das sehr gern wieder machen. Ich stelle<br />
mir einen Zweijahresrhythmus vor. Ich würde gern versuchen,<br />
eine kleine Szene aufzubauen und mich vielleicht auch noch<br />
intensiver umzuschauen, um Leute zu finden, die das können.<br />
Könnten Sie nicht Workshops im Brodelpott veranstalten?<br />
Claßen: Ich mache einen offenen monatlichen Plattschnacker-Treff,<br />
wo sich Leute treffen, die Platt sprechen,<br />
aber auch solche, die Platt schön finden und das lernen wollen<br />
oder einfach nur gern hören. Das mache ich seit April und<br />
das läuft sehr gut. Wir sind so ungefähr ein Dutzend Teilnehmer.<br />
Ich lade aber auch plattdeutsche Künstler ein. Es gibt<br />
zum Beispiel eine plattdeutsche Comedienne, Annie Heger,<br />
geboren und aufgewachsen in Aurich. Sie lebt in Berlin und<br />
ist eine totale Rampensau. Die kommt mit ihrem Programm<br />
›Watt’n Skandal‹ nach Bremen. Es gibt kein großes Publikum<br />
dafür, das ist mir klar. Aber das kann ich aushalten. Ich merke,<br />
dass es viel Sympathie und Interesse für das Thema gibt.<br />
Auch im Golden City gab es ja ein kleines Platt-Festival.<br />
Ist Platt im Aufwind?<br />
Claßen: Ich glaube schon, dass De Fofftig Penns durchaus<br />
inspirierend wirken. Es gibt zum Beispiel einen jungen Musiker<br />
namens Blowm, der macht Hiphop auf Platt. Ich glaube,<br />
der hat sich davon ermutigen lassen. Es wäre wohl übertrieben<br />
zu sagen, dass es da jetzt eine große Szene gäbe.<br />
Aber ich finde es super, wenn jemand künstlerisch mit Platt<br />
arbeitet. In Bremen gibt es jetzt die Band Knipp Gumbo*, die<br />
machen Rock’n’Roll mit plattdeutschen Texten. Das ist toll.<br />
Warum liegt Ihnen Platt so am Herzen?<br />
Claßen: Ich habe einen sehr persönlichen Bezug dazu. Ich<br />
habe Platt immer im Ohr, weil meine Oma das viel mit uns<br />
gesprochen hat. Ich komme aus Zetel bei Wilhelmshaven, da<br />
wird noch viel Platt gesprochen. Ich wollte außerdem als Kind<br />
schon Theaterspielen und die einzige Möglichkeit war bei<br />
einer plattdeutschen Amateurbühne im Nachbarort. Da habe<br />
ich im Grunde das Theaterspielen<br />
gelernt. Mich auf<br />
Platt zu unterhalten, habe<br />
ich aber erst vor drei oder<br />
vier Jahren angefangen. Das<br />
hat mich zuerst große Überwindung<br />
gekostet. Das ist<br />
natürlich was ganz anderes,<br />
als einen auswendig gelernten<br />
Text zu sprechen.<br />
*Live zu erleben sind<br />
Knipp Gumbo gemeinsam<br />
mit Den Schkandolmokers<br />
am 26. <strong>September</strong> im<br />
Lagerhaus.<br />
F o t o : B EGÜM YÜCELAY