Das Ende des 2.Weltkrieges in Bremerhaven
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Sonnabend, 5. Mai: 8.30 Musterung der Besatzung durch den Flo.-Chef. Die Besatzungen<br />
aller anwesenden Boote mußten antreten. Es wurde bekanntgegeben, daß seit<br />
morgens 8.00 Uhr Waffenruhe herrschte. Es regnete und stürmte. Wir hatten abzuwarten,<br />
was weiter geschehen werde.<br />
Sonntag, 6. Mai: Um uns herum war es still , stiller noch als im Frieden, wie wir me<strong>in</strong>ten.<br />
Alles erwartete mit Spannung die kommenden Ereignisse.<br />
Montag, 7. Mai: Wir hatten Befehl, im Lager zu bleiben.<br />
Anschläge <strong>in</strong> der Stadt verkündeten bereits den bevorstehenden E<strong>in</strong>marsch der Anglo-Amerikaner.<br />
Der Rundfunk gab diesen Zeitpunkt mit 14-15.30 Uhr an.<br />
Wir im Ehrensberger-Lager sahen um 17.30 Uhr den ersten Panzerspähwagen, der<br />
von der Brücke der Fischerei hafen-Schleuse über die Deichkuppe auf das Lager zurollte.<br />
Die französische, russische und polnische Flagge wehten bereits an diesem<br />
Abend auf der Halle X. Wir sahen e<strong>in</strong>en herrlichen Sonnenuntergang nach e<strong>in</strong>em<br />
schönen Frühl<strong>in</strong>gstag.<br />
E<strong>in</strong>e E<strong>in</strong>heit der 51. Britischen Highland-Division, die unter General Aueh<strong>in</strong>leck <strong>in</strong><br />
Nordafrika gegen Rommel gekämpft hatte, rückte an. Die Mannschaften der gesamten<br />
Flottille mußten antreten und wurden abgezählt.<br />
Aufgrund me<strong>in</strong>er englischen Sprachkenntnisse bekam ich den Befehl, mich als Dolmetscher<br />
und als Verb<strong>in</strong>dungsmann zur englischen E<strong>in</strong>heit zur Verfügung zu halten,<br />
die den Fischereihafen bei Krügers' Restaurant an der Luneschleuse und an der Fischereihafenbrücke<br />
absperrte. <strong>Das</strong> Wachgebäude war das Kl<strong>in</strong>kergebäude <strong>in</strong> der<br />
Nähe (landseitig) der Fischereihafenschleusen-Brücke. Hier waren übrigens bis Anfang<br />
Mai Mar<strong>in</strong>ehelfer<strong>in</strong>nen e<strong>in</strong>quartiert. Weiter geschah an diesem Abend nichts von<br />
britischer Seite.<br />
Dienstag, 8. Mai: Wir härten, daß gestern, 2.40 Uhr, der Waffenstillstand abgeschlossen<br />
worden war. Heute sollte die Waffenabgabe stattf<strong>in</strong>den.<br />
Am Vormittag mußte ich zu dem von den Alliierten übernommenen Mar<strong>in</strong>elazarett<br />
Speckenbüttel und sah auf dem Wege dorth<strong>in</strong> (ich fuhr mit e<strong>in</strong>em Krad) britische und<br />
amerikanische Truppen. Von diesen Truppen bekam ich im Vorbeifahren e<strong>in</strong>en guten<br />
E<strong>in</strong>druck. Über der Stadt kreisten alliierte Bomber und Jäger. Es war herrliches Maiwetter.<br />
Mittwoch, 9. Mai: Am Morgen wurde die restliche Munition abgegeben.<br />
Die Engländer rückten <strong>in</strong> das Ehrensberger-Lager e<strong>in</strong>. Alles g<strong>in</strong>g ruhig vonstatten.<br />
Wir hatten ke<strong>in</strong>en Dienst, blieben an Bord, sonnten uns und trieben zum Teil Sport.<br />
Ansonsten harrten wir der D<strong>in</strong>ge, die da kommen sollten.<br />
Donnerstag, 10., und Freitag, 11. Mai: Es geschah nichts, es breiteten sich nur Gerüchte<br />
aus. Genauere Auskünfte waren bei uns nicht zu erhalten.<br />
Sonnabend, 12., und Sonntag, 13. Mai: Für uns herrschte lediglich Freizeit. Wir vertrieben<br />
sie mit sportlichen Aktivitäten, unter anderem veranstalteten die Mar<strong>in</strong>er auch e<strong>in</strong><br />
Schlauchboot-Rennen.<br />
Montag, 14., und Dienstag, 15. Mai: Der Fischereihafen war abgesperrt, die Schleusen<br />
wurden bewacht, wir waren praktisch Internierte. Ohne Aufgaben lebten wir für uns<br />
dah<strong>in</strong>. Es geschah nichts besonderes.<br />
Mittwoch, 16. Mai: Im Morgengrauen rückten die britischen Land-E<strong>in</strong>heiten <strong>in</strong>s Eibegebiet<br />
ab. Die Besatzungen der deutschen Boote wurden reduziert. Unsere Mannschaftszahl<br />
sank von 40 auf 23.<br />
Donnerstag, 17. Mai: E<strong>in</strong> britisches Kommando vom 47th Artillerie-Regiment der 51.<br />
Highlanders blieb zunächst noch <strong>in</strong> <strong>Bremerhaven</strong> und quartierte sich im Klubhaus<br />
<strong>des</strong> Weser-Yacht-Ciubs e<strong>in</strong>. Dort wurde ich weiterh<strong>in</strong> als Dolmetscher e<strong>in</strong>gesetzt.<br />
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Freitag, 18. Mai: Ich war dienstlich e<strong>in</strong>gespannt.<br />
E<strong>in</strong> Erlebnis hat sich mir genau e<strong>in</strong>geprägt: E<strong>in</strong>em alten Mann, der im Schleusenbereich<br />
wohnte, war von e<strong>in</strong>em englischen Soldaten e<strong>in</strong>e Haarschneidemasch<strong>in</strong>e entwendet<br />
worden. Der Capta<strong>in</strong> vom 47th. Art. Reg. der Highlanders erfuhr von diesem<br />
Vorfall durch den alten Mann und ließ die gesamte Soldatengruppe, die im Wachgebäude<br />
e<strong>in</strong>quartiert war, heraustreten. Der alte Mann schilderte den Vorgang, ich<br />
übersetzte es den angetretenen britischen Soldaten. Der Capta<strong>in</strong> forderte denjenigen,<br />
der die Haarschneidemasch<strong>in</strong>e mitgenommen hatte, auf, sich sofort zu melden und<br />
hervorzutreten. Zu me<strong>in</strong>em Erstaunen geschah dies auch. Wenig später hatte der<br />
Mann se<strong>in</strong>e Haarschneidemasch<strong>in</strong>e wieder.<br />
Sonnabend, 19. Mai: Die Engländer übergaben Wesermünde an die Amerikaner. Die<br />
britischen Truppen hatten sich diszipl<strong>in</strong>iert und korrekt verhalten.<br />
Obwohl ich <strong>in</strong> der ganzen Zeit ständig mit ihnen zu tun hatte, war ich niemals irgende<strong>in</strong>er<br />
Willkür oder e<strong>in</strong>er fe<strong>in</strong>dlichen Behandlung ausgesetzt.<br />
Wem er Jacobi<br />
Georgstraße 65<br />
Jahrgang 1922<br />
berichtet am 16. 1. 1985<br />
Im April1944 wurde der Betrieb <strong>in</strong> Stuttgart,<br />
<strong>in</strong> dem ich se<strong>in</strong>erzeit als Angestellter<br />
tätig war, durch Bombenangriffe<br />
schwer beschädigt. Ich konnte <strong>des</strong>halb<br />
me<strong>in</strong> dortiges Dienstverhältnis lösen und<br />
nach me<strong>in</strong>er Heimatstadt <strong>Bremerhaven</strong>,<br />
damals Wesermünde, zurückkehren.<br />
Nach kurzer Tätigkeit im väterlichen<br />
Geschäft, der Firma Hermann Schwerdtfeger,<br />
wurde ich am 1. 8. 1944 von der<br />
Aktiengesellschaft Weser Seebeck-Werft<br />
<strong>Bremerhaven</strong> e<strong>in</strong>gestellt. Ich war damals<br />
im E<strong>in</strong>kauf tätig und hauptsächlich mit<br />
der Bewirtschaftung von Rohstoffen und Hilfsstoffen befaßt. Während dieser Zeit mußte<br />
ich häufig bei den für uns zuständigen Behörden <strong>in</strong> Harnburg und Hannover, so<br />
z. B. im Lan<strong>des</strong>wirtschaftsamt, der Wirtschaftsgruppe Schiffbau und der Organisation<br />
Todt vorsprechen. Ich war so häufig mit der Eisenbahn unterwegs. Die letzte Fahrt <strong>in</strong><br />
dieser H<strong>in</strong>sicht unternahm ich kurz vor der E<strong>in</strong>nahme der Stadt Hannover durch die<br />
Engländer im März/April1945. Ich kann mich er<strong>in</strong>nern, daß damals der Zug nicht bis<br />
Hannover-Hauptbahnhof vorfahren konnte, sondern <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Dorf Letter oder Limmer<br />
vor Hannover hielt. ln der Nähe war e<strong>in</strong> großes Reifenlager der Cont<strong>in</strong>entalwerke, das<br />
<strong>in</strong> Brand gesetzt war und mit schwerem Gestank die ganze Gegend verpestete.<br />
Die Seebeck-Werft war für den Bau von U-Booten <strong>des</strong> Typs 23 e<strong>in</strong>gespannt. Hier bekamen<br />
wir von Zulieferem die rohen Sektionen angeliefert und mußten sie auf der<br />
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