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Das Ende des 2.Weltkrieges in Bremerhaven

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Erich Serve<br />

Kreuzstraße 2<br />

2854 Loxstedt-De<strong>des</strong>dorf<br />

Jahrgang 1917<br />

geb. Breslau<br />

berichtet am 12. 12. 1984<br />

Wir wurden nicht aus dem Dienst entlassen; denn die Engländer machten uns zur<br />

Auflage, daß die Deutsche Bucht erst von M<strong>in</strong>en geräumt werden müßte.<br />

Im Ehrensbergerlager wurde dann die M<strong>in</strong>enräumflotte (GMSA) zusammengestellt,<br />

die vorwiegend aus umgerüsteten KFK-Booten bestand. Niemand durfte sich von der<br />

Truppe entfernen. Bis zum 27. 9. 1947 war ich bei der Flottille.<br />

Kurz vor Kriegsende habe ich me<strong>in</strong>en Seesack (Wäsche, Uniformen usw.- die letzte<br />

Habe) bei Bekannten untergestellt. Um der befohlenen Waffenablieferung zu entgehen,<br />

habe ich me<strong>in</strong>en Dolch zerbrochen und <strong>in</strong> die Weser geworfen.<br />

Erlernter Beruf Fe<strong>in</strong>mechaniker. Nach<br />

beendeter Lehre meldete ich mich im<br />

Sommer 1936 zur Kriegsmar<strong>in</strong>e. Den<br />

Krieg habe ich als Mar<strong>in</strong>esoldat erlebt,<br />

zuletzt als Obermasch<strong>in</strong>ist auf e<strong>in</strong>em<br />

· Torpedoboot. Nach Untergang <strong>des</strong> Bootes<br />

Sept. 1944 gelangte ich Anfang 1945<br />

über Reval, Elb<strong>in</strong>g, Pillau nach Gotenhafen.<br />

Von dort kam ich mit e<strong>in</strong>em Flüchtl<strong>in</strong>gstransport-Geleitschutz<br />

nach Lübeck.<br />

<strong>in</strong> Kiel übernahm ich HT 65, um es zur<br />

Deschimag (Deutsche Schiffs- und Masch<strong>in</strong>enbau-Gesellschaft) Bremen zu br<strong>in</strong>gen.<br />

Am 15. 3. 1945 trafen wir mit dem Boot <strong>in</strong> Wesermünde (<strong>Bremerhaven</strong>) e<strong>in</strong>. <strong>Das</strong> Boot<br />

machte im Fischereihafen, Halle X, Nordspitze, fest. Unsere Verpflegung bekamen wir<br />

vom Verpflegungsamt; dabei wurde mit e<strong>in</strong>igen Rationen die weniger gut versorgte<br />

Bevölkerung bedient.<br />

Am Tage der Übergabe an die Engländerhörteich plötzlich über Sprechfunk <strong>in</strong> englischer<br />

Sprache e<strong>in</strong>e Standortmeldung, abgegeben von 2 brit. Panzerspähwagen,<br />

die bei Halle X Nord auftauchten. Unsere Besatzung war noch vollzählig an Bord.<br />

Befehle wechselten ständig: Boot versenken - Boot nicht versenken; wir brachten<br />

vorsorglich e<strong>in</strong>e Sprengladung am Bodenventil an. Da wir noch bewaffnet waren,<br />

erwarteten wir gelassen, wie sich die D<strong>in</strong>ge ereignen würden. Gedanken schossen<br />

durch den Kopf- was würde werden? Die Heimat Schlesien schien verloren. Es g<strong>in</strong>g<br />

ums nackte Überleben.<br />

Dann erfolgte unsere Internierung durch die Engländer. Wir durften nicht mehr von<br />

Bord. Posten zogen auf, und wir standen unter ständiger Bewachung wie im Gefängnis.<br />

Da die Posten aber nur auf uniformierte Personen achteten, gelang es uns jedoch<br />

e<strong>in</strong>ige Male, mit e<strong>in</strong>em Ziviljackett bekleidet, mittels e<strong>in</strong>er Leiter von Bord zur Holzhandlung<br />

Bendig (damals Halle X) zu kommen und von dort unter Mithilfe von Zivilisten,<br />

die dort beschäftigt waren, <strong>in</strong> die Stadt zu gehen. Unsere Verpflegung an Bord<br />

erfolgte durch noch vorhandene Restbestände.<br />

Die Fremdarbeiter (Polen und Russen), die im Fischereihafen beschäftigt gewesen<br />

waren, begannen unseren Hafen nach Eßbarem und Brauchbarem zu "untersuchen".<br />

Zu unserem Schutz wurde am Abend das Fallreep e<strong>in</strong>gezogen und der Dampfer von<br />

der Pier abgedrückt. Im Siegestaumel tranken die Russen und Polen Sprit (vermutlich<br />

V1-Treibstoff) als Alkohol, der <strong>in</strong> Güterwagen der Bahn im Hafen gelagert wurde.<br />

Als Folge wurden e<strong>in</strong>ige mit Erbl<strong>in</strong>dungsersche<strong>in</strong>ungen am Deich gefunden.<br />

Gedanken über die eigene Zukunft g<strong>in</strong>gen im Augenblick völlig verloren. Essen und<br />

Kleidung hatten wir. Irgendwie würde es schon weitergehen.<br />

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Gerda Thies<br />

Langestraße 7<br />

Jahrgang 1918<br />

berichtet am 7. 2. 1985<br />

Ich b<strong>in</strong> <strong>in</strong> <strong>Bremerhaven</strong> geboren, hier zur<br />

Schule gegangen und, durch Krankheit<br />

der Eitern bed<strong>in</strong>gt, <strong>in</strong> Wesermünde geblieben<br />

und habe den ganzen Krieg, -<br />

also auch die Kapitulation -, hier miterlebt.<br />

Am 17. April wurde die Stadt Wesermünde<br />

zur Festung erklärt und die Bevölkerung<br />

gebeten, sich darauf e<strong>in</strong>zurichten.<br />

Die fe<strong>in</strong>dlichen Truppen zogen den Kreis<br />

um Wesermünde immer enger. Die Mar<strong>in</strong>e<br />

öffnete ihre Magaz<strong>in</strong>e, um die Bevöl- \<br />

kerung ausreichend mit Lebensmitteln zu<br />

versorgen. Zuerst wurde me<strong>in</strong>es Wissens Öl ausgegeben. <strong>in</strong> der Presse wurde bekanntgegeben,<br />

daß die Bevölkerung me<strong>in</strong>es Stadtteils sich im Schlachthof e<strong>in</strong>f<strong>in</strong>den<br />

sollte, um e<strong>in</strong>e Öl-Zuteilung <strong>in</strong> Empfang zu nehmen. Wir bewaffneten uns mit Eimern,<br />

zogen zum Schlachthof und standen- wie gewohnt- Schlange vor den Tankwagen.<br />

Ich schob mit 2 Eimern, die am Lenkrad h<strong>in</strong>gen, gefüllt mit Rüb- und Sonnenblumenöl,<br />

selig nach Hause. Die Straße war gekennzeichnet durch e<strong>in</strong>e Fettspur. Es dauerte<br />

nicht lange, und es duftete <strong>in</strong> der ganzen Stadt nach Fett-Gebackenem. Ich er<strong>in</strong>nere<br />

mich, daß manche Leute dieses Fettgebäck nicht mehr vertragen konnten, aber sie<br />

waren wenigstens e<strong>in</strong>mal wieder satt geworden! <strong>Das</strong> Öl wurde- <strong>in</strong> Flaschen gefülltim<br />

Keller verstaut. Kurz vorher war e<strong>in</strong> Zug mit Öl-Tankwagen von Tieffliegern beschossen<br />

worden, so daß das Öl etwa <strong>in</strong> der Gegend Wremen/Dorum <strong>in</strong> die Gräben<br />

lief. Die Nachricht darüber breitete sich wie e<strong>in</strong> Lauffeuer aus, und die Stadtbevölkerung<br />

zog <strong>in</strong> Scharen dorth<strong>in</strong> h<strong>in</strong>aus, um das Öl aus den Gräben abzuschöpfen. Als<br />

sie ankamen, war bereits e<strong>in</strong> großer Teil <strong>des</strong> Öls von der Landbevölkerung <strong>in</strong> Milchkannen<br />

abgeschöpft worden.<br />

Kurze Zeit später wurde zur Butterverteilung aufgerufen. Auf die gleiche Weise (Kontrollabschnitte<br />

der Lebensmittelkarte) wurden pro Person ca. 5 Pfd. verteilt. Diesmal<br />

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