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Das Ende des 2.Weltkrieges in Bremerhaven

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Otto Sahm<br />

Behr<strong>in</strong>gstraße 8<br />

Jahrgang 1920<br />

berichtet am 8. 2. 1985<br />

Weil ich rechtzeitig verwundet und<br />

schon Anfang 1944 von der Wehrmacht<br />

entlassen worden war, habe ich das<br />

Kriegsende <strong>in</strong> Wesermünde (<strong>Bremerhaven</strong>)<br />

erlebt.<br />

Ich er<strong>in</strong>nere, daß e<strong>in</strong>en Tag vor der<br />

Stadt-Übergabe noch e<strong>in</strong>e Rundfunkansprache<br />

gehalten wurde, <strong>in</strong> der u.a. gesagt<br />

wurde, wir möchten uns den Siegern<br />

gegenüber nicht würdelos verhalten.<br />

Weil me<strong>in</strong>e Firma ausgebombt war, hat- ~ ' ~<br />

ten wir e<strong>in</strong>e Notunterkunft <strong>in</strong> der Halle<br />

IX Fischereihafen. Hier härten wir, daß bei bei der Schiffsausrüstung S. Rabien das<br />

Freilager für uns Deutsche freigegeben war, damit die dort lagernden "Kostbarkeiten",<br />

vor allem Alkoholika, nicht <strong>in</strong> Fe<strong>in</strong><strong>des</strong>hand fallen sollten. Ich war glücklich genug,<br />

mir die Zutaten für Eierlikör zusammensuchen zu können. Mit diesem Eierlikör<br />

b<strong>in</strong> ich dann e<strong>in</strong>en Tag vor der Stadtübergabe bei me<strong>in</strong>er heutigen Frau erschienen,<br />

weil ich gehört hatte, daß sie gerade vom Arbeitsdienst heimgekehrt war.<br />

Im Bürgerpark, beg<strong>in</strong>nend beim Cafe Roux, wurden die Waffen und die Kriegsgeräte<br />

gesammelt und gelagert, die von der Mar<strong>in</strong>e und anderen deutschen Wehrmachtse<strong>in</strong>heiten<br />

abgeliefert werden mußten.<br />

ln der Stadt wurden die ersten Erlasse und Befehle mit strengen Verhaltensvorschriften<br />

im H<strong>in</strong>blick auf die Übergabe angeschlagen. Für die Überschreitung waren strengste<br />

Bestrafungen angedroht.<br />

Alle deutschen E<strong>in</strong>wohner durften am Übergabetag das Haus nicht verlassen (Ausgehverbot).<br />

Im Hause Kegel, Lützowstr. 6, <strong>in</strong> Wulsdorf, erlebte ich die Kapitulation. Im Gebiet der<br />

Lützowstr. - Dreibergen - Alsenstraße warteten die Reste e<strong>in</strong>er deutschen Division.<br />

E<strong>in</strong>ige Soldaten waren auch im Hause Kegel e<strong>in</strong>quartiert. Herr Kegel öffnete se<strong>in</strong>en<br />

We<strong>in</strong>keller für die Soldaten, se<strong>in</strong>e Familie und für mich. So wurde unsere Kapitulation<br />

e<strong>in</strong> "we<strong>in</strong>seliges" Ereignis. 2 dieser Soldaten s<strong>in</strong>d hier hängengeblieben und s<strong>in</strong>d<br />

noch heute gute Bekannte.<br />

E<strong>in</strong>ige Tage später, als die Ausgangssperre gelockert wurde, und wir Deutschen<br />

wieder stundenweise <strong>in</strong> die Stadt durften, g<strong>in</strong>gen wilde Gerüchte von Mund zu Mund,<br />

außerdem wurde gefragt, wen man von den Wehrwirtschaftsführern "geholt" habe.<br />

Als ich bei erster Gelegenheit mit dem Fahrrad <strong>in</strong> die Stadt fuhr, sah ich die Schotten<br />

<strong>in</strong> der Nähe der Pestalozzistraße mit den Dudelsäcken üben. Zurückgekehrt zur<br />

Lützowstraße, fand ich die Familie Kegel <strong>in</strong> heller Aufregung, weil englische Militärpolizei<br />

Haus und Garten mit M<strong>in</strong>ensuchgeräten abgesucht hatten. Ich härte, daß<br />

Nachbarn den Engländern über angeblich vergrabene Waffen H<strong>in</strong>weise gegeben<br />

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hätten. Außer e<strong>in</strong>igen Kriegsauszeichnungen, die <strong>in</strong> Sandeimern versteckt waren,<br />

hatten sie nichts gefunden.<br />

Bei erster Gelegenheit fuhr ich zum Notsitz unserer Firma <strong>in</strong> den Fischereihafen und<br />

sah die bisherigen russischen und e<strong>in</strong>ige französische Gefangene mit den Knäulen<br />

unseres Ernteb<strong>in</strong>de- und Netzgarnes Fußball spielen. Weil diese "Befreiten" Absichten<br />

auf me<strong>in</strong> Fahrrad hatten, b<strong>in</strong> ich schnell wieder geflüchtet. Alle Fahrräder, deren<br />

die Fremdarbeiter habhaft werden konnten, haben sie den Deutschen entrissen. Man<br />

hat später Hunderte von Fahrrädern im Hafenbecken wiedergefunden.<br />

ln der Stadt wurde auch von Mißhandlungen durch die Fremdarbeiter gesprochen.<br />

Es wurde erzählt, und dies stellte sich später als Wahrheit heraus, daß der Gutsbesitzer<br />

Haxsen von se<strong>in</strong>en ehemaligen Kriegsgefangenen auf dem Feld erschlagen worden<br />

sei.<br />

ln diesen Tagen härten me<strong>in</strong>e Kameraden und ich von Greueltaten, die im Osten an<br />

der deutschen Bevölkerung verübt worden seien, so daß wir nun selbst auch um<br />

Leben und Gesundheit fürchten mußten. Im übrigen hatte es schon ähnliche Gerüchte<br />

vorher gegeben und auch über das, was der Morgenthau-Pian mit den Deutschen<br />

vorhatte.<br />

Als die Engländer abgezogen waren, kamen die Amerikaner. Über me<strong>in</strong>e Firma<br />

machte ich die Bekanntschaft mit dem amerikanischen Ob.-Ltn. Ray Farley, mit dem<br />

ich heute noch Kontakt habe und gut befreundet b<strong>in</strong>. Me<strong>in</strong>e Frau und ich besuchten<br />

ihn vor 2 Jahren <strong>in</strong> Lewisburg!Tennessee. Von unserem Wiedersehen nahm sogar<br />

die dortige Presse und Rundfunk Kenntnis. Ray hat se<strong>in</strong>en Gegenbesuch für dieses<br />

Jahr angekündigt.<br />

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