EINER VON EINER MILLION
Liberal-02_2016
Liberal-02_2016
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
GESELLSCHAFT ÖFFENTLICH-RECHTLICHES FERNSEHEN<br />
Wozu die Zwangsabgabe?<br />
Schalten auch Sie die Kiste nur noch an, um abzuschalten? Gucken Sie noch,<br />
oder dösen Sie schon? Kein Zweifel: So, wie es ist, macht sich das real existierende<br />
öffentlich-rechtliche Fernsehen selbst überflüssig. So, wie es sein sollte, wäre es<br />
unverzichtbar – findet einer, der sich auskennt. // TEXT // WOLFGANG HERLES<br />
Über der Debatte steht die Gebührenfrage.<br />
Wozu noch eine Zwangsabgabe? Weil es<br />
doch eine „Demokratie-Abgabe“ ist? Richtig.<br />
So sollte es sein. Nur, solange ARD und ZDF<br />
überwiegend der Zerstreuung und Betäubung der<br />
Zuschauer dienen, sollten sie besser von den Krankenkassen<br />
finanziert werden. Oder eben privatisiert.<br />
Aber auch dort, wo das Programm politische Information<br />
und Bildung bietet und damit der Meinungsbildung<br />
dient beziehungsweise dienen sollte, wächst<br />
die Kritik. Es war ja soeben erst zu erleben. Geradezu<br />
genötigt werden musste das ZDF, endlich umfassend<br />
und schonungslos zu informieren über die Silvesternacht<br />
in Köln. Stattdessen Wegschauen, Verharmlosen,<br />
Ablenken, Bevormunden. Mit der hilflosen Online-Frage<br />
der „Nachrichtensendung“ heute plus<br />
machte sich der Sender zum Gespött: Liebe Zuschauer,<br />
wie hättet ihr es gern, wie sollen wir denn informieren?<br />
Ein journalistischer Offenbarungseid. Nicht<br />
Angela Merkel übte da Zensur, sondern der Teufel der<br />
Gefallsucht.<br />
Berichtet und kommentiert wurde nicht, was<br />
Sache war, sondern was vermeintlich guttat. Und als<br />
gut gilt immer das, was einer vermeintlichen Mehrheit<br />
gefällt, was im konformistischen Mainstream der<br />
Großen Koalition nicht anecken kann. Statt beizeiten<br />
ein Einwanderungsgesetz zu diskutieren, einigten sich<br />
Politik und Medien der Einfachheit halber darauf, dass<br />
Pegida eine Schande für Deutschland sei. Manches<br />
wird noch immer tabuisiert, zum Beispiel der unübersehbare<br />
Zusammenhang zwischen Islam und Islamismus.<br />
Religion genießt in Deutschland überhaupt<br />
moralischen Kredit. Dass das Frauenbild im Islam die<br />
Ursache ist für kriminelles, frauenverachtendes Verhalten<br />
muslimischer Einwanderer – manche Kommentatoren<br />
und Politiker wollen es noch immer nicht<br />
wahrhaben. Über die grundsätzlich notwendige<br />
Trennung von Staat und Kirche wird in keiner Talkshow<br />
geredet.<br />
Wozu also Gebühren?<br />
Es gibt eine einzige<br />
Begründung dafür. Die<br />
Gebühr soll das öffentlich-rechtliche<br />
Fernsehen<br />
von den Gesetzen des<br />
Marktes befreien. Trotzdem<br />
sind ARD und ZDF fast ausschließlich den Zahlen<br />
verfallen. Das Elend trägt einen Namen: Quote.<br />
Ein Fernsehprogramm, das immer möglichst allen<br />
gefallen will und sich so verhält, als müsse es Marktführer<br />
sein, bleibt beliebig. Es biedert sich an, ist<br />
mutlos, vermeidet den genauen Blick auf die Welt,<br />
scheut Komplexität, kommt glatt und gefällig daher,<br />
erstarrt aus Angst vor Überforderung der Masse der<br />
Zuschauer. Und nur noch auf die Masse kommt es ihm<br />
an. Intendanten, die glauben, sie erfüllten den gesellschaftlichen<br />
Auftrag durch Massenkompatibilität in<br />
Geschmack und Inhalt, durch Marktführerschaft um<br />
fast jeden Preis, haben ihren Auftrag nicht verstanden.<br />
Sie verkaufen ihre Seele.<br />
Nur noch selten erinnern sich die Anstalten an<br />
ihren gesellschaftlichen Auftrag, meist dann, wenn sie<br />
„DIE QUOTE IST DIE SCHÄRFSTE<br />
SCHERE, DIE JEMALS IN<br />
DEN KÖPFEN DER REDAKTEURE<br />
GEKLAPPERT HAT.“<br />
44 2.2016 liberal