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Lindenhof Hotelzeitung \"Ausgabe I Frühling 2015\"

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SEITE 03<br />

DIE LINDENHOF HOTELZEITUNG<br />

REPORTAGE<br />

Lorella hat alles im Blick – und sorgt dafür,<br />

dass Tisch 32 die Ente in drei Minuten bekommt<br />

Es ist 20.15 Uhr. Absolute Primetime. Acht Servicekräfte<br />

rennen rein (mit schmutzigem Geschirr) und raus (mit<br />

dem besten Gourmetessen), sechs Köche schwitzen und<br />

haben keine Zeit, auch nur ein Wort zu reden – und der<br />

große Zettel von Lorella ist weit über die Hälfte gefüllt.<br />

Die ersten Tische sind durchgestrichen, was bedeutet: Essen<br />

vollständig serviert. „Beim Umbau der Küche haben<br />

wir uns dieses System überlegt“, erzählt Lorella. Von der<br />

Schiebetür in die „öffentliche Welt“ führt ein langer<br />

Gang nach hinten. Nach fünf Metern kommt der Platz<br />

von Lorella, drei Meter weiter ist die Spüle. Auf der anderen<br />

Seite des Ganges führen vier Bahnen nach vorne – zu<br />

der Ablage mit den Wärmelampen. Auf Bahn 1 arbeitet<br />

der Suppenkoch, auf Bahn 2 werden die warmen Vorspeisen<br />

zubereitet. Auf Linie 3 sind die Souschefs bei der Arbeit,<br />

die sich um die Hauptspeisen kümmern. Und durch<br />

eine Wand abgetrennt hat der Patissier sein eigenes Reich.<br />

LORELLAS GANG<br />

„TISCH 18 MÖCHTE<br />

LIEBER EINE<br />

LEBERKNÖDELSUPPE“<br />

Ein Blick hinter die Kulissen: Wie der ganz normale Wahnsinn bei einem<br />

ganz normalen Abendessen am „Pass“ in der Küche funktioniert<br />

Während die Gäste in einem der drei Speiseräume im Hotel<br />

<strong>Lindenhof</strong> in aller Ruhe und Entspanntheit Wein und Essen<br />

auswählen, beginnt in der Küche der größte Stress des Tages.<br />

Nur mit einer ausgeklügelten Logistik lässt sich hier auf knapp<br />

250 Quadratmetern die Zeit zwischen 19 und 22 Uhr meistern.<br />

600 Teller für 120 Gäste gehen in weniger als drei Stunden<br />

über den sogenannten „Pass“. Und im Mittelpunkt steht<br />

die Hotelchefin.<br />

„Zwei Suppen, einen Drink für Tisch 14“, sagt Jan<br />

zu Lorella – und die Hotelchefin notiert auf einem vorbereiteten<br />

großen Blatt Papier, das an der Wand hängt, die<br />

erste Bestellung des Abends.<br />

Es ist 19.15 Uhr. Der ganz normale Wahnsinn beginnt in<br />

der knapp 250 Quadratmeter großen Küche im Hotel <strong>Lindenhof</strong>.<br />

Wie an sechs anderen Tagen in der Woche steht<br />

Lorella Lorenza Longhitano am sogenannten „Pass“, der<br />

Küche und Service verbindet. Sie ist die Einzige, die mit<br />

den sechs Köchen in den nächsten Stunden kommunizieren<br />

wird, jede Bestellung läuft über sie, jede Essensausgabe<br />

wird von ihr im „Pass“ gesteuert und kontrolliert. „Ich<br />

mag mir gar nicht vorstellen, was das für ein Zirkus wäre,<br />

wenn jeder Ober seine Bestellung direkt beim Koch ordern<br />

würde“, sagt die Frau, die am Abend wohl den anstrengendsten<br />

Job hat, auch wenn diese knapp drei Stunden<br />

von allen Beteiligten höchste Disziplin erfordern.<br />

„Tisch 18 möchte lieber eine Leberknödelsuppe – und<br />

zwei Mal Wellnessdrink“, ruft ihr Kellnerin Lea zu – und<br />

Lorella wischt noch einmal über die Teller mit den zwei<br />

Schaumsüppchen von Rosmarin und Parmesan, die seit<br />

vielleicht zehn Sekunden unter den fünf großen Wärmelampen<br />

warten. „Die zwei Suppen an Tisch 32“, sagt sie –<br />

und Lea nimmt sie sofort mit.<br />

Es ist 19.45 Uhr. Vor der Schiebetür stehen immer mehr<br />

Gäste am Salatbuffet – und im Meran-Speisesaal überlegt<br />

Der „Pass“ in der Küche: die Hotelchefin steuert den Service und die<br />

Köche – „was wäre das sonst für ein Zirkus?“<br />

Frau Glaser an Tisch 12, ob sie jetzt nach dem Wellnessdrink<br />

aus Buttermilch und Passionsfrucht als warme Vorspeise<br />

lieber die Paarlbrotpappardelle mit einem Ragout<br />

von der Spanferkelkeule und einem leichten Kümmelschaum<br />

oder den gebackenen Ziegenfrischkäseknödel auf<br />

einem Kürbischutney und frischen Feigen bestellen soll.<br />

„Der Gast kann sich bei uns von Gang zu Gang entscheiden“,<br />

sagt Lorella und weiß: Für die da draußen ist das<br />

sehr angenehm, für die hier drinnen verursacht es erschwerte<br />

Bedingungen.<br />

„Zweimal Pappardelle für Tisch 12“, sagt Helmut im Vorbeigehen<br />

in Richtung Spülraum, wo er das schmutzige<br />

Geschirr abstellt. Lorella lässt Helmut noch kurz auf die<br />

nächste Servicekraft warten, damit die sieben Hauptspeisen<br />

an Tisch 44 in der Stube gleichzeitig serviert werden<br />

können. „Manchmal verstehen Gäste nicht, warum nicht<br />

immer der gleiche Kellner zu ihnen an den Tisch kommt.<br />

Aber das ist bei unserem System mit der Wahl von Gang<br />

zu Gang gar nicht anders möglich“, sagt der Service-Leiter<br />

Helmut Stieger.<br />

„Zweimal Ente und einmal Zander für Tisch 32. Aber erst<br />

in 15 Minuten“, sagt Monika – und man merkt allen an,<br />

dass sie wohl nur noch draußen in den Speiseräumen bei<br />

den Gästen die Kraft zum Lächeln haben.<br />

Es ist 20.45 Uhr. Lorella sagt, sie habe das schon im Gespür<br />

mit den zehn oder 15 Minuten Wartezeiten und<br />

streicht Tisch 5 durch, nachdem Lea das Dessert durch<br />

die Schiebetür jongliert. Seit acht Uhr heute Morgen arbeiten<br />

die Köche. Bis zur Pause um 13.30 Uhr hatten sie<br />

den Großteil des Menüs vorbereitet und eine Etage tiefer<br />

im „Magazin“ in Gefrier- und Trockenfächern gelagert.<br />

„Während der Essensausgabe sollte jeder von uns nicht<br />

mehr als zehn Handgriffe machen müssen, sonst wird’s<br />

eng“, sagt der Chefkoch Andreas Pircher. Die Pappardelle<br />

liegt portionsweise gebündelt vor dem sprudelnden Wassertopf,<br />

40 fertig gegarte Entenbrüstchen warten im 40<br />

Grad warmen Ofen auf die Erlösung, Sauce und Beilage<br />

stehen in einem ausgeklügelten System auf Bahn 2 und 3.<br />

„Wir haben unsere Erfahrungswerte, wie viele Entenbrüstchen<br />

wir brauchen werden. Und wenn die dann mal<br />

eine knappe Stunde im Wärmeofen sind, schmecken die<br />

wie komplett frisch zubereitet“, sagt Pircher.<br />

Es ist 21.30 Uhr. „Dreimal Ente für Tisch 11, einmal Zander“,<br />

sagt Jennifer – und zum ersten Mal herrscht wieder<br />

ein Lächeln zwischen der „Pass“-Frau Lorella und dem<br />

Chefkoch Andreas. Vier Mal Ente hätte nicht gereicht.<br />

„Wir hatten geglaubt, dass die Kinder wie üblich Wiener<br />

Schnitzel bestellen. Aber heute haben sie fast alle Ente gegessen“,<br />

sagt Lorella. Die braunen Augen der Italienerin,<br />

die einen sonst so feurig anschauen, blicken müde in die<br />

Runde. Langsam ist der Tag gemeistert, die ersten drei<br />

Bahnen werden geputzt, nur der Patissier Josef Martin hat<br />

noch ein paar Portionen und Handgriffe vor sich. Und<br />

Lorella sucht noch einen Ober, der das Dessert an Tisch<br />

24 bringt. „Durch den Pass ist auch diese Rivalität raus,<br />

die doch früher oft in den Küchen zwischen Service- und<br />

Kochteam herrschte“, sagt Lorella.<br />

Jan kommt und holt das letzte Dessert bei Josef Martin ab,<br />

der schon verzweifelt auf jemanden vom Service gewartet<br />

hat. „Ich könnte auch Koch sein“, sagt Jan augenzwinkernd<br />

zu Josef Martin – und der antwortet. „Zu mir hat<br />

man früher gesagt: Lern erst mal Koch, Kellner kannst<br />

du immer noch werden.“<br />

Es ist kurz nach 22 Uhr. Service und Küche melden sich<br />

wieder zurück ins Leben.<br />

Lorella Lorenza Longhitano hat ihren Partner Joachim<br />

Nischler in Corvara im Sternelokal „La stüa de Michel“ kennengelernt.<br />

Seit 22 Jahren lebt sie jetzt in Naturns und ist im<br />

<strong>Lindenhof</strong> für die Bereiche Etage, Beauty und für den „Pass“ in<br />

der Küche zuständig. Aufgewachsen ist die Italienerin in dem<br />

Quartiere Baggio, in dem auch das San Siro-Stadion von Inter<br />

Mailand beheimatet ist – und zwar in der Via Val Senales. Der<br />

Schnalstalstraße. Wenn das keine Vorbestimmung war…

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