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SEITE 05<br />
DIE LINDENHOF HOTELZEITUNG<br />
GOURMET<br />
„Der Star ist das Team“, sagt der Küchenchef<br />
Andreas Pircher (rechts) – und testet zusammen<br />
mit seinem Stellvertreter Benny Perkmann die<br />
neuesten Gerichte<br />
Monate immer verändern. „Das sind wir schon unserer<br />
eigenen Ehre schuldig, nicht alle drei Wochen die gleichen<br />
Menüs auf den Speiseplan zu schreiben“, sagt der<br />
Chef über elf Köche.<br />
Schon beim Erzählen merkt man ihm an, wie er sich auf<br />
den nächsten Tag freut. Sie haben heute Süßkartoffeln<br />
bestellt und wollen morgen kreativ an einer neuen Suppe<br />
arbeiten. Mango, rote Zwiebeln, Chilly – weiß der Teufel<br />
noch was der Mann alles aufzählt, was er da probieren<br />
will. Und das Erstaunliche daran: die beiden Künstler-<br />
Köche brauchen das Gericht gar nicht auf dem Ofen zu<br />
machen und nachher zu testen, schon beim Aufschreiben<br />
der weiteren Zutaten können sich Perkmann und Pircher<br />
vorstellen, wie es fertig schmeckt. Das sei wichtig, sagt<br />
Pircher, und es zeichne einen guten Koch auch aus.<br />
Jetzt ist der Journalist müde, aber Andreas Pircher in<br />
seinem Element. Von den Diätkursen berichtet er, die er<br />
demnächst besuchen wird, weil auch diese Art des Kochens<br />
immer wichtiger wird, von der Zeit zwischen den<br />
Jahren, in denen er sich noch intensiver darum kümmern<br />
kann, was die Konkurrenz so macht. „Es ist wichtig, auf<br />
dem Laufenden zu sein.“ Deshalb sitzt er auch abends zu<br />
Haus am Computer, wenn Frau und Kinder schon längst<br />
schlafen, und schaut, was die anderen so auf Facebook posten<br />
oder was es Neues in der Kochszene gibt.<br />
Das Bier ist alle – und die private Frage, was er denn sonst<br />
so treibe, holt den Mann urplötzlich wieder in die Müdigkeit<br />
zurück. Früher habe er viel Sport in seiner Freizeit<br />
getrieben, aber heute würden ihn natürlich seine zwei<br />
Kinder fordern. Und welche Fernsehsendungen sieht er?<br />
Am liebsten Reportagen. Spiegel TV und so. Er schaut<br />
auf die Uhr.<br />
Soll doch Witzigmann von seinem Privatleben erzählen,<br />
Andreas Pircher muss jetzt ins Bett.<br />
Andreas Pircher ist seit 1997 im Hotel <strong>Lindenhof</strong>,<br />
seit zehn Jahren als Chefkoch. Gelernt hat er im „Rössl“ in<br />
Rabland und auf der Landesberufsfachschule Savoy in Meran.<br />
Bevor er in den <strong>Lindenhof</strong> kam, arbeitete er im Romantikhotel<br />
„La Perla“ in Corvara. Pircher lebt in Plaus, ist 39 Jahre,<br />
verheiratet und hat zwei Kinder: Raphael (5) und Josef (4).<br />
EIN PIRCHER-REZEPT<br />
BOCKSHORN-<br />
TORTELLONI<br />
GEFÜLLT MIT<br />
VINSCHGER<br />
BERGKÄSE, DAZU<br />
KÜRBISCREME<br />
Nudelteig:<br />
125g Weizenmehl<br />
125g Hartweizenmehl<br />
50g Bockshornmehl (evtl. durch Sieb<br />
abseihen)<br />
150g Eier (ca. 3 Stück)<br />
1 Tl. Olivenöl<br />
Käsefülle:<br />
125ml Milch<br />
125ml Sahne<br />
100g Vinschger Bergkäse, gehobelt<br />
10g Butter<br />
10g Weizenmehl<br />
Salz, Pfeffer<br />
Kürbispüree:<br />
500g Kürbis, geputzt und<br />
klein geschnitten<br />
Salz, Pfeffer<br />
50g Butter<br />
Zubereitung Nudelteig:<br />
Alle Zutaten in einer Schüssel verrühren,<br />
auf den Tisch geben und zu einem glatten<br />
Teig kneten. In Klarsichtfolie einpacken<br />
und eine halbe Stunde ruhen lassen.<br />
Zubereitung Käsefülle:<br />
Mit Mehl und Butter eine Mehlschwitze<br />
herstellen. Die Milch und die Sahne in<br />
einem Topf erhitzen und würzen. Einmal<br />
aufkochen und in den Topf mit der<br />
Mehlschwitze schütten. Unter ständigem<br />
Rühren ca. 5 Min. kochen lassen. Den<br />
gehobelten Bergkäse dazugeben, gut<br />
vermengen und auskühlen lassen<br />
(ca. 3-4 Stunden).<br />
Zubereitung Kürbispüree:<br />
Den geputzten und geschnittenen Kürbis<br />
mit Salz und Pfeffer abschmecken, die<br />
geschmolzene Butter dazugeben und<br />
vakuumieren. In einen Dampfgarer geben<br />
und ca. 30-40 Min. dämpfen, bis der<br />
Kürbis weich ist. Noch heiß und evtl. mit<br />
etwas Flüssigkeit (vom Vakuumsack)<br />
aufmixen und abschmecken. Sie können<br />
den geschnittenen Kürbis auch in einen<br />
Topf mit Butter anziehen, würzen, mit ein<br />
wenig Gemüsebrühe (oder Wasser)<br />
aufgießen und zugedeckt weichgaren.<br />
(Ohne Vakuumiergerät).<br />
Fertigstellung:<br />
Den Nudelteig mit der Nudelmaschine<br />
dünn ausrollen und mit einem Ausstecher<br />
rund ausstechen. Den halben Teig mit<br />
Wasser bestreichen und in der Mitte die<br />
kalte Fülle mit einem Spritzsack<br />
daraufgeben. Das Nudelblatt zusammen<br />
klappen und gut andrücken. Die beiden<br />
Teigenden zusammendrücken und einen<br />
Raviolo formen. Die Tortelloni in<br />
Salzwasser bissfest kochen und mit heißer<br />
Butter und Parmesan abschmelzen. Das<br />
Kürbispüree auf einem Teller aufstreichen<br />
und die Tortelloni darauf anrichten.<br />
GAST-ANSICHTEN<br />
ICH KLAGE AN<br />
Der Mann ist gefährlich. Aber Sie merken es nicht. Meist<br />
lächelt er. Nicht aufgesetzt. Freundlich. Wie in der Colgate-<br />
Werbung. Er hat grüngraue Augen der Marke „ich-kannkeiner-Fliege-was-zuleide-tun“.<br />
Sie strahlen dich an. Er gibt<br />
sich zurückhaltend, abwartend, freundlich. Keinesfalls aufdringlich.<br />
Er ist wahrscheinlich ein Frauentyp. Auch einer,<br />
auf den die Schwiegermutter steht.<br />
Und doch. Ich klage an.<br />
Name: Josef Martin<br />
Alter: 51<br />
Familienstand: ledig<br />
Derzeitiger Aufenthaltsort: Hotel <strong>Lindenhof</strong>, Naturns<br />
Ich gestehe: ich bin ein Martin-Opfer. Und ich finde, es ist höchste Zeit, damit an<br />
die Öffentlichkeit zu gehen. Denn der Kampf, der sich jeden Tag in diesem Hotel<br />
mit diesem Josef Martin abspielt, ist ein verzweifelter. Einer, der einem letztendlich<br />
keine Chance lässt und jede Hoffnung auf die eigene Willensstärke raubt. In seiner<br />
ihm eigenen subtilen Art gewinnt der Mann wohl jede Auseinandersetzung, sein<br />
Gegenüber ist ihm stets machtlos ausgeliefert.<br />
Jeden Tag hatte ich bis gegen 20.30 Uhr das Gefühl, das Duell mit Martin<br />
gewinnen zu können. Jeden Tag so gegen 20.30 Uhr hatte ich es verloren.<br />
Mandelcrostata mit Honignüssen und Mascarpone-Feigenvariegato, Herbstfrüchte<br />
gratiniert, dazu Ribessorbet auf Moscatogranité, Schokoladensüppchen mit<br />
weißem Mousse und Mandelcroûtons, Ziegenricotta-Küchlein an Torroneparfait<br />
und Kumquatskompott – wie soll einer bei diesem vorsätzlich-süßen Bombardement<br />
seinem Ziel treu bleiben, heute bestimmt mal kein Dessert zu essen? Zumal<br />
man als Gast spätestens nach dem zweiten Dessert weiß, dass dieser Josef Martin<br />
in unverantwortlicher Weise genau auf die Geschmacksnerven seiner Kundschaft<br />
zielt – und sie auch noch trifft wie kein anderer Patissier.<br />
Das ist Vorsatz. Übler Vorsatz.<br />
Wenn er sich donnerstags beim Dessert-Buffet auch noch den Gästen zum<br />
direkten Zweikampf stellt, lächelt er, als könne er kein Stückchen Kuchen<br />
versüßen. Er lässt die anderen angesichts des wahnsinnigen Angebots über<br />
Kalorien witzeln, was man immer nur in höchster Verzweiflung tut und wohlwissend,<br />
dass dieser Windbeutel wieder das nächste Gürtelloch bedeutet – und er tut<br />
so, als könne er das Wort Gewichtszunahme nicht mal buchstabieren. „Wenn Sie<br />
sich morgen bewegen, ist das wieder weg“, sagt der Hotelchef, der Martin so in<br />
unverantwortlicher Weise auch noch verteidigt.<br />
Ja, und wenn ich mich nicht bewege? Und um 20.30 Uhr den Kampf wieder<br />
verliere?<br />
Es gibt keine Waage in den Zimmern im <strong>Lindenhof</strong>. Aus gutem Grund. So fehlen<br />
mir die letzten Beweise gegen Josef Martin.<br />
Aber wissen Sie, was das Schlimmste ist: Der Mann ist schlank. Richtig schlank.<br />
Und ich?<br />
Ich hole mir noch ein Stückchen von dieser Irish-Coffee-Torte – und ziehe die<br />
Anklage zurück. Und die alte Jeans halt nicht mehr an.<br />
In unserer nächsten SUITE-<strong>Ausgabe</strong> werden wir Ihnen den Patissier Josef Martin<br />
und seine Kunst vorstellen.