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Psychologie & Gesellschaft<br />
Von Helikoptereltern<br />
und Tigermüttern<br />
Eltern wollen nur das Beste für ihr Kind. Manchmal ist das Beste aber nicht<br />
das Richtige. Wenn Eltern zu viel wollen – und Kinder daran zerbrechen.<br />
Text: Susan Edthofer<br />
Kinder sollen ihre Bedürfnisse äussern und<br />
sich frei entfalten dürfen. Doch viele<br />
Eltern setzen Leistung und Disziplin vor<br />
Spiel, Spass und persönliche Interessen<br />
ihrer Kinder. Berufliche Karriere, Familie,<br />
Lebensstil, Freizeit – alles wird geplant. Wer Dinge dem<br />
Zufall überlasse, gehe leicht unter, ist die Sorge vieler.<br />
Weil sich Kinder Anerkennung und Lob sichern und<br />
gefallen möchten, strengen sie sich an. Nicht nur in der<br />
Schule, auch in der Freizeit wird gelernt, Sport getrieben,<br />
ein Instrument geübt. Kinder sind von Natur aus neugierig<br />
und wissbegierig. Lernen sie nur, um zu genügen,<br />
bleibt die Freude am Lernen schnell aus. Braucht Erziehung<br />
um des Erfolgs willen wirklich so viel Disziplin?<br />
Kontroverse um eine Erziehungsmethode<br />
Vor fünf Jahren hat die in Amerika lebende Juristin und<br />
Dozentin Amy Chua mit ihrem Buch «Battle Hymn of<br />
the Tiger Mother», zu Deutsch mit dem vergleichsweise<br />
harmlosen Titel «Die Mutter des Erfolgs», eine heftige<br />
Kontroverse ausgelöst. Die Autorin mit philippinisch-chinesischen<br />
Wurzeln beschreibt, wie sie ihre<br />
beiden Töchter mit einem bedingungslosen Erziehungsstil<br />
zum Erfolg trieb. Als sich die jüngere Tochter mit<br />
etwa dreizehn Jahren widersetzte, musste die ehrgeizige<br />
Mutter – im wahrsten Sinne des Wortes – kleinbeigeben.<br />
Ob dieser radikalen Haltung sträubten sich bei einer<br />
grossen Leserschaft sämtliche Nackenhaare. Dass die<br />
Kinder nach den Hausaufgaben stundenlang Klavier<br />
spielen und Geige üben mussten, klang nach Folter. Bei<br />
aller Ablehnung schien die Radikalität dieser Erziehungsmethode<br />
doch eine gewisse Faszination auszuüben.<br />
Denn das Beispiel von Amy Chuas Töchtern<br />
machte deutlich, dass dieser unbarmherzige Drill tatsächlich<br />
Wirkung zeigte. Disziplin und Ausdauer als<br />
Schlüssel zum Erfolg?<br />
Leistung bringt Erfolg<br />
Stimmt der Eindruck, dass Eltern, die beruflich und<br />
finanziell Karriere machen, bei ihren Kindern eher auf<br />
Leistung pochen? Ist eine Familie nur dann perfekt, wenn<br />
die Kinder mit guten Noten punkten? Wir<br />
leben in einer Leistungsgesellschaft und<br />
definieren uns über das Erreichte. Um<br />
erfolgreich zu sein, nehmen wir immer wieder<br />
Opfer auf uns. Im Gegenzug erhalten<br />
wir soziale Sicherheit und gesellschaftliches<br />
Ansehen. Es ist nicht bloss die Schule, die<br />
Leistung verlangt, der Leistungsdruck stammt oft von<br />
den Eltern selbst.<br />
Doch was geschieht, wenn dieser Druck zu gross<br />
wird? Nicht alle Kinder sind stark und rebellisch, viele<br />
zerbrechen an zu hohen Erwartungen. Die Fachleute<br />
der Beratung + Hilfe 147 und auch die Elternberatung<br />
von Pro Juventute sind immer wieder mit solchen Fällen<br />
konfrontiert.<br />
«Lassen Sie zu,<br />
dass Ihr Kind seinen<br />
Weg geht und<br />
den eigenen<br />
Interessen folgt.»<br />
Susan Edthofer ist Redaktorin<br />
im Bereich Kommunikation<br />
von Pro Juventute.<br />
Was Eltern tun können – vier Tipps<br />
Kinder sind eigenständige Wesen und nicht dazu da, die<br />
Erwartungen der Eltern zu erfüllen.<br />
Respektieren Sie die Persönlichkeit Ihres Kindes. Lassen Sie zu,<br />
dass Ihre Tochter, Ihr Sohn einen eigenen Weg findet und<br />
persönlichen Interessen nachgehen kann.<br />
Machen Sie Motivation nicht durch übertriebenen Ehrgeiz zunichte<br />
und setzen Sie Ihr Kind nicht einem überhöhten Leistungsdruck aus.<br />
Orientieren Sie sich nicht bloss an messbaren Leistungen, sondern<br />
gewichten Sie auch die Sensibilität, die Fantasie und die Kreativität<br />
Ihres Kindes hoch. Werten Sie diese Tugenden als Stärken und nicht<br />
als Zeichen von Schwäche.<br />
Pro Juventute Elternberatung und Beratung + Hilfe 147<br />
Bei der Elternberatung von Pro Juventute können Fragen zum Familienalltag,<br />
zur Erziehung jederzeit telefonisch (058 261 61 61) oder per Mail<br />
(www.projuventute-elternberatung.ch) gestellt werden. Ausser den normalen<br />
Telefongebühren fallen keine Kosten an. Mit allem, was sie bewegt, können<br />
sich Kinder und Jugendliche vertraulich, kostenlos und rund um die Uhr an<br />
das Beratungsangebot von Pro Juventute Beratung + Hilfe 147 wenden.<br />
38 März <strong>2016</strong> Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi