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03/2016

Fritz + Fränzi

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Erziehung & Schule<br />

«Für die Mädchen<br />

ist Onanie ganz<br />

häufig noch ein<br />

richtiges<br />

Tabuthema.»<br />

Anna Schmidt, Medizinstudentin im letzten<br />

Semester und Präsidentin der Organisation<br />

«Achtung Liebe» Schweiz.<br />

>>> Solche Worte löschen die Bilder<br />

im Kopf der 13-jährigen Jungen<br />

natürlich nicht aus. Das zeigt sich,<br />

als sich Jungen und Mädchen<br />

anschliessend anonym gegenseitig<br />

Fragen stellen und beantworten dürfen.<br />

Während die Mädchen brave<br />

Fragen formulieren wie: «Worüber<br />

redet ihr eigentlich in der Umkleide?<br />

Ihr lacht immer so», wollen die Jungen<br />

wissen: «Stöhnt ihr?», «Seid ihr<br />

gerade spitz?», «Was macht euch<br />

an?». Die Antworten der Mädchen<br />

lauten «Nein!», «Quatsch!», und ein<br />

Junge solle vor allem «lieb, lustig<br />

und aufmerksam» sein. Und dann<br />

«Die meisten<br />

Jungen haben<br />

längst harte<br />

Pornos im Netz<br />

gesehen.»<br />

Frederic Thiele, Medizinstudent im 10. Semester.<br />

Er gibt seit drei Jahren Aufklärungsworkshops an<br />

Schulen für «Achtung Liebe» Schweiz.<br />

kommt auch noch der Schock hinzu,<br />

dass offenbar gar nicht alle Frauen<br />

im Winter ihre Beine rasieren.<br />

«Was?», ruft ein Junge mit angeekeltem<br />

Gesichtsausdruck, und seine<br />

Mitschülerin antwortet herablassend:<br />

«Ja, warum sollten wir denn?<br />

Sieht doch keiner.» Überhaupt fänden<br />

sie das ganze Sex-Getue der<br />

Jungs kindisch, verraten die Mädchen<br />

in der Frauenrunde. Sie selbst<br />

jedenfalls hätten noch nie Pornos<br />

gesehen und würden sich auch nicht<br />

selbst befriedigen.<br />

«Der Unterschied ist typisch für<br />

Jugendliche in dem Alter», sagt<br />

Anna Schmidt. Allerdings nehme<br />

sie den Mädchen ihre Unschuld<br />

auch nicht so ganz ab. Sie würden<br />

ihre ersten Erfahrungen wohl lieber<br />

für sich behalten. «Selbstbefriedigung<br />

ist bei den Mädchen einfach<br />

mit einem ganz anderen Tabu belegt<br />

als bei den Jungen.»<br />

Anatomisch oder ganzheitlich?<br />

«Sexuelle Gesundheit Schweiz»<br />

strebt eine ganzheitliche Sexualaufklärung<br />

an. Die Jugendlichen sollen<br />

dazu befähigt werden, ihre eigenen<br />

Wünsche und auch Grenzen zu kennen<br />

und zu respektieren – was letztendlich<br />

dazu führt, dass jeder selbst<br />

entscheidet, wie er seine Sexualität<br />

leben möchte – auch abseits der üblichen<br />

Rollenbilder. Dieses Verständnis<br />

bedeutet auch, dass Homosexualität<br />

nicht abgewertet wird. Als die<br />

Sprache im Workshop von «Achtung<br />

Liebe» allerdings auf die gleichgeschlechtliche<br />

Liebe kommt, prusten<br />

die Jungen laut los. Und die Idee,<br />

dass Homosexuelle Kinder haben<br />

könnten, stösst allgemein auf Ablehnung.<br />

«Weil die es sicher schwer<br />

haben, ihren Freunden zu erklären,<br />

warum sie zwei Mütter haben»,<br />

Sexualkunde in der Deutschschweiz<br />

Die Sexualbildung in der Deutschschweiz<br />

ist laut der Organisation «Sexuelle<br />

Gesundheit Schweiz» in drei Zyklen aufgeteilt:<br />

Im Kindergarten soll Kindern<br />

ab vier Jahren ein basales Körperwissen<br />

vermittelt werden – also zum Beispiel<br />

der Unterschied zwischen Jungen und<br />

Mädchen sowie der Umgang mit Emotionen.<br />

Ausserdem findet eine erste<br />

Gewaltprävention statt, indem man<br />

den Kindern vermittelt, dass sie selbst<br />

bestimmen, wann und wie sie angefasst<br />

werden.<br />

Im dritten bis neunten Schuljahr<br />

werden im Biologieunterricht Körper und<br />

Pubertät behandelt sowie das gesellschaftlich<br />

verschiedene Verhalten von<br />

Mann und Frau angesprochen.<br />

Ab der zehnten Klasse steht der<br />

Sexualkundeunterricht, wie ihn die<br />

meisten kennen, auf dem Lehrplan. Dieser<br />

bleibt in vielen Kantonen und Schulen<br />

auf anatomisches Wissen begrenzt. Also<br />

beispielsweise: Wie wird man schwanger?<br />

Wie funktionieren die Sexualorgane?<br />

Gesetzlich sind die Schulen zudem dazu<br />

verpflichtet, präventiv über die Themen<br />

Gewalt und Geschlechtskrankheiten zu<br />

informieren. Ein Schwerpunkt liegt auf der<br />

HIV/Aids-Prävention.<br />

Im Juli 2015 ist ein Volksbegehren von<br />

den Initianten zurückgezogen worden,<br />

das Sexualkundeunterricht unter neun<br />

Jahren verbieten und bis zu zwölf Jahren<br />

freiwillig machen wollte. Anlass für das<br />

Volksbegehren war eine «Sexbox» mit<br />

Plüsch-Vaginas und -Penissen, die an<br />

Basler Schulen für Aufregung sorgte.<br />

Während in der Deutschschweiz der Sexualkundeunterricht<br />

sehr unterschiedlich<br />

gestaltet ist, gibt es in der Romandie klare<br />

Standards und grundsätzlich Unterricht<br />

durch externe Fachpersonen der sexuellen<br />

Gesundheit.<br />

48 März <strong>2016</strong> Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi

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