17.03.2016 Aufrufe

Herdern Magazin

3. Ausgabe, ET 19.03.2016

3. Ausgabe, ET 19.03.2016

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

PORTRAIT<br />

Wolfgang Frerich ist<br />

nach dem Gewaltakt<br />

berufsunfähig. Seine<br />

Lebensgefährtin Ruth<br />

Britsch, die seit drei<br />

Jahrzehnten einen<br />

eigenen Salon in der<br />

Richard-Wagner-Straße<br />

führt, hat deshalb<br />

seinen Friseuralon in<br />

der Habsburgerstraße<br />

übernommen.<br />

Foto: Michael Zäh<br />

mit zwei Veilchen, das Blut schießt und der ganze<br />

Boden ist voll damit. Da ist man erst mal im<br />

Schock“, erzählt Ruth Britsch. Inzwischen ist der<br />

Schock der Tatkraft gewichen. Notgedrungen,<br />

weil sonst nicht nur Wolfgang Frerichs Gesundheit,<br />

sondern auch seine Existenz irreparabel<br />

geschädigt worden wäre. Dank Ruth Britsch ist<br />

zumindest seine Existenz nur halbwegs irreparabel<br />

geschädigt.<br />

Wie bekommen die beiden es hin, relativ nüchtern<br />

und unsentimental auf die materiellen und<br />

immateriellen Folgen der brutalen Tat zu schauen?<br />

Erwerbsunfähigkeit, Zahlungsunfähigkeit<br />

nebst Schulden bei Finanzamt, Krankenkassen<br />

und den unterhaltsberechtigten Kindern (zu<br />

denen der Kontakt – wohl infolge der Gewalttat<br />

„In so einem Fall ist<br />

ein Mensch nach<br />

drei, vier Monaten<br />

am Boden: Miete,<br />

Unterhalt – alles<br />

bricht zusammen.“<br />

Ruth Britsch<br />

– abgerissen ist), außerdem Verlust des Friseursalons,<br />

Verlust der Fahrfähigkeit, Verlust des<br />

Sehvermögens (auf dem linken Auge sieht Wolfgang<br />

Frerich nur noch 40 Prozent und die dafür<br />

doppelt), Gedächtnisverlust, Dauerkopfschmerz,<br />

psychische Beeinträchtigungen und all die anderen<br />

Nebenwirkungen der Zivilcourage vom 6.<br />

Februar 2015 sind nicht unbedingt Peanuts.<br />

„Ich lache öfters“, sagt Wolfgang Frerich. Sein<br />

Psychologe hat ihm geraten, die Folgen der Tat<br />

einfach zu akzeptieren. Wenn Sie es nicht akzeptieren,<br />

machen Sie sich selber fertig. Dann kommt<br />

die Depression. „Und da ich so eigentlich gar kein<br />

depressiver Mensch bin, habe ich beschlossen,<br />

das so hinzunehmen und über mich teilweise<br />

auch zu lachen.“<br />

Das ist passiert:<br />

©Foto: Michael Zäh<br />

Friseurmeister Wolfgang<br />

Frerich, 62, steht<br />

in seinem Salon in der<br />

Habsburgerstraße, als<br />

am 6. Februar 2015 eine<br />

junge Frau hereinstürzt<br />

und um Hilfe bittet. Ein<br />

Mann habe sie sexuell<br />

angefasst, überall, und sei<br />

zudringlich geworden.<br />

Wolfgang Frerich, der<br />

einst bei der Bundeswehr<br />

in Selbstverteidigung ausgebildet<br />

wurde, will der<br />

jungen Frau helfen und<br />

sie nach Hause bringen.<br />

Zu zweit treten sie auf die<br />

Straße, vorbei an dem polizeibekannten<br />

Aggressor,<br />

der inzwischen an einem<br />

Tisch vor der Bäckerei<br />

sitzt. Frerich, der den in<br />

<strong>Herdern</strong> wohnhaften<br />

Mann vom Sehen kennt,<br />

geht zügig und kommentarlos<br />

mit der jungen<br />

Frau an ihm vorbei, zieht<br />

sein Smartphone aus<br />

der Tasche und ruft die<br />

Polizei. In diesem Moment<br />

schlägt ihn der Mann nieder.<br />

Blutüberströmt findet<br />

Frerich zurück in den Salon.<br />

Seine Freundin Ruth<br />

Britsch ruft den Notarzt.<br />

Wolfgang Frerich wird ins<br />

St.-Josefs-Krankenhaus<br />

und anschließend in die<br />

Uniklinik gebracht. Zwei<br />

Tage Intensivstation, zehn<br />

Tage Krankenhaus, 14<br />

Wochen Rehaklinik. Und<br />

– bis jetzt – 13 Monate<br />

Kampf um Versicherungsleistungen.<br />

Wolfgang Frerich ist<br />

schwerbehindert und<br />

erwerbsunfähig.<br />

Der Täter, der schon vor<br />

der Tat qua Gutachten als<br />

gefährlich eingestuft worden<br />

war und fast vierzig<br />

Polizeieinsätze in <strong>Herdern</strong><br />

ausgelöst hatte, ist in der<br />

Klinik für forensische Psychiatrie<br />

in Emmendingen<br />

untergebracht.<br />

34 | Freiburg <strong>Herdern</strong> Stadtteilmagazin

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!