Herdern Magazin
3. Ausgabe, ET 19.03.2016
3. Ausgabe, ET 19.03.2016
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PORTRAIT<br />
Wolfgang Frerich ist<br />
nach dem Gewaltakt<br />
berufsunfähig. Seine<br />
Lebensgefährtin Ruth<br />
Britsch, die seit drei<br />
Jahrzehnten einen<br />
eigenen Salon in der<br />
Richard-Wagner-Straße<br />
führt, hat deshalb<br />
seinen Friseuralon in<br />
der Habsburgerstraße<br />
übernommen.<br />
Foto: Michael Zäh<br />
mit zwei Veilchen, das Blut schießt und der ganze<br />
Boden ist voll damit. Da ist man erst mal im<br />
Schock“, erzählt Ruth Britsch. Inzwischen ist der<br />
Schock der Tatkraft gewichen. Notgedrungen,<br />
weil sonst nicht nur Wolfgang Frerichs Gesundheit,<br />
sondern auch seine Existenz irreparabel<br />
geschädigt worden wäre. Dank Ruth Britsch ist<br />
zumindest seine Existenz nur halbwegs irreparabel<br />
geschädigt.<br />
Wie bekommen die beiden es hin, relativ nüchtern<br />
und unsentimental auf die materiellen und<br />
immateriellen Folgen der brutalen Tat zu schauen?<br />
Erwerbsunfähigkeit, Zahlungsunfähigkeit<br />
nebst Schulden bei Finanzamt, Krankenkassen<br />
und den unterhaltsberechtigten Kindern (zu<br />
denen der Kontakt – wohl infolge der Gewalttat<br />
„In so einem Fall ist<br />
ein Mensch nach<br />
drei, vier Monaten<br />
am Boden: Miete,<br />
Unterhalt – alles<br />
bricht zusammen.“<br />
Ruth Britsch<br />
– abgerissen ist), außerdem Verlust des Friseursalons,<br />
Verlust der Fahrfähigkeit, Verlust des<br />
Sehvermögens (auf dem linken Auge sieht Wolfgang<br />
Frerich nur noch 40 Prozent und die dafür<br />
doppelt), Gedächtnisverlust, Dauerkopfschmerz,<br />
psychische Beeinträchtigungen und all die anderen<br />
Nebenwirkungen der Zivilcourage vom 6.<br />
Februar 2015 sind nicht unbedingt Peanuts.<br />
„Ich lache öfters“, sagt Wolfgang Frerich. Sein<br />
Psychologe hat ihm geraten, die Folgen der Tat<br />
einfach zu akzeptieren. Wenn Sie es nicht akzeptieren,<br />
machen Sie sich selber fertig. Dann kommt<br />
die Depression. „Und da ich so eigentlich gar kein<br />
depressiver Mensch bin, habe ich beschlossen,<br />
das so hinzunehmen und über mich teilweise<br />
auch zu lachen.“<br />
Das ist passiert:<br />
©Foto: Michael Zäh<br />
Friseurmeister Wolfgang<br />
Frerich, 62, steht<br />
in seinem Salon in der<br />
Habsburgerstraße, als<br />
am 6. Februar 2015 eine<br />
junge Frau hereinstürzt<br />
und um Hilfe bittet. Ein<br />
Mann habe sie sexuell<br />
angefasst, überall, und sei<br />
zudringlich geworden.<br />
Wolfgang Frerich, der<br />
einst bei der Bundeswehr<br />
in Selbstverteidigung ausgebildet<br />
wurde, will der<br />
jungen Frau helfen und<br />
sie nach Hause bringen.<br />
Zu zweit treten sie auf die<br />
Straße, vorbei an dem polizeibekannten<br />
Aggressor,<br />
der inzwischen an einem<br />
Tisch vor der Bäckerei<br />
sitzt. Frerich, der den in<br />
<strong>Herdern</strong> wohnhaften<br />
Mann vom Sehen kennt,<br />
geht zügig und kommentarlos<br />
mit der jungen<br />
Frau an ihm vorbei, zieht<br />
sein Smartphone aus<br />
der Tasche und ruft die<br />
Polizei. In diesem Moment<br />
schlägt ihn der Mann nieder.<br />
Blutüberströmt findet<br />
Frerich zurück in den Salon.<br />
Seine Freundin Ruth<br />
Britsch ruft den Notarzt.<br />
Wolfgang Frerich wird ins<br />
St.-Josefs-Krankenhaus<br />
und anschließend in die<br />
Uniklinik gebracht. Zwei<br />
Tage Intensivstation, zehn<br />
Tage Krankenhaus, 14<br />
Wochen Rehaklinik. Und<br />
– bis jetzt – 13 Monate<br />
Kampf um Versicherungsleistungen.<br />
Wolfgang Frerich ist<br />
schwerbehindert und<br />
erwerbsunfähig.<br />
Der Täter, der schon vor<br />
der Tat qua Gutachten als<br />
gefährlich eingestuft worden<br />
war und fast vierzig<br />
Polizeieinsätze in <strong>Herdern</strong><br />
ausgelöst hatte, ist in der<br />
Klinik für forensische Psychiatrie<br />
in Emmendingen<br />
untergebracht.<br />
34 | Freiburg <strong>Herdern</strong> Stadtteilmagazin