Der Katalog zum artig Kunstpreis 2016 mit den Preisträgern, den Laudatios und vielen Infos mehr
KATALOG ZUR AUSSTELLUNG
e.V.
FREIE GALERIE · KÜNSTLERFORUM
KEMPTEN / ALLGÄU
artig Kunstpreis 2016
GALERIE KUNSTREICH, KEMPTEN
VERNISSAGE MIT PREISVERLEIHUNG 1. APRIL 2016
FINISSAGE MIT PUBLIKUMSPREIS 8. MAI 2016
A U S S T E L L U N G
1. APRIL BIS 8. MAI 2016
Flüstern in der Ausstellung verboten!
VORWORT
Ein Preis von Künstlern für Künstler
Die Jury hat viele Abende getagt, die Auswahl steht –
und die angelieferten Werke füllen noch ungeordnet
die Räume und Gänge der Galerie. Wir sortieren sie
in Gedanken bereits für die Hängung: welches Werk
wo und mit welchem daneben?
Wir halten kurz inne und lehnen uns zurück, um den
Blick auf das Gesamte schärfen: Ja, wir sind ebenso
zufrieden wie überrascht, welch eine Bandbreite
von den Themen bis zu den Stilen, Formaten und
Techniken die finale Auswahl hat, und wie weit die
vermeintlichen Grenzen einer Kunst ausgelotet sind,
die – da die Kunst frei ist – eigentlich keine Grenzen
haben dürfte.
Nach der großformatigen Malerei von Heng Li, die
wir 2014 mit dem Kunstpreis ausgezeichnet haben,
steht 2016 nun mit „Jules“ ein eher kleines Foto von
Merlin Ortner im Rampenlicht (sowie als Leuchtrahmen
auch im eigenen Licht). Und man wird, was
keine Absicht war, dem artig Kunstpreis weiterhin
keine Vorlieben nachsagen können.
Diese Bandbreite gestattet einen Kunstvermittlungsauftrag,
der einem möglichst offenen Kunstbegriff
verpflichtet ist – und eben nicht nur die intellektuellen
Ansprüche und Deutungshoheiten von Eliten bedient.
Oder anders gesagt: Hier kann sich der „ganz
normale Mensch“ auch einfach nur erfreuen wie an
schöner Musik für‘s Auge, und entdecken, was in einer
unverkopften Kunst, die mitten im Leben stehen
kann, alles möglich ist.
Vor diesem Hintergrund sehen wir den bunten
Briefkasten mit dem Titel „Dolce Vita oder das Leben
ist so-o-o schön“ von Dinara Daniel durchaus als
einen Gegenentwurf zu den sonst so oft postulierten
sozialkritischen oder politischen Sichtweisen von
ernsthafter Kunst und Künstlern. Und würden solche
Briefkästen die Wege der „Montagsspaziergänge“ in
Dresden säumen, entspräche auch das der Logik von
„Alles ist Politik“.
Die vermeintlichen Grenzen der Kunst lotet, gleichsam
mit einem Lächeln, die fast dadaistische Online-Würfelei
des anonymen „Kombinat Äpärät“
aus: Ob und was hier mit der vernetzten Installation
„WRFL://“ hinterfragt werden soll, steht dem Betrachter
so frei wie die Kunst selbst.
Ursprung der Werkauswahl wie der Preisvergabe ist
eine möglichst neutrale und unabhängige Jury. Sie
besteht aus aktiven Mitgliedern des Vereins, wovon
die meisten selbst Künstler sind. Ihr werden die
eingereichten Arbeiten anonymisiert vorgelegt, d.h.
die Juroren kennen nur Titel, Technik und Maße der
Werke.
Auch die Juroren selbst sind in einem Punkt unabhängig
von einander und damit frei vom Zwang zu
nivellierenden Kompromissen: Jeder hat ein einmaliges
Veto-Recht gegen die ansonsten mehrheitliche
Ablehnung eines Werkes; vier von fünf Juroren
haben diesmal davon Gebrauch gemacht. Auch das
macht es schwierig, aus diesem Kunstpreis Vorlieben
herauszulesen.
Unabhängigkeit bedeutet ebenso, dass die Juroren
selbst, ihre nahen Verwandten und generell ordentliche
artig-Mitglieder nicht teilnehmen dürfen (was
eigentlich selbstverständlich sein sollte, aber oft
leider nicht der Fall ist).
Und unabhängig bedeutet, dass die Jury jenseits
jeglicher Einflussmöglichkeiten von außen, d.h. ohne
Verpflichtungen gegenüber Schirmherren, verdienten
Honoratioren oder gewichtigen Geldgebern
arbeiten kann. Dazu gehört auch ganz explizit, dass
Sponsoren keine großen Ankäufe von Kunst tätigen,
die vielleicht zu deren Unternehmen passt, damit den
Fokus aber weg von den Jury-Entscheidungen lenken.
Oder dass bei einer Vernissage nicht Honoratioren
und ihre universellen Verdienste um die Kultur
in Hinterunterhügelheim im Mittelpunkt stehen,
sondern Kunst und Künstler.
Denn wer zahlt, schafft an. Auch bei artig: So ist die
Jury nur der Kunst und einem einzigen Geldgeber
verpflichtet: der Gesamtheit der Künstler, die mit
ihren Teilnahmebeiträgen diesen Kunstpreis finanzieren.
Daher kommen auch die Preisgelder allein
von Künstlern für Künstler: Alle zahlen solidarisch
in einen Jackpot ein, und der Künstlerverein artig
steuert seine ehrenamtliche Arbeit und seine Infrastruktur
bei.
Eine weitere Besonderheit des artig Kunstpreises
ist, zumindest aus Allgäuer Sicht, dass er grenzenlos
ausgeschrieben ist und die Teilnahme nicht vom Geburts-
oder Wohnort des Künstlers abhängig macht.
Den Einblick in das Kunstschaffen der Region und
ihrer Mitglieder geben bereits andere Kunstpreise.
Wir aber wünschen uns einerseits einen künstlerischen
Austausch über die Grenzen hinweg und
andererseits für unsere Besucher Kunst, die es hier
sonst nicht zu sehen gäbe.
Abschließend ein kurzer Blick zurück: Im April 2012,
haben wir die Galerie Kunstreich im Herzen der
Kemptener Altstadt eröffnet. Vier Jahre, knapp 40
Ausstellungen und einen Kunstpreis später ist das
Anmeldeformular für den Kunstpreis 2016 online,
und es rappelt im Posteingang. Allein am Tag des
Einsendeschlusses sind es 43 Anmeldungen, und am
Ende insgesamt über 400 mit rund 800 eingereichten
Werken, durch die sich die Jury arbeiten muss.
Mit dieser überwältigenden Flut, dem Vertrauen und
der entsprechenden Verantwortung haben wir nicht
gerechnet – wir sind dankbar und rechnen gerne
neu: Wir verdoppeln den artig Kunstpreis 2016 von
1.000 auf 2.000 Euro, erhöhen den extraartig Sonderpreis
der Jury von 500 auf 700 Euro, und auch der
Stifter des Publikumspreises, die Brauerei Härle,
erhöht von 500 auf 700 Euro. Zudem führen wir, in
Anbetracht der vielen Künstler, von denen wir unbedingt
mehr sehen möchten, einen weiteren Preis ein:
die Einladung zu einer kostenfreien Einzelausstellung
in der Galerie Kunstreich.
Ab wann das gilt? Da antworten wir gerne mit
SED-Funktionär Günter Schabowski: „Das tritt nach
meiner Kenntnis... ist das sofort... unverzüglich.“
Mit diesen Worten wünsche ich Ihnen ein grenzenloses
Kunsterlebnis!
Ihr Stephan A. Schmidt, Vorsitzender artig e.V.
A. DIE PREISTRÄGER
ARTIG KUNSTPREIS 2016
Ein Bild wie ein Roman
JURY KÜRT JULES VON MERLIN ORTNER
Es sind diese Bilder, die uns nicht nur kurz ins Auge
stechen, sondern auch nach Tagen nicht loslassen
und locken: Komm, ich erzähl Dir eine Geschichte, und
dann erzählst Du mir eine. Bilder, die uns mit Freude
rätseln lassen und auch dann keineswegs enttäuschen,
wenn sie nicht alle ihre Geheimnisse preisgeben.
Mit einer originalen Boxkamera von Kodak, einer
„Brownie“ aus dem Jahr 1905, malt Merlin Ortner
Bilder – und vielmehr: Er inszeniert und komprimiert
einen ganzen Film auf einen einzigen Moment und
schreibt zugleich einen Roman. Mindestens einen,
denn bei den Betrachtern ruft seine Fotografie „Jules“
je nach deren persönlichen Geschichte unterschiedliche
Reaktionen hervor: Der eine findet sich im männlichen
Hauptdarsteller wieder, auch wenn der vor
Hunderten von Jahren gelebt haben muss, verlassen
und verloren, allein, fast hilflos bis autistisch in sich
gekehrt. Der andere sieht einen bourgeoisen Jules,
den es wachzurütteln gilt, bevor das dekadente Leben
den Bach runter geht; er würde am liebsten in das
Bild springen und ihn anstelle der geisterhaften Braut
schütteln. Oder: Sie entdeckt sich selbst als jene junge
Frau, die damals viel für ihn gegeben hätte. Doch er
sah sie nicht.
Mit der Verdichtung auf ein einziges Bild ist‘s aber
nicht genug: Gleichsam kinematografisch packt Merlin
Ortner die fein komponierte Szenerie in einen Leuchtkasten
in der Größe eines üblichen Bildschirms. Durch
diesen anachronistischen Rückgriff sitzt der Betrachter
wie vor einem stillstehenden Video, einem eingefrorenem
Monitor, auf dem heutzutage sonst so Vieles und
Belangloses auf- und wieder wegblitzt. Mit Ortners
analoger Langsamkeit beschenkt, stehen wir beunruhigend
ruhig inmitten einer schnelllebigen Zeit. Eine
Zeit, in der fast jedes Telefon mit einer Videokamera
ausgestattet ist und auf Youtube jede Minute mehrere
hundert Stunden Filmmaterial hochgeladen werden.
In der ruhenden Mitte zwischen klassischer Malerei
und moderner Videokunst steht im besten wie im
logischsten Falle einer wie Merlin Ortner: Sein Studium
an der Hochschule Berlin-Weißensee hat er 2013
bei Friederike Feldmann, Professorin für Malerei,
abgeschlossen. Heute arbeitet er als Künstler sowie
als Production Designer bzw. Szenenbildner für Filmproduktionen.
Aus dieser Erfahrung weiß er, wie
nah Wirklichkeit und Fiktion beieinander liegen. Wir
können beiden nicht trauen, sagt Ortner: der Wahrnehmung
nicht, und der Fotografie nicht, da wir zu viel
über deren Manipulation wissen.
Dass Geschichtenerzähler aber nicht der Wahrheit –
und wessen Wahrheit überhaupt? – verpflichtet sind,
wissen wir wie er. So lassen wir uns gerne einwickeln
von seiner wie unserer eigenen Phantasie.
„Jules“ stammt aus der mehrteiligen Fotoserie „Der
Geist von Görlitz”, die Ortner 2015 konzipierte und in
Jahrhunderte alten Häusern von Görlitz inszenierte.
Hier machte er einen Ort zur Bühne, dessen historische
Innenstadt im Zweiten Weltkrieg fast völlig
verschont blieb und mit über 4.000 Baudenkmalen
als das größte zusammenhängende Flächendenkmal
Deutschlands gilt.
Der „Geist“ sei in seinem Kopf entstanden, als er dort
in einem Haus aus dem 14. Jahrhundert wohnte,
erzählt er: „Ich war der festen Überzeugung, dass
ich die Geister, die überall in der Stadt zu finden sind,
fotografisch festhalten muss.“ Die mit der „Brownie“
und ihren nur drei Blenden eingefangenen Rollfilm-Fotos
bearbeitet er nie in Photoshop oder ähnlichem.
Ob wir‘s glauben oder nicht – dass diese Geschichte
wahr sein muss, zeigen die Bilder, die er aus Görlitz
mitgebracht hat.
Apropos Geschichte: Während in den 50er Jahren die
Fotografie erst langsam salon- und museumsfähig
wurde, ab Ende der 70er dann Künstler wie Jeff Wall
konsequent mit großformatigen Leuchtkästen aus der
Werbeindustrie arbeiteten, stand in den Wohnzimmern
vielleicht ein Fernsehgerät und auf den Schreibtischen
eine Schreibmaschine. Heute ist es umgekehrt:
Wir sind im Büro wie zuhause von Monitoren und
mobilen Bildschirmen umgeben.
Umso mutiger und konsequenter ist Ortners inhaltlicher
wie formaler Kunstkniff, nebst der Box-Kamera
auf inzwischen altmodisch wirkende, bilderbuchgroße
Leuchtkästen aus Glas und Holz zurückzugreifen und
für sich als die beste Form der Vermittlung zu entdecken.
Dies beeindruckte die Jury ebenso wie seine
fotografische Herangehensweise und seine grandiose
Erzählkunst.
Wir gratulieren Merlin Ortner aus Teltow herzlich zum
artig Kunstpreis 2016!
Jules 2016
Merlin Ortner Teltow
Leuchtdia, gerahmt
30 x 45 x 6 cm
1.500 €
Elefantenherde 2013
Elsa Nietmann München
Eisenstangen, Draht, Gewebe, Beton
26 x 85 x 26 cm
3.200 €
EXTRAARTIG
Im Gleichgewicht aus dem Gleichgewicht
SONDERPREIS DER JURY AN ELSA NIETMANN FÜR ELEFANTENHERDE
Staubtrocken. Durst steckt in der Kehle. Man fühlt sich
versetzt in die dürre, afrikanische Wüste – auf eine
der langen Elefantenstraßen. Die größten noch lebenden
Landtiere beschreiten diese Pfade immer wieder
auf der Suche nach Wasser und Nahrung. Doch ihr
Lebensraum schrumpft beständig, und so schrumpfen
sie selbst.
Die Bildhauerin Elsa Nietmann aus München hat
die Herde naturgetreu angeordnet: Die jungen Kälber
gehen flankiert von den Mutterkühen. Vorne weg
schreitet die Älteste als Leitkuh. Alles hat seine Ordnung.
Eine Ordnung, die allerdings ebenso zerfällt wie
die Tiere selbst auf ihrem Weg. Führt er zum Wasser?
Führt er zur grüneren Savanne? Wie lange noch?
Zerfall und Fragilität sind hier die großen präsenten
Themen – und das obwohl die Künstlerin mit harten,
anorganischen, kaum vergänglichen Materialien
arbeitet: Beton und Eisen.
Sie erzeugt durch Aussparen den Eindruck des Zerbrechlichen
und die Anmutung einer aus der Balance
geratenen Welt. Sie lässt weg bis an die Grenze, bis
kurz vor den Punkt, an dem die Tiere unkenntlich
werden würden. Sie legt dürre Gerippe offen, die nur
sehr langsam weiterziehen können, da die Schritte
mit den müden, schweren Beinen immer mehr Kraft
kosten. Sie zeigt sehr dünnhäutige Dickhäuter.
Die Arbeit entwickelt eine unglaubliche Schlagkraft
und spricht uns auf emotionaler wie rationaler Ebene
an. Denn wir wissen, dass der Mensch dem Elefanten
nicht gut tut. Er jagt ihn wegen seiner wertvollen
Stoßzähne und raubt seinen Lebensraum. Wir wissen
ebenso, dass das zerbrechliche Gleichgewicht zwischen
Tier und Mensch längst aus dem Lot geraten ist.
Doch selten trifft es uns in der Kunst so eindringlich,
direkt und zugleich subtil wie mit der „Elefantenherde.“
Der Boden, auf dem sie gehen, ist auch ausgedörrt, rissig
– löst sich auf, bietet kaum noch Lebensgrundlage.
Damit endet der Kreislauf von Leben und Sterben. Kein
fruchtbarer Boden, kein Leben. So wie die Erde selbst
erodiert, so schwindet die Welt wie wir sie kennen.
Die Elefanten werden zur Zukunftsprojektion für uns
selbst: Wann werden wir Wasser und Nahrung suchen?
Die überzeugende und berührende Intensität des
Werks entsteht aus genau der richtigen Balance zwischen
angedeuteten und konkret ausgearbeiteten
Formen, zwischen den schweren Materialien und der
Durchlässigkeit des Ausgesparten. Dabei macht das
Material auch die scheinbare Unausweichlichkeit des
Weges deutlich. Er ist buchstäblich festbetoniert.
So ist sie nicht schön, die „Elefantenherde“. Dennoch ist
sie schön anzusehen. Trotz aller Schwere entfaltet sie
eine bemerkenswerte Ästhetik. So, dass die Tiere ihre
Würde behalten.
Und so, dass ein Gedanke aus einer ganz anderen
philosophischen Denkweise Platz bekommt: In Indien,
wo ebenso noch Elefanten leben, gilt die Zerstörung
als Grundlage für alles, was wird, als Teil des ewigen
Zyklus. Aus jeder Zerstörung entsteht Neues. Dazu
gaben die alten Inder dem Gott, der Hindernisse beseitigen
und Glück bringen soll, eine ganz besondere
Gestalt: den Elefanten.
BDM (Bärtiges Deutsches Mädel) I-III 2015
Nils Franke Leipzig
Öl auf Leinwand
je 35 x 40 cm
je 2.500 € oder 6.000 € gesamt
DIE EINLADUNG FÜR EINE AUSSTELLUNG
Nils Franke
Naschkatze 2014
Nils Franke Leipzig
Öl auf Leinwand
18 x 13 cm
1.200 €
Sie fesseln auf den ersten Blick, nicht nur ihre Blicke. Unmittelbar
ziehen sie den Betrachter hinein in ihre Widersprüchlichkeiten.
Sie lassen uns sofort beginnen, Lebensgeschichten
um die portraitierten Gesichter zu spinnen und zu fragen: Was
hat die alte Frau wirklich gegessen? Und ob die Mädels je eine
Chance auf eine freie und ausgelassene Kindheit hatten? Wurde
eine von ihnen später Lager-Aufseherin oder Mutterkreuz-Trägerin?
Es ist diese paradoxe Mischung aus anziehender, malerischer
Schönheit und abstoßendem Ekel, die unsere Aufmerksamkeit
im Nu erhascht – diese Mischung aus gruseliger Dramatik und
neugieriger Faszination. Die spürbare Spannung zwischen Gut
und Böse, den beiden Polen, die in uns allen liegen, wirkt direkt.
Und Naivität und Frivolität sind auch dabei, fast etwas Anrüchiges
und Abgründiges.
Damit landen wir wie eine Fliege im Netz des Malers Nils Franke
aus Leipzig. Auf Flohmärkten sucht und findet der Meisterschüler
von Prof. Peter Bömmels an der Hochschule für Bildende
Künste Dresden (Abschluss 2015) seine Motive: alte, originale
Portraitfotos aus der Zeit Anfang des 20. Jahrhunderts, als
Kameras für die Menschen nicht selten noch mystische Zauberkästen
waren. Damals musste man für ein halbwegs scharfes
Bild einerseits lange still sitzen. Ein anderer Grund für die typisch
steinern wirkenden Gesichter: Man sieht den Fotografierten
auf solchen Aufnahmen auch die Skepsis gegenüber der noch
unbekannten Technik an. Als ob sie Angst hätten, die Kamera
würde direkt in ihre Seele blicken oder etwas entdecken, das
nicht sein durfte in der biederen Gesellschaft, die von der in
Kunst und Kultur längst durchgebrochenen Moderne noch
nicht so viel mitbekommen hatte.
Genau diese Unsicherheit nimmt Nils Franke mit in seine meisterlich
in Öl gemalten Werke. Er arbeitet das Ängstliche, das
Zögerliche und das Kalte heraus. Dazu verfremdet er nur ganz
wenig, lässt Details weg, betont sie deutlicher oder nimmt sie
hinzu - und erreicht so eine emotionale Ambivalenz in seinen
Bildern, die außergewöhnlich und außergewöhnlich stark ist.
Die Bärte stehen den „Deutschen Mädels“ nicht schlecht. Die
ästhetische Umwidmung baut genau diese Spannung auf, die
es braucht, um Frankes Werken zusätzlich zur handwerklichen
Perfektion eine tiefere Intention zu geben. So fühlen wir mit den
Mädels und hoffen für sie, dass sie auch Mädchen sein durften
und im BDM – den im totalitären Sinne der Nationalsozialisten
aufgebauten „Bund Deutscher Mädel“ – nicht nur zu Kampf und
Entbehrung für Volk und Vaterland erzogen wurden.
Man darf gespannt sein auf ihre Brüder von der HJ: Nils Franke
hat die „Hübschen Jungs“ bereits im Kopf. Hoffentlich finden sie
bis zu seiner aus dem Fonds des artig Kunstpreis 2016 gestifteten
Ausstellung im Kunstreich den Weg auf die Leinwand.
B. DIE FINALISTEN
UND AUSSTELLER A-Z
Lieblingsplatz 2015
Karin Allar Neumarkt
Mischtechnik auf Leinwand
80 x 100 cm
1.260 €
Haleem Enusch Sitri 2012
Nicola Barth Langen
Öl auf Leinwand
120 x 90 cm
1.600 €
Nachtschattengewächse
2016
Bianca Artopé München
Mischtechnik, Druck in Acryl
40 x 40 cm
350 €
Urgewalt-Mensch 2015
Tino Baumann Krumbach
Direktdruck auf Aludibond, mit Öl übermalt
je 40 x 60 cm
1.250 €
Lastenkasten 2015
Gerhard Jakob Bergmann Ingolstadt
Mischtechnik und Acryl auf Leinwand
60 x 80 cm
1.100 €
Letná 2013
Michael Berner Kempten
Fotografie auf Alu-Dibond
40 x 60 cm
210 €
Gravitation 2013
Manfred Bock Fürstenzell
Federzeichnung, Tusche
40 x 40 cm
1.500 €
Butoh-Tänzer 2015
Annette Braune München
Draht, Hanf, Gips
62 x 33 x 45 cm
690 €
Beziehungsbildergeschichten - Mildred und George 2013
Volker Brose Hannover
Acryl gespachtelt auf Leinwand
70 x 100 cm
2.600 €
Zitatographische Betrachtungen
unter Berücksichtigung des
Raum-Zeit-Kontinuums 2014
Charly-Ann Cobdak München
kinetische Installation
ca. 280 x 140 x 90 cm
20.000 €
Dolce Vita oder das Leben ist so-o-o schön 2015
Dinara Daniel Heidelberg
Plastiform, Holz
30 x 20 x 10 cm
880 €
BarackAngelVladimir BAV 2015
Olga David Landau
Öl, Blattgold auf OSB-Platte
je 100 x 150 cm
11.500 €
Death comes over Disneyland 2016
Thomas Demuth Hamburg
3D-Rendering, Druck auf Leinwand
120 x 70 cm
600 €
immer nur so 2015
Andrea Freudenreich Oberstadion
Ton gebrannt, Pigmente
190 x 23 x 17 cm
1.900 €
Stille 2015
Katja Gehrung Roßtal
Fotografie auf Aludibond
135 x 90 cm
1.800 €
Panama Painting 02 2016
Alina Grasmann München
Öl auf Leinwand
100 x 150 cm
1.800 €
collection of clouds 2016
Thomas Guber Ergolding
Öl auf Leinwand
30 x 40 cm
650 €
Das Modell macht
mal Pause 2014
Petra Herrmann
München
Acryl auf Leinwand
100 x 80 cm
1.500 €
Luzifers Spaßkutsche 2016
Charly Holzinger Aachen
Wellpappe, Alkydlack,
Aluminumgestell
59 x 69 x 54 cm
2.400 €
Not Guilty 2015
isterika (Nata Dolheimer & Alex Petrenko) Fürth
Mischtechnik, Acryl auf Leinwand
80 x 80 cm
3.000 €
Auf dem Weg 2015
Rainer Kaiser Augsburg
Mischtechnik
60 x 200 cm
2.800 €
Gassi im
Weltall 2015
Daniela
Kammerer
Augsburg
Acryl, Schellack,
Graphit auf
Papier
180 x 190 cm
5.600 €
Bootsparcours 2013
Helga Kellerer Esslingen
Holz, Farbe, Moosgummi, Netz, Draht
25 x 43 x 41 cm
1.900 €
Fenster in Untergiesing I 2015
Anna Kiiskinen München
Acryl auf Baumwollgewebe
85 x 125 cm
2.700 €
Feuer 2016
Anna Kirsch Bad Feilnbach
Zeichnung auf Foto, C-Print
je 30 x 40 cm
je 360 €
Gespenster_Stadt 2015
Anna Koegeler Graz (A)
Mischtechnik auf Papier
40 x 30 cm
600 €
WRFL:// 2016
Kombinat Äppärät Cyberspace
Mixed Media (Software, Hardware, Wetware)
120 x 50 x 50 cm
666 € (wird vom Künstler gespendet)
Catch as
catch can 2013
Wolfgang Leder
München
Tusche
42 x 30 cm
3.000 €
ein Blick 2015
Claudia Lingen
Hüffelsheim
Malerei auf Seide
120 x 90 cm
550 €
Überspannt Nr. 1 und Überspannt Nr. 5 2013
Andrea Mähner Wolfratshausen
Papier, Menschenhaare
je 8 x 8 x 8 cm
je 1.100 €
Kap.5 2013
Barbara Mechler Fürstenfeldbruck
ÖL auf Leinwand und Textil
180 x 350 cm
7.250 €
Uniplex I-III 2015
Michael Meier Kempten
Gips, Wunderkerzen, Blattgold
20 x 60 x 20 cm
650 €
Interior 2014
Birgit Moser München
Fotografie auf Dibond
90 x 60 cm
450 €
Vorbei?! 2013
Bernd Müller Köln
Bronze
37 x 38 x 26 cm
2.350 €
Bang Painting 2014 2014
Patricia Murawski Basel (CH)
Gouache auf Baumwolle
185 x 95 cm
2.400 €
ohne Titel 2016
Eileen O’Rourke
Augsburg
Kohle auf Papier
150 x 100 cm
2.800 €
Kapelle 1
2016
Jasmin
Odendahl
Köln
Acryl und Kreide
auf Holz
120 x 100 cm
1.540 €
Liberté 2016
Merlin Ortner Teltow
Leuchtdia, gerahmt
30 x 45 x 6 cm
1.500 €
Unterwasserwelt
Ballett 1 2014
Irena Paskali Köln
Fotografie auf Forex
63 x 53 cm
700 €
A Portrait Of Your Face
2015
Joseph Raimond Fürth
Wasserfarbe, Acryl,
Tusche auf Papier
30 x 21 cm
100 €
Beyond Green 2013
Judith Reiter München
Acryl auf Leinwand
80 x 80 cm
1.500 €
Der Schatten des Möglichen 2016
Hartmut Renner Schorndorf
Farbstift, Tusche auf Lindenholz
40 x 12 x 20 cm
2.500 €
Was Mensch so tut... 2015
Regine Richter Stuttgart
Acryl, Tusche, Kohle auf Leinwand
164 x 216 cm
12 Teile à 650 €, zusammen 5.200 €
Heut gibts bloss a Supp I 2015
Lilo Ring Krumbach
Acryl, Tusche
40 x 50 cm
450 €
Häuptlinge im Zenit des
Scheiterns 2013
Christian Ristau Flensburg
Acryl auf Leinwand
90 x 90 cm
1.600 €
Hommage an
Mascha II 2016
Andrea Rozorea
Augsburg
Kreide, Kohle, Pigment
auf Leinwand
170 x 130 cm
2.900 €
Was geht? Was kommt? 2013 • Marita Schauerte Bischofswiesen • Mosaik aus Flachglas • 40 x 40 cm • unverkäuflich
Engel 2014
Raimund Schemmel Arnstein
altes Bauholz, lasiert
135 x 12 x 12 cm
980 €
Verborgen 2015
Daniel Schlindwein Gengenbach
Fotografie
60 x 75 cm
850 €
Im Haus der Kunst (M) 2015
Karl E. Schneck Oberreute
Cyanotypie auf Chinapapier auf Maltuch, getont
70 x 100 cm
800 €
Ballerina I 2013
Tina Schramm Karlsruhe
Fotografie
30 x 45 cm
1/30 250 €
Die Pastete - cum grano salis 2013
Heike Schumacher Waldalgesheim
Installation, mit Verkostung einer Kaninchenpastete
90 x 100 x 65 cm
unverkäuflich
Rain 2015
Helen Shulkin Baden-Baden
Sgraffito, Spray, Acryl, Tinte auf Papier
50 x 70cm
800 €
lobby 2015
Michael Sohler Kempten
Animated GIF
unverkäuflich
Hypertonie 2015
Marie Lynn Speckert Leipzig
Video
unverkäuflich
damned 2013
Susanne Sterk
Rielasingen
Acryl, Faden auf Leinwand
140 x 100 x 17 cm
4.700 €
Blütezeit 2014
Bea Stroppa München
Acryl auf Leinen
150 x 50 cm
2.000 €
Der Überflieger 2015
Florian Tenk München
analoge Fotografie
100 x 70 cm
300 €
Familia (Steine am Strand von Lesbos) 2015
Eva-Maria Urbat Kempten
Sedimentgestein
20 x 40 x 24 cm
1.800 €
Bedenklich-Regelgunst 2016
Karl Vejnik Bad Eisenkappel (A)
Collage auf Platte
50 x 50 cm
850 €
o.T. 2016
Marion Villa Ravensburg
Mischtechnik, Wachs, Holz
20 x 50 cm
800 €
arte povera 2013
Michael Weinmann Leutkirch
Fotografie auf Forex
70 x 105 cm
400 €
Das Ding Zyklus III 2016
Michael Weißinger Bockhorn
Holzschnitt 1/16
58 x 46 cm
120 € (ohne Rahmen)
Begegnung 2016
Ruth Weizel München
Acryl, Öl, Kreide auf Papier
68 x 97 cm
500 €
Zimmer mit Aussicht - Alten betreutes Wohnen 2030 2016
Regina Wieser Horgau
Mischtechnik, Fototransfer in Schichtungen
30 x 50 cm
520 €
Der artig Kunstpreis 2016 in Zahlen
Vergeben werden
• der artig Kunstpreis - Hauptpreis, dotiert mit 2.000 Euro
• der extraartig Sonderpreis der Jury, dotiert mit 700 Euro
• die Einladung – eine Einzelausstellung in der Galerie kunstreich (kostenfrei)
• der Publikumspreis, dotiert mit 700 Euro und gestiftet von der
Brauerei Clemens Härle, Leutkirch
Eingereicht wurden von 21. November 2015 bis 23. Februar 2016
806 Werke aus NL, F, CH, A, I, D
Hieraus wählte die Jury 70 Werke aus.
Der artig e.V. und das Allgäuer Kulturleben
bedanken sich herzlich bei:
»»
406 Künstlern für insgesamt 806 eingereichte Werke
»»
und ihren solidarischen Beitrag, mit dem sie den artig Kunstpreis, die Ausstellung,
diesen Katalog und vieles Weitere dafür möglich machen
»»
67 Finalisten für das Anliefern von 69 Kunstwerken, die uns mit ihrer großen
Bandbreite sehr bereichern
»»
der Stadt Kempten und der BSG Allgäu für die wunderbaren, historischen
Galerieräume
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der Brauerei Clemens Härle aus Leutkirch für die Stiftung des Publikumspreises
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und all den vielen engagierten Helfern bei Planung, Ausschreibung, Bewerbung,
Plakatierung, Paketabholung, Werkannahme, diversen Verwaltungsarbeiten,
Vorbereitung und Durchführung der mehrtägigen Foto- und
Preisjurierung, Fotografie, Ausbau der Ausstellungsflächen, Pressearbeit,
Online-Redaktion, Katalog-Layout, Aufbau, Hängung, Elektrik und Ausleuchtung,
Galeriedienste uvm...
Die Finalisten
40 Frauen = 60 %
25 Männer = 37 %
2 Künstlergruppen = 3%
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= 67 (Herkunft siehe Karte)
geboren
1940
1943
1944
1948 1948
1951
1952 1952
1953 1953
1954 1954
1956
1957 1957
1959 1959
1960
1961 1961 1961 1961
1962
1963 1963 1963
1964 1964 1964 1964 1964
1965 1965 1965
1966 1966
1967 1967
1968 1968 1968
1969 1969
1970
1971 1971
1972
1973
1974
1978
1979
1980 1980 1980 1980
1981 1981 1981
1982
1983
1985 1985
1987 1987 1987
1989 1989
------------------------------
= Ø 1967 = 49 Jahre
Langen
Nicola Barth
Waldalgesheim
Heike Schumacher
Hüffelsheim
Claudia Lingen
Heidelberg
Dinara Daniel
Landau
Olga David
Karlsruhe
Tina Schramm
Stuttgart
Regine Richter
Baden-Baden
Helen Shulkin
Esslingen
Helga Kellerer
Gengenbach
Daniel Schlindwein
Flensburg
Christian Ristau
Hamburg
Thomas Demuth
Hannover
Volker Brose
Köln
Bernd Müller
Jasmin Odendahl
Irena Paskali
Aachen
Charly Holzinger
Cyberspace
Kombinat Äppärät
Teltow
Merlin Ortner
Leipzig
Marie Lynn Speckert
Nils Franke
Arnstein
Raimund Schemmel
Fürth
isterika (Alex Petrenko &
Nata Dolheimer)
Joseph Raimond
Roßtal
Katja Gehrung
Neumarkt /Opf.
Karin Allar
Schorndorf
Hartmut Renner
Ingolstadt
Gerhard Jakob Bergmann
Fürstenzell
Manfred Bock
Oberstadion
Andrea Freudenreich
Ergolding
Thomas Guber
Krumbach
Tino Baumann
Lilo Ring
Basel
Patricia Murawski
Rielasingen
Susanne Sterk
Ravensburg
Michael Villa
Leutkirch
Marion Weinmann
Oberreute
Karl E. Schneck
Kempten
Michael Berner
Michael Meier
Michael Sohler
Eva-Maria Urbat
Horgau
Regina
Wieser
Augsburg
Rainer Kaiser
Daniela Kammerer
Eileen O’Rourke
Andrea Rozorea
Fürstenfeldbruck
Barbara Mechler
Wolfratshausen
Andrea Mähner
München
Bianca Artopé
Annette Braune
Charly-Ann Cobdak
Alina Grasmann
Petra Herrmann
Anna Kiiskinen
Wolfgang Leder
Birgit Moser
Elsa Nietmann
Judith Reiter
Bea Stroppa
Florian Tenk
Ruth Weizel
Bockhorn
Michael Weißinger
Graz
Anna Koegeler
Bischofswiesen
Marita Schauerte
Bad Eisenkappel
Karl Vejnik
Bad Feilnbach
Anna Kirsch
Impressum
artig kunstpreis 2016
Katalog zur Ausstellung
vom 1. April bis 8. Mai 2016
in der Galerie kunstreich, Kempten
Herausgeber & Veranstalter
artig / art interessengemeinschaft e.V.
c/o Galerie kunstreich
Schützenstraße 7
D 87435 Kempten (Allgäu)
info@artig.st
www.artig.st
fb.com/artig.st
Text & Redaktion: Stephan A. Schmidt, Katja Egli
Umschlagfoto: „Jules“ von Merlin Ortner (Ausschnitt)
Werkfotos: Florian Wendel oder die Künstler selbst
Layout: KuMaKom Ges. für Kultur- & Markenkommunikation, Kempten
Druck: Royal Druck GmbH, Kempten
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