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Triangel Ausgabe 95 - 02/2016

Das Magazin des CVJM-Kreisverband Siegerland e.V. mit Berichten und Aktuellem aus dem Kreisverband und dem ganzen Siegerland.

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vor<br />

Ort<br />

Flüchtlingsarbeit im CVJM Dreis-Tiefenbach<br />

Seit März 2015 bietet der CVJM Dreis-Tiefenbach<br />

einen offenen Begegnungsabend für<br />

Flüchtlinge und Einheimische in seinen Räumlichkeiten<br />

an. Mittlerweile ist aus dem Team eine<br />

feste Gruppe innerhalb des CVJM Dreis-Tiefenbach<br />

geworden, die von Joachim Nöh, Brigitte<br />

und Bernd Sensenschmidt, Thomas Kiehl, Gertraude<br />

Frank und Martin und Dörthe Heilmann<br />

geleitet und organisiert wird.<br />

Beweggründe für unser Engagement<br />

Schon Ende des Jahres 2014 war langsam absehbar,<br />

dass die Zahl derer, die in Deutschland<br />

Schutz und ein Leben in Frieden und eine sichere<br />

Zukunft suchen, auch in Netphen und<br />

Dreis-Tiefenbach zunehmen würde. Das ging<br />

an uns nicht völlig vorüber; ganz vereinzelt<br />

kam der eine oder andere Neuankömmling zu<br />

den Veranstaltungen im Vereinshaus, auch zum<br />

Männersport.<br />

Anfang des Jahres haben die Dreis-Tiefenbacher<br />

Vereine dann gemeinsam einen<br />

Tag der Begegnung in der<br />

Dreisbach-Halle veranstaltet.<br />

Bei den Gesprächen mit den<br />

Betroffenen hat sich herauskristallisiert,<br />

dass es neben<br />

allen Problemen, die Flucht<br />

und Migration in ein fremdes<br />

Land mit sich bringen, auch<br />

Langeweile ein Problem ist.<br />

Bis zur Anerkennung eines<br />

Aufenthaltstitels, ist es den Neuankömmlingen<br />

nicht gestattet, eine Arbeit aufzunehmen oder<br />

einer Ausbildung nachzugehen. Auch wurden<br />

keine staatlich geförderten Sprach- und Integrationskurse<br />

angeboten. Die Zeit bis zur Erlangung<br />

eines solchen Aufenthaltstitels kann<br />

aber 6 Monate bis über ein Jahr in Anspruch<br />

nehmen. Man kann sich also vorstellen, dass<br />

dieses Verdammtsein zum Nichtstun ein mächtiges<br />

Problem darstellt, dass schnell in<br />

Lagerkoller, Depression<br />

und Suchtprobleme umschlagen<br />

kann.<br />

Und hier versuchen wir<br />

seit März des Jahres 2015<br />

anzusetzen: Wir haben<br />

im Vereinshaus die Infrastruktur,<br />

ein kleines Freizeitprogramm anzubieten.<br />

Darum haben wir dazu eingeladen, dienstags<br />

um 19:30 Uhr zum Dart-, Billard-, Kicker<br />

und Tischtennisspielen zu uns ins Vereinshaus<br />

zu kommen, zu reden, zu fragen und einfach uns<br />

Einheimische kennenzulernen. Der letzte Punkt<br />

ist uns besonders wichtig.<br />

Einige der älteren erinnern sich vielleicht noch<br />

selbst daran oder kennen es von Erzählungen<br />

ihrer Eltern oder Bekannten, wie es ist, plötzlich<br />

aus der gewohnten Umgebung gerissen zu<br />

werden und woanders ein neues Leben anfangen<br />

zu müssen. Und damals war die Sprachbarriere<br />

nicht so hoch wie es die erleben, die heute<br />

kommen.<br />

Wenn man den Fernseher anmacht, dominiert<br />

das Thema Flüchtlingskrise die Medien und<br />

auch viele Leute bei uns blicken mit Sorge in<br />

die Zukunft und fragen sich, wer da so zahlreich<br />

zu uns kommt und wie sich unser Land dadurch<br />

verändern wird. Es gibt in den Medien und<br />

der Bevölkerung die unterschiedlichsten Meinungen<br />

zum Umgang mit dieser Problematik.<br />

Egal wie man dazu stehen mag, wir im CVJM<br />

Dreis-Tiefenbach sind uns einig, dass die Antwort<br />

auf diese Frage nicht in Zäunen besteht,<br />

nicht in Internierungslagern, nicht im Wegsehen<br />

und nicht im Nichtstun. Als Christen sind wir<br />

in der Pflicht, denen, die zu uns kommen und<br />

nichts haben, zu helfen. Es ist uns dabei einerlei<br />

woher jemand kommt, welcher Religion er angehört<br />

oder welchem Kulturkreis und ob er nach<br />

aktueller oder zukünftiger Gesetzeslage bleiben<br />

darf oder nicht. Das müssen wir zum Glück<br />

nicht entscheiden und bei unserem Anliegen zu<br />

helfen, ist das für uns auch nicht von Belang.<br />

Außerdem glauben wir, dass Vorurteile und<br />

Stereotypendenken, die JEDER von uns in irgendeiner<br />

Form hat, nur dann abgebaut werden<br />

können, Sorgen nur dann zerstreut werden<br />

können, wenn man einander kennenlernt. Viele<br />

von uns sind schon beim Roten Kreuz aktiv als<br />

Deutschlehrer und Helfer bei den kostenlosen<br />

Deutschangeboten oder engagieren sich anderweitig<br />

ehrenamtlich. Sie wissen, wovon ich<br />

rede. Wir sind der Ansicht, dass man mit der<br />

Integration der neuen Bürger nicht früh genug<br />

anfangen kann. Denn wenn das Einleben erst<br />

20 21<br />

einmal geglückt ist, jemand einen Arbeitsplatz<br />

gefunden hat, eine Familie gründet oder nachgeholt<br />

hat, dessen Kinder auf deutsche Schulen<br />

gehen und Deutsch sprechen lernen, kann man<br />

nicht mehr ohne weiteres Sagen: Geht nach<br />

Hause! Wir sind der Ansicht, dass wir diesen<br />

massiven Zuzug junger Menschen als nicht<br />

vorübergehend betrachten sollten und dass wir<br />

diese Tatsache als Chance sehen müssen. Uns<br />

ist völlig klar, dass die Integration derart vieler<br />

teils völlig unterschiedlicher Menschen eine<br />

Mammutaufgabe ist, viel Geduld erfordert und<br />

Rückschläge vorprogrammiert sind. Ob „wir<br />

das schaffen“ wissen wir nicht. Wir wissen aber,<br />

dass wir es mit Sicherheit nicht schaffen, wenn<br />

wir aufgeben, bevor wir angefangen haben. Wir<br />

in Dreis-Tiefenbach können einen kleinen Teil<br />

im Rahmen unserer Möglichkeiten dazu beitragen;<br />

mit Sicherheit ist das ein Tropfen auf den<br />

heißen Stein, aber ein Ozean besteht letztendlich<br />

auch nur aus vielen Tropfen.<br />

Hilfreich für uns war auch die Zusammenarbeit<br />

mit der Stadt Netphen, die ein „Netzwerk Asyl“<br />

geschaffen hat, dass es den Ehrenamtlichen im<br />

Stadtgebiet ermöglicht, sich auszutauschen, die<br />

Kurse für Integrationshelfer angeboten hat, damit<br />

man die Besonderheiten anderer Kulturen<br />

kennenlernt und Verhaltensweisen richtig einschätzen<br />

kann.<br />

An dieser Stelle möchten wir<br />

allen Mut machen, die Menschen,<br />

die zu uns kommen,<br />

kennen zu lernen. Ladet sie in<br />

Eure CVJM-Gruppen ein, gerade,<br />

wenn ihr auch angesichts<br />

jüngster Vorfälle in den Medien<br />

in Sorge seid. Die Migranten,<br />

die wir während unserer nun<br />

einjährigen intensiven Arbeit kennenlernten,<br />

sind jedenfalls kein Grund zur Sorge, ganz im<br />

Gegenteil.<br />

Gemeinsames Kochen im Dreisber Vereinshaus<br />

Schon mehrfach haben wir im Vereinshaus gemeinsam<br />

gekocht und gegessen. Da die Mehrheit<br />

derjenigen, die uns dienstags besuchen,<br />

arabischer, meist syrischer Herkunft ist, waren<br />

die Mahlzeiten arabisch. Es gab zum Beispiel<br />

Tabulé (Petersilie, Bulgur und Tomaten mit Salat)<br />

und Kobé (Rinderhackbällchen in einem<br />

Integration<br />

beginnt im<br />

Kopf.<br />

Auf beiden<br />

Seiten.<br />

Teigmantel) oder auch Falaffel (Kichererbsenbällchen)<br />

mit Humus (Kichererbsen-Crème)<br />

und Laban (eine<br />

Art Tsatsiki) mit Brot. Das gemeinsame<br />

Essen und Reden kam gut an und<br />

die illustre Runde bestand aus über<br />

20 Deutschen, Pakistanern, Marokkanern,<br />

Eritreern, Syrern, Nigerianern, Irakern,<br />

Afghanen und Palästinensern. Nichts verbindet<br />

so sehr wie eine gemeinsame Mahlzeit und<br />

Essen als Universalsprache überwindet jede<br />

Sprachbarriere. Besonderes Vergnügen bereiteten<br />

unsere Versuche, arabische Begriffe bzw.<br />

Speisen und Lebensmittel<br />

korrekt auszusprechen,<br />

was uns meist misslang.<br />

Wir haben bestimmt nicht<br />

das letzte Mal zusammen<br />

gegessen. Vielleicht stellen<br />

wir das nächste Mal<br />

ein typisch deutsches Gericht<br />

vor. Einzige Voraussetzung<br />

ist, dass es kein<br />

Schweinefleisch enthält.<br />

Stadtführung durch Siegen<br />

Im Gespräch mit unseren Besuchern haben<br />

wir festgestellt, dass es vielen ein Bedürfnis<br />

ist, zu erfahren, wo sie hier gelandet sind.<br />

Und auch wenn Netphen und<br />

Siegen für viele nicht die letzte<br />

Station sein werden, war<br />

das Interesse groß, an einer<br />

kleinen privat organisierten<br />

Stadtführung teilzunehmen.<br />

So fuhren wir mit neun Syrern<br />

und zwei Pakistanern nach Siegen<br />

und stellten in Deutsch und<br />

Englisch kurz die Geschichte der Stadt vor, die<br />

Nikolaikirche und das Krönchen, das untere<br />

Schloss mit dem dicken Turm (arabisch: Burj<br />

Samika), die Altstadt und das obere Schloss. Es<br />

wurden auch viele Fragen gestellt, auf die wir<br />

nicht immer eine Antwort fanden. So mussten<br />

wir uns erst kurz beraten, warum sich auf vielen<br />

Kirchen ein Hahn befindet; für uns so selbstverständlich,<br />

dass wir es kaum hinterfragen.<br />

Das Interesse war auch groß, als wir auch die<br />

Zerstörungen in Siegen während des zweiten<br />

Weltkriegs erwähnten. Das gab Hoffnung, dass<br />

vor<br />

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