Juli 2011 - Stadtgespräch
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"Wenn ich nicht trainieren kann,<br />
dann werde ich nervös…"<br />
Wenn man Christof Buhl am Kaffeetisch<br />
bei seiner Oma Lore erlebt, dann sitzt<br />
einem auf den ersten Blick ein ganz normaler<br />
junger Mann gegenüber. Dabei ist<br />
der 27-jährige, der im Café "Lichtblick"<br />
als Koch arbeitet, weniger durchschnittlich,<br />
als es scheint. Seit seiner Geburt ist<br />
er halbseitig gelähmt. Einschränken lassen<br />
hat er sich davon jedoch nie. Immer<br />
machte er in seiner Freizeit Sport, wie<br />
Leichtathletik, viele Jahre auch Karate.<br />
"Wenn ich nicht trainieren kann, dann<br />
werde ich nervös…"<br />
Seit 6 Jahren ist er dem Golfsport verfallen. "Golf,<br />
hab ich früher immer nur im Fernsehen gesehen",<br />
erzählt Christof Buhl. Dann machte er mit Oma<br />
Lore einen Golfschnupperkurs in Balm. "Beim<br />
Golfen ist man entweder gleich infiziert oder nie.<br />
Ich war´s." Nachdem er die Platzreife abgelegt hatte,<br />
wurde er im neu eröffneten Hanseatischen Golfclub<br />
in Wackerow Mitglied. Schon im ersten Jahr konnte<br />
er sein Handycap um 10 Punkte herunterspielen.<br />
"Das regelmäßige Training nimmt natürlich viel<br />
Zeit in Anspruch. Aber ich habe mich inzwischen<br />
auf ein Handycap von 28,6 verbessert." Viermal pro<br />
Woche muss Training schon für ihn sein. Denn der<br />
Ehrgeiz, in dieser Sportart etwas zu erreichen, treibt<br />
ihn an. Sein eigenes körperliches Handicap kann er<br />
dabei mit speziellen Techniken auf dem Grün völlig<br />
ausblenden.<br />
"Leistungssport erwartet man nicht von<br />
Golfern…"<br />
Im November des letzten Jahres nahm er an seinem<br />
ersten Golfturnier im Ausland teil. Auf<br />
Teneriffa kam er zwischen den anderen körperlich<br />
beeinträchtigten Spielern am Ende nur ins erste<br />
Viertel. "Da denkt man, dass manche Teilnehmer<br />
wegen ihrer körperlichen Behinderung gar nicht<br />
Golf spielen können. Und dann spielen sie ein<br />
Golf…", gerät Christof ins Schwärmen.<br />
Das zweite große internationale Turnier in diesem<br />
Jahr, bei dem aus 11 europäischen Ländern<br />
Teilnehmer mit Behinderungen antraten, endete<br />
für ihn mit einem Platz auf dem Siegertreppchen.<br />
"Das Turnier war in Bornholm. Es ging über drei<br />
Tage. Am dritten Tag gab´s nur noch Regen und<br />
Sturm. Trotzdem holte ich die Silbermedaille."<br />
"Natürlich war Christof vor dem Turnier aufgeregt",<br />
berichtet Oma Lore Kuhl, die als Caddy und<br />
Reisebegleitung mit vor Ort war. "Na wenn man<br />
dort schon hinfährt, will man ja auch nicht letzter<br />
werden", merkt Christof an.<br />
"Wenn Golf 2016 olympisch wird,<br />
möchte ich bei den Paralympics dabei<br />
sein… und natürlich auch gewinnen"<br />
Als nächstes stehen für ihn die Deutschen<br />
Meisterschaften, dann die German Open und im<br />
November wieder das Turnier in Teneriffa an.<br />
"Mein Urlaub geht eben für Golf drauf." Und auch<br />
einiges Geld, für die Anfahrt, Übernachtungen und<br />
Startgebühren. Daher hofft Christof, dass der<br />
Behindertensportverband, dem er beigetreten ist,<br />
Zuschüsse dazu im Rahmen der Talentförderung<br />
übernimmt. Erste Gespräche gab es schon. Auch<br />
Trainerstunden würden so vielleicht für ihn noch<br />
möglich sein. "Schließlich will ich noch besser<br />
werden", erzählt er ehrgeizig. "Aber Förderung ist<br />
eben reine Bürokratie."<br />
Im Gespräch ist gegenwärtig auch das mögliche<br />
Entstehen eines Leistungsstützpunktes für Golf im<br />
Landesleistungszentrum des BBW. Bis August soll<br />
dafür eine Entscheidung fallen. "Natürlich muss<br />
bis dahin nicht nur ein Landestrainer gefunden,<br />
sondern auch eine Mannschaft auf die Beine<br />
gestellt werden."<br />
"Man erwartet, dass Golf etwas für ältere<br />
Leute ist. Das hab ich früher auch<br />
gedacht…"<br />
Nach seinem schönsten Erlebnis auf dem Grün<br />
gefragt, antwortet Christof Buhl: "Ich habe damals<br />
gerade ein Jahr gespielt. Dann gelang mir ein<br />
Birdie auf einem Paar Drei". (Für Nichtgolfer: drei<br />
Schläge sind Regel für das Einlochen bei einem<br />
Paar Drei, er brauchte nur zwei). "Aber leider war<br />
das nur im Training und nicht bei einem Turnier",<br />
merkt der ehrgeizige junge Mann fast enttäuscht an.<br />
Übrigens...<br />
Oma Lore Kuhl, die eigentlich nur Fahrer für den<br />
Enkel war und mit ihm eher aus Freizeitvergnügen<br />
denn sportlichem Ehrgeiz die Platzreife zusammen<br />
machte, ist vor wenigen Tagen, kurz nach<br />
ihrem 70. Geburtstag, endlich "Mensch geworden".<br />
So bezeichnet man Golfspieler, die das Handicap<br />
36 erreichen. Wir gratulieren Lore Kuhl und<br />
wünschen Christof für seine nächsten Turniere<br />
viel Glück!<br />
Text: BeKa Fotos: Juhnke / Ch. Buhl<br />
07/11<br />
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