08.12.2012 Aufrufe

Juli 2011 - Stadtgespräch

Juli 2011 - Stadtgespräch

Juli 2011 - Stadtgespräch

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

"Wenn ich nicht trainieren kann,<br />

dann werde ich nervös…"<br />

Wenn man Christof Buhl am Kaffeetisch<br />

bei seiner Oma Lore erlebt, dann sitzt<br />

einem auf den ersten Blick ein ganz normaler<br />

junger Mann gegenüber. Dabei ist<br />

der 27-jährige, der im Café "Lichtblick"<br />

als Koch arbeitet, weniger durchschnittlich,<br />

als es scheint. Seit seiner Geburt ist<br />

er halbseitig gelähmt. Einschränken lassen<br />

hat er sich davon jedoch nie. Immer<br />

machte er in seiner Freizeit Sport, wie<br />

Leichtathletik, viele Jahre auch Karate.<br />

"Wenn ich nicht trainieren kann, dann<br />

werde ich nervös…"<br />

Seit 6 Jahren ist er dem Golfsport verfallen. "Golf,<br />

hab ich früher immer nur im Fernsehen gesehen",<br />

erzählt Christof Buhl. Dann machte er mit Oma<br />

Lore einen Golfschnupperkurs in Balm. "Beim<br />

Golfen ist man entweder gleich infiziert oder nie.<br />

Ich war´s." Nachdem er die Platzreife abgelegt hatte,<br />

wurde er im neu eröffneten Hanseatischen Golfclub<br />

in Wackerow Mitglied. Schon im ersten Jahr konnte<br />

er sein Handycap um 10 Punkte herunterspielen.<br />

"Das regelmäßige Training nimmt natürlich viel<br />

Zeit in Anspruch. Aber ich habe mich inzwischen<br />

auf ein Handycap von 28,6 verbessert." Viermal pro<br />

Woche muss Training schon für ihn sein. Denn der<br />

Ehrgeiz, in dieser Sportart etwas zu erreichen, treibt<br />

ihn an. Sein eigenes körperliches Handicap kann er<br />

dabei mit speziellen Techniken auf dem Grün völlig<br />

ausblenden.<br />

"Leistungssport erwartet man nicht von<br />

Golfern…"<br />

Im November des letzten Jahres nahm er an seinem<br />

ersten Golfturnier im Ausland teil. Auf<br />

Teneriffa kam er zwischen den anderen körperlich<br />

beeinträchtigten Spielern am Ende nur ins erste<br />

Viertel. "Da denkt man, dass manche Teilnehmer<br />

wegen ihrer körperlichen Behinderung gar nicht<br />

Golf spielen können. Und dann spielen sie ein<br />

Golf…", gerät Christof ins Schwärmen.<br />

Das zweite große internationale Turnier in diesem<br />

Jahr, bei dem aus 11 europäischen Ländern<br />

Teilnehmer mit Behinderungen antraten, endete<br />

für ihn mit einem Platz auf dem Siegertreppchen.<br />

"Das Turnier war in Bornholm. Es ging über drei<br />

Tage. Am dritten Tag gab´s nur noch Regen und<br />

Sturm. Trotzdem holte ich die Silbermedaille."<br />

"Natürlich war Christof vor dem Turnier aufgeregt",<br />

berichtet Oma Lore Kuhl, die als Caddy und<br />

Reisebegleitung mit vor Ort war. "Na wenn man<br />

dort schon hinfährt, will man ja auch nicht letzter<br />

werden", merkt Christof an.<br />

"Wenn Golf 2016 olympisch wird,<br />

möchte ich bei den Paralympics dabei<br />

sein… und natürlich auch gewinnen"<br />

Als nächstes stehen für ihn die Deutschen<br />

Meisterschaften, dann die German Open und im<br />

November wieder das Turnier in Teneriffa an.<br />

"Mein Urlaub geht eben für Golf drauf." Und auch<br />

einiges Geld, für die Anfahrt, Übernachtungen und<br />

Startgebühren. Daher hofft Christof, dass der<br />

Behindertensportverband, dem er beigetreten ist,<br />

Zuschüsse dazu im Rahmen der Talentförderung<br />

übernimmt. Erste Gespräche gab es schon. Auch<br />

Trainerstunden würden so vielleicht für ihn noch<br />

möglich sein. "Schließlich will ich noch besser<br />

werden", erzählt er ehrgeizig. "Aber Förderung ist<br />

eben reine Bürokratie."<br />

Im Gespräch ist gegenwärtig auch das mögliche<br />

Entstehen eines Leistungsstützpunktes für Golf im<br />

Landesleistungszentrum des BBW. Bis August soll<br />

dafür eine Entscheidung fallen. "Natürlich muss<br />

bis dahin nicht nur ein Landestrainer gefunden,<br />

sondern auch eine Mannschaft auf die Beine<br />

gestellt werden."<br />

"Man erwartet, dass Golf etwas für ältere<br />

Leute ist. Das hab ich früher auch<br />

gedacht…"<br />

Nach seinem schönsten Erlebnis auf dem Grün<br />

gefragt, antwortet Christof Buhl: "Ich habe damals<br />

gerade ein Jahr gespielt. Dann gelang mir ein<br />

Birdie auf einem Paar Drei". (Für Nichtgolfer: drei<br />

Schläge sind Regel für das Einlochen bei einem<br />

Paar Drei, er brauchte nur zwei). "Aber leider war<br />

das nur im Training und nicht bei einem Turnier",<br />

merkt der ehrgeizige junge Mann fast enttäuscht an.<br />

Übrigens...<br />

Oma Lore Kuhl, die eigentlich nur Fahrer für den<br />

Enkel war und mit ihm eher aus Freizeitvergnügen<br />

denn sportlichem Ehrgeiz die Platzreife zusammen<br />

machte, ist vor wenigen Tagen, kurz nach<br />

ihrem 70. Geburtstag, endlich "Mensch geworden".<br />

So bezeichnet man Golfspieler, die das Handicap<br />

36 erreichen. Wir gratulieren Lore Kuhl und<br />

wünschen Christof für seine nächsten Turniere<br />

viel Glück!<br />

Text: BeKa Fotos: Juhnke / Ch. Buhl<br />

07/11<br />

27

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!