De:Bug 175
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<strong>175</strong> — russland interview sascha kösch<br />
Portable Über<br />
Homophobie in<br />
Russland<br />
Alan Abrahams, aka Portable und<br />
Bodycode, stammt aus Südafrika<br />
und hat dort in den 90ern den<br />
Kampf gegen Apartheid mitgelebt.<br />
20 Jahre später ist für ihn<br />
die Zeit wieder angebrochen, sich<br />
gegen die Diskriminierung zu<br />
wehren, die von den russischen<br />
Gesetzen gegen "Homosexuelle<br />
Propaganda" ausgeht und in einer<br />
immer näher zusammengerückten<br />
medialen Welt selbst in<br />
<strong>De</strong>utschland zu einem Problem<br />
werden kann.<br />
Wann hast du zum ersten Mal von den<br />
neuen russischen Gesetzen zu "Gay-<br />
Propaganda" gehört? Und was war deine<br />
erste Reaktion?<br />
Das erste Mal ist es mir aufgefallen,<br />
als die Stadtverwaltung in Moskau die<br />
Moscow-Pride-Parade unterband, die am<br />
25. Mai im Sokolniki Park stattfinden sollte.<br />
Natürlich war ich erst Mal schockiert.<br />
Ich versuchte, so gut es geht Solidarität<br />
zu zeigen und unterschrieb Petitionen.<br />
Ich konnte ja nicht ahnen, dass es mich<br />
Monate später dann auch selbst betreffen<br />
würde.<br />
Hat das deine Einstellung zu Russland,<br />
auch jenseits der russischen Regierung,<br />
verändert?<br />
Anfangs dachte ich, dass die russische<br />
Regierung tatsächlich nur Populismus<br />
betreibt. Das ist ja auch kein Geheimnis:<br />
Putin versucht ständig, mit billigen und fiesen<br />
Tricks seine Popularität zu steigern.<br />
Da ist ein Sündenbock, zum Beispiel eine<br />
gesellschaftliche Minderheit, als<br />
neuer Dämon nur genehm. Aber durch<br />
meine persönliche Verwicklung in diese<br />
Geschichte und all die News über<br />
Verfolgung, Folter und nicht zuletzt den<br />
Tod eines Homosexuellen wurde mir klar,<br />
dass das einen größeren gesellschaftlichen<br />
Rückhalt hat, als mir zuvor klar war.<br />
Hattest du selbst jemals schlechte<br />
Erfahrungen in Russland gemacht?<br />
Während ich in Russland war, fiel mir<br />
nichts auf. Ich war aber auch immer nur ein<br />
40<br />
paar Tage da, also habe ich nie einen tieferen<br />
Einblick in das alltägliche Leben bekommen.<br />
Als ich aber die Aktion von Tilda<br />
Swindon, die eine Regenbogen-Flagge auf<br />
dem Kreml gehisst hatte, postete, hatte<br />
ich Momente später einen Menschen<br />
aus Russland auf meiner Seite, der dem<br />
mit "FUCK GAY, FUCK YOU" begegnete.<br />
Ich habe das an Facebook gemeldet,<br />
und Tags drauf war meine eigene Seite<br />
aufgrund dieses Menschen und ein paar<br />
seiner Nazi-Freunde gesperrt mit dem<br />
Vorwurf, ich würde dort sexuelle Avancen<br />
machen. Ich war natürlich wütend, dass<br />
ich hierzulande, weit jenseits der russischen<br />
Grenzen, in einem Land, in dem<br />
es Gleichberechtigung für Homosexuelle<br />
gibt, von russischer Unterdrückung direkt<br />
betroffen sein kann. Es dauerte ein<br />
paar Tage, und nur durch die Kontakte<br />
von Freunden zu Facebook habe ich meine<br />
Seite zurückbekommen. Aber was ist<br />
mit all denen, die solche Kontakte nicht<br />
haben? Wie viele Menschen werden täglich<br />
attackiert, von denen wir nichts wissen?<br />
Ich war so wütend wie seit den Tagen<br />
der Apartheid-Kämpfe in Südafrika nicht<br />
mehr. Es musste einfach etwas unternommen<br />
werden.<br />
Was hat dich dazu veranlasst keine<br />
Bookings mehr in Russland zu<br />
akzeptieren?<br />
Nicht zuletzt auch diese direkte<br />
Attacke auf mich. Es ist nicht so, dass<br />
ich Angst hätte. Aber für mich ist das<br />
ein Ausdruck meiner Solidarität gegen<br />
diese grässlichen Gesetze. Wir haben<br />
in den letzten Jahren beobachten<br />
können, wie viele Länder Gesetze gegen<br />
Homosexualität ausgebrütet haben,<br />
vor allem in Afrika. Uganda: Todesstrafe<br />
oder lebenslänglich. Kamerun: fünf Jahre<br />
Gefängnis. Botswana, Lesotho, Tunesien,<br />
Gambia, Mauritius, Marokko, Senegal. Die<br />
Liste ist endlos. In 76 Ländern dieser Welt<br />
ist Homosexualität illegal. Das ist eine niederschmetternde<br />
Bilanz. Selbst in meiner<br />
Heimat, Südafrika, wo Homosexualität legal<br />
ist und es die Möglichkeit für gleichgeschlechtliche<br />
Paare gibt, zu heiraten, gibt<br />
es immer noch Fälle von Vergewaltigung<br />
lesbischer Frauen - um sie zu "heilen".<br />
Wie wirst du dich weiter organisieren?<br />
Man muss sich einfach persönlich einsetzen.<br />
Nach dem Boykott russischer Gigs<br />
»So wütend war ich<br />
seit der Apartheid<br />
nicht mehr.«<br />
hatte ich bei meinem Boiler-Room-Auftritt,<br />
immerhin eine weltweite Plattform, ein<br />
T-Shirt an, auf dem stand: "In Russia I<br />
Can't be Gay".<br />
Erwartest du weitere Aktionen der<br />
Clubszene?<br />
Ja. Besonders hier in Berlin. Das<br />
geht von Benefiz-Partys im Berghain -<br />
am 12. September ist die nächste bis zur<br />
Kuss-<strong>De</strong>monstration vor der russischen<br />
Botschaft am 8. September.<br />
Du hast Parallelen gezogen zum<br />
Apartheits-Kampf.<br />
In Südafrika wurden wir wegen unserer<br />
Hautfarbe diskriminiert, einer Hautfarbe,<br />
die wir uns nicht ausgesucht haben. Ich<br />
wurde schwul geboren, auch da hatte ich<br />
keine Wahl. Wir mussten uns organisieren,<br />
um unsere Menschenrechte zu verteidigen.<br />
Und genau dieses Szenario ist heute<br />
wieder da.<br />
Was hältst du von anderen Aktionen wie<br />
dem #dumpstoli-Boykott gegen russischen<br />
Wodka und Stephen Frys Brief an<br />
den englischen Premier und den IOC,<br />
um die Winter-Olympiade zu stoppen?<br />
Je mehr passiert, desto besser.<br />
Wir müssen alle Verantwortung übernehmen.<br />
Ich persönlich trinke gar keinen<br />
Alkohol, da kann ich beim Wodka-<br />
Boykott nicht helfen. Wir brauchen aber<br />
dringend eine mutige Regierung, die<br />
in den Kampf einsteigt. Bislang versuchen<br />
sich zwar viele Leute Gehör gegen<br />
diese Ungeheuerlichkeiten zu verschaffen.<br />
Aber das ist viel Rhetorik und wenig<br />
wirklich verbindliches, das Russland zum<br />
Umdenken bewegen könnte.