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stadtMAGAZIN köln-süd | Ausgabe August/September 2016

Magazin für Zeitgeschehen, Kunst, Kultur und Lebensart in Köln.

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<strong>köln</strong> lokal<br />

Schokoladenrausch<br />

Eine Ausstellung im<br />

Schokoladenmuseum zur<br />

wechselhaften Geschichte einer<br />

traditionsreichen Industrie<br />

von Karola Waldek<br />

im Rheinland<br />

Annette Imhoff (l.), Geschäftsführerin<br />

Schokoladenmuseum, gemeinsam mit ihrer<br />

Mutter Gerburg Imhoff, die der Ausstellungseröffnung<br />

beiwohnte.<br />

Auch heute noch zeugen Schokoladenspezialitäten<br />

vom internationalen Siegeszug<br />

Kölner Schokoladenhersteller.<br />

Museumspädagoge Thomas Schiffer<br />

erklärte wie Anno dazumal die<br />

Schokoladenpressen funktionierten.<br />

Der Besucher erfährt nicht nur etwas über die<br />

„rheinische Schokoladenhauptstadt“ Köln<br />

und ihre Geschichte, sondern kann auch<br />

eine der vielen Aktivstationen ausprobieren<br />

– z.B. seine Kraft an der Kakopresse testen.<br />

Am 31. März <strong>2016</strong> wurde das Ende<br />

einer Ära eingeläutet. Das Kölner<br />

Schokoladen-Unternehmen Stollwerck<br />

schloss in Porz seine Tore – ein Anlass<br />

zu umfangreichen Recherchen, deren Ergebnisse nun in<br />

einer Ausstellung münden, die noch bis zum 14. November<br />

im Schokoladenmuseum zu sehen ist.<br />

Zur Ausstellungseröffnung gab Prof. Dr. Margrit<br />

Schulte Beerbühl einen spannenden Rückblick auf die<br />

Realisation der Ausstellung, die in Zusammenarbeit mit<br />

dem Institut für Geschichtswissenschaft der Heinrich Heine<br />

Universität Düsseldorf umgesetzt wurde.<br />

Die Idee zu dieser Ausstellung war auf einer Tagung<br />

gemeinsam mit Studenten entstanden. „Wir haben uns<br />

auf Spurensuche begeben, weil so viele Unternehmen<br />

geschlossen hatten – und es war die reinste Detektivarbeit”,<br />

erläuterte die Geschichtswissenschaftlerin der<br />

Heinrich-Heine-Universität. Angefangen mit Adressbüchern,<br />

um Schokoladenhersteller ausfindig zu machen,<br />

eruierte man letztlich 500 Unternehmen, und die Organisatoren<br />

sind noch nicht am Ende ihrer Recherchen<br />

angekommen. Eine derart umfangreiche Untersuchung<br />

gab es bisher noch nicht.<br />

Auch wenn Dresden als Schokoladenhauptstadt<br />

Deutschlands galt, so war das Rheinland vom Ende des<br />

19. Jhd. bis zum 20 Jhd. das Zentrum der Schokoladenindustrie<br />

weltweit. Da Flüsse die wichtigsten Transportmittel<br />

waren, spielte die Nähe zum Rhein und zu Rotterdam<br />

eine wichtige Rolle bei der Kakaobohnenbeschaffung.<br />

Auf dem Weg zur Industrieregion – Anfang des 19. Jahrhunderts<br />

– wurden Luxus und Wohlstand auch durch<br />

Schokolade verkörpert. Doch die ersten Nachweise über<br />

die Verarbeitung von Kakao im Rheinland reichen zurück<br />

bis ins 17. Jahrhundert. Bereits im Jahr 1688 wurde die<br />

heutige Aachener Printen- und Schokoladenfabrik Henry<br />

Lambertz gegründet. Auch der Kölnisch Wasser Fabrikant<br />

Johann Maria Farina verkaufte bereits 1736 Schokolade.<br />

In das Jahr 1839 fiel die Gründung von Stollwerck<br />

in Köln. Die große Ära der Schokoladenproduktion im<br />

Rheinland begann aber erst im 19. Jahrhundert. Ende<br />

des 19. Jahrhunderts wurde Schokolade schließlich auch<br />

zum „Rohessen” angeboten. Bis dahin galt sie nur als<br />

luxuriöser Trinkgenuss, der dem Adel und wohlhabenden<br />

Bürgern vorbehalten blieb.<br />

Bei einem Rundgang erklärte die Kuratorin der Ausstellung, Andrea Durry,<br />

welche Bestandteile in Schokolade enthalten sein können.<br />

Allein in Köln hat es in den letzten 200 Jahren 120<br />

verschiedene Schokoladenhersteller gegeben. Heute ist<br />

neben einigen edlen Konditoreien das Schokoladenmuseum<br />

die einzige Produktionsstätte von Schokolade in Köln.<br />

Doch was hat den Niedergang so vieler Unternehmen<br />

ausgelöst? „Mit Sicherheit spielt die moderne Globalisierung<br />

eine Rolle und der Wegfall der Preisbindung”,<br />

erläuterte Schulte Beerbühl.<br />

Annette Imhoff, Geschäftsführerin des Schokoladenmuseums,<br />

erzählte, dass das Unternehmen<br />

Stollwerck ein ganz wichtiger Teil der Geschichte der<br />

Schokoladenherstellung im Rheinland sei und schon<br />

am ersten großen Schokoladenrausch Ende des 19. Jhd.<br />

beteiligt war. 1971 hatte ihr Vater, Hans Imhoff, den<br />

Aufsichtsratvorsitz der seinerzeit insolventen Stollwerck<br />

AG übernommen und führte das Unternehmen schließlich<br />

zu internationaler Größe. Mit Ende des kalten<br />

Krieges setzte ein zweiter Schokoladenrausch ein, als<br />

die östlichen Märkte erschlossen wurden. 2002 wurde<br />

Stollwerck schließlich an das Schweizer Unternehmen<br />

Barry Callebaut verkauft. Mit dem Verkauf wurde der<br />

Anfang vom Ende der letzten großen Schokoladenproduktionsstätte<br />

in Köln eingeläutet und am 31. März<br />

<strong>2016</strong> war endgültig Schluss, Stollwerck in Köln ist nun<br />

leider Geschichte.<br />

In der Ausstellung „Schokoladenrausch im Rheinland”<br />

werden 15 Unternehmen näher vorgestellt. Viele<br />

Marken wie Novesia Goldnuss sind nur noch Geschichte,<br />

andere wie die Chocoladenfabriken Lindt & Sprüngli in<br />

Aachen gehören zu den wenigen Standorten im Rheinland,<br />

die bis heute produzieren. Die aufwändig gestaltete<br />

Ausstellung stellt große Erfindungen wie den Fünfwalzenstuhl<br />

des Kölners Heinrich Stollwerck vor und erklärt, was<br />

das Rheinland als Industriestandort ausgezeichnet hat.<br />

Durch ein umfangreiches Rahmenprogramm im<br />

Schokoladenmuseum wird der „Schokoladenrausch im<br />

Rheinland” erlebbar. Kurse, Seminare, Vorträge und Aktionstage<br />

greifen einzelne Aspekte auf.<br />

INFOS: www.schokoladenmuseum.de<br />

Alle Fotos: ©Karola Waldek<br />

30<br />

<strong>köln</strong> <strong>süd</strong> stadt MAGAZIN Nr. 4/ <strong>2016</strong> 27. Jahrgang

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