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58 PORTUGAL / FARO<br />
„WENDE NIEMALS GOTT DEN RÜCKEN<br />
zu, wenn Du dich auf die Suche nach den Fingern<br />
des Teufels machst!“ Es ist fast Mitternacht und<br />
die Stimme, die mir im Schatten der Rio-Arade-<br />
Brücke im Städtchen Portimão an der portugiesischen<br />
Algarve-Küste diese Warnung zuraunt,<br />
jagt mir kalte Schauer über den Rücken. Doch<br />
gleichzeitig wecken die Worte auch Hoffnung<br />
in mir. Seit Tagen bin ich auf der Suche nach<br />
Informationen über Percebes-Fischer in dem<br />
Küstenort unterwegs, doch weder auf dem örtlichen<br />
Fischmarkt noch im Club da Companheira,<br />
wo die pensionierten Fischer dicht gedrängt an<br />
Plastiktischen sitzen und Bier in sich hineinschütten,<br />
habe ich bisher etwas in Erfahrung<br />
bringen können.<br />
Der Reisefotograf Tim E. White und ich haben<br />
einen ganz besonderen Auftrag: Wir sollen jemanden<br />
ausfindig machen, der uns einen Einblick in<br />
das Leben der Fischer bieten kann, die regelmäßig<br />
ihr Leben für die Ernte von Percebes aufs Spiel<br />
setzen. Percebes sind rare Meeresdelikatessen, die<br />
unter Feinschmeckern auch als Entenmuscheln<br />
oder Meerestrüffel bekannt sind, und hier vor allem<br />
zur Weihnachtszeit gern gegessen werden.<br />
Am dritten Tag unserer Reise haben wir<br />
endlich Glück. Wir stoßen auf João Rosário, einen<br />
professionellen Bergungstaucher und Betreiber<br />
des Tauchgeschäfts Pinguim Sub. Er rät uns, die<br />
mitternächtliche Warnung nicht persönlich zu<br />
nehmen. Mit Gott, so erklärt er, sei vor allem die<br />
Kraft des Meeres gemeint: „Wer Percebes erntet<br />
und dabei der unberechenbaren See den Rücken<br />
zuwendet, kann sich schwer verletzen oder gar<br />
sterben. Es hat schon viele Fälle gegeben, in denen<br />
Fischer durch den Aufprall eines Brechers das<br />
Bewusstsein verloren haben und dann ertrunken<br />
sind. Wenn man Glück hat, bricht man sich nur<br />
einen Arm oder ein Bein. Oder man holt sich<br />
schmerzhafte Wunden, wenn die scharfen Felsen<br />
durch den Neoprenanzug schneiden.“ Dass die<br />
Percebes von den Einheimischen oft als „Teufelsfinger“<br />
bezeichnet würden, sei daher nicht weiter<br />
bemerkenswert.<br />
Percebes sind in Wirklichkeit gar keine Muscheln,<br />
sondern farbenfrohe Krebstiere, die zumeist<br />
auf Schiffswracks oder harten Felsoberflächen in<br />
Küstengewässern leben. Als sogenannte Filtrierer<br />
ernähren sie sich von Plankton, das sie aus dem<br />
Meerwasser heraussieben. Im Verkauf erzielen<br />
sie Preise von 15 bis 45 Euro pro Kilogramm und<br />
gelten damit als eine der teuersten Delikatessen<br />
des Atlantiks. Percebes können nicht gezüchtet<br />
werden, weil sie sich ausschließlich unterhalb der<br />
Niedrigwassermarke an besonders turbulenten<br />
Stellen im Meer ansiedeln, wo sie von der starken<br />
Brandung mit ausreichend Plankton versorgt<br />
werden. Als Faustregel gilt dabei: je rauer die See,<br />
Vorherige Seite:<br />
Zerklüftete Felsen an<br />
der Costa Vicentina<br />
Oben: Percebes-<br />
Fischer Tiago Graca<br />
und Fernando Damas mit<br />
ihren traditionellen<br />
Meißeln, den Arlhadas<br />
Mitte links: Die Küstenstadt<br />
Portimão ist bekannt<br />
für ihre Fischspezialitäten<br />
Mitte rechts:<br />
Bergungstaucher<br />
João Rosário<br />
Unten: Der Hafen von<br />
Sagres<br />
Previous page: The<br />
rugged cliffs of Costa<br />
Vicentina<br />
Above: Divers Tiago Graca<br />
and Fernando Damas with<br />
their percebes chisels<br />
Top left: Portimão is<br />
known for its seafood<br />
Top right: Salvage diver<br />
João Rosário<br />
Left: Sagres harbour