Schwäbiche Nachrichten & AuLa - September 2016
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DerlegendenumrankteWeiher<br />
vonSchäfstoß<br />
REGIONALES<br />
GustavGuisez<br />
Autor<br />
historischer<br />
Geschichten<br />
Wie eine vom Himmel gefallene<br />
Träne offenbart sich dem weniger<br />
eiligen Autofahrer, der etwas<br />
abseits gelegene Weiher beim<br />
Weiler Schäfstoß. Viele Tränen<br />
wurden vor langer Zeit an seinem<br />
Ufer vergossen, wie die<br />
Volkslegende erzählt. Wenn man<br />
das Rad der Zeit zurückdreht,<br />
den Mai 1648 wieder erstehen<br />
lässt, wo um Zusmarshausen die<br />
letzte Schlacht des 30-jährigen<br />
Krieges geschlagen, so erscheint<br />
wie eineBotschaftaus demDunkelderGeschichtediePersonder<br />
Marketenderin Jana und die ihres<br />
Mitverschworenen, desTrossknechtes<br />
Janosch. Beide hatten<br />
vereinbart,beiBiwakderkaiserlichen<br />
Truppen in Schäfstoß, die<br />
Trunkenheit der Offiziere auszunutzen,<br />
die eisenbeschlagene<br />
Kriegskasse zu stehlen und dieselbe<br />
im nahen Teich zu versenken.Wennsiedannabgemustert,<br />
wolltensiehierherzurückkehren,<br />
ihr Diebesgut holen und mit den<br />
blanken Goldstücken in der slowakischen<br />
Heimat etwas Eigenes<br />
erwerben. Doch wie die Beiden<br />
denschwerenGeldkasteninstiefeWasserzeihenwollten,stolperten<br />
sie und ertranken jämmerlich.<br />
Nun soll der stumme Zeuge<br />
aus vergangenen kriegerischen<br />
Tagen noch heute im verschlammten<br />
Grund des Wassers<br />
liegen.<br />
schaft gegangen, wo er im„Affenkasten“<br />
– den für die Hofbauern<br />
abgesonderten Raum – sein<br />
Braunbier trinken wollte, trafen<br />
sich Gallus und Filomena heimlich<br />
im Halbdunkel der Scheune.<br />
Er flüsterte Liebesworte, während<br />
ihre Augen in die seinen<br />
tauchten. Ein Schauer überlief<br />
den jungen Bauern, als er sie<br />
küsste und den geschmeidigen<br />
Frauenkörperspürte.ImDuftdes<br />
Heus vergaß der Horgauer die<br />
Worte des Ortspfarrers, der immer<br />
vor der Sünde des Fleisches<br />
gewarntundgenossdieWonnen<br />
der Liebe in vollen Zügen. Und<br />
so gab es jede Nacht ein Stelldichein,<br />
wenn hinter den waldigen<br />
Hügeln die Sonne versank.<br />
Der Frühling kam mit Fliederduft<br />
und bald zirpten im BauerngartendieGrillen.<br />
Eines Tages stürzte Filomena<br />
ganz aufgelöst zu ihrem Liebhaber<br />
und gestand ihm, dass sie<br />
wahrscheinlich in „gesegneten<br />
Umständen“ sei. Wie oft war sie<br />
in der vergangenen Zeit bei Einbruch<br />
der Dunkelheit am Fenster<br />
der Kammer gestanden, zählte<br />
die Sterne und auch„die Tage“,<br />
die einfach nicht kommen wollten,<br />
bis sie die traurige Gewissheit<br />
erfüllte, dass sie in Unehren<br />
schwangergeworden.<br />
Der junge Bauer schlich nach<br />
dieser Eröffnung bedrückt<br />
umher, ging ihr auch aus dem<br />
Weg. Am Tage, als slowakische<br />
Rastelbinder auf dem Bauernhoferschienen,umihreRattenund<br />
Mausefallen zu verkaufen,<br />
wies der Vater von Gallus das<br />
unglückliche Mädchen aus dem<br />
Haus.DieganzeLeidenschaftdes<br />
Hasses atmete aus den Worten<br />
des unbarmherzigen Geizhalses,<br />
welcher für seinen Ältesten die<br />
Tochter des Wollbacher Müllers<br />
im Auge hatte. Sein größtes Vergnügennachdemsonntäglichen<br />
Kirchgang war es, das zusammengeraffte<br />
Geld zu zählen, die<br />
Guldenstückeblankzuputzen,in<br />
Säulen aufzustellen, wieder umzuwerfen<br />
und neu zu ordnen.<br />
Gallus selbst war unfähig, ein<br />
Wort zu sagen, wie seine Geliebte<br />
mit den Worten:„Mei Ehr hast<br />
mir g’nomma ...“ den Ort ihrer<br />
Schuldverließ.<br />
NacheineraltenSagesollnoch<br />
heutedieeisenbeschlagene<br />
KriegskasseimSchlammdes<br />
Weihersliegen.<br />
Fledermäuse streiften sie mit seidenen<br />
Flügeln, als sie in dieser<br />
düsteren Nacht den Weg antrat,<br />
an dessen Ende der Wassertod<br />
auf sie wartete. Frösteln überlief<br />
die Verlassene, angesichts des<br />
Schäfstoßer Teichs, den sie nun<br />
erreicht. Am anderen Morgen<br />
brachten zwei Knechte die Ertrunkene<br />
nach Horgau.Von klebrigen<br />
Wasserpflanzen umgarnt,<br />
vom Schlamm des Weihers gezeichnet,botsichGallusihrsonst<br />
so sinnenfroher Leib. Auch der<br />
Alte kam hinzu und sagte erschüttert:„Gott<br />
ist mein Zeuge,<br />
das habe ich nicht gewollt.“ Unter<br />
dem Druck der Ereignisse<br />
brach der Verführer an einem<br />
Nervenfieber zusammen. Lange<br />
Jahrzehnte – so die Sage – soll<br />
die arme Filomena als Najade<br />
und Nymphe zusammen mit<br />
dem verstorbenen Horgauer, der<br />
alsWassermann an ihrer Seite zu<br />
sehen war, ängstliche Gemüter<br />
erschreckt haben. Doch dann<br />
verloren die höllischen Mächte<br />
ihre Kraft und die beiden UnglücklichenfandenihreRuhe.<br />
GustavGuisez ■<br />
Die geheimnisvolle Aura, welche<br />
den Weiher seit eh und je umgibt,<br />
war auch vom Schicksal der<br />
Horgauer Magd Filomena gekennzeichnet.AnLichtmess1690<br />
war sie im Hof des Kirchenbauern<br />
eingestanden. Bei der Waldarbeit<br />
im Winter fiel dem Hoferben<br />
Gallus das kräftige brünette<br />
Mädchen ins Auge. Mehrmals<br />
hatte er mit ihr vielversprechende<br />
Blicke gewechselt. Sie blickte<br />
zurück und signalisierte ihm ihre<br />
Sympathie. Ihr gurrendes Lächeln<br />
verwandelte sein träges<br />
Blut in heiße Wogen von Sehnsüchten<br />
und nie gekannten<br />
Wünschen. So rückte die neue<br />
Magd zum Mittelpunkt seiner<br />
kleinen Welt auf. Am Abend als<br />
der gestrenge Vater zur Wirt-<br />
ZwischenBiburgundHorgauliegtdervonSagenundLegendenumwobeneSchäfstoßerWeiher.<br />
Fotos:Guisez<br />
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