Interview Mit der Frage kann ich ganz wenig anfangen. Ich sage was ich denke und ich tue, was möglich ist. Ich glaube, dass wir vertrauenswürdig sind und insofern will ich in diesen Negativdiskurs auch gar nicht einstimmen. Sie als Medien, als Lügenpresse, haben ja noch viel größere Probleme. Muss ein Politiker 100 Prozent transparent sein? Nein. Ich bin es nicht und ich will es auch nicht. Ein Politiker darf auch Fehler haben. Ein Politiker darf Fehler machen, private Leidenschaften und Privatsphäre haben. Aber wenn Sie jetzt in Ihrem Beruf, als Vertreter Ihrer Wähler, einen Fehler machen und diesen vertuschen oder transparent damit umgehen, das ist schon ein Unterschied. Ja, wenn Sie das unter Transparenz zu verstehen, klar. Aber wenn Transparenz heißt, dass man keine Privatsphäre mehr hat, dann würde ich davor warnen. Auch Politiker haben ein Recht darauf, nicht alles geht die Öffentlichkeit etwas an. Was für Menschen werden überhaupt Politiker? Ich kann mit der Verallgemeinerung „die Politiker“ nicht viel anfangen, weil es ganz unterschiedlich ist, aber ich kann Ihnen sagen, wie es bei mir war. Mit 18 wollte ich zu Hause ausziehen, mein eigenes Auto haben und ich wollte bei niemandem Danke dafür sagen, dass er es bezahlt, sondern das Geld selbst verdienen. Deshalb habe ich ein Gewerbe angemeldet. Das war mein Lebensgefühl, diese Freude darauf, auf eigenen Beinen zu stehen. Und weil ich mich politisch engagieren wollte, war ich Schulsprecher meiner Schule. Bei übergeordneten Fragen ist man sofort in der Kommunal- oder Landespolitik. Da habe ich mir die Parteien angeschaut und zu meinem Lebensgefühl, also anpacken, Neugier auf die Zukunft, zu diesem Lebensgefühl passte nur die FDP. Und weil ich dieses Lebensgefühl schätze, möchte ich es auch für viele Menschen verteidigen, die es teilen. Wir leben in einer Zeit, in der die Politik oder die Regierung den einzelnen doch zu oft bürokratisieren, bevormunden, bespitzeln und vor allen Dingen abkassieren will. Das kostet uns sehr viele Freiheiten, sehr viele Möglichkeiten, das eigene Leben selbstbestimmt zu führen. Fühlt man sich als Politiker im Alltag eigentlich oft erfolgreich in dem, was man tut? Es wird ja immer viel kritisiert. Nein. Meine Alltagserfahrung ist, dass ich viele Menschen treffe und mit ihnen spreche. Klar, FDP-Vorsitzender zu sein bedeutet im Moment sehr viel Außendienst, sehr viel Vertrieb sozusagen. Nicht nur Tätigkeiten im Landtag, sondern auch viel unterwegs sein. Mich sprechen die Leute eigentlich eher auf der Straße oder auf dem Bahnhof an und sagen, es wird Zeit, dass ihr wieder kommt, wir brauchen Euch, ich unterstütze Euch wieder, können wir ein Selfie machen? Das ist eher meine Alltagserfahrung. Christian Lindner, FDP Bundesvorsitzender, im Gespräch mit Verleger Julien Backhaus. Aber Sie sind ja auch nur ein Mensch wie jeder andere auch. Was ist denn das Nervigste am Politikerdasein? Das Nervigste ist so eine Situation, wie ich sie neulich in Höxter bei einer Rede hatte. Da waren 600 Leute, zu denen ich gesprochen habe, Rekord-Besucherzahl bei diesem Wirtschaftstag. Heute war man offensichtlich neugierig auf die Position der FDP. Es gab auch guten Zuspruch und dann bin ich auf dem Weg aus dem Saal heraus von mindestens einem Dutzend Leuten angesprochen worden. Der Tenor war: Was Sie gesagt haben, war gut, warum sagen Sie das nicht auch einmal öffentlich? Sie hätten das Gefühl, wir würden schweigen und sind deshalb nicht so oft im Fernsehen. Leider ist es so, dass die uns die parlamentarische Bühne Bundestag fehlt, deshalb sind wir nicht so oft im Fernsehen. Wir müssen immer wieder erklären, dass wir uns nicht zurückhalten, nicht schweigen, sondern dass so vielleicht die Regeln des Spiels in der Mediendemokratie sind, dass man nicht so oft im Fernsehen zum Zuge kommt. Ich glaube, das ist kaum zu kompensieren. Das ist jedenfalls das, was nervt. Das zerrt im Moment an meinen Nerven. Was war es, was die Leute an Ihrer Rede toll fanden? Glasklare marktwirtschaftliche Positionen. Einsatz für individuelle Freiheit. Das gibt es heute in der Form nicht mehr. Die Politik von Ludwig Erhard hätte im Deutschen Bundestag noch nicht einmal mehr auf dem CDU-Bundesparteitag eine Mehrheit und trotzdem gibt es Leute, die gerne Positionen hören wie, dass Kaisers, Tengelmann und Edeka nicht fusionieren sollten, weil das den Wettbewerb im Lebensmittelbereich einschränkt. Leute hören gerne Positionen, dass Banken auf Kosten von Eigentümern und Gläubigern abgewickelt werden müssen, wenn sei scheitern und nicht auf Kosten des Steuerzahlers. Die Leute hören gerne, dass man sagt, wir können zeitweilig Hilfskredite in Europa geben, aber das Ziel muss wieder die finanzpolitische Eigenständigkeit sein. Die Leute sind die Bürokratie leid und freuen sich, dass es eine Partei gibt, die ihnen vertraut, dass sie in eigener Verantwortung Dinge klug und vielleicht sogar besser regeln können als Regierungen. Was ist Ihre langfristige Vision? Wir wollen wieder eine starke, respektierte, auch parlamentarische Kraft werden. Und damit auch das politische Gespräch in Deutschland bereichern. Ich bin der Meinung, dass selbst diejenigen, die nicht alles, was wir sagen, teilen, ein Interesse daran haben müssten, dass die FDP wieder in Parlamenten vertreten ist, weil es ja gar keine wirksame Opposition gibt. Was ist Ihr Elevator Pitch? Was ist die langfristige Vision, wenn Sie mit Ihren Mitarbeitern über die nächsten fünf Jahre sprechen? Um ihr Bild aufzunehmen ist beim Elevator Pitch ja zunächst mal eine Frage: Was ist das Produkt? Das Produkt ist Politik, die den einzelnen groß macht, durch beste Bildung, moderne, digitale Bildung ohne Reibungsverluste des Föderalismus, mehr Autonomie in der einzelnen Schule und auf der anderen Seite Schutz vor Bevormundung, Bespitzelung, Bürokratisierung, Abkassieren. Also den einzelnen groß machen. Klare Marktregeln, das Wettbewerbsprinzip ist unangenehm für den Anbieter. Für den Verbraucher ist es großartig. Das muss geschützt werden indem wir uns zum Beispiel auch mit den Googles, Apples, Amazons, Starbucks und Ikeas dieser Welt beschäftigen. Also die klassisch liberale Position, an der muss man nichts ändern, das ist ein attraktives Produkt. Vielen Dank, Herr Lindner. Bild: WTV 12 SACHWERT MAGAZIN 4/<strong>2016</strong>
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