27.09.2016 Aufrufe

Charity statt Boyfriend

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

19<br />

Jetzt war die Zeit gekommen, etwas in mir aufzuwecken. Mmmh, da war doch was.<br />

Eine Leidenschaft schlummerte schon jahrelang tief in mir, ich hatte sie nur vergessen.<br />

Sie kam immer dann zum Vorschein, wenn es auf einer gemeinsamen Reise in fremde<br />

Länder ging. Ich hatte daraus immer eine Fotoexpedition machen wollen. Dieses „andere<br />

Leben“ in den unterschiedlichsten Standards und Kulturen zu dokumentieren, mit dem<br />

Wunsch, für ein gesamtweltliches Verständnis zu sorgen. Tonnen an Bildmaterial und<br />

später GB-Dateien sind lebenslange Zeugen und erinnern an tolle Momente, die bei<br />

Ausstellungen dankbar darauf warten, entdeckt zu werden. Denn immerhin<br />

waren es zwei Jahrzehnte, die ich meinen Mann in „ärmere“ Länder<br />

gezerrt hatte, in deren Schulen, auf abgelegene, nicht touristische<br />

Pfade, in die Slums und auf die Märkte der Einheimischen, um<br />

diese Orte mit einer Fotoreportage zu dokumentieren. Auch<br />

40 Grad und gefühlte 100 Prozent Luftfeuchtigkeit waren kein<br />

Problem, wenn ich die Menschen zusammen mit meiner Kamera<br />

aus ihrem begrenzten Dasein befreien und sie bereichern konnte,<br />

denn sofort war der große Spaß für jeden garantiert. Glückliche Gesichter erwarteten<br />

mich auch, wenn ich wie ein Ball von Haus zu Haus sprang. Mein Strahlen und meine<br />

Offenheit wirkten magisch anziehend. Mit leuchtenden Augen folgten diese Menschen<br />

sogleich meinem Lachen, wo immer ich mich befand.<br />

„Hello, white lady“, klingt es noch heute in meinem Ohr. In Brasilien sah ich mich,<br />

wie in einem Kindheitstraum, als Winnetou vornewegreiten. Nicht ganz so majestätisch,<br />

ich glich eher einem Clown, der mit vollem Körpereinsatz kommunizierend durch die<br />

kleinen Dörfer balancierte, schwer bepackt mit meiner Kameraausrüstung. Dorthin kam<br />

ich ein halbes Jahr später wieder zurück, um die Fotos zu übergeben und zusammen<br />

mit Paolo, einem brasilianischen Arzt, etwas aufzubauen. In einem armen Fischerdorf<br />

weit außerhalb einer größeren Stadt wollten wir eine kleine Krankenstation aus<strong>statt</strong>en<br />

und Paolo für eine bessere medizinische Versorgung sorgen. In der Nähe von Olinda<br />

bin ich damals auf Umwegen mit einem Dorf in Kontakt getreten, das mich stark<br />

geprägt hat. Die Kinder liefen barfuß umher, hatten kaum was anzuziehen, und fast<br />

jeder, der mir begegnete, sah kränklich aus. Mein damaliger Guide war der medizinisch<br />

ausgebildete Paolo. Er erklärte mir, das habe offensichtlich damit zu tun, dass sie sich<br />

am Meer angesiedelt hatten und stolze Fischer waren. Gemüse wurde verachtet. Es gab<br />

Fisch zum Frühstück, Fisch zu Mittag und wieder Fisch zum Abendessen. Das führte zu<br />

Mangelerscheinungen.<br />

Beim Besuch des Dorfes begegneten wir einem Mädchen, an das ich mich noch besonders<br />

gut erinnere. Dieses Bild wird mir wahrscheinlich ewig in Erinnerung bleiben. Mit ihren<br />

knapp sieben Jahren lief sie allein herum und ich merkte, dass mit ihr etwas nicht<br />

stimmte. Was war das auf ihrem Kopf? Nein, konnte das sein?

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!