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MTD_DDG_2016_02

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10 Kongress aktuell<br />

diabeteszeitung · 1. Jahrgang · Nr. 2 · 22. Juni <strong>2016</strong><br />

Orale Antidiabetika auf<br />

dem Vormarsch?<br />

Gliflozine, GLP1-Analoga und Co. sollen sich beweisen<br />

BERLIN. Orale Antidiabetika könnten bald auch beim Typ-<br />

1-Diabetes zum Einsatz kommen – nicht als Ersatz, sondern als<br />

Ergänzung zum Insulin. Mit dabei: SGLT2-Inhibitoren, inkretinbasierte<br />

Therapeutika und Acarbose.<br />

Zeitweise wurde auch Metformin<br />

als Kandidat für den<br />

Typ-1-Diabetes gehandelt<br />

– es steht sogar noch als mögliche<br />

Option in der aktuellen S3-<br />

Leitlinie der Pädiater. Aber neue<br />

Studiendaten zeigen, dass die<br />

Zugabe zur laufenden Insulintherapie<br />

keinen Effekt auf die<br />

Stoffwechseleinstellung hat,<br />

erklärte Professor Dr. Thomas<br />

Danne, Kinder- und Jugendkrankenhaus<br />

„Auf der Bult“ in<br />

Hannover. Damit dürfte diese Ent-<br />

wicklung erst einmal gestoppt sein.<br />

SGLT2-Inhibitoren<br />

scheinen vielversprechend<br />

Als besonders vielversprechend<br />

gelten derzeit die Hemmstoffe des<br />

natriumabhängigen Glukosetransporters<br />

SGLT2, vor allem weil ihre<br />

Wirkung nicht von der Restfunktion<br />

der Betazellen abhängt. Der Blutzucker<br />

wird über eine Inhibition der<br />

Glukoserückresorption im proximalen<br />

Tubulus der Niere gesenkt.<br />

»Eine große<br />

Hoffnung sind<br />

multimodale<br />

Ansätze, inklusive<br />

„Impfung“«<br />

Foto: fotolia/Daniel Erns<br />

„Ich glaube fest daran, dass SGLT2-<br />

Hemmer einen neuen Ansatz beim<br />

Typ-1-Diabetes darstellen – ich<br />

verspreche mir viel davon“, betonte<br />

Prof. Danne.<br />

Ein Neustart für das System<br />

Möglich wird das, weil auch SGLT2<br />

beim Typ-1-Diabetes – wie beim<br />

Typ 2 – umso stärker exprimiert<br />

wird, je schlechter der Blutzucker<br />

eingestellt ist. So kommt es paradoxerweise<br />

dazu, dass mit steigenden<br />

Blutspiegeln immer mehr Glukose<br />

rückresorbiert wird. „Die exzessive<br />

Glukosereabsorption trägt auch<br />

beim Typ-1-Diabetes zur Hyperglykämie<br />

bei“, erläuterte der Diabetologe.<br />

„Die Hemmung von SGLT2 führt<br />

quasi zu einem Reset des Systems,<br />

indem sie die Nierenschwelle für<br />

Glukose senkt.“<br />

Nach bisherigen Untersuchungen<br />

an Typ-1-Diabetikern senkt<br />

die Behandlung mit einem der<br />

Gliflozine Nüchternzucker und<br />

Körpergewicht, reduziert Blutzuckerschwankungen,<br />

Insulinbedarf<br />

und auch den HbA 1c , wenn auch<br />

mäßig (0,3 %-Punkte), ergänzte<br />

Professor Dr. Baptist Gallwitz,<br />

Universität Tübingen.<br />

Allerdings sind SGLT2-<br />

Inhibitoren bislang nicht<br />

zur Anwendung bei Typ-<br />

1-Diabetes zugelassen. In<br />

einem Zulassungsverfahren<br />

wird insbesondere zu<br />

prüfen sein, wie hoch das<br />

kürzlich berichtete Risiko<br />

von Ketoazidosen unter der<br />

Gabe der Wirkstoffe ist und<br />

ob es der Anwendung bei<br />

Typ-1-Diabetes entgegensteht.<br />

Auch GLP1-Analoga<br />

sind relevant<br />

Unter den inkretinbasierten Therapien<br />

dürften in erster Linie die<br />

GLP1-Analoga für einen Einsatz<br />

beim Typ 1 infrage kommen. Der<br />

Benefit liegt hier vor allem in Gewichtsabnahme<br />

bei Reduktion des<br />

Insulinbedarfs, das HbA 1c wird<br />

kaum beeinflusst. Möglicherweise<br />

treten weniger Blutzuckerschwankungen<br />

und Hypoglykämien auf,<br />

aber die Daten hierzu sind inkonsistent,<br />

so Prof. Gallwitz.<br />

Was SGLT2-Inhibitoren für den<br />

Einsatz beim Typ-1-Diabetes interessant<br />

macht ist, dass Studienergebnisse<br />

vorliegen, die eine Reduktion<br />

der kardiovaskulären Komplikationen<br />

und Mortalität zeigen. Auch zu<br />

GLP1-Analoga wurden bereits entsprechende<br />

Untersuchungen initiiert.<br />

Als weitere insulinunabhängige<br />

Therapieoption wurde die Acarbose<br />

beim Typ-1-Diabetes in einer<br />

<strong>DDG</strong> Nachwuchsförderung<br />

»Die Begeisterung der Mentoren<br />

ist ansteckend«<br />

Die Medizinstudentin Mareike<br />

Hartmann hat in diesem Jahr eines<br />

der klinischen Reisestipendien der<br />

<strong>DDG</strong> für den Diabetes Kongress<br />

erhalten. Sie absolviert gerade ihr<br />

Praktisches Jahr am Helios Klinikum<br />

Erfurt. Im Interview berichtet sie<br />

über ihre Motivation, sich für ein<br />

Stipendium zu bewerben.<br />

?<br />

Was begeistert Sie an der<br />

Diabetologie?<br />

Mareike Hartmann: Die Vielseitigkeit!<br />

Man muss den ganzen<br />

Körper im Auge behalten, das<br />

unterscheidet die Diabetologie<br />

von anderen internistischen<br />

Disziplinen.<br />

Außerdem behandelt<br />

man alle Altersgruppen<br />

von Patienten.<br />

Und nicht zuletzt stehen<br />

einem verschiedene<br />

Möglichkeiten<br />

offen: Man kann in<br />

die Klinik oder in die<br />

Forschung gehen oder<br />

sich in einer Praxis<br />

niederlassen.<br />

kleinen Studien mit nur sieben Patienten<br />

erprobt. Die Hemmung der<br />

enteralen Glukoseresorption führte<br />

zu geringeren postprandialen Blutzuckeranstiegen<br />

und einer verstärkten<br />

hepatischen Glukoneogenese.<br />

Theoretisch könnte dies das Hypoglykämierisiko<br />

reduzieren.<br />

Langfristiges Ziel bleibt natürlich zu<br />

verhindern, dass die Betazellen vom<br />

Mareike Hartmann<br />

Charité –<br />

Universitätsmedizin Berlin<br />

Foto: zVg<br />

?<br />

Was ist das Besondere am<br />

Mentoringprogramm?<br />

Mareike Hartmann: Der Kongressbesuch<br />

wird nicht zum Sprung ins<br />

kalte Wasser. Die Mentoren geben<br />

wertvolle Tipps und in der Gruppe<br />

fühlt man sich nicht so schnell<br />

verloren. Ich bin in diesem Jahr<br />

schon zum vierten Mal dabei und<br />

die Begeisterung, die die Mentoren<br />

vermitteln, ist jedes Mal aufs Neue<br />

ansteckend. Mir ist vor allem der<br />

Austausch mit den anderen Stipendiaten<br />

wichtig und auch der<br />

unkomplizierte Kontakt zu den<br />

Mentoren und anderen Kongressteilnehmern<br />

ist einfach<br />

toll.<br />

Immunsystem zerstört werden. Prof.<br />

Danne hofft auf multimodale Ansätze,<br />

zum Beispiel mit antiinflammatorisch<br />

wirksamen Substanzen,<br />

Immunmodulatoren und möglicherweise<br />

auch einer „Diabetes-Impfung“<br />

mit auf Insulin oder Glutamat-Decarboxylase<br />

(GAD) basierenden Vakzinen.<br />

Manuela Arand<br />

Diabetes Kongress <strong>2016</strong><br />

?<br />

Und Ihr schönstes<br />

Kongress-Erlebnis?<br />

Mareike Hartmann:<br />

Der Diabetes-Lauf! Die<br />

Stimmung war klasse<br />

und es war schön zu erleben,<br />

dass so viele Ärzte<br />

mit gutem Beispiel<br />

vorangegangen sind.<br />

Interview: Alisa Ort<br />

»Der Kongressbesuch wird nicht zum<br />

Sprung ins kalte Wasser«<br />

Typ-1-Diabetes in der Geriatrie: Hier sind Kompromisse gefragt<br />

Vermeidung von Hypoglykämien hat bei betagten Diabetikern oberste Priorität<br />

BERLIN. Bei Typ-1-Diabetikern mit geriatrischen<br />

Erkrankungen verschieben<br />

sich die Behandlungsziele: im Fokus<br />

steht das Hier und Jetzt.<br />

Der Vorsitzende der AG Diabetes<br />

und Geriatrie der Deutschen<br />

Diabetes Gesellschaft, Dr. Andrej<br />

Zeyfang, riet dazu, in erster Linie<br />

die Wünsche des Patienten zu berücksichtigen.<br />

„Manchen Menschen<br />

ist es wichtig, trotz ihrer Demenzerkrankung<br />

ihre Therapie weitgehend<br />

selbst zu managen. Andere<br />

entwickeln eine Abneigung gegen<br />

Blutzuckermessungen.“ Hier gelte es<br />

individuell abzuwägen, welche Therapieveränderungen<br />

oder -vereinfachungen<br />

sinnvoll und aus ärztlicher<br />

Sicht noch vertretbar seien.<br />

„Bei manchen Patienten kann die<br />

Lösung darin bestehen, die Zahl der<br />

täglichen Blutzuckermessungen auf<br />

ein bis zwei Messungen zu reduzieren“,<br />

sagte Dr. Zeyfang. Bei anderen<br />

wiederum sei es sinnvoll, ein Downgrading<br />

vorzunehmen und den<br />

Patienten auf eine konventionelle<br />

Insulintherapie (CT) mit Mischinsulinen<br />

umzustellen. Dies habe den<br />

Vorteil, dass der Patient weniger Injektionen<br />

benötige und seine Therapie<br />

möglicherweise länger selbst<br />

managen könne.<br />

Einteilung von Diabetikern nach ihrem persönlichen Funktionszustand<br />

Einig ist man sich in den Fachgesellschaften<br />

über die Anpassung der<br />

Blutzuckerziele. Diese werden generell<br />

höher gesteckt, weil mit zunehmendem<br />

Alter häufig die Wahrnehmung<br />

von Hypoglykämien gestört<br />

ist – die Gefahr von Stürzen steigt.<br />

• „Go-Go“: Bei weitgehend fitten Senioren könne man die<br />

bisherige Insulintherapie (ICT, Pumpentherapie, ggf. plus<br />

CGM) fortsetzen und sollte ein HbA 1c -Ziel von unter 7,5 % anstreben.<br />

Die Nüchtern- und präprandialen Blutzuckerwerte<br />

sollten zwischen 90 und 130 mg/dl liegen, vor dem Zubettgehen<br />

ist ein Blutzuckerwert von 90–150 mg/dl ideal.<br />

• „Slow-Go“: Bei Senioren mit eingeschränkter Mobilität<br />

sollten die Ziele etwas gelockert werden. Je nach kognitiver<br />

Leistungsfähigkeit könne man entweder die bisherige Insulintherapie<br />

fortsetzen oder auf eine konventionelle Therapie<br />

umstellen. Der HbA 1c -Wert sollte < 8 % liegen, die Nüchternwerte<br />

je nach Gesamtzustand bei 90–150 mg/dl und die<br />

Blutzuckerwerte beim Zubettgehen bei 100–180 mg/dl.<br />

• „No-Go“: Für bettlägerige und pflegebedürftige Patienten<br />

sei ein HbA 1c -Zielwert von unter 8,5 % erstrebenswert, die<br />

Blutzuckerwerte sollten nüchtern zwischen 100 und 180 mg/<br />

dl und vor dem Zubettgehen zwischen 110 und 200 mg/dl<br />

liegen.<br />

Die <strong>DDG</strong>-Praxisleitlinie „Diabetes<br />

im Alter“ sieht daher einen Zielbereich<br />

von 150–180 mg/dl vor. Die<br />

Prävention von Folgeerkrankungen<br />

hat bei dieser Patientenklientel untergeordnete<br />

Bedeutung. thie<br />

Diabetes Kongress <strong>2016</strong><br />

»Trotz Demenz<br />

möchte mancher<br />

seine Therapie<br />

selbst managen«

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