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Diplomarbeit_Silvana_Ge

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WIE LIEST DAS GEHIRN?<br />

DIE ABSTRAKTION DER BUCHSTABEN<br />

1988 konnte zum ersten Mal bildlich festgehalten werden, welche Hirnareale<br />

durch das Hören aktiviert werden. 13 Eine wichtige Erkenntnis der letzten Jahre<br />

ist, dass das <strong>Ge</strong>hirn Sprache offenbar kulturabhängig organisiert – so benutzen<br />

z. B. Chinesen und Europäer andere Hirnstrukturen, um ähnliche Sprachfunktionen<br />

zu kontrollieren und zu generieren.<br />

Das Lesen erfordert von unserem <strong>Ge</strong>hirn bemerkenswerte Lernleistungen<br />

hinblicklich der Assoziation von Zeichen zu semantischen Bedeutungen. Im<br />

Zuge des Lernprozesses wird – meist im Alter von 4–15 Jahren – ein komplexes<br />

Assoziationsgedächtnis angelegt. Dies ist möglich, da Hirnstrukturen für visuelle<br />

Wortformen auch mit den Strukturen für Emotion, <strong>Ge</strong>dächtnis und Sprache<br />

verbunden sind. 14<br />

Es gibt jedoch kein spezielles Areal, das auf das Erkennen von Schrift spezialisiert<br />

ist – wir nutzen ein bereits vorhandenes kombinatorisches Objekterkennungssystem<br />

zur Erkennung von Schrift.<br />

Wir erkennen Objekte anhand von „Protobuchstaben“. Biedermann schlägt<br />

36 „Protobuchstaben“ vor, die er jedoch als „<strong>Ge</strong>ons“ (geometric icons) bezeichnet.<br />

15 Die wesentlichen <strong>Ge</strong>ons werden aus Schnittpunkten zwischen Konturen<br />

formiert – es sind Konfigurationen der Formen T, F, Y und O.<br />

Löscht man diese Formen innerhalb einer Abbildung, so ist sie nicht mehr zu<br />

decodieren. Diese Formen wurden während der Evolution möglicherweise<br />

deshalb gewählt, weil sie einen für die Kodierung vieler visueller Szenen nützlichen<br />

Fundus bilden: wenn ein <strong>Ge</strong>genstand einen anderen verdeckt, treffen ihre<br />

Umrisse fast immer in einer T-Verbindung aufeinander. 16<br />

20<br />

13 Siehe Filek, S. 28<br />

14 Vgl. Lutz Jäncke, <strong>Ge</strong>nesen und Grenzen der Lesbarkeit, hg. von Philipp Stoellger, 2007, S. 35–37<br />

15 Vgl. John R. Anderson, Kognitive Psychologie, 2007, S. 65<br />

16 Vgl. Dehaene, S. 154, 155

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