Diplomarbeit_Silvana_Ge
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WIE LIEST DAS GEHIRN?<br />
PHONOLOGISCHES LESEN<br />
Sobald die Buchstaben erkannt sind und die Wörter in ihre Einzelteile zerlegt<br />
sind, beginnt die phonologische Erkennung des Wortes. Es wird noch geforscht,<br />
wie viele Wege es bei der phonologischen Worterkennung gibt.<br />
Zum einen gibt es die Zwei-Wege-Modelle: sie postulieren, dass es einen<br />
indirekten phonologischen Zugang zur Worterkennung gibt.<br />
Bei bekannten und häufig vorkommenden Wörtern sowie bei Wörtern mit<br />
irregulärer Aussprache wird laut diesen Modellen direkt über dem visuellen<br />
Weg ein Eintrag im mentalen Lexikon aktiviert. Der Weg über die phonologische<br />
Recodierung bei seltenen und Pseudowörtern ist langsamer und mühsamer<br />
und wird vor allem von ungeübten Lesern eingeschlagen.<br />
Zwei-Wege-Modelle weisen jedoch Schwächen auf – sie können z. B. den<br />
Konsistenzeffekt nicht erklären. Es ist für die Lesegeschwindigkeit wichtiger,<br />
dass die Aussprache eines Wortes konsistent als dass sie regelmäßig ist. Zudem<br />
ist das Modell primär auf die englische Sprache zugeschnitten, die sehr viele<br />
Wörter mit unregelmäßiger Aussprache enthält – mehr als z. B. im Deutschen.<br />
Solche Probleme versuchen sogenannte Triangel-Modelle zu überwinden.<br />
Sie gehen davon aus, dass bei der Worterkennung immer auf subsymbolischer<br />
Ebene phonologische, orthographische und semantische Informationen parallel<br />
verarbeitet werden. Die Schnelligkeit der Worterkennung hängt nach diesen<br />
Modellen davon ab, ob ein Wort konsistent oder inkonsistent ausgesprochen<br />
wird – der Wortstamm wird in unterschiedlichen Wörtern immer gleich oder<br />
unterschiedlich ausgesprochen.<br />
Zukünftig ist wohl zu erwarten, dass Hybrid-Modelle entwickelt werden, die<br />
die besten Merkmale aller Modelle enthalten, da nun noch keines in der Lage<br />
ist, alle experimentellen Befunde zu erklären. 25<br />
30<br />
25 Vgl. Christmann, S. 26–28