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Menschenrechte in der Pflegepraxis

Analyse_Menschenrechte_in_der_Pflegepraxis_26Sep2016

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DER MEnsCHEnRECHTsansaTZ In DER kOnZEPTuaLIsIERung VOn PFLEgE 21<br />

diese Frau wie<strong>der</strong> Vertrauen zu uns schöpfen<br />

konnte.“<br />

Heimleitung, Heim 1<br />

Für die Heimleitung bedeutet solch e<strong>in</strong> unangemessenes<br />

Verhalten e<strong>in</strong>es Teammitglieds e<strong>in</strong>en<br />

ansehensverlust für alle an<strong>der</strong>en – und e<strong>in</strong>e<br />

langanhaltende Verletzung <strong>der</strong> Würde und selbstbestimmung<br />

<strong>der</strong> Bewohner_<strong>in</strong>nen. In mehreren<br />

Fällen haben Heimleiter_<strong>in</strong>nen von schwierigkeiten<br />

gesprochen, die aus unachtsamkeit seitens<br />

<strong>der</strong> alltagsassistent_<strong>in</strong>nen gegenüber den<br />

grundpr<strong>in</strong>zipien <strong>der</strong> <strong>Menschenrechte</strong> resultieren:<br />

Misstrauen aufgrund e<strong>in</strong>es respektlosen umgangs<br />

mit persönlichen gegenständen, unachtsamkeit,<br />

unhöflichkeit o<strong>der</strong> aufgrund e<strong>in</strong>es Verhaltens, das<br />

die Rechte auf Privatheit, selbstbestimmung und<br />

Freiheit <strong>der</strong> Person verletzt.<br />

aktuell tragen zertifizierte Pflegekräfte die volle<br />

Verantwortung für das anlernen ihrer nicht so<br />

gut ausgebildeten Pflegekolleg_<strong>in</strong>nen, es ist ihre<br />

aufgabe, <strong>der</strong>en Fehler zu beheben. Die von <strong>der</strong><br />

Bundesregierung angedachte E<strong>in</strong>führung e<strong>in</strong>er<br />

generalistischen ausbildung für alle Pflegekräfte<br />

schließt die alltagsassistenten_<strong>in</strong>nen nicht e<strong>in</strong>, obwohl<br />

gerade sie sehr nah mit den Bewohner_<strong>in</strong>nen<br />

arbeiten. Der Pflegebeauftragte <strong>der</strong> Bundesregierung,<br />

karl-Josef Laumann, sieht die Heime selbst<br />

<strong>in</strong> <strong>der</strong> Pflicht, ihr niedrigschwelliges Personal zu<br />

schulen und zu überwachen.<br />

„Wenn wir von e<strong>in</strong>er abgeschlossenen generalistischen<br />

ausbildung reden, reden wir über<br />

Menschen mit staatsexam<strong>in</strong>a. Wir reden<br />

nicht über die Betreuungskräfte.“<br />

Der Pflegebeauftragte <strong>der</strong> Bundesregierung<br />

Pflegedienstleiter_<strong>in</strong>nen (Heimleiter, Träger) sehen<br />

die ungleiche Qualifizierung ihrer Beschäftigten als<br />

strukturelle Hürde für die umsetzung von <strong>Menschenrechte</strong>n.<br />

„Wenn Menschen e<strong>in</strong>gestellt werden mit e<strong>in</strong>er<br />

160-stunden-Weiterbildung, kann ich von<br />

ihnen nicht erwarten, dass sie hochkompetent<br />

mit den wirklich kranken Bewohnern hier<br />

umgehen. In <strong>der</strong> altenpflege habe ich nur<br />

50 Prozent Fachkräfte. Das heißt: Die 50 Prozent,<br />

die Fachkräfte s<strong>in</strong>d, müssen ihre augen<br />

überall haben. und nicht alle Fachkräfte s<strong>in</strong>d<br />

gut o<strong>der</strong> s<strong>in</strong>d schon so lange im geschäft,<br />

dass sie die augen überall haben können.<br />

Das s<strong>in</strong>d Rahmenbed<strong>in</strong>gungen, die f<strong>in</strong>de ich<br />

aber e<strong>in</strong>e katastrophe. und ich wünsche mir,<br />

dass dies deutlich überarbeitet wird.“<br />

Heimleiter<strong>in</strong>, Heim 1<br />

Die stärkung <strong>der</strong> selbstbestimmung von Pflegebewohner_<strong>in</strong>nen<br />

ist daher untrennbar mit e<strong>in</strong>er<br />

besseren Qualifizierung <strong>der</strong> Pflegekräfte verbunden,<br />

auch von denen, die niedrigschwellige Tätigkeiten<br />

ausführen. Die aktuelle Bildungsreform mit<br />

dem Ziel <strong>der</strong> standardisierung und des ausgleichs<br />

des Bildungsstandes von Pflegekräften muss als<br />

Möglichkeit gesehen werden, e<strong>in</strong> umfassendes und<br />

spezifisches Menschenrechtskonzept zu schaffen<br />

und es unter den Fachkräften aller Qualifikationen<br />

und niveaus, e<strong>in</strong>schließlich alltagsassisten_t<strong>in</strong>nen,<br />

zu verbreiten. nur so kann das konzept <strong>der</strong> för<strong>der</strong>nden<br />

Prozesspflege erfolgreich umgesetzt werden.<br />

4.3.2 Die Bedürfnisse von<br />

Bewohner_<strong>in</strong>nen erkennen,<br />

dokumentieren und darauf e<strong>in</strong>gehen<br />

In den von uns besuchten Heimen wurden verschiedene<br />

Instrumente für die Dokumentation<br />

<strong>der</strong> Bedürfnisse, Interessen und Wünsche von<br />

Heimbewohner_<strong>in</strong>nen genutzt. am anfang wird <strong>in</strong><br />

gesprächen mit den Bewohner_<strong>in</strong>nen und ihren<br />

angehörigen die sogenannte „biografische geschichte“<br />

aufgezeichnet. so sollen die Wünsche<br />

e<strong>in</strong>er Person herausgearbeitet werden, um sie<br />

dann <strong>in</strong> <strong>der</strong> Organisation des Pflegeprozesses zu<br />

berücksichtigen. Die „biografische geschichte“<br />

darf allerd<strong>in</strong>gs nicht als alle<strong>in</strong>ige Wissensquelle<br />

<strong>in</strong> Bezug auf die Bewohner_<strong>in</strong>nen dienen. unsere<br />

Interviewpartner_<strong>in</strong>nen haben die notwendigkeit<br />

betont, dass die akten je<strong>der</strong> Person mithilfe von<br />

gesprächen o<strong>der</strong> direkten Beobachtungen fortgeschrieben<br />

werden müssen, um aktuell zu bleiben.<br />

Letzteres ist <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e für demente Bewohner_<strong>in</strong>nen<br />

bedeutend.<br />

„Wenn e<strong>in</strong> Bewohner auch zum Beispiel<br />

beim Essen bestimmte Vorlieben hat, das<br />

heißt nicht, dass er jetzt jeden Tag Brot und<br />

sch<strong>in</strong>ken essen muss o<strong>der</strong> Leberwurst. Da<br />

steht e<strong>in</strong>e auswahl an sachen auf dem Tisch<br />

und durch Beobachten stellen wir es fest.

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