Menschenrechte in der Pflegepraxis
Analyse_Menschenrechte_in_der_Pflegepraxis_26Sep2016
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DIE uMsETZung DER MEnsCHEnRECHTE In DER PFLEgEPRaXIs 33<br />
<strong>in</strong>dividuellen Entscheidungen und Präferenzen<br />
möglich macht.<br />
5.3 Das Recht auf Gesundheit<br />
Das Menschenrecht „e<strong>in</strong>es jeden auf das für<br />
ihn erreichbare Höchstmaß an körperlicher und<br />
geistiger gesundheit“ wird vor allem durch art. 12<br />
des Internationalen Paktes über wirtschaftliche,<br />
soziale und kulturelle Rechte (ICEsCR, un-sozialpakt)<br />
geregelt. Der un-ausschuss für wirtschaftliche,<br />
soziale und kulturelle Rechte (CEsCR),<br />
dessen aufgabe die auslegung und umsetzung<br />
des un-sozialpakts ist, hat <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er „allgeme<strong>in</strong>en<br />
Bemerkung nr. 14“ aspekte, die die situation älterer<br />
Menschen beson<strong>der</strong>s betreffen, ausgeführt,<br />
etwa „präventive, kurative und rehabilitierende<br />
Behandlungen […],Wahrung <strong>der</strong> Funktionalität und<br />
selbstbestimmung älterer Personen […], aufmerksamkeit<br />
und Pflege für chronisch und unheilbar<br />
kranke Personen, um vermeidbare schmerzen zu<br />
vermeiden und es ihnen zu erlauben, <strong>in</strong> Würde zu<br />
sterben“. 53<br />
5.3.1 Mediz<strong>in</strong>ische Versorgung<br />
Der un-ausschuss für wirtschaftliche, soziale und<br />
kulturelle Rechte stellt fest, dass das Recht auf<br />
gesundheit mediz<strong>in</strong>ische Behandlungen erfor<strong>der</strong>t,<br />
die „rechtzeitig und angemessen“ s<strong>in</strong>d. Die<br />
mediz<strong>in</strong>ische Versorgung <strong>in</strong> <strong>der</strong> Langzeitpflege <strong>in</strong><br />
Deutschland hat sich <strong>in</strong> den vergangenen Jahren<br />
verbessert, vor allem bei <strong>der</strong> Vermeidung von<br />
chronischen Wunden. 2013 wurden chronische<br />
Wunden o<strong>der</strong> e<strong>in</strong> Dekubitus bei 79 Prozent <strong>der</strong><br />
betroffenen Bewohner_<strong>in</strong>nen fachkundig versorgt.<br />
54 Bei <strong>der</strong> Verabreichung von Medikamenten<br />
besteht allerd<strong>in</strong>gs großer Verbesserungsbedarf:<br />
2014 wurde bei fast 10 Prozent <strong>der</strong> Pflegeheimbewohner_<strong>in</strong>nen<br />
Medikamente falsch verschrieben,<br />
dosiert o<strong>der</strong> verabreicht. außerdem wurden <strong>in</strong> fast<br />
14 Prozent <strong>der</strong> Fälle Medikamente nicht angemessen<br />
gelagert. 55 E<strong>in</strong>e 72-jährige Bewohner<strong>in</strong> des<br />
Heims 2 berichtete Folgendes:<br />
„In [Ort a] ist es mir sehr schlecht gegangen.<br />
Ich glaube, die haben was <strong>in</strong> die getränke gemischt.<br />
und ich habe ke<strong>in</strong>e festen Tabletten<br />
gehabt, ich habe jeden Tag etwas an<strong>der</strong>es<br />
bekommen. und es g<strong>in</strong>g mir immer schlechter.<br />
und wie ich hierhergekommen b<strong>in</strong>, da<br />
habe ich gespürt, dass es mir immer besser<br />
geht und ich b<strong>in</strong> sehr zufrieden, dass ich hier<br />
gelandet b<strong>in</strong>.“<br />
Bewohner<strong>in</strong>, Heim 2, 72 Jahre<br />
Laut dem MDs verr<strong>in</strong>gert sich die fehlerhafte<br />
Verabreichung von Medikamenten jährlich schritt<br />
für schritt, ist allerd<strong>in</strong>gs immer noch e<strong>in</strong> Problem<br />
<strong>in</strong> vielen deutschen Pflegeheimen. Wegen des<br />
hohen Risikopotenzials beim umgang mit falsch<br />
verabreichten Medikamenten ist diese situation<br />
nicht akzeptabel und wird vom MDs als „nicht<br />
zufriedenstellen[d]“ angesehen. 56<br />
In den Interviews gab es ke<strong>in</strong>e H<strong>in</strong>weise auf Fälle<br />
von falsch verabreichten Medikamenten <strong>in</strong> den<br />
untersuchten Heimen. Die befragten Pflegeheimbewohner_<strong>in</strong>nen<br />
brachten ihre Zufriedenheit<br />
darüber zum ausdruck, dass ihre (chronischen<br />
o<strong>der</strong> akuten) Leiden gleichermaßen gut behandelt<br />
worden seien. Die Interviewpart_<strong>in</strong>nen erhielten<br />
regelmäßig Besuch von mediz<strong>in</strong>ischen spezialisten:<br />
Psychiater_<strong>in</strong>nen, Orthopäd_<strong>in</strong>nen, augenärzt_<strong>in</strong>nen,<br />
urolog_<strong>in</strong>nen und Zahnärzt_<strong>in</strong>nen. In<br />
vielen Fällen waren dies Ärzt_<strong>in</strong>nen, die von den<br />
Bewohner_<strong>in</strong>nen bereits vor dem umzug <strong>in</strong> das<br />
Pflegeheim aufgesucht worden waren. Die Befragten<br />
berichteten von transparenten, regelmäßigen<br />
und zugänglichen Behandlungen, die auf <strong>der</strong><br />
grundlage <strong>der</strong> E<strong>in</strong>willigung <strong>der</strong> Bewohner_<strong>in</strong>nen<br />
o<strong>der</strong> gegebenenfalls ihrer angehörigen erfolgen.<br />
53 un-ausschuss für wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte (2000), abs. 25. Ähnlich hat sich 2002 auch <strong>der</strong> un-son<strong>der</strong>berichterstatter<br />
über das Recht auf gesundheit, anand grover, geäußert..<br />
54 2011 war dies nur bei 74 Prozent <strong>der</strong> Fall. Bei 21 Prozent <strong>der</strong> betroffenen Bewohner_<strong>in</strong>nen wurden Wunden allerd<strong>in</strong>gs mangelhaft behandelt,<br />
weil beispielsweise hygienische standards bei <strong>der</strong> Wundversorgung nicht beachtet wurden. Vgl. MDs (2014), s. 9.<br />
55 Ebd., s. 26–27.<br />
56 Ebd., s. 26.