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afrika süd 2015-6

Die Fachzeitschrift zum Südlichen Afrika. Afrika Süd liefert kritische Hintergrundanalysen, stellt konkrete Projekte vor und lässt Akteure zu Wort kommen. // THEMEN DER AUSGABE: Artikel über die aktuellen politischen Entwicklungen in Südafrika, Tansania, Angola und Simbabwe. Desweiteren finden Sie einen Überblick über südafrikanische Krimis und neue Filme aus der DR Kongo. Dieses Heft ist mit einem Klimadossier kombiniert, es stellt die Folgen des Klimawandels für Land- und Stadtbewohner/-innen in verschiedenen SADC-Ländern vor. // www.afrika-sued.org

Die Fachzeitschrift zum Südlichen Afrika. Afrika Süd liefert kritische Hintergrundanalysen, stellt konkrete Projekte vor und lässt Akteure zu Wort kommen. // THEMEN DER AUSGABE: Artikel über die aktuellen politischen Entwicklungen in Südafrika, Tansania, Angola und Simbabwe. Desweiteren finden Sie einen Überblick über südafrikanische Krimis und neue Filme aus der DR Kongo. Dieses Heft ist mit einem Klimadossier kombiniert, es stellt die Folgen des Klimawandels für Land- und Stadtbewohner/-innen in verschiedenen SADC-Ländern vor. // www.afrika-sued.org

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SÜDAFRIKA<br />

Doch wie erwartet übertraf der Strombedarf die Elektrizitätserzeugung,<br />

was zum load shedding – also zu<br />

geplanten Stromabschaltungen – zwang, um einen<br />

nationalen Stromausfall zu vermeiden. Heutzutage<br />

zeigt sich die Folge der unzureichenden Regierungsprogramme<br />

zu Erhalt, Management und Entwicklung<br />

der Infrastruktur in schlecht gewarteten oder gar abgeschalteten<br />

Stromwerken.<br />

Studentenproteste gegen Staat und ANC<br />

Während es mindestens seit 2009 etliche Anzeichen<br />

dafür gibt, dass der Status des Staates als Versorger<br />

mit öffentlichen Dienstleistungen schwindet,<br />

zeigten die Studentenproteste vom Oktober: Der ANC<br />

ist dabei, auch seine Kontrolle über die Gesellschaft zu<br />

verlieren, vor allem über die Jugend des Landes. Seit<br />

Anfang Oktober waren Studierende in verschiedenen<br />

Landesteilen spontan und ohne Anführer zusammengekommen,<br />

um für eine freie Universitätsausbildung<br />

zu protestieren.<br />

Als die Proteste an Dynamik gewannen, machten<br />

sich die Studierenden auch die Forderungen der Arbeiter<br />

zu eigen, die an Universitäten beschäftigt sind.<br />

Denn mit der Liberalisierung der Universitäten ab<br />

1994 wurden viele Dienstleistungen auf den Universitätsgeländen<br />

an private Unternehmer vergeben, die<br />

gewährten aber keine anständigen Löhne. Die Studentinnen<br />

und Studenten, die nun von den Arbeitern<br />

auf den Campus unterstützt wurden, weiteten ihre<br />

Forderungen aus und verlangten die Beschäftigung<br />

der Arbeiter durch die Universitätsverwaltungen und<br />

Bildung für deren Kinder.<br />

Die Proteste überraschten den ANC, er spielte keine<br />

Rolle dabei; und seine Versuche, sie zu beschwichtigen<br />

oder zu kooptieren, lehnten die Studierenden ab. Es ist<br />

zu unterstreichen, dass die Studenten auch die Partei<br />

Economic Freedom Fighters EEF ablehnten. Es war ein<br />

spontaner Aufstand unabhängig von den Parteien und<br />

gegen die formale Politik. Die Studierenden erhielten<br />

nur etwas Unterstützung von der Gewerkschaft des<br />

Universitätspersonals, der National Education, Health<br />

and Allied Workers Union. Es sollte nicht verschwiegen<br />

werden, dass manche Protestierende Studenten<br />

davon abhielten, ihre Examen zu schreiben, und manche<br />

gewaltsam öffentliches Eigentum zerstörten. Solche<br />

Ausschreitungen und Proteste könnten im nächsten<br />

Jahr weitergehen, das ist nicht auszuschließen.<br />

Etlichen Studierenden reicht die Ankündigung von<br />

Präsident Zuma nicht, 2016 keine Gebührenerhöhung<br />

vorzunehmen. Sie wollen die Abschaffung aller Studiengebühren<br />

und eine freie Universitätsausbildung<br />

sowie das Streichen aller Studiendarlehen.<br />

Zwar stand das Thema Studiengebühren nicht auf<br />

der Agenda des 4. Nationalen Parteirats des ANC, denn<br />

die Proteste begannen erst in den Tagen und Wochen<br />

nach der Versammlung. Dennoch war klar, dass die<br />

Proteste sich gerade gegen den ANC als Regierungspartei<br />

richteten, als die Studenten vors Parlamentsgebäude<br />

und den Regierungssitz zogen. Wofür sie nicht<br />

vorbereitet waren, war die Antwort des Staates, der<br />

von oben bis unten von ANC-Kadern dominiert wird:<br />

Gummigeschosse, Schlagstöcke und Blendgranaten.<br />

ANC in Bedrängnis<br />

Als Präsident Jacob Zuma im Februar <strong>2015</strong> seine<br />

Rede zur Nation hielt, unterbrach die radikale Partei<br />

Economic Freedom Fighters (EFF) ihn. Seitdem sie<br />

nach den Wahlen ins Parlament einzog, hat sie mit<br />

radikalen Positionen im „marxistischen“ Jargon und<br />

zugleich rechtspopulistischen Parolen nahezu jede<br />

Sitzung, an der Präsident Zuma teilnimmt, gestört. Sie<br />

war 2013 von den früheren ANC-Unruhestiftern Julius<br />

Malema und Floyd Shivambu gegründet worden und<br />

erreichte 2014 trotz ihrer nebulösen Politik 6,35 Prozent<br />

der Wählerstimmen.<br />

Innerhalb der Regierungsallianz steigen die Spannungen<br />

zwischen der ANC-Jugendliga, der Süd<strong>afrika</strong>nischen<br />

Kommunistischen Partei SACP und jungen<br />

Zumas Umfragewerte sinken: 62 Prozent der Süd<strong>afrika</strong>ner sind mit der Politik<br />

von Präsident Jacob Zuma unzufrieden. Die Zufriedenheit mit Zuma hat sich<br />

gegenüber 2011 (65%) nahezu halbiert (36% <strong>2015</strong>). So schlechte Werte hatte noch<br />

kein Präsident Süd<strong>afrika</strong>s. (Quelle: Afrobarometer, 24.11.<strong>2015</strong>)<br />

Kommunisten, die sich alle für die Lokalwahlen im<br />

nächsten Jahr in Startposition bringen. Und der ANC<br />

gerät wegen interner Fraktionskämpfe in Bedrängnis,<br />

was bereits zu beträchtlichem Mitgliederschwund<br />

und dem Austritt respektierter Führungspersonen<br />

geführt hat, darunter Reverend Frank Chikane, der<br />

unter Thabo Mbeki das Präsidentenbüro leitete, und<br />

Kgalema Motlanthe, Interimspräsident nach Mbekis<br />

Rücktritt und Zumas früherer Stellvertreter. Beide haben<br />

sich über Korruption, Nepotismus und Patronage<br />

ausgelassen und sind auf eine gereizte Antwort Zumas<br />

gestoßen.<br />

Angesichts der internen Strukturprobleme im ANC<br />

und der Abkehr vieler Menschen von der Bewegung<br />

steigen die Sorgen um die Zukunft des Landes. Viele<br />

politische Beobachter aus dem gesamten politischen<br />

und ideologischen Spektrum schreiben aus gutem<br />

Grund und mit entsprechenden Belegen, der ANC<br />

würde das Volk verlieren und das Land fehlleiten. Die<br />

meisten Spitzenpolitiker sind isoliert und haben ihre<br />

Legitimität verloren. Die düstersten Pessimisten meinen,<br />

es sei nur eine Frage der Zeit, bis es zu einem Kollaps<br />

komme. Man kann nur hoffen, dass sie nicht recht<br />

behalten.<br />

>> Ismail Lagardien<br />

Der Autor ist promovierter<br />

politischer Wirtschaftswissenschaftler.<br />

http://www.ilagardien.<br />

com/<br />

Foto: Bruce Paulmac /<br />

wikimedia<br />

6|<strong>2015</strong> <strong>afrika</strong> <strong>süd</strong> 9

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