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afrika süd 2017-2

Die Fachzeitschrift zum Südlichen Afrika. Afrika Süd liefert kritische Hintergrundanalysen, stellt konkrete Projekte vor und lässt Akteure zu Wort kommen. // THEMEN DER AUSGABE: Editorial: Zuma macht mobil, Kommentar von Gottfried Wellmer, DR Kongo: Staatskrise ohne Neubeginn?, Südafrika: Mit Xenowatch gegen fremdenfeindliche Gewalt, Malawi: Willkommen beim Cashgate-Skandal, Zurückgeschaut - Solidarität aus Zeitzeugenperspektive. Weitere Themen in der Ausgabe: Südafrika: Umgang mit psychisch Kranken in Südafrika, Südafrika: Anne-Frank-Frauenpreis für Nomarussia Bonase, Pieter-Hugo-Fotoausstellung, Angola-Israel: störanfällige, aber lukrative Beziehung, Mosambik: Staat gegen Frauen, Lesotho: Was für ein Zirkus!, Simbabwe-Literatur: Interview mit Noviolet Bulawayo, Südliches Afrika: ECOWAS-Lehren für SADC, Afrikanischer Gerichtshof und Fallbeispiel Tansania, Solidarität: Interview mit Reinhart Kößler, Südafrika: Nachruf auf Ruth Kadalie. // www.afrika-sued.org

Die Fachzeitschrift zum Südlichen Afrika. Afrika Süd liefert kritische Hintergrundanalysen, stellt konkrete Projekte vor und lässt Akteure zu Wort kommen. // THEMEN DER AUSGABE:
Editorial: Zuma macht mobil, Kommentar von Gottfried Wellmer, DR Kongo: Staatskrise ohne Neubeginn?, Südafrika: Mit Xenowatch gegen fremdenfeindliche Gewalt, Malawi: Willkommen beim Cashgate-Skandal, Zurückgeschaut - Solidarität aus Zeitzeugenperspektive. Weitere Themen in der Ausgabe: Südafrika: Umgang mit psychisch Kranken in Südafrika, Südafrika: Anne-Frank-Frauenpreis für Nomarussia Bonase, Pieter-Hugo-Fotoausstellung, Angola-Israel: störanfällige, aber lukrative Beziehung, Mosambik: Staat gegen Frauen, Lesotho: Was für ein Zirkus!, Simbabwe-Literatur: Interview mit Noviolet Bulawayo, Südliches Afrika: ECOWAS-Lehren für SADC, Afrikanischer Gerichtshof und Fallbeispiel Tansania, Solidarität: Interview mit Reinhart Kößler, Südafrika: Nachruf auf Ruth Kadalie. // www.afrika-sued.org

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März/April <strong>2017</strong><br />

46. Jahrgang | Nr. 2<br />

Zeitschrift zum <strong>süd</strong>lichen Afrika.<br />

DR KONGO<br />

Staatskrise oder Neubeginn?<br />

MALAWI<br />

Cashgate-Skandal<br />

SÜDLICHES AFRIKA<br />

Rückschau auf Solidarität


INHALT<br />

Myriam Asmani, cc-by-sa<br />

08 STAATSKRISE ODER NEUBEGINN? 24 STAAT GEGEN FRAUEN<br />

36 ZURÜCKGESCHAUT – SOLIDARITÄT AUS<br />

ZEITZEUGENPERSPEKTIVE<br />

In diesem Heft<br />

EDITORIAL<br />

03 ZUMA MACHT MOBIL<br />

Ein Kommentar von Gottfried Welmer.<br />

04 AKTUELL<br />

DR KONGO<br />

08 STAATSKRISE ODER NEUBEGINN?<br />

Am 19. Dezember 2016 sollte der erste<br />

friedliche Machtwechsel seit der Unabhängigkeit<br />

Kongos stattfinden. Dazu<br />

kam es nicht. Boniface Mabanza über<br />

die Gründe der Wahlverschiebung.<br />

SÜDAFRIKA<br />

11 VERDURSTET UND FALSCH BEHANDELT<br />

Der Tod von über hundert psychisch<br />

Kranken hat Süd<strong>afrika</strong>s Gesundheitswesen<br />

erschüttert. Section 27 prangert das<br />

Spardiktat im Gesundheitssektor von<br />

Gauteng an.<br />

13 WEGGESPERRT – PSYCHIATRIE UND<br />

APARTHEID<br />

Misshandlungen psychisch Kranker<br />

waren im Apartheidstaat verbreitet. Sie<br />

prägten die Psychiatrie Süd<strong>afrika</strong>s – eine<br />

Schaltstelle des totalitären Systems, wie<br />

Rita Schäfer aufzeigt.<br />

15 MIT XENOWATCH GEGEN FREMDEN-<br />

FEINDLICHE GEWALT<br />

Wissenschaftler am African Centre for<br />

Migration & Society in Johannesburg<br />

wollen mit dem Frühwarnsystem Xenowatch<br />

die Entstehung der Gewalt gegen<br />

Migranten dokumentieren und stoppen.<br />

Maren Denker berichtet.<br />

17 FÜR GERECHTIGKEIT UND FRAUEN-<br />

RECHTE<br />

Nomarussia Bonase kämpfte gegen die<br />

Apartheid und für gleiche Rechte. An-<br />

fang März <strong>2017</strong> wurde sie in Berlin mit<br />

dem Anne-Klein-Frauenpreis ausgezeichnet.<br />

Rebecca Davis hat sie interviewt.<br />

19 DIE EHRLICHE STIMME AFRIKAS<br />

Anlässlich der Pieter-Hugo-Ausstellung<br />

im Wolfsburger Kunstmuseum sprach<br />

Carsten Probst mit dem Fotografen Pieter<br />

Hugo über sein Werk.<br />

ANGOLA<br />

21 STÖRANFÄLLIG, ABER LUKRATIV<br />

Angola hat im Dezember 2016 als<br />

nichtständiges Mitglied des UN-Sicherheitsrats<br />

gegen die Siedlungspolitik Israels<br />

votiert. Anlass für Marissa Moorman,<br />

über die ansonsten von beiderseitigem<br />

ökonomischen Interesse geprägten Beziehungen<br />

zwischen Angola und Israel<br />

zu reflektieren.<br />

MOSAMBIK<br />

24 STAAT GEGEN FRAUEN<br />

Warum staatliche Sicherheitskräfte<br />

Frauenrechtsaktivistinnen angreifen, die<br />

als Pionierinnen der Demokratisierung<br />

gelten, erklärt Isabel Casimiro.<br />

LESOTHO<br />

26 WAS FÜR EIN ZIRKUS!<br />

Lesotho kommt nicht zur Ruhe. Um ihre<br />

Machtambitionen zu untermauern,<br />

gründen Politiker neue Parteien. Brigitte<br />

Reinhardt illustriert das Tauziehen um<br />

die Macht.<br />

MALAWI<br />

28 WILLKOMMEN BEIM CASHGATE-<br />

SKANDAL<br />

Hohe Regierungsbeamte Malawis bedienten<br />

sich aus der Staatskasse. Watipaso<br />

Mzungu Jun. über korrupte Machenschaften<br />

und die Strafverfolgung.<br />

SIMBABWE: LITERATUR<br />

30 WIR BRAUCHEN EINEN NEUEN NAMEN<br />

Der simbabwischen Schriftstellerin<br />

Noviolet Bulawayo gelang mit ihrem<br />

Roman „Wir brauchen einen neuen<br />

Namen“ ein furioses literarisches Debüt.<br />

Manfred Loimeier interviewte die in den<br />

USA lebende Autorin.<br />

SÜDLICHES AFRIKA: SADC<br />

32 IMMER AUF DIE KLEINEN?<br />

Die ECOWAS-Intervention in Gambia gilt<br />

als Vorbild für <strong>afrika</strong>nisches Krisenmanagement.<br />

Henning Melber und Chris<br />

Saunders fragen: Könnte das west<strong>afrika</strong>nische<br />

Beispiel die SADC davon überzeugen,<br />

sich effektiv einzumischen, um<br />

Diktatoren zu verscheuchen?<br />

AFRIKANISCHE UNION<br />

34 AFRIKANISCHER GERICHTSHOF<br />

Seit 2007 hat der Afrikanische Gerichtshof<br />

für Menschenrechte und die Rechte<br />

der Völker seinen Sitz in Arusha, im<br />

Nordwesten Tansanias. Karin Pluberg<br />

beschreibt, was er inzwischen erreicht<br />

hat.<br />

SÜDLICHES AFRIKA: ZEITGESCHICHTE<br />

36 ZURÜCKGESCHAUT – SOLIDARITÄT AUS<br />

ZEITZEUGENPERSPEKTIVE<br />

Heike Becker im Gespräch mit Reinhart<br />

Kößler über westdeutsche Solidaritätsbewegungen<br />

und die Geschichte der issa.<br />

SÜDAFRIKA: ZEITGESCHICHTE<br />

40 FREIGEIST MIT HERZ UND CHARME<br />

Zum Tod von Ruth Kadalie. Ein Nachruf<br />

auf die Anti-Apartheidkämpferin von<br />

Ralf Berger.<br />

SERVICE<br />

42 REZENSIONEN<br />

2 <strong>afrika</strong> <strong>süd</strong> 2|<strong>2017</strong>


EDITORIAL<br />

<strong>afrika</strong> <strong>süd</strong> berichtet<br />

über die Länder der<br />

Entwicklungsgemeinschaft SADC:<br />

Angola • Botswana • DR Kongo •<br />

Lesotho • Madagaskar • Malawi •<br />

Mauritius • Mosambik • Namibia<br />

• Sambia • Seychellen • Simbabwe •<br />

Süd<strong>afrika</strong> • Swasiland • Tansania<br />

Zuma macht mobil<br />

Ende November 2016 hatten führende Mitglieder des Nationalen<br />

Exekutivkomitees und angesehene Partei-Veteranen des ANC gefordert,<br />

Jacob Zuma aus seinem Amt als ANC-Präsident zu entfernen.<br />

Ein wohlmeinender Genosse bat Zuma um ein Vieraugengespräch.<br />

Darin legte er dem Präsidenten nahe, freiwillig zurückzutreten.<br />

Zuma lehnte das brüsk ab. Er werde vor den imperialistischen Kräften<br />

nicht in die Knie sinken. Aber was ist an der Korruption Zumas<br />

und seiner Clique „anti-imperialistisch“? ANC-Generalsekretär Gwede<br />

Mantashe sieht die „Revolution“ durch „Rassismus, Tribalismus<br />

und das Monopolkapital ernsthaft bedroht.“ Gegenfrage: Welche<br />

Revolution? Für Tito Mboweni, früherer Arbeitsminister und Ex-Chef<br />

der Zentralbank, soll sie erst noch kommen: „Das Volk wird sich erheben.<br />

Das Volk wird regieren. Alle, die ihre Macht missbrauchen, werden<br />

belehrt: Du bist nicht der Boss, sondern der Diener des Volkes;<br />

jetzt ist es Zeit für Dich abzutreten.“<br />

Wie die Kommunalwahlen im August 2016 belegten, verlor der<br />

ANC deutlich an Stimmen. Die Partei zeigte sich unfähig, geeint neue<br />

Ziele zu setzen. Die Forderungen nach raschem, radikalem Wandel<br />

werden lauter. In neun Dokumenten umriss der ANC seine künftige<br />

Parteipolitik. Sie wurden am 12. März <strong>2017</strong> veröffentlicht und sollen<br />

im Juni diskutiert und verabschiedet werden.<br />

Die Dokumente sind in sich widersprüchlich. Die Zuma-Fraktion<br />

möchte die kritischen ANC-Veteranen am liebsten mundtot machen.<br />

Sie optiert für eine nationalistische Form des wirtschaftlichen Umbaus<br />

und fordert einen erhöhten Einfluss des Präsidenten auf die Finanz-<br />

und Wirtschaftssektoren. Es versteht sich von selbst: Zumas<br />

Patronagesystem ist unersättlich; es funktioniert auf Kosten des<br />

großen Prekariats in der Bevölkerung. Nur wird der Präsident eben<br />

nicht aufhören, seine Macht zu missbrauchen, vor allem, wenn er sie<br />

ganz an sich gezogen haben wird.<br />

Die andere ANC-Fraktion warnt wie Finanzminister Gordhan mit<br />

den Worten der ANC-Konferenz von Morogoro (1969): „Unser Nationalismus<br />

darf nicht mit dem Chauvinismus der vorherigen Epoche<br />

verwechselt werden. Wir dürfen auch nicht den klassischen Drang<br />

einer Elite unter den Unterdrückten, an die Macht zu kommen, um<br />

den bisherigen Unterdrücker in der Ausbeutung der Massen zu ersetzen,<br />

für national-revolutionär halten.“ Diese Fraktion des „alten“<br />

ANC weiß, dass die politische Einigung über das friedliche Ende<br />

des Apartheidsystems zu wenig wirtschaftliche Gerechtigkeit und<br />

Transformation geliefert hat. Das Massaker an streikenden Minenarbeitern<br />

im August 2012 in Marikana gilt deshalb als Warnung.<br />

Gordhans Fraktion will ein „inklusives Wirtschaftswachstum“, das<br />

den Marginalisierten endlich Chancengleichheit bietet. Im Dezember<br />

wählt der ANC die neue Führungsmannschaft. Es ist möglich,<br />

dass sich die Partei dabei ebenso aufspaltet, wie es der Gewerkschaftsbund<br />

Cosatu gerade tut.<br />

Die schwarze Jugend bildet einen Block von über 20 Millionen<br />

frustrierten Wahlberechtigten. Sie interessieren sich einen Dreck<br />

für den ANC oder Präsident Zuma. Sie ärgern sich über die unverschämte<br />

Korruption unter den politischen Eliten. Sie leben im Elend.<br />

Sie stellen etwa 70 Prozent der Arbeitslosen des Landes. Sie haben<br />

ihre Fähigkeiten nie praktisch in einem Job anwenden können. Sie<br />

haben keine Berufserfahrung. Diese Jugend will keine politischen<br />

Programme diskutieren. Dazu ist sie zu ungeduldig und wütend. Sie<br />

will in Zukunft eine Chance mit qualifizierter Arbeit, Obdach, Brot,<br />

Gesundheit und eigener Familie. Ein gewiefter Demagoge könnte sie<br />

aber auch zum Mob formen, der wütend ausländische Immigranten<br />

massakriert. Dann hätten sie außer einem chauvinistischen Nationalismus<br />

und psychischen Traumata nichts weiter gewonnen. Diese<br />

Ambivalenz ist gefährlich.<br />

Zuma strebt mit einer Nationalisierung von Landbesitz ohne<br />

Entschädigung, wozu er eine Verfassungsänderung braucht, eine<br />

Kampagne zur beschleunigten Landreform an. Diese will er zu einer<br />

sozialen Bewegung machen, welche die Jugend mitreißen könnte.<br />

Kritiker fragen, warum er 22 Jahre gewartet hat, bevor die Notwendigkeit<br />

einer vermeintlichen sozio-ökonomischen Revolution ihn<br />

scheinbar vom Diwan der Korruption riss. Sie weisen darauf hin,<br />

dass in KwaZulu-Natal 60 Prozent des kultivierbaren Landes an den<br />

Staat übertragen wurden, die Arbeitslosigkeit in KZN aber immer<br />

noch 87 Prozent ausmacht. Die Landarbeiter, die zu den Begünstigten<br />

der Landreform gehören sollten, sind bisher immer leer ausgegangen,<br />

während die kommerziellen Agrarkonzerne gewannen. Es<br />

war immer der ANC, der vom marktkonformen Modell der Landreform<br />

(„willing seller, willing buyer“) ausging, nicht die Verfassung.<br />

Die Eigentumsklausel der Verfassung erlaubt es dem Gericht, eine<br />

faire und angemessene Kompensation für die Verstaatlichung von<br />

Eigentum (nicht nur von Land) festzulegen. Fairness ist hier das leitende<br />

Prinzip. Gegen Zumas vorgespielte Radikalität twitterte der<br />

Fraktionsführer des ANC im Parlament, Jackson Mthembu: „Der<br />

ANC stimmt nicht darin überein, Landbesitz ohne Kompensation<br />

zu nationalisieren. Der Verfassung die Schuld für den beschämend<br />

langsamen Verlauf der Landreform anzulasten, ist die durchsichtige<br />

Suche nach einem Sündenbock. Wir haben versagt. Schluss. Klar?“<br />

Gottfried Wellmer<br />

2|<strong>2017</strong> <strong>afrika</strong> <strong>süd</strong> 3


DR KONGO<br />

[1]<br />

Staatskrise ohne Neubeginn?<br />

DIE VERSCHOBENEN WAHLEN IN DER DR KONGO. Am 19. Dezember 2016 sollte der erste friedliche Machtwechsel<br />

seit der Unabhängigkeit Kongos stattfinden. Dazu kam es nicht: Die Regierung unter Führung von Präsident<br />

Joseph Kabila ließ verschiedene Vorwände gelten, um die Wahlen zu verhindern: Geld, Zeit und alles Mögliche.<br />

Kongos Regierung ist seit ihrer Machtübernahme<br />

sehr unpopulär. Da die Bevölkerung<br />

angesichts der sich zuspitzenden<br />

politischen Lage immer ungeduldiger wird,<br />

drohte die Situation zu eskalieren. Eine Vermittlungsmission<br />

der Kongolesischen Bischofskonferenz<br />

(CENCO) trug dazu bei, ein<br />

Abkommen der verschiedenen politischen<br />

und sozialen Kräfte zu erreichen, das am 31.<br />

Dezember 2016 unterzeichnet wurde. Damit<br />

konnte zwar eine Eskalation der Lage<br />

verhindert werden, aber an der Umsetzung<br />

des Abkommens hapert es noch. Aus der Legitimitätskrise,<br />

die sich aus dem Festhalten<br />

Kabilas an der Macht ergibt, ist das Land<br />

zwischen Zentral-, Ost- und <strong>süd</strong>lichem Afrika<br />

noch nicht herausgetreten. Die nächsten<br />

Monate bleiben für die DR Kongo selbst und<br />

für die umliegende Region spannend.<br />

Von Laurent-Désiré zu Joseph Kabila<br />

Als am 17. Dezember 2001 – einen Tag nach<br />

der Ermordung seines Vaters oder Stiefvaters<br />

Laurent-Désiré Kabila unter bis heute ungeklärten<br />

Umständen – der aktuelle Präsident<br />

der DR Kongo mit einen Militärputsch überraschend<br />

die Macht an sich riss, war wenig<br />

über ihn bekannt. Er trat als Soldat in einem<br />

Krieg in Erscheinung, den eine Koalition<br />

unter Führung von L.D. Kabila mit militärischer<br />

Unterstützung von Ruanda, Uganda,<br />

Burundi und Angola und finanzieller und logistischer<br />

Hilfe einiger nordamerikanischer<br />

Bergbaukonzerne führte.<br />

Nachdem sich L.D. Kabila mit Ruanda, Uganda<br />

und den USA überworfen hatte und<br />

der zweite Kongo-Krieg am 2. August 1998<br />

begann, stieg Joseph Kabila schnell in der<br />

Armeehierarchie auf und wurde zum Stabschef<br />

der Bodentruppen. Diese strategische<br />

Position ermöglichte es ihm, nach der Ermordung<br />

L.D. Kabilas mit der Unterstützung<br />

Simbabwes und Angolas die Macht zu übernehmen.<br />

Was er vor seiner Karriere in der Armee<br />

gemacht und wo genau er gelebt hat, ist bis<br />

heute ein wohl behütetes Geheimnis und<br />

gibt im Kongo Anlass zu blühendsten Phantasien.<br />

Geradezu geheimnisvoll wurde er<br />

Präsident eines der größten und potenziell<br />

reichsten Länder Afrikas. Er sprach damals<br />

weder Französisch, die Amtssprache der DR<br />

Kongo, noch Lingala, die in der Hauptstadt<br />

gesprochenen Nationalsprache, was seine<br />

Kommunikation mit der Bevölkerung und<br />

der Presse in den ersten Jahren unmöglich<br />

machte. Diese „Sprachlosigkeit“ prägt seinen<br />

Regierungsstil bis heute. Selten hört man et-<br />

was von ihm, auch wenn es im Kongo an allen<br />

Ecken und Kanten brennt.<br />

Für sein politisches Überleben agierte er<br />

jedoch, vermutlich getrieben durch mächtige<br />

Hintermänner, taktisch sehr klug. Er<br />

bildete eine Regierungsmannschaft, in der<br />

die Crême de la Crême der kongolesischen<br />

Intelligenzia vertreten war. Kongolesen, die<br />

in Europa, in den USA und in Süd<strong>afrika</strong> an<br />

Universitäten, bei Firmen, internationalen<br />

Organisationen und Finanzinstitutionen<br />

tätig waren, wurden zurückgeholt, um das<br />

Land wieder aufzubauen. Viele von ihnen<br />

hielten es nur kurz aus. Das bekannteste Beispiel<br />

ist Prof. Freddy Matungulu, ein Spitzenfunktionär<br />

des IWF, der als Finanzminister<br />

zurückgeholt wurde. Er trat ein paar Monate<br />

später aufgrund fehlender fiskalischer Disziplin<br />

öffentlichkeitswirksam zurück.<br />

Noch wichtiger als die internen Maßnahmen<br />

waren die Schritte, die das Kabila-Team<br />

einleitete, um das Vertrauen der internationalen<br />

Gemeinschaft wiederherzustellen, das<br />

unter L.D. Kabila einen Tiefpunkt erreicht<br />

hatte. So wurden die Beziehungen besonders<br />

zu den USA, Frankreich und Belgien<br />

normalisiert. Diese Troika, die im Blick auf<br />

den Kongo eine zentrale Stellung einnimmt,<br />

warf ihr ganzes Gewicht in die Waagschale,<br />

8 <strong>afrika</strong> <strong>süd</strong> 2|<strong>2017</strong>


DR KONGO<br />

um die Friedensverhandlungen voranzutreiben. Diese wurden 2003<br />

abgeschlossen und öffneten den Weg für die Übergangsperiode, die<br />

2006 mit den Wahlen zu Ende ging.<br />

Diese Wahlen wurden genauso wie die von 2011 von massiven<br />

Manipulationen und Einschüchterungen geprägt. Besonders beim<br />

Urnengang 2011 besteht für alle ernsthaften Beobachter kein Zweifel<br />

darüber, dass sie vom Kandidaten der Opposition Etienne Tshisekedi<br />

gewonnen wurden. Aber Joseph Kabila hatte die Armee, die Polizei<br />

und die Justiz an seiner Seite und konnte sich erlauben, im großen<br />

Stil Wahlbetrug zu betreiben. Er hatte dabei die Unterstützung von<br />

Belgien und den USA, die in ihm einen guten Verbündeten sahen.<br />

Monster klammern sich an die Macht<br />

Joseph Kabilas zweite Amtszeit ist nun seit Dezember 2016 zu<br />

Ende gegangen. Belgien, die USA und viele andere westliche Länder<br />

hatten sich eine Machtübergabe gewünscht, um den Schein einer<br />

Demokratie bei Beibehaltung ihrer Einflussnahme zu bewahren.<br />

Doch das von ihnen gezüchtete Monster hat Wurzeln geschlagen<br />

und sich verselbständigt. Es ist nicht das erste Mal in der Geschichte<br />

des Kongo, dass sich ein von außen gezüchtetes Monster nicht mehr<br />

kontrollieren lassen will.<br />

Auch Mobutu Sese Seko kam durch westliche Einflussnahme an<br />

die Macht und stieg zum Bollwerk des Kapitalismus auf, dem alles<br />

einschließlich Menschenrechtsverletzungen und Bereicherung auf<br />

Kosten des Staates verziehen wurde. Er bezog seine Legitimität von<br />

außen und missachtete die Bevölkerung. Nach dem Fall der Berliner<br />

Mauer, als der kapitalistische Block ihn nicht mehr brauchte und<br />

Demokratie einforderte, wollte er nicht gehen. So musste ein Krieg<br />

vom Zaume gebrochen werden, um ihn loszuwerden, mit allen Konsequenzen<br />

für Menschen, Umwelt und Infrastruktur.<br />

In diesem Krieg setzten die USA mit L.D. Kabila auf das falsche<br />

Pferd. Kaum war er an der Macht, erinnerte er sich an seine kommunistische<br />

Vergangenheit. Er kündigte das Bündnis mit seinen<br />

<strong>afrika</strong>nischen Unterstützern und mit US-amerikanischen und kanadischen<br />

Firmen und etablierte Beziehungen zu Kuba, Nordkorea,<br />

Libyen und China. Nachdem er militärisch nicht gestürzt werden<br />

konnte, wurde er in seinem Präsidentenpalast ermordet.<br />

Das gleiche Spiel scheint sich zu wiederholen. Joseph Kabila wurde<br />

gebraucht, u.a. um Verträge im Bergbausektor, die zwischen 2003<br />

und 2006 unterzeichnet wurden, zu legitimieren. Er war nie ein<br />

Demokrat. Das hatten alle schon gewusst, allen voran die Bevölkerung<br />

der Hauptstadt, die ihn nie akzeptiert hat. Jetzt wird er von seinen<br />

ausländischen Unterstützern nicht mehr toleriert und von der<br />

Mehrheit der Bevölkerung gehasst, dennoch klammert er sich an der<br />

Macht.<br />

Schwierige Vermittlungen durch katholische Kirche<br />

Durch 2016 hindurch tat die Kabila-Regierung alles in ihrer Macht<br />

Stehende, um die für Dezember geplanten Parlaments- und Präsidentschaftswahlen<br />

zu verhindern. Das Jahr begann mit dem Versuch<br />

einer Verfassungsänderung, um Kabila eine dritte Amtszeit zu<br />

ermöglichen. Nachdem dieser Versuch am Widerstand der Bevölkerung<br />

scheiterte, was dutzenden Menschen das Leben kostete, wurden<br />

andere Strategien gefahren: Neue Provinzen wurden gegründet<br />

und die Wahlkommission wurde so ausgehungert, dass die notwendigen<br />

Vorbereitungen für glaubwürdige Wahlen nicht rechtzeitig<br />

vorgenommen werden konnten. Je näher der 19. Dezember rückte,<br />

desto größer wurden die Spannungen im ganzen Land. Protestaktionen<br />

von sozialen Bewegungen sowie von oppositionellen Parteien<br />

wurden brutal niedergeschlagen.<br />

Um diese Spannungen zu dämpfen und einen Kompromiss über<br />

eine neue Übergangszeit zu erreichen, schickte die Afrikanische<br />

Union im September 2016 den ehemaligen Generalsekretär ihrer<br />

Vorgängerorganisation und ehemaligen Premierminister von Togo,<br />

Edem Kodjo. Seine Befriedungsmission war von keinem Erfolg gekrönt,<br />

denn seine Integrität und die Motivationen seines Engagements<br />

wurden vom Oppositionsbündnis „Rassemblement“, von der<br />

Zivilgesellschaft und von der Mehrheit der Bevölkerung in Frage<br />

gestellt. Als sich immer mehr abzeichnete, dass sich das Land mit<br />

Vollgas ins Abseits manövrierte, entschied die katholische Bischofskonferenz,<br />

eine Vermittlerrolle zu übernehmen. Schnell gelang es<br />

ihr, alle relevanten Akteure der kongolesischen Krise zusammenzubringen.<br />

Es begannen langwierige Verhandlungen, die in den<br />

Grundprinzipien mit dem am 31. Dezember 2016 unterzeichneten<br />

Abkommen vorläufig abgeschlossen wurden.<br />

Es sieht vor, dass Joseph Kabila, der seit dem 19. Dezember mit dem<br />

verfassungsmäßigen Ende seiner zweiten Amtszeit ohne Legitimität<br />

weiter regiert, bis zu den nächsten Wahlen im Amt bleibt, die<br />

Opposition „Rassemblement“ den Premierminister und Regierungschef<br />

stellt und ein Nationaler Übergangsrat gebildet wird. Geleitet<br />

werden sollte dieser von Étienne Tshisekedi als Präsident vom Rat<br />

der Weisen des Rassemblement. Der Rat soll eine Überwachungsfunktion<br />

übernehmen und darauf achten, dass alle Übergangsinstitutionen<br />

funktionieren, damit die Wahlen planmäßig spätestens im<br />

Dezember <strong>2017</strong> stattfinden können.<br />

Dieses Abkommen wurde nur in Grundzügen definiert. Trotzdem<br />

half es, die Spannungen überall im Lande abzubauen. Verabredet<br />

[2]<br />

2|<strong>2017</strong> <strong>afrika</strong> <strong>süd</strong> 9


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