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afrika süd 2017-1

Die Fachzeitschrift zum Südlichen Afrika. Afrika Süd liefert kritische Hintergrundanalysen, stellt konkrete Projekte vor und lässt Akteure zu Wort kommen. // THEMEN DER AUSGABE: Editorial zu Namibia: Verhandlungen über Völkermord in der Krise, Die Vereinnahmung des Staates, Angola: Wieder eine leere Ankündigung?, Urbanes Wohnen auf Sansibar, Filmfestival: Zambia in Motion. Schwerpunkt der Ausgabe ist die "Vereinnahmung des Staates" in Südafrika. Die Ombudsfrau Thulisile Madonsela hatte als eine ihrer letzten Amtshandlungen den 355-Seiten starken Bericht "State of Capture" veröffentlichen lassen. Er hat Staatspräsident Zuma in Bedrängnis gebracht, prangert der Bericht doch Korruption auf höchster Ebene an. afrika süd bringt ein ausführlches Interview mit Madonsela, zeigt, wie sich die Gupta-Brüder über den Stromkonzern Eskom Aufträge sicherten, stellt die neue Ombudsfrau von Zumas Gnaden vor und fragt nach der Veraantwortung des ANC. Weitere Themen in der Ausgabe: Südafrika: Medikamentenschmuggel im großen Stil, Angola: Statspräsident José Eduardo dos Santos hat seinen Rücktrit in Aussicht gestellt: Wieder nur eine leere Ankündigung?, Mosambik: Neue Fakten zur Schuldenkrise, Simbabwe: Pan-afrikanische Scharlatane, Malawi: Verfehlte Agrarsubventionen, Tansania: Urbanes Wohnen auf Sansibar, Namibia: Ausstellung "Stolen Moments" zur Geschichte der Popmusik, Sambia: Bericht zum Filmfestival "Zambia in Motion". // www.afrika-sued.org

Die Fachzeitschrift zum Südlichen Afrika. Afrika Süd liefert kritische Hintergrundanalysen, stellt konkrete Projekte vor und lässt Akteure zu Wort kommen. // THEMEN DER AUSGABE:
Editorial zu Namibia: Verhandlungen über Völkermord in der Krise, Die Vereinnahmung des Staates, Angola: Wieder eine leere Ankündigung?, Urbanes Wohnen auf Sansibar, Filmfestival: Zambia in Motion. Schwerpunkt der Ausgabe ist die "Vereinnahmung des Staates" in Südafrika. Die Ombudsfrau Thulisile Madonsela hatte als eine ihrer letzten Amtshandlungen den 355-Seiten starken Bericht "State of Capture" veröffentlichen lassen. Er hat Staatspräsident Zuma in Bedrängnis gebracht, prangert der Bericht doch Korruption auf höchster Ebene an. afrika süd bringt ein ausführlches Interview mit Madonsela, zeigt, wie sich die Gupta-Brüder über den Stromkonzern Eskom Aufträge sicherten, stellt die neue Ombudsfrau von Zumas Gnaden vor und fragt nach der Veraantwortung des ANC. Weitere Themen in der Ausgabe: Südafrika: Medikamentenschmuggel im großen Stil, Angola: Statspräsident José Eduardo dos Santos hat seinen Rücktrit in Aussicht gestellt: Wieder nur eine leere Ankündigung?, Mosambik: Neue Fakten zur Schuldenkrise, Simbabwe: Pan-afrikanische Scharlatane, Malawi: Verfehlte Agrarsubventionen, Tansania: Urbanes Wohnen auf Sansibar, Namibia: Ausstellung "Stolen Moments" zur Geschichte der Popmusik, Sambia: Bericht zum Filmfestival "Zambia in Motion". // www.afrika-sued.org

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Januar/Februar <strong>2017</strong><br />

46. Jahrgang | Nr. 1<br />

Zeitschrift zum <strong>süd</strong>lichen Afrika.<br />

SÜDAFRIKA<br />

State Capture<br />

ANGOLA<br />

Dos Santos amtsmüde?<br />

FILMFESTIVAL<br />

Zambia in Motion


INHALT<br />

R. Blumenthal / cc:by, Star for life, W. Mzungu<br />

08 KORRUPTION, VETTERNWIRTSCHAFT<br />

UND ZWEIFELHAFTE DEALS<br />

In diesem Heft<br />

EDITORIAL<br />

03 VERHANDLUNGEN ÜBER VÖLKER-<br />

MORD IN DER KRISE<br />

Ein Kommentar von Reinhart Kößler<br />

04 AKTUELL<br />

SÜDAFRIKA<br />

08 KORRUPTION, VETTERNWIRTSCHAFT<br />

UND ZWEIFELHAFTE DEALS<br />

Der Bericht über „State Capture“ deckt<br />

Korruption auf, wie Ekaterini Georgousaki<br />

skizziert. Am Ende ihrer Amtszeit<br />

veröffentlichte Süd<strong>afrika</strong>s Ombudsfrau<br />

Thuli Madonsela einen Bericht über illegale<br />

Verflechtungen zwischen Regierung<br />

und Privatwirtschaft („state capture“).<br />

Sie prangert ranghohe Regierungsmitglieder<br />

der Korruption an.<br />

09 „DEMOKRATIE STÄRKEN HEISST,<br />

VERTRAUEN IN DAS SYSTEM AUFZU-<br />

BAUEN“<br />

In einem Interview mit der Heinrich-<br />

Böll-Stiftung schildert Thuli Madonsela<br />

den Machtmissbrauch der politischen<br />

Elite Süd<strong>afrika</strong>s. Layla Al-Zubaida und<br />

Maria Kind stellten die Fragen.<br />

13 DIE VEREINNAHMUNG DES STAATES<br />

Wie sich die Gupta-Brüder über das<br />

staatliche Strommonopol Aufträge sicherten,<br />

erläutert Gottfried Wellmer.<br />

17 DUMM GELAUFEN<br />

Die ersten 45 Tage der neuen „Public Protector“<br />

Busiswe Mkhwebane bilanziert<br />

Gottfried Wellmer.<br />

18 AUF DER KIPPE<br />

Die Glaubwürdigkeitskrise des ANC. Veteranen<br />

der Regierungspartei Süd<strong>afrika</strong>s<br />

haben in einer bemerkenswert scho-<br />

20 MEDIKAMENTENSCHMUGGEL IM<br />

GROSSEN STIL<br />

nungslosen Denkschrift an die Verantwortung<br />

des ANC appelliert. Gottfried<br />

Wellmer beschreibt die Kontexte.<br />

20 MEDIKAMENTENSCHMUGGEL IM<br />

GROSSEN STIL<br />

Wie ein Trio aus dem <strong>süd</strong>lichen Afrika<br />

sich mit abgelaufenen Aids-Medikamenten<br />

bereicherte, erklären Lionel Faull<br />

und Thomas Angeli. Sie illustrieren<br />

auch, auf welchen Wegen internationale<br />

agierende Pharmahändler die Tabletten<br />

an hiesige Apotheken verkauften.<br />

ANGOLA<br />

23 WIEDER EINE LEERE ANKÜNDIGUNG?<br />

Angolas Präsident José Eduardo Dos<br />

Santos hat seinen Rücktritt angekündigt.<br />

Emanuel Matondo kennt Hintergründe.<br />

24 ANGOLA BRAUCHT EINEN RUCK ZUM<br />

WANDEL<br />

Ein Kommentar zur aktuellen Lage in<br />

Angola von Padre Pio Wakussanga.<br />

MOSAMBIK<br />

27 NEUE FAKTEN ZUR SCHULDENKRISE<br />

Mosambiks Kreditskandal und die Verantwortung<br />

der Credit Suisse. Einen Untersuchungsbericht<br />

zu illegalen Krediten<br />

im mosambikanischen Parlament und<br />

einen offenen Brief einer Schweizer Initiative<br />

an die Credit Suisse stellen Thomas<br />

Kesselring und Peter Ulrich vor.<br />

SIMBABWE<br />

30 PAN-AFRIKANISCHE SCHARLATANE<br />

Wie Mugabe Kabila und die DR Kongo<br />

ausnutzte, untersucht Ken Yamamoto.<br />

Denn simbabwische Regierungsvertreter<br />

und ranghohe Militärs bereicherten sich<br />

am zügellosen Diamantenschmuggel aus<br />

der DR Kongo.<br />

33 VERFEHLTE AGRARSUBVENTIONEN<br />

MALAWI<br />

33 VERFEHLTE AGRARSUBVENTIONEN<br />

Ernährungsprobleme und Korruption in<br />

Malawi ergründet Watipaso Mzungu<br />

Jun. Er nimmt das staatliche Subventionsprogramm<br />

für Kunstdünger und<br />

Maissaat unter die Lupe.<br />

TANSANIA<br />

36 URBANES WOHNEN AUF SANSIBAR<br />

Kikwajuni Kwa Mjerumani ist ein Stadtteil<br />

von Zanzibar Town. Die einzigartige<br />

Siedlung erinnert an die Entwicklungszusammenarbeit<br />

zwischen der DDR und<br />

Tansania. Linda Schneider erforschte die<br />

Geschichte und Gegenwart des Viertels.<br />

NAMIBIA: MUSIK<br />

38 WAS MÖGLICH WAR, WAS MÖGLICH<br />

WIRD<br />

„Stolen Moments“ erzählt Geschichten<br />

der namibischen Popmusik. Über eine<br />

multi-mediale Ausstellung, die diesen<br />

künstlerischen Ausdruck des Widerstands<br />

würdigt, berichten Katharina<br />

Fink und Serena Radaelli.<br />

SAMBIA: FILM<br />

40 ZAMBIA IN MOTION<br />

Ein Filmfestival zu Sambia – da horchen<br />

selbst langjährige Afrikakenner auf.<br />

Um so größer war die Resonanz auf das<br />

erste Filmfestival „zambia in motion“<br />

Ende 2016 in Basel. Christian Vandersee<br />

und Xenia Jehli stellen die chinestische<br />

Vielfalt vor.<br />

SERVICE<br />

42 REZENSIONEN<br />

2 <strong>afrika</strong> <strong>süd</strong> 1|<strong>2017</strong>


EDITORIAL<br />

<strong>afrika</strong> <strong>süd</strong> berichtet<br />

über die Länder der<br />

Entwicklungsgemeinschaft SADC:<br />

Angola • Botswana • DR Kongo •<br />

Lesotho • Madagaskar • Malawi •<br />

Mauritius • Mosambik • Namibia<br />

• Sambia • Seychellen • Simbabwe •<br />

Süd<strong>afrika</strong> • Swasiland • Tansania<br />

Verhandlungen über Völkermord in der Krise<br />

Wer sich am 11. Januar <strong>2017</strong> der Lektüre der in Windhoek erscheinenden<br />

Allgemeinen Zeitung unterzog, konnte sich über das<br />

ausführliche Interview mit dem deutschen Botschafter Christian<br />

Matthias Schlaga, zusätzlich mit in Aussicht gestellter Fortsetzung<br />

am folgenden Tag, verdutzt die Augen reiben. Dies war eine Neuerung,<br />

die den Deutschsprachigen signalisieren mag, dass sie endlich<br />

dem von vielen lang gehegten Wunsch näherkommen, der Botschafter<br />

könne für sie nebenher so etwas wie der Dorfbürgermeister oder<br />

Stammeshäuptling werden. Dafür kann die ausführliche Präsenz in<br />

der einzigen ethnischen Tageszeitung des Landes als Signal gelten.<br />

Was Schlaga zu sagen hatte, war aber mindestens ebenso erstaunlich.<br />

Die Jahresbilanz 2016 des Botschafters fiel überaus „zufriedenstellend“<br />

aus. Das bezog er auch eindeutig auf die Verhandlungen über<br />

die Konsequenzen des Völkermordes von 1904 bis 1908, die zu Jahresbeginn<br />

zwischen den beiden Sondergesandten, Dr. Zedekia Ngavirue<br />

auf der namibischen und Ruprecht Polenz auf der deutschen Seite,<br />

angelaufen waren. Selbst als der AZ-Journalist ausdrücklich nach<br />

dem „Eklat im Genozid-Dialog“ im November fragte, blieb der Diplomat<br />

gelassen und spulte die Geschichte von den Treffen der beiden<br />

Verhandlungsführer ab, die „rundum positiv“ verlaufen seien.<br />

Wer den Verhandlungsprozess verfolgt hat, wird sich wundern:<br />

Anfang Juli hatten Schlaga und Polenz auf einer Pressekonferenz<br />

in Windhoek mitgeteilt, die Verhandlungen müssten zügig zu Ende<br />

geführt werden, sollte eine Verzögerung durch den deutschen Wahlkalender<br />

<strong>2017</strong> vermieden werden. Außerdem werde es keine Reparationen<br />

für den Völkermord geben. Die wohl unbeabsichtigte Nebenfolge<br />

bestand in einer unverhofften Einigkeit der sonst in schwere<br />

Konflikte verwickelten Beteiligten in Namibia. Präsident Hage Geingob<br />

verbat sich entschieden die öffentliche Kommunikation von<br />

Inhalten vertraulicher Verhandlungen und machte die deutschen<br />

Diplomaten kaum verklausuliert für ein mögliches Scheitern verantwortlich.<br />

Bob Kandetu von der Ovaherero Traditional Authority<br />

und Kaptein Dawid Fredericks von der Nama-Gruppe !Aman aus Bethanien<br />

zeigten sich über die ausweichende Haltung von Polenz enttäuscht,<br />

die nun durch die definitive Aussage über die Verweigerung<br />

von Reparationen in einer für sie inakzeptablen Weise präzisiert<br />

wurde. Beide stehen sonst in Konflikt mit der namibischen Regierung,<br />

weil diese sich weigert, die Opferguppen direkt am Verhandlungsprozess<br />

zu beteiligen.<br />

Ende November 2016 kam es dann zu dem erwähnten Eklat. Die<br />

Botschaft hatte eine Delegation unter Leitung der Vorsitzenden des<br />

Nama Genocide Technical Committee, Ida Hoffmann, zu einem Treffen<br />

mit Polenz eingeladen. Dieser erklärte laut Pressemitteilung der<br />

Botschaft einerseits, es gehöre sich nicht, Völkermorde miteinander<br />

zu vergleichen, tat aber sogleich genau dies und behauptete, der Holocaust<br />

sei etwas ganz anderes als der Völkermord in Namibia. Damit<br />

wollte Polenz wohl das Insistieren der Opfergruppen konterkarieren,<br />

dass etwa die Jewish Claims Conference als nicht-staatliche Instanz<br />

an Verhandlungen mit der Bundesregierung beteiligt war, was Ovaherero<br />

und Nama dagegen verweigert wurde. Die namibische Delegation<br />

empfand dies als schwere Diskriminierung und wollte demonstrativ<br />

aus dem Konferenzraum ausziehen. Der Konflikt wurde<br />

verschärft, als ihnen dies unter Verweis auf Sicherheitsrichtlinien<br />

verweigert wurde. Gerade Namibierinnen und Namibier, die sich in<br />

der Frage des Völkermords engagieren, artikulieren immer wieder<br />

historisch begründete Angstgefühle, wenn sie sich auf deutschem<br />

Gebiet bewegen. Durch Polenz‘ Provokation wurden diese Ängste für<br />

viele Delegierte offensichtlich akut.<br />

Die zentrale Problematik brachte Ida Hoffmann wenige Tage später<br />

auf einer von ihr einberufenen Pressekonferenz auf den Punkt:<br />

„Nach unserer Ansicht und unserem Wissen sind Tod, Leiden und<br />

Zerstörung an einem Ort und im Fall einer Gruppe genauso schmerzlich<br />

wie das Leiden der nächsten Gruppe.“ Ein Vergleich, wie er von<br />

Polenz gezogen wurde, erscheint daher als Diskriminierung zumal<br />

von Afrikanerinnen und Afrikanern.<br />

Schlaga sei Polenz nicht ins Wort gefallen, sondern habe vielmehr<br />

allein das Sicherheitsreglement der Botschaft hochgehalten. Daher<br />

sei die Vertrauensbasis gegenüber beiden zerstört. Diese müssten<br />

sich entschuldigen, und die Bundesregierung müsse sie abberufen.<br />

Anders als Schlaga glauben machen will, stecken die Verhandlungen<br />

zum Jahreswechsel 2016/17 in einer Krise, deren Ausgang bestenfalls<br />

offen ist. Dies verdeutlichen auch die Reaktionen auf eine<br />

am 5. Januar <strong>2017</strong> von Ovaherero Paramount Chief Vekuii Rukoro<br />

und Kaptein Dawid Fredericks eingereichte Sammelklage vor einem<br />

New Yorker Gericht. Mit dieser soll die Bundesrepublik Deutschland<br />

gezwungen werden, sich auf direkte Verhandlungen mit den Opfergruppen<br />

und eine angemessene Entschädigung einzulassen. Polenz<br />

kolportierte daraufhin, es gehe den Klägern um individuelle Zahlungen,<br />

während in Wahrheit Strukturmaßnahmen in den Wohngebieten<br />

der Betroffenen gefordert werden. Das ist kein gutes Zeichen.<br />

Reinhart Kößler<br />

1|<strong>2017</strong> <strong>afrika</strong> <strong>süd</strong> 3


SÜDAFRIKA<br />

Korruption, Vetternwirtschaft und<br />

zweifelhafte Deals<br />

BERICHT ÜBER „STATE CAPTURE“ DECKT KORRUPTION IN SÜDAFRIKA AUF. Thulisile<br />

Madonsela hat am 23. November 2016 den Deutschen Afrika-Preis für Ihre Verdienste<br />

als mutige und faire Ombudsfrau Süd<strong>afrika</strong>s erhalten. Am Ende ihrer Amtszeit als<br />

„Public Protector“ veröffentlichte Madonsela einen 355 Seiten starken Bericht<br />

über „State Capture“, d.h. unerlaubte Verflechtungen zwischen Regierung und<br />

Wirtschaft. Sie prangert darin höchste Regierungsvertreter der Korruption<br />

an. Sie hat dafür gesorgt, dass eine Untersuchungskommission die<br />

strafrechtliche Relevanz des Berichts prüfen muss. Vielleicht hat sie damit<br />

das Ende der Ära Zuma eingeleitet.<br />

Korruption, Vetternwirtschaft und zweifelhafte Deals auf 355<br />

Seiten. Die Protagonisten: Jacob Zuma, Präsident der Republik Süd<strong>afrika</strong>,<br />

dessen Sohn, Duduzane Zuma, „Des“ van Rooyen, Finanzminister<br />

für drei Tage, Brian Molefe, Hauptgeschäftsführer des staatlichen<br />

Energiekonzerns Eskom, sowie die drei Brüder Ajay, Atul und<br />

Rajesh Gupta, die an der Spitze eines Geschäftsimperiums stehen.<br />

Was nach einem spannenden Politkrimi klingt, ist in Wahrheit der<br />

Untersuchungsbericht von Thuli Madonsela, ehemalige <strong>süd</strong><strong>afrika</strong>nische<br />

Ombudsfrau („Public Protector“), deren Amtszeit Mitte Oktober<br />

endete. Nachdem Präsident Zuma mithilfe seines Anwaltsteams<br />

zunächst die Veröffentlichung des Berichtes verhindert hatte, gab er<br />

Anfang November schließlich auf. Dieser 2. November 2016 wird in<br />

Süd<strong>afrika</strong> in Erinnerung bleiben als der Tag, an dem Tausende von<br />

Demonstranten auf den Straßen der Hauptstadt Pretoria den Rücktritt<br />

des Präsidenten forderten, sowie als der Tag, an dem der Bericht<br />

der Ombudsfrau bestätigte, was man in Süd<strong>afrika</strong> bereits lange vermutet<br />

hatte.<br />

Der „State of Capture“-Bericht untersucht, ob der Präsident und<br />

andere Minister, Mandatsträger und Funktionäre des ANC (African<br />

National Congress) sich ungebührlich und unethisch verhalten haben,<br />

indem sie der Gupta-Familie erlaubt haben, Einfluss auf die Entlassung<br />

und Einsetzung von Ministern und Managern von Staatsunternehmen<br />

zu nehmen. Dies habe möglicherweise dazu geführt,<br />

dass die Unternehmen der Gupta-Familie unrechtmäßig von staatlichen<br />

Aufträgen profitiert hätten. Was Frau Madonsela auf 355 Seiten,<br />

basierend auf umfassenden Telefon- und Bankdaten sowie Interviews<br />

mit dem Präsidenten, Ministern und wichtigen Funktionären<br />

des staatlichen Energieunternehmens Eskom, beschreibt, bestätigt<br />

dies. Sie liefert stichhaltige Belege für die Einflussnahme der Gupta-<br />

Brüder auf Personalentscheidungen wichtiger Regierungsvertreter<br />

und für die lukrativen Großaufträge, die sich sich, u.a. vom staatlichen<br />

Energiekonzern Eskom, gesichert haben.<br />

Demonstration gegen Zuma in Pretoria<br />

Besonders brisant ist die Aussage des Vize-Finanzministers Mcebisi<br />

Jonas. Dieser sei durch die Vermittlung von Duduzane Zuma, dem<br />

Sohn des Präsidenten, und Inhaber von Spitzenpositionen in einer<br />

Reihe von Gupta-Unternehmen, in Kontakt mit den Gupta-Brüdern<br />

gekommen. Jonas sagte aus, dass Ajay Gupta ihm 600 Millionen<br />

Rand (rund 40 Millionen Euro) dafür angeboten habe, den Ministerposten<br />

anzunehmen und anschließend unliebsame Mitarbeiter<br />

des Finanzministeriums zu entlassen, die den Gupta-Geschäften im<br />

Wege stünden. Als Jonas dies abgelehnt habe, habe Ajay Gupta sein<br />

Angebot erhöht und ihn gefragt, ob er eine große Tasche dabei habe,<br />

um 600.000 Rand (rund 40.000 Euro) in bar gleich mitzunehmen.<br />

Wenige Monate später folgte die Entlassung des bisherigen Finanzministers<br />

Nene, wahrscheinlich weil dieser wichtigen Deals im<br />

Weg stand. Ersetzt wurde er durch „Des“ van Rooyen, einem sonst<br />

kaum bekannten ANC-Politiker. Darauf stürzte der Rand dramatisch<br />

ab und es folgte ein Aufschrei im ganzen Land, woraufhin Zuma keine<br />

andere Wahl blieb, als van Rooyen – nach nur drei Tagen im Amt<br />

– zu entlassen. Frau Madonsela kann in ihrem Bericht nachweisen,<br />

dass van Rooyen mindestens sieben Mal das Anwesen der Guptas im<br />

vornehmen Johannesburger Vorort Saxonwold besucht hat, so auch<br />

am Vorabend seiner Ernennung zum Finanzminister.<br />

Der Bericht belegt keine kriminellen Aktivitäten durch Präsident<br />

Zuma selbst. Dies als Nachweis für die Unschuld Zumas zu deuten,<br />

wäre allerdings der falsche Rückschluss aus dem Bericht von Thuli<br />

Madonsela. Die oben beschriebenen Befunde, so erschreckend<br />

sie auch sind, waren im Grunde keine Überraschung. Die <strong>süd</strong><strong>afrika</strong>nischen<br />

Medien berichten schon seit Jahren von der engen Beziehung<br />

zwischen den Gupta-Brüdern und dem Präsidenten. Das<br />

eigentlich Relevante an dem Untersuchungsbericht ist, dass er das<br />

Potenzial hat, den Anfang des Endes der Präsidentschaft Zumas einzuläuten.<br />

Frau Madonsela ordnet darin an, dass der Präsident innerhalb<br />

von 30 Tagen eine Untersuchungskommission einrichten und<br />

die Befunde ihres Berichtes juristisch aufarbeiten soll. Besonders<br />

brisant ist die Tatsache, dass an der Spitze dieser Kommission ein<br />

Richter stehen muss, der vom Präsidenten des Verfassungsgerichtes<br />

(und nicht von Präsident Zuma!) zu ernennen ist.<br />

>> Ekaterini Georgousaki<br />

Die Autorin leitet das Regionalbüro Subsahara-Afrika der Friedrich-<br />

Naumann-Stiftung für die Freiheit. Der Text ist in voller Länge auf<br />

www.freiheit.org (https://www.freiheit.org/content/korruption-vetternwirtschaft-und-zweifelhafte-deals-auf-355-seiten)<br />

nachzulesen,<br />

Wir danken für die Zusammenarbeit.<br />

8 <strong>afrika</strong> <strong>süd</strong> 1|<strong>2017</strong>


SÜDAFRIKA<br />

„Demokratie stärken heißt, Vertrauen in das<br />

System aufzubauen“<br />

INTERVIEW MIT THULI MADONSELA. Sie steht wie keine andere für die Einhaltung rechtsstaatlicher Grundsätze<br />

in Süd<strong>afrika</strong>. Als „Public Protector“ deckte Madonsela wiederholt Machtmissbrauch der politischen Elite auf. Mit<br />

ihr haben sich Maria Kind und Layla Al-Zubaidi von der Heinrich-Böll-Stiftung unterhalten.<br />

Nur wenige Süd<strong>afrika</strong>nerinnen und Süd<strong>afrika</strong>ner<br />

kannten Ihren Namen oder das Amt<br />

des „Public Protector“, als Sie dieses 2009 antraten.<br />

Sie haben das Amt zu dem gemacht,<br />

was es heute ist, und werden von vielen als<br />

Heldin der Nation gesehen. Woher kam Ihre<br />

Entschlossenheit?<br />

Ich glaube, dass mein Tatendrang hinter<br />

meiner Arbeit als Public Protector darin<br />

liegt, dass ich einen Unterschied machen<br />

möchte – wie auch in jedem anderen meiner<br />

bisherigen Jobs. Ich will die Kompetenz<br />

und den Freiraum, die mir mit diesem Amt<br />

gegeben wurden, nutzen, um einen Unterschied<br />

in dem Leben derjenigen Menschen<br />

zu machen, in deren Dienst ich stehe. Als<br />

Public Protector war es meine Aufgabe, nationale<br />

Missstände – rund um die Ausübung<br />

der Staatsgewalt und Nutzung öffentlicher<br />

Ressourcen – aufzudecken und zu adressieren.<br />

Mein Team und ich agierten hierbei<br />

stets mit bestem Wissen und Gewissen. Uns<br />

war es wichtig, sämtliche Klagen, die an uns<br />

herangetragen wurden, ernst zu nehmen, zu<br />

untersuchen und wenn möglich zwischen<br />

den Parteien zu vermitteln. Unser Ziel war<br />

hierbei, im Sinn der Menschen Süd<strong>afrika</strong>s<br />

und unserer Verfassung zu handeln.<br />

Es gibt ein Sprichwort das besagt, dass<br />

demokratische Institutionen nur so stark und<br />

vertrauenswürdig sind wie ihre Amtsinhaberinnen<br />

bzw. Amtsinhaber. Was ist Ihrer Meinung<br />

nach die größte Herausforderung für<br />

staatliche Rechenschaftspflicht im heutigen<br />

Süd<strong>afrika</strong>?<br />

Das größte Hindernis für staatliche Rechenschaftspflicht<br />

ist die Tatsache, dass es<br />

uns bisher nicht gelungen ist, jedem klar<br />

zu machen, was seine oder ihre Verpflichtungen<br />

sind. Verantwortung muss man<br />

dann übernehmen, wenn man einen Fehler<br />

gemacht oder eine Grenze überschritten hat.<br />

Doch bevor man verantwortliches Handeln<br />

verlangen kann, muss man wissen, dass es<br />

überhaupt eine Grenze gibt – wie sie aussieht<br />

und wo genau sie verläuft. Nehmen<br />

wir mal das Beispiel der „executive ethics“.<br />

Zu Beginn meiner Amtszeit gab es zwischen<br />

meiner Institution und der Exekutive einige<br />

Missverständnisse, die auf unterschiedlichen<br />

Auffassungen von dem, was richtig<br />

und was falsch ist, basierten. Es ist eine<br />

große Herausforderung, ethische Grundsätze<br />

so zu vermitteln, dass sie von allen verstanden<br />

und akzeptiert werden.<br />

Ich habe kürzlich mit einem amerikanischen<br />

Professor gesprochen. In den USA<br />

durchläuft jeder Neueinsteiger bzw. jede<br />

Neueinsteigerin in ein öffentliches Amt –<br />

seien es Ministerposten oder Posten in der<br />

Justiz – ein intensives Training über die Verfassung,<br />

die Gesetze und den Ethikkodex. In<br />

Süd<strong>afrika</strong> dagegen gibt es für neue Amtsinhaberinnen<br />

und Amtsinhaber nur eine kurze<br />

Orientierung bezüglich ethischer Verhaltensweisen.<br />

Diese Orientierung ist für viele<br />

nicht ausreichend, um zu verstehen, was<br />

man tun darf und was nicht. Ich glaube, darin<br />

liegt tatsächlich die größte Herausforderung<br />

für das verantwortungsvolle Handeln<br />

staatlicher Amtsinhaberinnen und Amtsinhaber.<br />

Eine weitere Herausforderung<br />

liegt in der Einbeziehung der<br />

Bürgerinnen und Bürger.<br />

Sie sagten, dass die<br />

Institutionen nur so<br />

stark sind, wie die<br />

Menschen, die für<br />

sie arbeiten. Die<br />

Institutionen sind<br />

aber auch nur<br />

so stark, wie ihr<br />

System und wie<br />

die Qualität und<br />

das Ethos der<br />

Führungskräfte.<br />

Darüber hinaus<br />

sind Institutionen<br />

auch nur so stark wie<br />

die Menschen und die<br />

Nation. Ich denke, dass<br />

wir in den vergangenen<br />

Jahren die Bedeutung von<br />

bürgerlichem Engagement<br />

heruntergespielt haben. In Zeiten<br />

der Apartheid war bürgerliche Aktion<br />

wichtig, da wir mit einem „aufgezwungen<br />

Staatssystem“ zurechtkommen mussten.<br />

Später, als wir endlich einen Staat bekamen,<br />

der auf dem Willen des Volkes basiert, dachten<br />

wir, dass wir dieses Engagement nicht<br />

mehr brauchen. Das war ein Trugschluss.<br />

Denn schon Nelson Mandela sagte, dass<br />

selbst die wohlwollendste Regierung Neigungen<br />

zu menschlichen Fehlschlägen in<br />

sich trägt.<br />

Es sollte uns also nicht überraschen, dass<br />

wir jetzt in der Politik mit menschlichem<br />

Fehlverhalten konfrontiert werden. Die<br />

Menschen waren lange Zeit von der politischen<br />

Sphäre getrennt – jetzt erst kommen<br />

sie langsam zurück und bringen sich wieder<br />

mehr ein. Ich denke, dass verantwortungsvolles<br />

Handeln des Staates zunehmend eingefordert<br />

werden wird. Nicht nur mit Hilfe<br />

des Public Protectors, sondern auch mit Hilfe<br />

der Gerichte und parlamentarischer Prozesse.<br />

[1]<br />

1|<strong>2017</strong> <strong>afrika</strong> <strong>süd</strong> 9


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