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afrika süd 2016-2

Die Fachzeitschrift zum Südlichen Afrika. Afrika Süd liefert kritische Hintergrundanalysen, stellt konkrete Projekte vor und lässt Akteure zu Wort kommen. // THEMEN DER AUSGABE: Uranabbau in Namibia und Malawi nimmt das neue Heft ebenso unter die Lupe wie aktuelle Debatten über die Landreform in Südafrika. Landenteignungen und Vertreibungen werden in historischer Perspektive betrachtet, bei der gesellschaftlichen Aufarbeitung erhalten unterschiedliche Stimmen Gehör. Die aktuelle Kontroverse über politische Morde und heutige Gefangene in Südafrika werden aus unterschiedlichen Perspektiven vorgestellt. Bezugspunkt ist der Beginn der bedeutenden Wahrheits- und Versöhnungskommission vor 20 Jahren. Traumatische Erinnerungen an die repressive Apartheid sind auch ein zentrales Thema in Kultur und Literatur. Unsere Autorinnen widmen sich den Werken von Cedric Nunn, Bloke Modisane, Zakes Mda und Nakhane Touré. In Angola spielt die jüngste Geschichte ebenfalls eine große Rolle. Die Luanda-Romane von Jose Eduardo Agualusa und Ondjaki nehmen Leserinnen und Leser mit in groteske Wohnhäuser der angolanischen Hauptstadt, wo Realität und Fiktion mit vielen Überraschungseffekten verschwimmen. In den Gedichten der simbabwischen Poetry-Performerin Linda Gabriel geht es weniger um fantastische Welten als vielmehr um Gewaltstrukturen, die sich im Leben von Frauen besonders drastisch niederschlagen. Ihre anklagende Lyrik klingt wie verzweifelte Hilferufe der Unterdrückten, die tief berühren und zum Handeln auffordern. Wie Gesellschaft, Kultur und Politik verwoben sind, zeigt auch eine Analyse des Islams auf Sansibar auf. Literaturkritiken und aktuelle politische Meldungen runden dieses afrika süd-Heft ab. // www.afrika-sued.org

Die Fachzeitschrift zum Südlichen Afrika. Afrika Süd liefert kritische Hintergrundanalysen, stellt konkrete Projekte vor und lässt Akteure zu Wort kommen. // THEMEN DER AUSGABE: Uranabbau in Namibia und Malawi nimmt das neue Heft ebenso unter die Lupe wie aktuelle Debatten über die Landreform in Südafrika. Landenteignungen und Vertreibungen werden in historischer Perspektive betrachtet, bei der gesellschaftlichen Aufarbeitung erhalten unterschiedliche Stimmen Gehör. Die aktuelle Kontroverse über politische Morde und heutige Gefangene in Südafrika werden aus unterschiedlichen Perspektiven vorgestellt. Bezugspunkt ist der Beginn der bedeutenden Wahrheits- und Versöhnungskommission vor 20 Jahren. Traumatische Erinnerungen an die repressive Apartheid sind auch ein zentrales Thema in Kultur und Literatur. Unsere Autorinnen widmen sich den Werken von Cedric Nunn, Bloke Modisane, Zakes Mda und Nakhane Touré. In Angola spielt die jüngste Geschichte ebenfalls eine große Rolle. Die Luanda-Romane von Jose Eduardo Agualusa und Ondjaki nehmen Leserinnen und Leser mit in groteske Wohnhäuser der angolanischen Hauptstadt, wo Realität und Fiktion mit vielen Überraschungseffekten verschwimmen. In den Gedichten der simbabwischen Poetry-Performerin Linda Gabriel geht es weniger um fantastische Welten als vielmehr um Gewaltstrukturen, die sich im Leben von Frauen besonders drastisch niederschlagen. Ihre anklagende Lyrik klingt wie verzweifelte Hilferufe der Unterdrückten, die tief berühren und zum Handeln auffordern. Wie Gesellschaft, Kultur und Politik verwoben sind, zeigt auch eine Analyse des Islams auf Sansibar auf. Literaturkritiken und aktuelle politische Meldungen runden dieses afrika süd-Heft ab. // www.afrika-sued.org

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März/April <strong>2016</strong><br />

45. Jahrgang | Nr. 2<br />

Zeitschrift zum <strong>süd</strong>lichen Afrika.<br />

NAMIBIA UND MALAWI<br />

Fluch des Uranabbaus<br />

SÜDAFRIKA<br />

Landschaften des Erinnerns<br />

ANGOLA<br />

Luanda im Roman


INHALT<br />

Fotos: wikimedia, E. Schweitzer, C. Marx<br />

08 URAN IN NAMIBIA – SEGEN ODER<br />

FLUCH?<br />

In diesem Heft<br />

03 ICH BIN, WEIL ANDERE SIND<br />

Menschen auf dem Weg. Bernhard (Felix)<br />

von Grünberg und Klaus Thüsing<br />

über Migration und Flucht.<br />

04 AKTUELL<br />

NAMIBIA<br />

08 URAN IN NAMIBIA – SEGEN ODER<br />

FLUCH?<br />

In Namibia wird Uran abgebaut, das<br />

Industrieländer als Brennstoff für ihre<br />

Atomkraftwerke nutzen. Gleichzeitig importiert<br />

Namibia teuren Strom. Bertchen<br />

Kohrs deckt diese Gegensätze auf.<br />

11 PHOSPATRAUSCH IN DER TIEFSEE<br />

Der geplante Phosphatabbau vor Namibias<br />

Küste ruft Wissenschaftler und Kritiker<br />

auf den Plan. Swakopmund Matters<br />

fürchtet um die Zerstörung des marinen<br />

Ökosystems und der Fischerei.<br />

MALAWI<br />

12 DORFBEWOHNER GEGEN URANABFALL<br />

Im Malawisee werden Uranabfälle versenkt.<br />

Die Bewohner im Karinga-Distrikt<br />

wollen das stoppen. Von ihrer Kampagne<br />

berichtet Collins Mtika.<br />

SÜDAFRIKA<br />

14 IM GUPTAGATE VERFANGEN<br />

Ausverkauf des Staates, Errichtung einer<br />

Schattenregierung und verantwortungslose<br />

Patronage lauten die Vorwürfe<br />

gegen Präsident Jacob Zuma. Eine<br />

Chronologie von Rita Schäfer skizziert<br />

Hintergründe und Kontroversen in der<br />

Regierung und Opposition.<br />

20 „EIN GRIQUA OHNE LAND IST EIN<br />

NACKTER GRIQUA“<br />

16 DARF DER MÖRDER VON CHRIS HANI<br />

AUF FREIEN FUSS?<br />

Gibt es zwanzig Jahre nach Beginn der<br />

Wahrheits- und Versöhnungskommission<br />

(TRC) Gerechtigkeit für die Opfer?<br />

fragt Marjorie Jobson.<br />

18 KENNY MOTSAMAI: KEINE HAFTENT-<br />

LASSUNG OHNE FREIHEIT<br />

In Süd<strong>afrika</strong> sind heute noch schwarze<br />

politische Gefangene in Haft. Das betrifft<br />

Kämpfer der APLA, des bewaffneten<br />

Arms des Pan Africanist Congress (PAC).<br />

Sabelo Sibanda setzt sich für sie ein.<br />

20 „EIN GRIQUA OHNE LAND IST EIN<br />

NACKTER GRIQUA“<br />

Den Kampf der Griqua um Land und<br />

Identität beschreibt Erwin Schweitzer.<br />

21 UMKÄMPFTES LAND<br />

Die Rückgabe von Land ist in Süd<strong>afrika</strong><br />

politisch umstritten.<br />

SÜDAFRIKA: KULTURGESCHICHTE<br />

22 LANDSCHAFTEN DES ERINNERNS<br />

Unsettled. Ein <strong>süd</strong><strong>afrika</strong>nischer Fotoessay<br />

über das Ostkap von Cederic Nunn.<br />

Seinen Spuren folgt Tamara Fick.<br />

SÜDAFRIKA: LITERATUR<br />

24 ZAKES MDA UND NAKHANE TOURÉ<br />

Literarische Begegnungen im Goethe-Institut<br />

in Johannesburg. Beate Steinblum<br />

über den Dialog der zwei bedeutenden<br />

<strong>süd</strong><strong>afrika</strong>nischen Autoren.<br />

34 ISLAM UND POLITIK AUF SANSIBAR<br />

SÜDAFRIKA: KULTUR<br />

26 BLAME ME ON HISTORY – WILLIAM<br />

‘BLOKE’ MODISANE<br />

Er schrieb Geschichte – die Geschichte<br />

Sophiatowns, des vibrierenden Jazz- und<br />

Kulturbezirks in Johannesburg. Modisane<br />

zählte auch zu den wichtigsten Journalisten<br />

der Zeitschrift Drum. Katharina<br />

Fink erinnert an sein Werk.<br />

SIMBABWE: LITERATUR<br />

28 LINDA GABRIELS LYRIK<br />

Warnung des Chefarztes: Diese Gedichte<br />

könnten Sie verfolgen. Ncube beschreibt<br />

Empfindungen beim Lesen der Lyrik und<br />

stellt ausgewählte Gedichte vor.<br />

ANGOLA: LITERATUR<br />

30 DAS AUSSCHWEIFENDE ZURECHTSTUT-<br />

ZEN<br />

Der angolanische Schriftsteller Jose Eduardo<br />

Agualusa im Gespräch mit Manfred<br />

Loimeier.<br />

32 ALLES PASSIERT HIER<br />

Michael Keglers Gedanken zu zwei großartigen<br />

Luanda-Romanen.<br />

TANSANIA<br />

34 ISLAM UND POLITIK AUF SANSIBAR<br />

Auf dem Inselarchipel Sansibar fanden<br />

am 20. März <strong>2016</strong> erneute Wahlen statt.<br />

Roman Loimeier erläutert den Einfluss<br />

des Islams auf Politik und Geschichte.<br />

SERVICE<br />

37 REZENSIONEN<br />

2 <strong>afrika</strong> <strong>süd</strong> 2|<strong>2016</strong>


EDITORIAL<br />

Ich bin, weil andere sind: Menschen auf dem Weg<br />

„UBUNTU“, DAS DIE MENSCHLICHKEIT GEGENÜBER ANDEREN<br />

MEINT, IST EINE DER BEKANNTESTEN WEISHEITEN SÜDAFRIKAS,<br />

einem Land, welches verschiedene Nationen Afrikas vereint und<br />

beherbergt. Auch wenn die Regenbogennation derzeit wegen des<br />

Umgangs mit Migrantinnen und Migranten an Farbe zu verlieren<br />

scheint, gibt es auf dem <strong>afrika</strong>nischen Kontinent, etwa in Tansania<br />

oder Ghana, eine Kultur der Migration und Aufnahme von Migrantinnen<br />

und Migranten, die trotz kultureller Unterschiede friedlich<br />

zusammenleben.<br />

Warum kann Europa nicht davon lernen? Denn mit unserer Politik<br />

kommen wir, wie die derzeitige Flüchtlingssituation zeigt, nicht<br />

weiter. Gerade jetzt wäre Menschlichkeit, Solidarität und Gemeinsinn<br />

angebracht. Aber anstatt sich darauf zu besinnen, dass wir Teil<br />

eines Ganzen und durch die Globalisierung wechselseitig miteinander<br />

verknüpft sind, werden die Ursachen von Flucht und Migration<br />

verleugnet und es wird eine Abschottungspolitik verfolgt, die die<br />

katastrophalen Folgen einer „ungleichen Welt“ – die wir mit aller<br />

Macht aufrechtzuerhalten versuchen – zwar verzögern, aber auf<br />

Dauer nicht verhindern kann.<br />

Nie seit Ende des Zweiten Weltkriegs waren mehr Menschen<br />

auf der Flucht. Sie ist den heutigen kriegerischen Auseinandersetzungen,<br />

aber auch wirtschaftlicher Ausweglosigkeit geschuldet. Es<br />

ist dabei eine naive Annahme, dass jede Flüchtlingsroute zwingend<br />

nach Europa führt. Es stimmt, dass tausende Flüchtlinge aus Gambia,<br />

Mali, Somalia, Nigeria und Eritrea die Reise bis nach Europa in<br />

Kauf nehmen, um ein besseres Leben zu führen. Ein hingegen viel<br />

näheres Flüchtlingsziel liegt auf dem eigenen Kontinent, nämlich<br />

Süd<strong>afrika</strong>. Nach den USA und Deutschland ist Süd<strong>afrika</strong> dasjenige<br />

Land, welches die höchste Zahl an Asylanfragen erhält. Das liegt<br />

überwiegend an einer vergleichsweise stabilen wirtschaftlichen Situation.<br />

Wir in Europa sollten ganz genau darauf achten, wie wir die Zustände<br />

in Süd<strong>afrika</strong> kritisieren, da auch wir nicht immer ein vorbildliches<br />

Verhalten mit fremden, hilfesuchenden Menschen aufweisen<br />

können. Wir errichten lieber Zäune, während der Druck von außen<br />

weiter zunimmt. Dass das nicht gut gehen kann, liegt auf der Hand.<br />

Jedoch können wir voneinander lernen und uns gegenseitig zu<br />

einem unseren Werten entsprechenden Verhalten ermahnen. Auch<br />

haben wir eine besondere Verantwortung gegenüber Afrika.<br />

„Was haben wir denn mit Afrika zu tun?“, werden sich einige fragen.<br />

Zum einen leben wir in einer globalisierten Welt und können<br />

Krisen nur zusammen lösen. Alternativ stehen wir vor einem Flächenbrand,<br />

wie er in Syrien stattgefunden hat. Ein weit entfernter<br />

Staat, mit scheinbar weit entfernten Problemen, welcher uns jedoch<br />

politisch und gesellschaftlich in unseren Grundfesten erschüttern<br />

ließ. Die Al-Shabaab-Miliz in Somalia, Boko Haram in Nigeria sind<br />

nur andere Namen für eine gefährliche Ideologie, die vor Landesgrenzen<br />

keinen Halt mehr macht und auch schon Europa erreicht<br />

hat.<br />

Zum anderen müssen wir aufrichtig mit uns selbst sein. Wer mit<br />

Afrika Handel betreiben kann, seinen Müll abladen oder Rohstoffe<br />

fördern kann, der kann auch für ein menschenwürdiges Leben Hilfeleistungen<br />

bieten.<br />

Seit Jahren wird davon geredet, wir müssten die Fluchtursachen<br />

bekämpfen. Was aber tun wir? Die Lösung kann ja wohl nicht darin<br />

bestehen, dass wir mit Machthabern wie in Eritrea darüber verhandeln<br />

und dafür bezahlen, die Grenzen zu den Nachbarstaaten dicht<br />

zu machen. Solche Verhandlungen finden tatsächlich statt. Andererseits<br />

haben unsere entwicklungspolitischen Anstrengungen an der<br />

Perspektivlosigkeit der jungen Generation in vielen Ländern Afrikas<br />

kaum etwas geändert, in denen es inzwischen, auch durch die Idealisierung<br />

der sogenannten „westlichen Welt“, Teil des Selbstverständnisses<br />

ist, nach Europa zu wollen.<br />

Freihandelsabkommen (EPAs), die bereits einer Reihe von <strong>afrika</strong>nischen<br />

Ländern von der EU aufgenötigt wurden, verhindern wirtschaftliche<br />

Impulse in etlichen Staaten Afrikas noch zusätzlich, weil<br />

Freihandel unter Ungleichen immer zu Lasten des Schwächeren<br />

geht. Eine neue Art der Zusammenarbeit, die die notwendigen wirtschaftlichen<br />

und politischen Impulse setzt, die Gesellschaften der<br />

<strong>afrika</strong>nischen Länder einbezieht und von allen Staaten der EU getragen<br />

wird, ist nirgends sichtbar.<br />

Gleichzeitig setzt sich die Fluchtbewegung aus Afrika fort, zeitweilig<br />

in der öffentlichen Wahrnehmung verdeckt von den zahlreichen<br />

Flüchtlingen aus Syrien und der Türkei. Europa reagiert mit Abschottung,<br />

die sich zunehmend militarisiert, und der Behauptung, die<br />

Fluchtbewegungen seien wesentlich das Werk krimineller Schlepperbanden.<br />

Wer dennoch Europa erreicht, trifft auf eine Asylrecht,<br />

das sozusagen im Mittelmeer versenkt wurde. Legale Wege, nach<br />

Europa zu kommen, hier zu leben und zu arbeiten und dann auch<br />

vielleicht wieder zurückzugehen in das Heimatland, gibt es nicht.<br />

Rechte Populisten bestimmen zunehmend den öffentlichen Diskurs<br />

mit verheerenden Wirkungen. Die Folge ist, dass sich die Situation<br />

nicht entschärft, sondern eher verschlimmert und Elend, Gewalt und<br />

Flucht zunehmen.<br />

Dagegen muss Aufklärung, Widerstand und Aktion gesetzt werden.<br />

Nur gemeinsam können wir diesen Weg beschreiten. Dieses<br />

Heft von <strong>afrika</strong> <strong>süd</strong> ist ein kleiner, aber wichtiger Baustein dazu:<br />

„Ubuntu! Ich bin, weil andere sind!“<br />

Bernhard (Felix) von Grünberg, MdL (NRW) und Klaus Thüsing, Deutsch-<br />

Afrikanisches Zentrum (DAZ), Bonn<br />

2|<strong>2016</strong> <strong>afrika</strong> <strong>süd</strong> 3


NAMIBIA<br />

Uran in Namibia – Segen oder Fluch?<br />

IN NAMIBIA WIRD URAN ABGEBAUT, das in Industrieländern als Brennstoff für Atomkraftwerke genutzt wird,<br />

während Namibia teuren Strom aus dem Ausland importieren muss, um die eigene Energiekrise einigermaßen in<br />

den Griff zu bekommen. Dies soll keineswegs ein Plädoyer für Kernkraft in Namibia sein; im Gegenteil, in einem<br />

Land mit 350 Tagen Sonne im Jahr und guten Windbedingungen gibt es weit bessere Optionen.<br />

Weltweit steht Namibia als Uranproduzent<br />

an fünfter Stelle. Das Mineral wird zur<br />

Zeit in zwei Uranminen abgebaut und als<br />

Uranoxyd (yellow cake) exportiert, hauptsächlich<br />

nach China, Europa und in die<br />

USA. Die Rössing-Uranmine wird seit 1976<br />

von dem anglo-australischen Rio Tinto Zink<br />

(RTZ) betrieben; 15 Prozent der Anteile sind<br />

im Besitz der iranischen Regierung. Die<br />

Langer-Heinrich-Uranmine startete die Produktion<br />

2007; sie ist zu 75 Prozent in Händen<br />

der australischen Firma Paladin Energy,<br />

nachdem Paladin 2013 25 Prozent der Anteile<br />

wegen finanzieller Schwierigkeiten an die<br />

chinesische Firma China National Nuclear<br />

Corporation (CNNC) verkaufte. Trekkopje, im<br />

Besitz der französisch-staatlichen Firma Areva,<br />

wurde vor Inbetriebnahme eingemottet.<br />

Es bleibt abzuwarten, wer die Uranmine<br />

schließlich übernehmen wird, denn Areva<br />

ist inzwischen bankrott.<br />

Die Urankonzerne erhoffen sich eine Erholung<br />

des Uranpreises, nachdem der Preis<br />

nach der Fukushima-Katastrophe in den<br />

Keller gefallen war. Die Husab-Mine, im<br />

Besitz der chinesisch-staatlichen China Ge-<br />

neral Nuclear Power Corporation (CGNPC),<br />

wird unter dem Namen Swakop Uranium<br />

demnächst die Uranproduktion aufnehmen,<br />

womit Namibia als Uranlieferant erwartungsgemäß<br />

global an die zweite Stelle katapultiert<br />

wird.<br />

Weitere Bergbaufirmen stehen in den<br />

Startlöchern, neue Uranminen zu entwickeln,<br />

und warten ebenfalls auf den Anstieg<br />

des Uranpreises. Für die meisten Firmen ist<br />

ein Preis von etwa 70 US-Dollar plus/lb (ein<br />

englisches Pfund entspricht 0,453kg) Uran<br />

nötig, um gewinnbringend zu produzieren.<br />

Zur Zeit dümpelt der Preis um 34 US-Dollar/<br />

lb Uran. China wird das selbst geförderte<br />

Uran für den eigenen Bedarf nutzen und ist<br />

somit nicht auf den Marktpreis angewiesen.<br />

Vor dem Fukushima-Disaster bewegte<br />

sich der Uranpreis um 70-80 US-Dollar/<br />

lb Uran. Als Japan nach dem Unfall alle 52<br />

AKWs abstellte, gab es von der Seite keinen<br />

Bedarf mehr. Inzwischen wurden zwei Reaktoren<br />

wieder in Betrieb genommen und<br />

über den dritten Reaktor wird zur Zeit verhandelt.<br />

Die Entscheidung der deutschen<br />

Regierung, ab 2022 keinen Atomstrom mehr<br />

zu erzeugen, hat sich ebenfalls auf den Uranpreis<br />

ausgewirkt.<br />

Folgenreicher Uranabbau<br />

Bis 2008 wurden in Namibia insgesamt<br />

66 Explorations-Lizenzen vom Ministerium<br />

für Bergbau und Energie erteilt. Alle Projekte<br />

– bestehende und geplante – sind im Besitz<br />

ausländischer Firmen. Der internationale<br />

Andrang geriet außer Kontrolle, es wurde<br />

vom „uranium rush“ gesprochen; ein Moratorium<br />

wurde verhängt und Gesetze für<br />

den Abbau von nuklearem Material erarbeitet.<br />

Als Rio Tinto die Rössing-Uranmine<br />

in Betrieb nahm, gab es im damaligen Südwest-Afrika<br />

– seit der Unabhängigkeit 1990<br />

Namibia – keine Gesetze für die nukleare<br />

Industrie. Uran wurde abgebaut wie jedes<br />

andere Mineral. Sicherheitsvorschriften für<br />

die Arbeiter, die Anwohner und die Umwelt<br />

existierten nicht.<br />

Der Abbau von Uran hat zweifellos einen<br />

positiven Einfluss auf die namibische Wirtschaft;<br />

der Export von yellow cake ist eine<br />

der größten Einnahmequellen des Landes<br />

und wird als Rückgrat der aufstrebenden<br />

Ökonomie bezeichnet, sie profitiert vom<br />

Uranexport. Arbeitsplätze werden geschaffen,<br />

bei der hohen Arbeitslosigkeit ein wichtiger<br />

Aspekt.<br />

Allerdings erhebt sich die Frage, ob diese<br />

Vorteile die Aktivitäten der Bergbaufirmen<br />

rechtfertigen, wenn demgegenüber die vielen<br />

ökologischen, sozio-ökonomischen und<br />

gesundheitlichen Probleme in Betracht gezogen<br />

werden. Neben der zahlreichen Gesundheitsschäden<br />

der Minenarbeiter sind<br />

Ausbeutung der geringen Wasserressourcen<br />

in einem ariden bis semi-ariden Land, Kontamination<br />

des Grundwassers, Verlust der Biodiversität,<br />

riesige Wunden in der Landschaft<br />

und Rückgang des Tourismus nur einige der<br />

Folgen – verursacht durch den Uranabbau.<br />

Die Infrastruktur ist nicht auf den Zuzug<br />

der vielen benötigten Arbeiter mit ihren<br />

Familien vorbereitet. Es fehlen Wohnungen,<br />

8 <strong>afrika</strong> <strong>süd</strong> 2|<strong>2016</strong>


NAMIBIA<br />

KAUM FÄLLE VON ENTSCHÄDIGUNG<br />

Es sind bisher weltweit nur zwei Fälle bekannt, in denen betroffene Arbeiter von<br />

Uranminen nach jahrelangem Prozess entschädigt wurden. Etwa 5000 Arbeiter der<br />

1990 stillgelegten Wismut-Uranmine, die nachweislich unter Lungenkrebs litten, haben<br />

eine Entschädigung bekommen. Wismut war ein Uranabbaugebiet in Thüringen<br />

in der früheren DDR und wurde von einer sowjetischen Aktiengesellschaft zwischen<br />

1946 und 1990 betrieben. Die Mine wurde unmittelbar nach der Wende geschlossen;<br />

die Aufräumarbeiten dauern immer noch an und verschlingen ungeheure Summen<br />

an Steuergeldern. Der zweite Fall betrifft die Navajo, ein indigenes Volk im größten<br />

Indianerreservat im Südwesten der USA, die nach ihrer Arbeit in Uranminen an<br />

Lungenkrebs erkrankt waren.<br />

Schulen, Kindergärten, Ärzte und medizinische Einrichtungen,<br />

Sport- und Freizeitbeschäftigungen.<br />

Bisherige Erfahrungen mit ausländischen Bergbaufirmen<br />

zeigen, dass ausgebeutete Minen – manchmal<br />

über Nacht – verlassen werden und als schlimmes<br />

Erbe eine zerstörte Umwelt sowie große Müllhalden<br />

mit gefährlichem Abfall zurückbleiben. Es gibt etwa<br />

200 verlassene Minen in Namibia, die dringend rehabilitiert<br />

werden müssten, wozu der Regierung jedoch<br />

die nötigen Mittel fehlen. Im Fall einer verlassenen<br />

und nicht rehabilitierten Uranmine ist das Problem<br />

noch wesentlich kritischer, da der radioaktive und toxische<br />

Müll für die nächsten 200.000 Jahre vor sich<br />

hinstrahlt und riesige Flächen unbenutzbar macht.<br />

Gesundheit der Arbeiter<br />

Eine Studie, durchgeführt von der Nichtregierungsorganisation<br />

Earthlife Namibia in Zusammenarbeit<br />

mit dem lokalen Arbeitsforschungsinstitut LaRRI, demonstriert<br />

eindeutig, dass die Arbeiter der Rössing-<br />

Uranmine einen hohen Preis für das fragwürdige Privileg<br />

zahlen, für eine der größten Bergbaufirmen der<br />

Welt zu arbeiten. Die Ergebnisse der Studie beruhen<br />

auf fünfzig Interviews, die mit 35 gegenwärtigen und<br />

15 pensionierten Arbeitern durchgeführt wurden. Die<br />

Arbeiter sind ständig der radioaktiven Niedrigstrahlung<br />

ausgesetzt und begeben sich damit meistens unwissentlich<br />

in höchste gesundheitliche Gefahr.<br />

Beim Uranbergbau ist die Strahlung relativ niedrig<br />

(low-level radiation) verglichen mit der Strahlung<br />

bei Reaktorunfällen oder bei radioaktiven Abfallprodukten<br />

von AKWs (high-level radiation). Im Bergbau<br />

sind die Arbeiter ständig der low-level radiation<br />

durch das Uran und seine vielen radioaktiven Zerfallsprodukte<br />

ausgesetzt, wobei besonders das Radon<br />

gefährlich ist, ein schweres Gas, das sich nicht leicht<br />

verflüchtigt und in Bodennähe verweilt. Es wird von<br />

den Arbeitern eingeatmet und kann Lungenkrebs<br />

verursachen. Die Masken, die ihnen zugeteilt werden,<br />

sind häufig unzureichend und/oder die Arbeiter tragen<br />

sie nur, wenn sie kontrolliert werden. Die große<br />

Hitze und der ständige Staub erschweren das Tragen<br />

von Masken.<br />

Die Arbeiter werden in der Regel nicht aufgeklärt<br />

über die Gefahren, denen sie ausgesetzt sind. Die Minenbetreiber<br />

verlieren bei der Einstellung der Arbeiter<br />

über das Arbeitsrisiko kein Wort. Allerdings betonten<br />

etliche, aufgrund der hohen Arbeitslosigkeit hätten<br />

sie keine andere Wahl und sie würden jeden angebotenen<br />

Job annehmen, um ihre Familie ernähren zu<br />

können. Die Arbeiter wissen nichts oder wenig über<br />

radioaktive Strahlung und glauben, der Staub mache<br />

sie krank. Das stimmt in gewisser Weise tatsächlich,<br />

da der Staub die radioaktiven und toxischen Partikel<br />

in sich trägt. Uran ist nicht nur radioaktiv, es ist<br />

auch ein sehr giftiges Schwermetall und als solches<br />

gesundheitsschädlich, wenn es z.B. mit der Nahrung<br />

aufgenommen wird.<br />

Krankheiten<br />

Das Heimtückische an der ständigen Niedrigstrahlung<br />

ist: Krankheitssymptome treten häufig erst nach<br />

10, 20 oder sogar 30 Jahren auf. In vielen Fällen sind die<br />

Arbeiter pensioniert oder haben eine andere Arbeit<br />

aufgenommen und sehen keinen Zusammenhang<br />

zwischen ihrem Krankheitsbild und der früheren Tätigkeit<br />

in einer Uranmine. Aus medizinischer Sicht ist<br />

es ohnehin schwierig, in Krankheitsfällen nachzuweisen,<br />

dass die Strahlung die Ursache vieler Krankheiten<br />

ist und häufig zu frühem Tod führt.<br />

Die Krankheitssymptome, die während der Interviews<br />

erwähnt wurden, sind vielseitig und reichen<br />

von hohem Blutdruck, Hör- und Sehproblemen, Rücken-<br />

und Gelenkschmerzen, chronischer Müdigkeit<br />

und Durchfall bis zu Herzproblemen und verschiedenen<br />

Krebserkrankungen, häufig mit der Folge eines<br />

frühen Todes. Alle interviewten Arbeiter nannten Namen<br />

von verstorbenen Familienmitgliedern, Freunden<br />

und Kollegen, deren frühen Tod sie auf die Minenarbeit<br />

zurückführten.<br />

Die Arbeiter kommen aus allen Teilen des Landes<br />

und ziehen in der Regel nach ihrer Pensionierung zurück<br />

in ihren Heimatort. Dort werden sie krank, sterben<br />

ohne Diagnose und Behandlung und erscheinen<br />

in keiner Krebsstatistik. Für die Arbeiter und ihre Familien<br />

ist es eine Tragödie, für die Bergbaugesellschaften<br />

ist es eine glückliche Fügung. Die Arbeiter wissen<br />

nicht, dass sie oder ihre Familie ein Recht auf Kompensation<br />

haben.<br />

Bergbaugesellschaften weltweit leugnen jeglichen<br />

Zusammenhang zwischen der Arbeit in einem Bergwerk<br />

und späteren Gesundheitsschäden. Sie machen<br />

2|<strong>2016</strong> <strong>afrika</strong> <strong>süd</strong> 9


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