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afrika süd 2016-5

Die Fachzeitschrift zum Südlichen Afrika. Afrika Süd liefert kritische Hintergrundanalysen, stellt konkrete Projekte vor und lässt Akteure zu Wort kommen. // THEMEN DER AUSGABE: Bayer-Monsanto: Eine unheilvolle Ehe, Kommunalwahlen in Südafrika:Denkzettel für den ANC, Lungu bleibt Präsident Sambias, Malawi: Tabakproduktion in der Kontroverse, Das Innere nach außen kehren - Roger Ballens Bilderwelten. Weitere Schwerpunkte und Themen im neuen Heft sind Südafrikas Mittelklasse als Zünglein an der Waage, der mühsame Friedensprozess in Mosambik, Emmerson Mnangagwa als möglicher Nachfoger Robert Mugabes in Simbabwe, Geschichte des Tabakanbaus in Simbabwe, Korridore des Agrobusiness am Beispiel Tansanias und Beiträge zu den südafrikanischen Künstlern Vincent Bezuidenhout und William Kentridge. // www.afrika-sued.org

Die Fachzeitschrift zum Südlichen Afrika. Afrika Süd liefert kritische Hintergrundanalysen, stellt konkrete Projekte vor und lässt Akteure zu Wort kommen. // THEMEN DER AUSGABE: Bayer-Monsanto: Eine unheilvolle Ehe, Kommunalwahlen in Südafrika:Denkzettel für den ANC, Lungu bleibt Präsident Sambias, Malawi: Tabakproduktion in der Kontroverse, Das Innere nach außen kehren - Roger Ballens Bilderwelten. Weitere Schwerpunkte und Themen im neuen Heft sind Südafrikas Mittelklasse als Zünglein an der Waage, der mühsame Friedensprozess in Mosambik, Emmerson Mnangagwa als möglicher Nachfoger Robert Mugabes in Simbabwe, Geschichte des Tabakanbaus in Simbabwe, Korridore des Agrobusiness am Beispiel Tansanias und Beiträge zu den südafrikanischen Künstlern Vincent Bezuidenhout und William Kentridge. // www.afrika-sued.org

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September/Oktober <strong>2016</strong><br />

45. Jahrgang | Nr. 5<br />

Zeitschrift zum <strong>süd</strong>lichen Afrika.<br />

SÜDAFRIKA<br />

Denkzettel für den ANC<br />

SAMBIA<br />

Wahlsieg von Edgar Lungu<br />

SIMBABWE/MALAWI<br />

Tabakanbau in der Diskussion


INHALT<br />

Fotos: GCIS, R. Schäfer, R. Ballen<br />

08 DENKZETTEL FÜR DEN ANC 24 GESCHICHTE DES TABAKANBAUS<br />

In diesem Heft<br />

33 DAS INNERE NACH AUSSEN KEHREN –<br />

ROGER BALLENS BILDERWELTEN<br />

EDITORIAL<br />

03 BAYER-MONSANTO: EINE UNHEILVOLLE<br />

EHE<br />

Kommentar von Lothar Berger zur Übernahme<br />

Monsantos durch den Chiemiekonzern<br />

Bayer.<br />

04 AKTUELL<br />

SÜDAFRIKA: KOMMUNALWAHLEN<br />

08 DENKZETTEL FÜR DEN ANC<br />

Der ANC hat bei den Kommunalwahlen<br />

in Süd<strong>afrika</strong> deutliche Stimmenverluste<br />

einstecken müssen. Gottfried Wellmer<br />

geht auf die Ergebnisse und historische<br />

Zusammenhänge ein.<br />

11 DER GIGANT IST VERWUNDET<br />

Der ANC ist nach den Kommunalwahlen<br />

angeschlagen. Die Parteispitze war auf<br />

das Worst Case-Szenario am 3. August<br />

<strong>2016</strong> nicht vorbereitet, wie Raymond<br />

Suttner kritisiert.<br />

SÜDAFRIKA<br />

13 ZÜNGLEIN AN DER WAAGE?<br />

Süd<strong>afrika</strong>s schwarze Mittelklasse ist<br />

gewachsen, politisch eher pragmatisch<br />

eingestellt und eine inkonsistente Bevölkerungsgruppe,<br />

wie Henning Melber<br />

aufzeigt.<br />

SAMBIA: WAHLEN<br />

15 LUNGU BLEIBT PRÄSIDENT SAMBIAS<br />

Bei den Wahlen in Sambia hat sich Präsident<br />

Edgar Lungu erneut durchgesetzt.<br />

Peter Meyns analysiert den Wahlkampf,<br />

die Parteienlandschaft und die Wahlergebnisse.<br />

SÜDLICHES AFRIKA<br />

18 GRENZÜBERSCHREITENDE SOLIDARITÄT<br />

Anlässlich des 36. SADC-Gipfels organisierte<br />

das Solidaritätsnetz der Völker<br />

im <strong>süd</strong>lichen Afrika einen Gegengipfel<br />

und die erste Anhörung des Permanent<br />

People’s Tribunal zu den Schäden transnationaler<br />

Konzerne in der Region. Von<br />

Brid Brennan.<br />

MOSAMBIK<br />

19 UNENDLICHE GEDULD GEFRAGT<br />

In Mosambik wird wieder über Frieden<br />

zwischen den Konfliktparteien verhandelt.<br />

Vorschläge liegen auf dem Tisch.<br />

Warum es dennoch kaum voran geht,<br />

weiß Gottfried Wellmer.<br />

SIMBABWE<br />

22 MNANGAGWA IN DEN STARTLÖCHERN<br />

Die Ablösung von Simbabwes Präsident<br />

Robert Mugabe steht bevor. Vizepräsident<br />

Emmerson Mnangagwa könnte den<br />

Machtkampf in der Regierung gewinnen,<br />

meint Itai Mushekwe.<br />

SIMBABWE: TABAK<br />

24 GESCHICHTE DES TABAKANBAUS<br />

Tabak ist ein wichtiger Devisenbringer<br />

für Simbabwe. Produktion und Export<br />

sind gestiegen. Aber ökologische Probleme<br />

wachsen. Vimbai Kwashirai zieht<br />

einen Längsschnitt von der Kolonialzeit<br />

bis heute.<br />

MALAWI: TABAK<br />

26 TABAKPRODUKTION IN DER KONTRO-<br />

VERSE<br />

Das goldene Blatt bereichert Malawis<br />

Ökonomie und macht Bauern arm. Viele<br />

sind Vertragsfarmer und abhängig von<br />

internationalen Konzernen. Watipaso<br />

Mzungu JNR dokumentiert: Sie bestimmen<br />

die Preise.<br />

TANSANIA<br />

29 KORRIDORE DES AGROBUSINESS<br />

Seit etwa zehn Jahren gibt es einen Run<br />

von Agrarkonzernen und Ernährungsindustrie<br />

auf Afrika. Am Beispiel Tansania<br />

zeigt Uwe Hoering den zweifelhaften<br />

Nutzen und massive Probleme vor Ort.<br />

SÜDAFRIKA: KUNST<br />

31 FAIL DEADLY – TÖDLICHES VERSAGEN<br />

UND ENDE DER DISKUSSION<br />

Der <strong>süd</strong><strong>afrika</strong>nische Künstler Vincent<br />

Bezuidenhout geht auf Spurensuche, um<br />

die mysteriöse militärische Nutzung der<br />

Nuklearenergie zu erhellen. Timothy<br />

Smith zeichnet seinen Weg nach.<br />

33 DAS INNERE NACH AUSSEN KEHREN –<br />

ROGER BALLENS BILDERWELTEN<br />

Der multi-mediale Künstler Roger Ballen<br />

zeigt Randzonen menschlicher Existenz<br />

und Abgründe <strong>süd</strong><strong>afrika</strong>nischer Seelenlandschaften.<br />

Rita Schäfer hat seine<br />

Werkschau besucht.<br />

36 SCHATTEN UND SPIELE<br />

Das Werk des <strong>süd</strong><strong>afrika</strong>nischen Zeichners,<br />

Theatermanns und Filmemachers<br />

William Kentridge wurde beim Berliner<br />

Festival Foreign Affairs vorgestellt. Peter<br />

Laudenbach lädt zu faszinierenden Begegnungen<br />

mit Kentridges einzigartiger<br />

Kunst ein.<br />

SERVICE<br />

38 REZENSIONEN<br />

2 <strong>afrika</strong> <strong>süd</strong> 5|<strong>2016</strong>


EDITORIAL<br />

Bayer-Monsanto: Eine unheilvolle Ehe<br />

WO BLIEB DER AUFSCHREI DER GLOBALISIERUNGSKRITIKER, als<br />

der Leverkusener Chemiekonzern Bayer Mitte September die monatelang<br />

ausgehandelte Übernahme von Monsanto als beschlossene<br />

Sache meldete? Monsanto, dieser weltweit wohl meist verhasste<br />

US-Konzern, dessen Geschäftsmodell einer industrialisierten Landwirtschaft<br />

zu Lasten von Mensch und Umwelt geht, weil es auf die<br />

Abhängigkeit von genverändertem Saatgut und den Großeinsatz<br />

von Pestiziden setzt.<br />

Über 60 Milliarden Euro lässt sich Bayer die Übernahme kosten,<br />

der teuerste Kauf in der 153 Jahre langen Geschichte des Chemiekonzerns.<br />

Monsanto sähen viele als böse, aber Bayer sei nicht das Gegenteil,<br />

meinen Varinia Bernau und Elisabeth Dostert in der Süddeutschen<br />

Zeitung (15.9.2015) – und verweisen auf die lange Geschichte<br />

von Skandalen des Chemiegiganten mit seinen engen Verbindungen<br />

als damalige I.G. Farben zur NSDAP. Im weltweiten Wettbewerb um<br />

die Übernahme von konkurrierenden Konzernen befürchtete Bayer<br />

zuletzt um das Überleben seiner Kerngeschäftsfelder Pharma und<br />

Agrarchemie – und musste, um nicht geschluckt zu werden, selber<br />

reagieren.<br />

Das miese Image von Monsanto wird den Bayer-Vorstand ebenso<br />

wenig scheren wie eigene, in Verruf geratene Geschäfte mit Pharma-<br />

Produkten und Insektiziden. Es gehört ja zur Logik von Konzernen,<br />

Rendite zu erzielen, egal wie. Wachstum durch Übernahme ist längst<br />

die Devise. Nach dem Schlucken des Schweizer Agrarriesen Syngenta<br />

durch den chinesischen Staatskonzern ChenChina und der beabsichtigten<br />

Fusion von DuPont und Dow verschärft sich der bedrohliche<br />

Trend zur Konzentration der Agrarmärkte: Nur noch wenige Großkonzerne<br />

kontrollieren 90 Prozent des Marktes mit Genpflanzen.<br />

Ob sich Bayer mit der Übernahme vielleicht verhebt wie Daimler<br />

mit dem Aufkauf von Chrysler, ist allenfalls die Sorge hiesiger Wirtschaftskommentatoren.<br />

Für Afrika bedeutet der Deal mit Monsanto<br />

dagegen nichts Gutes. Bayer sieht auf dem Kontinent, auf dem es<br />

bislang wenig präsent war, eine neue Marktchance. Der Druck auf<br />

Kleinbäuerinnen und Kleinbauern Afrikas, mehr Pestizide einzusetzen<br />

und auf gentechnisch veränderte Agrarprodukte wie bei Mais,<br />

Soja und Baumwolle zu setzen, wird steigen. Im Kampf gegen Hunger<br />

und Armut glauben viele <strong>afrika</strong>nische Regierungen, auf Saatgut<br />

und Pestizide angewiesen zu sein, statt die kleinbäuerliche Landwirtschaft<br />

zu fördern. Monsanto hat das jahrelang dreist ausgenutzt<br />

und kontrolliert die Mais-Saatgut-Geschäfte im <strong>süd</strong>lichen Afrika<br />

wie in Teilen West<strong>afrika</strong>s. In Knebelverträgen verbietet der Konzern<br />

den Kleinbauern, die eigene Ernte als Saatgut zu verwenden, wie es<br />

seit jeher Tradition ist. Die Züchtungen und Chemikalien müssen<br />

bei Monsanto erworben werden. Und sollte das Gentech-Saatgut im<br />

Anbau versagen, haben die Produzenten kein Klagerecht gegen den<br />

Konzern. Eine vertragliche Klausel untersagt das ausdrücklich.<br />

In Süd<strong>afrika</strong>, Ägypten, Sudan und Burkina Faso ist der Anbau<br />

von gentechnisch veränderten Pflanzen bereits zugelassen. Man<br />

kann davon ausgehen, dass Bayer das Geschäft mit Gentechnik und<br />

Agrargiften weiter betreiben, aber werbetechnisch geschickter als<br />

Monsanto vorgehen wird. Der Megakonzern Bayer-Monsanto wird<br />

künftig die Preise und Produkte auf dem Agrarmarkt diktieren.<br />

Es bedarf schon klarer politischer Vorgaben <strong>afrika</strong>nischer Regierungen,<br />

die Einfuhr von Saatgutsorten zu kontrollieren und die eigenen<br />

kleinbäuerlichen Familien und ihre Saatgutvielfalt zu schützen.<br />

Es steht aber zu befürchten, dass in Zukunft noch mehr Regierungen<br />

dem Marktdruck erliegen und Gentechnik erlauben.<br />

„Wir dürfen die Welternährung nicht in die Hände eines Agro-Oligopols<br />

legen und damit das Menschenrecht auf Nahrung in Gefahr<br />

bringen“, so Roman Herre von FIAN Deutschland.<br />

Wo bleibt also der Aufschrei? Empören wir uns angesichts der immer<br />

dreisteren Macht der Großkonzerne „wirkungslos zu Tode“, wie<br />

es der Kieler Universitätsprofessor Rainer Mausfeld formuliert? Der<br />

Neoliberalismus habe seine Lehren gezogen, er habe „das Unsichtbarmachen<br />

der Macht perfektioniert“. Der Feind ist nicht greifbar,<br />

er kann nach Gutdünken schalten und walten, wie er will. Großkonzerne<br />

werden heute rechtlich mit Staaten gleichgestellt. Das ist die<br />

Hauptsorge bei den Debatten um Investitionsschutz- und Freihandelsabkommen<br />

wie Ceta und TTIP. Da mag Sigmar Gabriel noch so<br />

sehr auf positive Nachbesserungen von Ceta hinweisen und einmal<br />

mehr seine SPD zum Einknicken bringen. Es bleibt, dass die Politik<br />

im großen Übernahmekampf der Wirtschaftsgiganten nur noch<br />

reagiert – oder reagieren kann? –, statt zukunftsweisend zu gestalten.<br />

Nur die Zivilgesellschaft kann dieser Ohnmacht noch etwas<br />

entgegensetzen: „CETArum censeo TTIP esse delendam“ – frei nach<br />

dem römischen Staatsmann Cato, der die Zerstörung Karthagos vor<br />

Augen hatte –, hat sie es mit breiten Kampagnen in sozialen Netzwerken<br />

geschafft, dass TTIP in der EU erstmal vom Tisch ist. Eine<br />

Garantie, dass die Privilegien der Großkonzerne und ihr Klagerecht<br />

gegenüber Staaten durch die Hintertür Ceta wieder hineinkommen,<br />

ist es nicht. Und bis die Zähmung des Haifisch-Kapitalismus, die in<br />

Europa gelingen mag, in Afrika ankommt, sind Millionen von Menschen<br />

längst ihrer Ernährungsgrundlagen und Selbstversorgung beraubt.<br />

Von der folgenden Massenwanderung wird sich keine Festung<br />

Europa schützen können.<br />

Lothar Berger<br />

5|<strong>2016</strong> <strong>afrika</strong> <strong>süd</strong> 3


SÜDAFRIKA: KOMMUNALWAHLEN<br />

Denkzettel für den ANC<br />

DER ANC HAT BEI DEN KOMMUNALWAHLEN IN SÜDAFRIKA Stimmenverluste einstecken müssen. Er bleibt zwar<br />

mit 53,91 Prozent stärkste Kraft, er hat aber gegenüber 2011 (61,95%) acht Prozent eingebüßt.<br />

Zur Wahl am 3. August <strong>2016</strong> standen die<br />

Stadt und Gemeinderäte in acht Metropolen,<br />

44 Kreisgemeinden (district municipalities)<br />

und 207 Gemeinden (local municipalities).<br />

126 Gemeinden konnte der ANC direkt gewinnen,<br />

24 gingen an die Democratic Alliance.<br />

Die DA kann sich für den eigentlichen<br />

Wahlgewinner halten. Ihr Stimmenanteil<br />

stieg von 23,8 Prozent 2011 auf 26,89 Prozent<br />

<strong>2016</strong>. Das ist landesweit gesehen nicht<br />

viel, doch sie hat in Kapstadt ihre bisherige<br />

Mehrheit auf zwei Drittel der Sitze ausbauen<br />

und dem ANC auch die Mehrheit in Nelson<br />

Mandela Bay (Port Elizabeth) und vor allem<br />

in Tshwane (Pretoria) abnehmen können.<br />

Auch in Johannesburg verlor der ANC seine<br />

Regierungsmehrheit. Hier und in anderen<br />

Gemeinden konnten die Economic Freedom<br />

Fighters (EFF) zum entscheidenden Mehrheitsbeschaffer<br />

beim Machtwechsel werden,<br />

ohne eine Koalition mit der DA einzugehen.<br />

Die Minderheitsregierungen der DA in Gauteng<br />

und in Nelson Mandela Bay sind daher<br />

krisenanfällig und instabil. Über den Nacken<br />

der neuen DA-Bürgermeister hängt ein Damoklesschwert,<br />

das von den EFF kontrolliert<br />

wird. Die Partei, die sich unter Julius Malema<br />

von der ANC-Jugendliga abgespalten hatte,<br />

wurde mit 8,2 Prozent drittstärkste Kraft der<br />

Kommunalwahlen, konnte aber keine Gemeinde<br />

direkt gewinnen. Das gelang sonst<br />

nur noch der Inkatha Freedom Party, die mit<br />

landesweit 4,25 Prozent acht Gemeinden in<br />

KwaZulu-Natal direkt eroberte.<br />

Der ANC hat nur noch in drei der acht Metropolen<br />

eine absolute Mehrheit, 2011 waren<br />

es noch sieben. In Johannesburg gewann der<br />

ANC 121 Sitze, die DA 104, die EFF 30 und die<br />

anderen Kleinparteien 15. Für eine siegreiche<br />

Bürgermeisterwahl brauchte eine Partei 136<br />

Stimmen. Eigentlich hatte Johannesburg<br />

mit Parks Tau einen erfahrenen Bürgermeister,<br />

der für eine nicht korrupte Stadtregierung<br />

stand. Seine Kompetenz wird allgemein<br />

anerkannt. Obwohl Tau als persönlich<br />

sympathischer und aufrechter Politiker gilt,<br />

wollten die EFF dem ANC nicht zur Macht<br />

verhelfen. Also stimmte die Partei für den<br />

DA-Kandidaten Herman Mashaba, obwohl<br />

sie diesen eigentlich als „Kapitalisten, der<br />

Schwarze nicht respektiert“, kritisiert hatte.<br />

Doch die EEF sehen ihr Hauptziel darin, den<br />

ANC von der Macht zu drängen. Die DA-Minderheitsregierung<br />

kann von den EFF-Ratsfraktionen<br />

erpresst werden.<br />

In Gauteng hat der ANC nur noch 46 Prozent<br />

der Stimmen eingefahren, ein herber<br />

Verlust gegenüber den 60 Prozent von 2011<br />

in einer Provinz, in der 35 Prozent des Bruttoinlandprodukts<br />

Süd<strong>afrika</strong>s erwirtschaftet<br />

werden. Ein Zweig des Gauteng-ANC hatte<br />

schon im April <strong>2016</strong> dafür votiert, Zuma als<br />

Parteivorsitzenden und Präsidenten abzusetzen<br />

(news24.com vom 31.8.16). Dieser<br />

rächt sich, indem er die Führung des ANC<br />

in Gauteng auswechseln und mit „seinen“<br />

Leuten bestücken will. Kürzlich sagte der<br />

ANC-Vorsitzende in Gauteng, Paul Mashatile,<br />

der ANC leide unter Fraktionskämpfen,<br />

lähmenden Spaltungen und mangelnder<br />

Disziplin. „Wir sind vom Kurs abgewichen,<br />

und das Schiff des ANC befindet sich in stürmischen<br />

Gewässern. Kurz: wir sind in schwerer<br />

Not.“ (Daily Maverick, 4.9.<strong>2016</strong>)<br />

Zerstört sich der ANC selbst?<br />

Was hat zum schlechten Abschneiden des<br />

ANC geführt? Der Direktor der School of Governance<br />

der Wits-Universität in Johannesburg,<br />

David Everatt, behauptet , ohne das<br />

wirklich zu belegen, der ANC sei in zwei Fraktionen<br />

gespalten. (fin24.com, 31.8.<strong>2016</strong>) Die<br />

eine Fraktion sähe den ANC in einer ländlich<br />

geprägten, konservativen Zukunft, die andere<br />

Fraktion bestehe aus städtischen Modernisierern.<br />

Erstere sehe sich als „sons of the<br />

soil“ und bestehe aus loyalen Mitgliedern einer<br />

autoritären Partei, die andere setzte sich<br />

aus den „clever blacks“ zusammen, die sich<br />

vom modernen Leben verführen ließen und<br />

keine kulturellen Wurzeln mehr hätten. Allerdings<br />

macht die These wenig Sinn, denn<br />

auch den konservativsten ANC-Politikern<br />

dürfte klar sein, dass nur noch 35 Prozent<br />

der Bevölkerung auf dem Land leben. Zudem<br />

zeigen Wahlanalysen, dass der ANC auch in<br />

eher ländlichen Räumen erheblich an Wählergunst<br />

eingebüßt hat. Im Oranje-Freistaat<br />

verlor der ANC 13,34 Prozent der Stimmen,<br />

in Nord-West ganze 19 Prozent und im Nordkap<br />

immer noch acht Prozent. Die Verluste<br />

des ANC sind also flächendeckend. Von den<br />

42,3 Prozent der registrierten Wähler, die<br />

nicht zur Wahl gegangen sind, gehört die<br />

Mehrheit zu den städtischen Armen. Umso<br />

schwerer wogen daher die Stimmen der aspiranten<br />

schwarzen Kleinbourgeoisie (die<br />

„clever blacks“).<br />

Das Hauptproblem heißt also, wie ist die<br />

Zukunft zu gestalten? Eine Strategie des<br />

untergehenden Apartheidregimes war die<br />

Spaltung der schwarzen Arbeiterschaft in<br />

8 <strong>afrika</strong> <strong>süd</strong> 5|<strong>2016</strong>


SÜDAFRIKA: KOMMUNALWAHLEN<br />

angelernte Arbeiter mit Aufenthaltsrechten<br />

und ungelernten temporären Migranten, die<br />

ohne Arbeitsvertrag und ohne Unterkunft<br />

nach Arbeit suchen mussten. Die Städte waren<br />

nicht daran interessiert, ihre begrenzten<br />

Bauflächen von Armen besiedeln lassen, sie<br />

bevorzugten Steuern zahlende Industrien<br />

bzw. Bürger. Wer ein Aufenthaltsrecht im<br />

begrenzten weißen Gebiet besaß und sich<br />

Hoffnungen auf einen Aufstieg in die Kleinbürgerklasse<br />

machte, erhielt auf dem privatisierten<br />

Immobilienmarkt ein festes Haus<br />

zu subventionierten Preisen. Der politische<br />

Preis war klar: Unterstützung des Apartheidsystems<br />

auf Kosten der zu kurz kommenden<br />

Migranten aus den sogenannten<br />

„Bantustans“. Die ungelernten Arbeitskräfte<br />

wurden in die Selbsthilfe-Siedlungen mit<br />

minimalen Serviceleistungen der Kommune<br />

abgedrängt. Und der „hässliche Rest“ musste<br />

in schnell wachsende Squatter-Siedlungen<br />

an den urbanen Peripherien.<br />

Trotz des Boykotts der eingerichteten<br />

Dienstleitungen durch die Arbeiter in den<br />

schwarzen Kommunen hat das Gift der Klassendifferenzierung<br />

an der Solidarität der<br />

Unterdrückten genagt. Die Gewerkschaften<br />

ließen die Migranten in den Single-Sex-<br />

Hostels in den 1980er Jahren in Stich. Diese<br />

haben teilweise unter Führung der Inkatha<br />

gegen die aufsässigen Squatter-Camp-Bewohner<br />

gekämpft, während diese wiederum<br />

Raubzüge in die Häuser der aufstrebenden<br />

schwarzen Kleinbürger organisiert haben.<br />

Mike Morris und Doug Hindson schlugen<br />

1992 in einem Beitrag für South African Review<br />

6 daher vor, man müsse die Existenz<br />

unterschiedlicher Klasseninteressen unter<br />

den Unterdrückten akzeptieren, aber daran<br />

arbeiten, Kooperationsprojekte zwischen<br />

den Klassen aufzubauen, mit dem Ziel, die<br />

Exzesse des Marktes bzw. des Systems privaten<br />

Eigentums zu kontrollieren und in<br />

Grenzen zu halten.<br />

Der ANC ist dieses Problem nicht angegangen.<br />

Die schwarzen Haushalte in informellen<br />

Siedlungen und illegalen Squattercamps<br />

machen immer noch rund 27 Prozent<br />

der Metro-Haushalte aus. Ihre Bewohner<br />

sind frustriert, beteiligen sich daher entweder<br />

nicht mehr an den Wahlen oder sie unterstützen<br />

die Opposition. Ein für den ANC<br />

verlorenes Stimmenpotenzial.<br />

Eigentumstitel für die Armen<br />

Aus diesem Grunde raten Peter Bruce,<br />

Herausgeber des Wirtschaftsmagazins Financial<br />

Mail, und Allister Sparks vom Business<br />

Day der Democratic Alliance, die jetzt<br />

die Kontrolle über Kapstadt, Johannesburg,<br />

Tshwane und Nelson Mandela Bay hat,<br />

dass sie den Schwarzen in den städtischen<br />

informellen und illegalen Siedlungen das<br />

kleine Stück Land vermacht, auf dem ihre<br />

Blechhütte steht. Sie sollen darauf einen formellen<br />

Titel bekommen, der in einem städtischen<br />

Katasteramt verzeichnet wird. Mit<br />

dem Eigentumstitel sollen die Armen einen<br />

Anflug von Hoffnung bekommen. Sollten<br />

sie im Hinterhof von Eigentümern wohnen,<br />

müssten diese entschädigt werden. Das<br />

könnte der Beginn von einer inklusiv wachsenden<br />

Wirtschaft werden. Auch auf dem<br />

Land gehört den Leuten nicht das Grund-<br />

5|<strong>2016</strong> <strong>afrika</strong> <strong>süd</strong> 9


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