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afrika süd 2016-3

Die Fachzeitschrift zum Südlichen Afrika. Afrika Süd liefert kritische Hintergrundanalysen, stellt konkrete Projekte vor und lässt Akteure zu Wort kommen. // THEMEN DER AUSGABE: Die neue Ausgabe von afrika süd erinnert an den Soweto-Aufstand der Schülerinnen und Schüler im Juni 1976. Dieser Protest der Kinder und Jugendlichen gegen die rassistische Bildungspolitik gilt als Wendepunkt in der südafrikanischen Geschichte. Zu Wort kommen frühere Aktivisten/-innen und Menschen, sie halten die Erinnerung an die couragierten jungen Anti-Apartheid-Aktivisten wach. Auch für heutige Studierende ist der Soweto-Aufstand ein Bezugspunkt, der sie ermutigt, ihr Recht auf Bildung einzufordern. Davon berichten engagierte Studierende verschiedener Universitäten. Mit ihrem Studium verbinden sie viele Hoffnungen: Auswege aus Armut und Perspektivlosigkeit. Sie müssen hohe Hürden meisten, zu denen vielerorts noch immer mangelnde Stipendien und latent rassistische universitäre Milieus zählen. Mit großem Ideenreichtum setzen sich Lehrkräfte und Freiwillige ein, um die Schulbildung behinderter Kinder zu verbessern sowie den Umweltschutz in den Unterricht zu integrieren. Das Recht auf Bildung ist für sie ebenso ein Leitmotiv wie für Lehrer, die gegen Gewalt an Schulen vorgehen und Verbesserungen der schulischen Infrastruktur fordern. Weitere Themen im neuen Heft sind: Kupferminen und Rohstoffe in Sambia, Kohle und Platin in Südafrika, Verschwundene Milliarden in Angola (Panama Papers), Wahlkampf in der DR Kongo, Flüchtlinge in Tansania, Theater und Museen in Namibia und ein Interview mit dem simbabwischen Autor Tendai Huchu. // www.afrika-sued.org

Die Fachzeitschrift zum Südlichen Afrika. Afrika Süd liefert kritische Hintergrundanalysen, stellt konkrete Projekte vor und lässt Akteure zu Wort kommen. // THEMEN DER AUSGABE: Die neue Ausgabe von afrika süd erinnert an den Soweto-Aufstand der Schülerinnen und Schüler im Juni 1976. Dieser Protest der Kinder und Jugendlichen gegen die rassistische Bildungspolitik gilt als Wendepunkt in der südafrikanischen Geschichte. Zu Wort kommen frühere Aktivisten/-innen und Menschen, sie halten die Erinnerung an die couragierten jungen Anti-Apartheid-Aktivisten wach. Auch für heutige Studierende ist der Soweto-Aufstand ein Bezugspunkt, der sie ermutigt, ihr Recht auf Bildung einzufordern. Davon berichten engagierte Studierende verschiedener Universitäten. Mit ihrem Studium verbinden sie viele Hoffnungen: Auswege aus Armut und Perspektivlosigkeit. Sie müssen hohe Hürden meisten, zu denen vielerorts noch immer mangelnde Stipendien und latent rassistische universitäre Milieus zählen. Mit großem Ideenreichtum setzen sich Lehrkräfte und Freiwillige ein, um die Schulbildung behinderter Kinder zu verbessern sowie den Umweltschutz in den Unterricht zu integrieren. Das Recht auf Bildung ist für sie ebenso ein Leitmotiv wie für Lehrer, die gegen Gewalt an Schulen vorgehen und Verbesserungen der schulischen Infrastruktur fordern. Weitere Themen im neuen Heft sind: Kupferminen und Rohstoffe in Sambia, Kohle und Platin in Südafrika, Verschwundene Milliarden in Angola (Panama Papers), Wahlkampf in der DR Kongo, Flüchtlinge in Tansania, Theater und Museen in Namibia und ein Interview mit dem simbabwischen Autor Tendai Huchu. // www.afrika-sued.org

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Mai/Juni <strong>2016</strong><br />

45. Jahrgang | Nr. 3<br />

Zeitschrift zum <strong>süd</strong>lichen Afrika.<br />

SCHWERPUNKT SÜDAFRIKA:<br />

Recht auf Bildung<br />

ANGOLA:<br />

Fünf Milliarden verschwunden?<br />

TANSANIA:<br />

Ost<strong>afrika</strong>nische Flüchtlinge


INHALT<br />

Fotos: R. Kesselring, J. Zeller, C. Marx<br />

16 ALLTAG AN DER MINENFRONTIER 50 GESCHICHTE IN GEISELHAFT<br />

In diesem Heft<br />

03 SOWETO UND DAS RECHT AUF<br />

BILDUNG<br />

Vor vierzig Jahren riskierten Jungen und<br />

Mädchen mit ihren Kampf für bessere<br />

Bildung ihr Leben. Rita Schäfer erinnert<br />

daran.<br />

04 AKTUELL<br />

SÜDAFRIKA<br />

08 AUSBAU DER KOHLE – EINE ENTWICK-<br />

LUNGSCHANCE FÜR SÜDAFRIKA?<br />

Melanie Müller erforscht umstrittene<br />

neue Kohlekraftwerke und Verwicklungen<br />

deutscher Unternehmen in deren<br />

Bau.<br />

11 BASF, LONMIN UND DAS MASSAKER<br />

VON MARIKANA<br />

Während der diesjährigen BASF-Aktionärsversammlung<br />

erhoben Witwen<br />

des Marikana-Massakers und Bischof<br />

Jo Seoka ihre Stimmen. Carla Schaffner<br />

skizziert die Kontexte.<br />

SAMBIA<br />

14 DER POLITISCHE KAMPF MIT MULTINA-<br />

TIONALEN ROHSTOFFKONZERNEN<br />

Ester Uzar ergründet das Verhältnis von<br />

Politik und Kupferkonzernen im Vorfeld<br />

der Wahlen in Sambia.<br />

16 ALLTAG AN DER MINENFRONTIER<br />

Über das Arbeiten und Leben in neuen<br />

Minenstädten in Sambias Nordwestprovinz<br />

berichtet Rita Kesselring.<br />

ANGOLA: PANAMA PAPERS<br />

39 FÜNF MILLIARDEN VERSCHWUNDEN?<br />

Die Panama Papers belegen, was<br />

frühere Recherchen schon vermuteten:<br />

Angolas Staatsfonds ist in ein System<br />

von Briefkastenfirmen eingebun-<br />

den und alles andere als transparent,<br />

schreibt Khadija Sharife.<br />

DR KONGO<br />

42 UMSTRITTENE WAHLEN<br />

Das Machtfeld zwischen Regierung und<br />

Oppositionsparteien in der DR Kongo<br />

misst Christoph Vogel in einem Gespräch<br />

mit <strong>afrika</strong> <strong>süd</strong> aus.<br />

44 JUSTIZ GEGEN OPPOSITIONELLE<br />

Berichte zum Vorgehen des Staates<br />

gegen Oppositionelle hat Rita Schäfer<br />

zusammengestellt.<br />

TANSANIA<br />

45 OSTAFRIKAS FLÜCHTLINGE<br />

Hanno Brankamp analysiert die tansanische<br />

Flüchtlingspolitik und schildert<br />

insbesondere die Situation der Burundier.<br />

NAMIBIA<br />

48 ICH WUSSTE NUR, DASS SIE ANDERS<br />

WAREN<br />

Der Dramaturg und Performer Ndinomholo<br />

Ndilula über das Theaterstück<br />

Oshi-Deutsch: Die Kinder von<br />

Namibia. Von Marie Senf.<br />

50 GESCHICHTE IN GEISELHAFT<br />

Das Unabhängigkeitsmuseum in Windhoek<br />

wurde von Nordkoreanern gestaltet.<br />

Eine Polemik von Joachim Zeller.<br />

SIMBABWE: LITERATUR<br />

52 MAESTRO, MAGISTRAT UND MATHE-<br />

MATHIKER<br />

Manfred Loimeier im Gespräch mit<br />

dem Autor Tendai Huchu.<br />

SERVICE<br />

54 REZENSIONEN<br />

SOWETO UND DAS RECHT AUF BILDUNG<br />

20 DER SOWETO-AUFSTAND – INBEGRIFF<br />

JUGENDLICHER BEFREIUNG<br />

Christoph Marx ordnet die Proteste<br />

der Schülerinnen und Schüler 1976 in<br />

historische Kontexte ein.<br />

24 40 JAHRE SOWETO-AUFSTAND –<br />

GEDENKEN VOR ORT<br />

Erinnerungen früherer Aktivisten<br />

und Stimmen heutiger Schüler/innen<br />

zeichnet Freedom Ngubonde auf.<br />

25 SCHREIBEN, UM DEN AUGENBLICK<br />

FESTZUHALTEN<br />

Fred Khumalo über literarischen Aktivismus<br />

nach dem Soweto-Aufstand.<br />

26 2015: JAHR DER STUDIERENDEN<br />

Die Studentin Dimpho Mashile berichtet<br />

über ihr Studium und Kämpfe gegen<br />

Diskriminierung in Stellenbosch.<br />

28 STUDENTENPROTESTE IN DURBAN<br />

Jorim Gerrard hat als Gaststudent in<br />

Durban Dozenten und Studierenden<br />

zugehört.<br />

30 FORSCHEN UND PROTESTIEREN IN<br />

KAPSTADT<br />

Wie kritische Wissenschaft zur Überwindung<br />

von Unterdrückung beitragen<br />

kann, reflektiert Sonwabiso<br />

Ngcowa.<br />

31 RUGBY-GEWALT IN SCHULEN<br />

Stefan Knoppersen zeigt die Abgründe<br />

des aggressiven Schulsports auf.<br />

33 VOM ROTKOHL ZUM REGENBOGEN<br />

– MIT EINEM AUGENZWINKERN<br />

GRENZEN ÜBERSCHREITEN<br />

Innovative Garten- und Kunstprogramme<br />

an Integrationsschulen<br />

begleiten Vera Dwors und Almud<br />

Pollmeier.<br />

36 WAS JUGENDLICHE MIT UMWELTBIL-<br />

DUNG VERÄNDERN KÖNNEN<br />

Neue Pfade im schulischen und außerschulischen<br />

Umweltschutz beschreitet<br />

Lucky Maisanye.<br />

38 RISSE IN DER WAND<br />

Für menschenwürdige Schulen und<br />

das Recht auf Bildung setzen sich Lisa<br />

Draga und Chandre Stuurman ein.<br />

2 <strong>afrika</strong> <strong>süd</strong> 3|<strong>2016</strong>


EDITORIAL<br />

Soweto und das Recht auf Bildung<br />

AM 16. JUNI <strong>2016</strong> JÄHRT SICH DER AUFSTAND VON SCHÜLE-<br />

RINNEN UND SCHÜLERN AUS SOWETO, einer Township <strong>süd</strong>lich von<br />

Johannesburg. Vor genau 40 Jahren war dieser Protest für bessere<br />

Bildung der Wendepunkt in der Geschichte Süd<strong>afrika</strong>s, denn die<br />

Apartheidpolizei schoss die friedlich demonstrierenden Kinder und<br />

Jugendlichen nieder. Hunderte starben, Tausende wurden verletzt,<br />

weitere Tausende inhaftiert. Die internationale Öffentlichkeit wurde<br />

wachgerüttelt und der Widerstand gegen das rassistische Apartheidregime<br />

formierte sich national und international neu. Während<br />

viele schwarze Jugendliche anschließend heimlich das Land verließen<br />

und in den Untergrund gingen, verschärfte dar Apartheidstaat<br />

seine gewaltsame Repression und Polizeiwillkür – insbesondere gegen<br />

junge Menschen. In etlichen europäischen Ländern, in Kanada<br />

und Neuseeland vernetzte sich die Anti-Apartheidbewegung – zumeist<br />

von jungen Unterstützer/innen der Befreiungsbewegungen<br />

getragen.<br />

Rückbezüge auf den Soweto-Aufstand von 1976 sind von elementarer<br />

Bedeutung für heutige Jugendliche und Studierende in Süd<strong>afrika</strong>;<br />

sie verlangen Gerechtigkeit im Zugang zu Bildung. Das betrifft<br />

die hohen Kosten für das Studium, die viele schwarze Studierende<br />

nicht aufbringen können. Sie kommen nach wie vor aus armen Familien<br />

und nur wenige erhalten Stipendien.<br />

Die Proteste von Schüler/-innen und Studierenden richten sich<br />

seit letztem Jahr auch gegen unfaire Löhne für das Wach- und Reinigungspersonal<br />

an Universitäten, zumal finanzielle Probleme deren<br />

Kindern den Zugang zu höherer Bildung erschweren. Zudem prangern<br />

die Studierenden Korruption im Bildungssektor und in anderen<br />

Bereichen der öffentlichen Verwaltung und Infrastruktur an – und<br />

zwar nicht nur im Vorfeld der diesjährigen Kommunalwahlen. Mit<br />

diesen Forderungen halten sie der Regierung unter Präsident Jacob<br />

Zuma den Spiegel vor, weil die Regierungspartei African National<br />

Congress (ANC) ihre Reformen und Verbesserungen im Bildungssektor<br />

seit 1994 rühmt. Sowohl die Regierung als auch die protestierenden<br />

Studierenden beziehen sich auf die Überwindung von Diskriminierung<br />

und das Recht auf Bildung.<br />

Zwar weist Süd<strong>afrika</strong> im <strong>afrika</strong>nischen und weltweiten Vergleich<br />

einen hohen Bildungsetat aus, dennoch beeinträchtigen Defizite im<br />

Unterrichtsniveau, zahlreiche Gewaltformen an Schulen und unfreiwillige<br />

Teenagerschwangerschaften das Erreichen der Bildungsziele.<br />

Etliche Kinder und Jugendliche brechen ihre Schulausbildung ab,<br />

weil sie die Prüfungen nicht bestehen, Lehrer inkompetent sind, Unterrichtsmaterialien<br />

fehlen, ein Klima der Einschüchterungen vorherrscht<br />

oder weil Armut und Krankheiten ihre Zukunftsperspektiven<br />

rauben. Das sind keineswegs nur <strong>süd</strong><strong>afrika</strong>nische Probleme,<br />

doch hier sind die Kinder derjenigen betroffen, die für die Freiheit<br />

des Landes kämpften.<br />

Der Schüleraufstand von Soweto 1976 ist nicht nur für Süd<strong>afrika</strong><br />

bedeutend, er hatte Signalwirkung. Denn er war einer der ersten<br />

großen Jugendproteste auf dem <strong>afrika</strong>nischen Kontinent, dem in<br />

den 1990er Jahren Demokratiebewegungen von jungen Leuten beispielsweise<br />

in West<strong>afrika</strong> folgten. Der sogenannte „Arabische Frühling“<br />

in einigen nord<strong>afrika</strong>nischen Ländern war keineswegs ein isoliertes<br />

politisches Ereignis. Auch bei den Regimewechseln in Burkina<br />

Faso und im Senegal in den letzten Jahren waren junge Menschen<br />

die zentralen Akteure.<br />

Demgegenüber lassen machtgierige Präsidenten, oft ältere selbstherrliche<br />

Männer, die Verfassungen und Gesetze ihrer Länder beugen,<br />

protestierende junge Menschen brutal niederschießen oder in<br />

verrotteten Gefängnissen umkommen, wie in Burundi und der DR<br />

Kongo. Diplomaten auf dem Kontinent und die Weltgemeinschaft<br />

schauen weitgehend tatenlos zu.<br />

Couragiertes Demokratiestreben von Jugendlichen in <strong>afrika</strong>nischen<br />

Ländern hat Geschichte, die sollten wir kennenlernen oder<br />

in Erinnerung rufen. Deshalb ist die Auseinandersetzung mit dem<br />

Soweto-Aufstand und heutigen Studierenden-Protesten in Süd<strong>afrika</strong><br />

wichtig. Ihre verzweifelten Forderungen nach guter Bildung<br />

und Gerechtigkeit fordern die Regierenden in vielen Staaten heraus;<br />

sie können beweisen, ob sie die eigenen jungen Bürgerinnen und<br />

Bürger als gefährliche Feinde oder die kostbare Zukunft ihrer Länder<br />

betrachten. Und wenn die internationale Diplomatie weiter in<br />

lächerlicher Leisetreterei gegenüber Despoten besteht, müssen wir<br />

uns nicht wundern, dass junge unbegleitete Flüchtlinge aus Afrika<br />

an unsere Türen klopfen.<br />

>> Rita Schäfer<br />

3|<strong>2016</strong> <strong>afrika</strong> <strong>süd</strong> 3


LÄNDERZEILE<br />

SÜDAFRIKA<br />

[1]<br />

Ausbau der Kohle – eine Entwicklungschance<br />

für Süd<strong>afrika</strong>?<br />

SÜDAFRIKA SETZT AUF KOHLE: Die Regierung hat im Anschluss an die Pariser Klimaverhandlungen im Dezember<br />

2015 einen nationalen Klimaschutzplan vorgelegt. Doch gleichzeitig werden zwei große Kohlekraftwerke in Süd<strong>afrika</strong><br />

gebaut. Daran sind deutsche Unternehmen und Banken beteiligt.<br />

Süd<strong>afrika</strong>s nationaler Klimaschutzplan<br />

(Intended Nationally Determined Contributions,<br />

INDC) gilt als ambitioniert.<br />

Gleichzeitig steht das Land weiter vor der<br />

Herausforderung, die Ziele des nationalen<br />

Entwicklungsplans 2030 umzusetzen. Dafür<br />

misst die Regierung der Ausweitung des<br />

Kohlebergbaus, der Elektrifizierung und der<br />

Stärkung Süd<strong>afrika</strong>s als Industriestandort<br />

zentrale Bedeutung bei. Orientiert am offiziellen<br />

Ziel, die wirtschaftliche Entwicklung<br />

des Landes zu fördern, erweitert der<br />

halbstaatliche Energieversorger Eskom den<br />

Kraftwerkspark.<br />

Mit den beiden Kraftwerken Kusile in der<br />

Provinz Mpumalanga sowie mit Medupi<br />

in der Provinz Limpopo baut Eskom gerade<br />

zwei der größten Kohlekraftwerke der Welt.<br />

Technische und finanzielle Unterstützung<br />

leisten deutsche Unternehmen, die KfW<br />

IPEX-Bank sowie die deutsche Bundesregierung.<br />

Beide Kraftwerke verfügen über<br />

sechs Kraftwerkseinheiten und sollen eine<br />

Leistung von 4.800 MW bringen. Die <strong>süd</strong><strong>afrika</strong>nische<br />

Regierung argumentiert, dass<br />

sie mit modernen Technologien ausgestattet<br />

seien, somit alte und marode Kraftwerke<br />

mit hohem Verbrauch abgeschaltet werden<br />

können und der Bau Entwicklungschancen<br />

für die beiden Provinzen berge. Doch zeigt<br />

eine kürzlich erschienene Studie von Misereor:<br />

Die Süd<strong>afrika</strong>ner/innen erleiden in den<br />

vom Kraftwerksbau betroffenen Regionen<br />

massive Nachteile und die Einhaltung von<br />

Menschenrechten ist gefährdet.<br />

Ausweitung des Bergbaus in Limpopo<br />

In Limpopo gab es mit dem Kraftwerk Matimba<br />

bislang nur ein Kohlekraftwerk. Im<br />

März 2015 ist der erste Kraftwerksblock von<br />

Medupi ans Stromnetz gegangen, zwei Jahre<br />

später als ursprünglich geplant. Bis ins Jahr<br />

2019 sollen die anderen Blöcke Schritt für<br />

Schritt folgen, insofern keine weiteren Verzögerungen<br />

entstehen. Laut einer Übersicht<br />

des <strong>süd</strong><strong>afrika</strong>nischen Department of Mine-<br />

ral Resources von Januar <strong>2016</strong> sind derzeit<br />

sechs Kohleminen in der Provinz Limpopo in<br />

Betrieb.<br />

Die Gemeindeverwaltung Lephalale, in deren<br />

Gebiet Medupi errichtet wird, beschreibt<br />

auf ihrer Webseite die zentralen Ziele der<br />

wirtschaftlichen Entwicklung bis zum Jahr<br />

2025: Steigerung der Kohleproduktion von<br />

16 Mio. Tonnen pro Jahr auf 100 Mio. Tonnen<br />

pro Jahr, Bau bis zu fünf neuer Kraftwerke<br />

und Ansiedlung petrochemischer Industrie.<br />

Damit verbunden ist eine Verdopplung der<br />

Bevölkerung von derzeit 120.000 Einwohner/innen<br />

auf 240.000. Der Bau von Medupi<br />

ist also aller Wahrscheinlichkeit nach<br />

nur der Startschuss für die Ausweitung des<br />

Bergbaus in der Region, hat die Situation in<br />

der betroffenen Stadt Lephalale aber bereits<br />

verschärft.<br />

Bei Interviews für die Misereor-Studie in<br />

dem vom Kraftwerksbau betroffenen Siedlungen<br />

Marapong, Steenbokpan oder Ma-<br />

Mojela Park wird die große Enttäuschung<br />

8 <strong>afrika</strong> <strong>süd</strong> 3|<strong>2016</strong>


SÜDAFRIKA<br />

der Menschen vor Ort deutlich. Sie hatten sich Arbeitsplätze<br />

erhofft. Doch haben nur wenige Menschen<br />

einen Arbeitsplatz in Medupi gefunden. Sie beklagen,<br />

dass Arbeiter/innen aus anderen Regionen des Landes<br />

oder auch den Nachbarländern eingestellt wurden.<br />

Seit Beginn des Kraftwerksbau verzeichnet die Region<br />

starke Zuzüge neuer Einwohner/innen bei gleichzeitig<br />

nur geringem Ausbau der lokalen Infrastruktur.<br />

Die Menschenrechte auf Wasser, Gesundheit, angemessenes<br />

Wohnen und Infrastruktur sind dadurch gefährdet.<br />

Im Kontext des Kraftwerkbaus von Medupi<br />

wurden kulturelle Menschenrechte bereits verletzt.<br />

Denn ohne angemessene Konsultation und Entschädigung<br />

wurden Grabstätten und Stätten zerstört, die<br />

für die kulturelle und religiöse Identität und Praktiken<br />

der Bevölkerung wichtig sind. Dies hat auch die African<br />

Development Bank in einem Report aus dem Jahr<br />

2011 bereits belegt, die <strong>süd</strong><strong>afrika</strong>nische Regierung hat<br />

diese Verstöße mittlerweile anerkannt. Hinzu kommt,<br />

dass einige Gemeinden um die Kraftwerke herum<br />

gar nicht an das Stromnetz angeschlossen sind – der<br />

Strom wird in andere Regionen des Landes transportiert<br />

und dort genutzt, teilweise für die Industrie.<br />

Ein zentrales Problem beim Kraftwerksbau von<br />

Medupi stellt der nachträgliche Einbau einer Rauchgasentschwefelungsanlage<br />

dar. Diese ist zwar wichtig,<br />

um die Emissionsstandards in der Region und<br />

den Schaden für die Gesundheit der Bevölkerung zu<br />

begrenzen. Doch werden die Grenzwerte durch den<br />

Bau des Kraftwerks in der Region aller Voraussicht<br />

nach trotzdem überschritten werden. Zudem wurde<br />

ein Nassreinigungsverfahren bei der Anlage gewählt.<br />

Dieses ist kostengünstiger als das Trockenreinigungsverfahren,<br />

doch ist der Betrieb nur mit einem hohen<br />

Wasserbedarf zu gewährleisten. Dies hat wiederum<br />

negative Auswirkungen auf die problematische Wassersituation<br />

und wird die ohnehin schon schwierige<br />

Versorgungslage der Bevölkerung in der Region weiter<br />

verstärken. Süd<strong>afrika</strong>nische Nichtregierungsorganisationen<br />

und die lokale Bevölkerung fürchten, dass<br />

aus der Limpopo-Provinz ein zweites Mpumalanga<br />

werden wird. Dort sind die gravierenden Schäden des<br />

Kohlebergbaus bereits deutlich.<br />

Gravierende Probleme durch Bergbau in Mpumalanga<br />

Die Provinz Mpumalanga, wo das Kohlekraftwerk<br />

Kusile gebaut wird, hat bereits eine lange Geschichte<br />

des Kohlebergbaus hinter sich. In den Kohlefeldern um<br />

Witbank, Highveld und Ermelo wird der Großteil der<br />

<strong>süd</strong><strong>afrika</strong>nischen Kohle abgebaut, die unter anderem<br />

auch nach Deutschland exportiert wird. Darüber hinaus<br />

gibt es 22 Kohlezechen in der Region und mehrere<br />

Kohlekraftwerke sowie die Stahlindustrie, die ebenfalls<br />

Kohle benötigt. Hinzu kommen über 600 Minen,<br />

die nach der Apartheid von ihren früheren Betreiber/<br />

innen verlassen und bis heute nicht rehabilitiert bzw.<br />

rekultiviert wurden. Die Mischung von Folgeschäden<br />

aus alten Minen und dem Neubau des Kraftwerks sowie<br />

der damit verbundenen Erschließung neuer Minen<br />

verschärft die ohnehin schon ökologischen und<br />

gesundheitlichen Probleme in der Region.<br />

Bereits jetzt ist die Region von Wasserknappheit<br />

betroffen, allen voran die Stadt eMalahleni, was übersetzt<br />

„Stadt der Kohle“ heißt. Das Wasser in den Flüssen<br />

rund um das Kraftwerk Kusile kann aufgrund<br />

seiner starken Verschmutzung nicht mehr als Kühlwasser<br />

für das Kraftwerk genutzt werden.<br />

Die Verschmutzung ist auch ein Produkt der unrehabilitierten<br />

Minen in der Region. Saure Grubenab-<br />

[2]<br />

3|<strong>2016</strong> <strong>afrika</strong> <strong>süd</strong> 9


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