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Zwischen Gloria Brand Malerei Helmut Dirnaichner und Jo ...

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16 <strong>Helmut</strong> <strong>Dirnaichner</strong><br />

Terrae M<strong>und</strong>i<br />

2002<br />

Künstlerbuch mit 12 Doppelseiten<br />

<strong>und</strong> Text in Blindprägung<br />

23 x 46 cm<br />

Detail: mexikanische Erden<br />

Sumpferde, Zellulose<br />

Raumbezogen sind <strong>Dirnaichner</strong>s Arbeiten<br />

in mehrfacher Hinsicht: sowohl was ihre<br />

Mikrostruktur betrifft, die eine Symbiose<br />

darstellt aus kristallinen Mineralien <strong>und</strong><br />

diese bindenden ZeIlstoff-Fasern, als<br />

auch den objekthaften Charakter der<br />

so entstandenen Blätter, in denen es<br />

keinen Bildträger gibt, in denen Form,<br />

Farbe <strong>und</strong> Materie ein <strong>und</strong> dasselbe<br />

sind. (...)<br />

Keinesfalls geht es <strong>Dirnaichner</strong> bei seinem<br />

Umgang mit Erden <strong>und</strong> Steinen um<br />

'Nutzung', um die Gewinnung von Pigmenten.<br />

<strong>Dirnaichner</strong> ist kein monochromer<br />

Maler. Zwar hat sich seine Arbeit<br />

aus der <strong>Malerei</strong> entwickelt, aber sie hat<br />

deren Gattungsgrenzen längst hinter<br />

sich gelassen, weist sowohl in ihrer<br />

Mikrostruktur als auch in ihrer Präsenz<br />

im Raum objekthafte, skulpturale<br />

Qualität auf – eine <strong>Zwischen</strong>stellung<br />

mithin, auf die keiner der gängigen<br />

Gattungsbegriffe so recht zutrifft.<br />

<strong>Dirnaichner</strong>s Kunst steht somit im<br />

Kontext dessen, was in seiner Generation<br />

auf dem Gebiet der Kunst an<br />

Neuem entwickelt wurde: minimalistische<br />

Tendenzen, ein radikales Insistieren auf<br />

der Autonomie des Bildes bei gleichzeitig<br />

gesteigertem Interesse an elementaren<br />

Gegebenheiten des Natürlichen, des<br />

Materiellen, des Prozesshaften, auch an<br />

Vorgängen der Zerstörung als Element<br />

des gestalterischen Aktes, an der Dimension<br />

Zeit, überhaupt einer neuen<br />

Bedeutung des im weitesten Sinne<br />

Kontextuellen. (...)<br />

<strong>Dirnaichner</strong> beschreitet eigene, unverwechselbare<br />

Wege. Die Materie, die er<br />

bearbeitet, ist gleichzeitig Mittel <strong>und</strong><br />

Gegenstand seines Schaffens. In aller<br />

Regel handelt es sich dabei nicht um<br />

'anonyme' Materialien. Vielmehr stammen<br />

sie von Orten, die der Künstler<br />

selbst bereist <strong>und</strong> erforscht hat, sind für<br />

ihn Verdichtung <strong>und</strong> Extrakt einer<br />

Region <strong>und</strong> ihrer komplexen, mit allen<br />

Sinnen wahrgenommenen, auch gedanklich<br />

reflektierten Eigenart <strong>und</strong><br />

Geschichte, Träger von Bedeutung <strong>und</strong><br />

Erinnerung, Auslöser vielfältiger<br />

Assoziationen. (...)<br />

<strong>Dirnaichner</strong>s Arbeiten erzählen Geschichten,<br />

sind selbst – im wörtlichen<br />

Sinn – 'Ge-schichte'. Da ist zum einen<br />

die uralte Geschichte der in Jahrmillionen<br />

'geschichteten' Mineralien.<br />

<strong>Dirnaichner</strong> erzählt sie neu, öffnet den<br />

Stein, zerkleinert die Materie, um ihre<br />

Mikrostruktur zu erschliessen, erweckt<br />

aus der Zerstörung neues Leben, im<br />

wörtlichen Sinne als »Neu-Schöpfung«<br />

<strong>und</strong> »Schöpfungsgleichnis« (Paul Klee).<br />

<strong>Dirnaichner</strong>s Bildobjekte werden so vor<br />

der Wand befestigt, dass ein kleiner,<br />

dennoch spürbarer Abstand zu dieser<br />

bleibt <strong>und</strong> so eine räumliche Spannung<br />

entstehen lässt, die das Objekt zwar von<br />

der Wand trennt, diese aber gerade<br />

dadurch zum Bestandteil der Arbeit<br />

macht. Dabei werden <strong>Zwischen</strong>räume,<br />

Durchblicke – etwa bei ringförmigen<br />

Blättern – <strong>und</strong> Schattenwirkungen als<br />

gestalterische Komponenten bewusst<br />

einbezogen. (...)<br />

Das Prozesshafte von <strong>Dirnaichner</strong>s<br />

Schaffen wird – ebenso wie das Skulpturale<br />

– besonders deutlich bei der<br />

Werkgruppe der Stelen aus festem<br />

Stein, aus Bohrkernen oder auch Kunstprodukten,<br />

F<strong>und</strong>stücken, Säulenresten,<br />

Resultaten also sowohl geologischer<br />

Prozesse als auch bereits menschlicher<br />

Zurichtung, auf die der Künstler dünne<br />

Scheiben aus in Zellstoff geb<strong>und</strong>ener<br />

Mineralsubstanz oder Sumpf-Erde<br />

schichtet, so gleichsam den Prozess der<br />

Sedimentation nacherzählend im<br />

Auflösen des Festen, in der Rückführung<br />

der Materie auf den Aggregatzustand<br />

des Wandels, des Werdens <strong>und</strong> Vergehens.<br />

Der ambivalente Charakter dieser<br />

'Materia instabilis' verkörpert in sich<br />

selbst das Prozesshafte, ist fruchtbar,<br />

Leben spendend <strong>und</strong> Leben bedrohend<br />

zugleich, eine Materie, in der man sich<br />

weder stehend noch schwimmend<br />

behaupten kann – amphibische Verbindung<br />

von Erde <strong>und</strong> Wasser. (...)<br />

Das Mobile steigert <strong>Dirnaichner</strong>s Intention,<br />

das Schwere leicht zu machen,<br />

die Materie zu transformieren, in einer<br />

Weise, die über das bisher Erarbeitete<br />

weit hinausgeht. Die inhaltlichen <strong>und</strong><br />

formalen Raumbezüge der bisherigen<br />

Arbeiten werden um die Komponente<br />

der Bewegung, der Zeit, der Veränderung<br />

bereichert. Verglichen mit den<br />

unmittelbar zuvor entstandenen stelenförmigen<br />

Skulpturen könnte man auch

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