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Neue Szene Augsburg 2016-11

Das Stadtmagazin für Augsburg

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46Cinerama<br />

LES SAUTEURS –<br />

THOSE WHO JUMP<br />

Regie: Abou Bakar Sidibé, Moritz<br />

Siebert, Estephan Wagner<br />

„Les Sauteurs“ ist eine Grenzüberschreitung<br />

auf mehreren Ebenen:<br />

Zunächst einmal ist das Sujet ganz<br />

konkret ein dokumentarisches, welches<br />

real vorgefundene Episoden entlang<br />

einer real existierenden Grenze zu uns<br />

dringen lässt. Allein dazu hatte notwendigerweise<br />

schon ein Schritt über<br />

jene Grenze stattfinden müssen. Jene<br />

Grenze, das ist die Grenze zu Europa,<br />

die in Marokko mit einem dreiteiligen<br />

Mauersystem den Weg in die spanische<br />

Enklave Melilla versperrt. Ein Schritt,<br />

der dem aus Mali stammenden Abou<br />

Bakar Sidibé schließlich gelang – nach<br />

etlichen gescheiterten Anläufen und<br />

monatelangem Ausharren auf dem<br />

Berg Gurugu, die Festung Europa<br />

immer im Blick. Sidibé bekam dort<br />

von dem deutsch-dänischen Filmteam<br />

kurzerhand eine Kamera überreicht,<br />

um seine Schritte und Gedanken zu<br />

dokumentieren. Statt als Objekt der<br />

Beobachtung zu dienen, war der Mann<br />

zum Autor und Regisseur ernannt worden.<br />

Ein Mauerfall von einem Film. (fs)<br />

(Kinostart: 17.<strong>11</strong>.)<br />

<br />

SOY NERO<br />

Regie: Rafi Pitts<br />

mit: Johnny Ortiz, Rory Cochrane, Aml<br />

Ameen, Darrell-Britt Gibson u.a.<br />

Noch mehr Grenzen, noch mehr Überschreitungen,<br />

noch mehr Ungewissheiten:<br />

Im neuen Werk von Rafi Pitts wird<br />

die auf realen Erlebnissen beruhende<br />

Geschichte des Mexikaners Nero erzählt,<br />

der im Feuerwerksschein einer<br />

Silvesternacht den Grenzwall zu den<br />

USA überwindet, die sich ihm aber nur<br />

als Illusion und Traumblase eröffnen.<br />

Um dort wirklich Fuß fassen zu können,<br />

will Nero den harten Weg hin zur<br />

Einbürgerung gehen, und der führt ihn<br />

erneut in die Wüste: Als sogenannter<br />

„Greencard-Soldier“ in Afghanistan<br />

entgeht er nur knapp dem Tod, doch<br />

die Vereinigten Staaten bleiben für ihn<br />

nur ein Bild – das eines Helikopters, der<br />

in der Ferne am Himmel kratzt.<br />

Ein spannender Actionfilm, der als allegorische<br />

Parabel auf die Irrationalität<br />

von Staatsgrenzen zuweilen an „Figures<br />

In A Landscape“ von Joseph Losey aus<br />

dem Jahre 1970 denken lässt – von<br />

einem Regisseur, der weiß, wovon er<br />

spricht; der Iraner Pitts lebt seit Jahren<br />

im französischen Exil. (fs) (Kinostart:<br />

10.<strong>11</strong>.)<br />

<br />

WIR SIND DIE FLUT<br />

Regie: Sebastian Hilger<br />

Mit: Max Mauff, Lana Cooper,<br />

Swantje Kohlhof, Waldemar Hooge<br />

u.a.<br />

Schon wieder <strong>Neue</strong> Deutsche Fantastik:<br />

In dem fiktiven Küstenort<br />

Windholm bleibt eines Tages die Flut<br />

aus – das Meer verschwindet, aus<br />

unerklärlichen Gründen. Eine Erklärung<br />

für die Anomalie glaubt dann<br />

zumindest doch einer zu kennen:<br />

Ein Physikstudent, dem während<br />

seiner Recherche seitens der Obrigkeit<br />

allerhand Steine in den Weg<br />

gelegt werden. Hier kommen also in<br />

ganz klassischer und genretypischer<br />

Science-Fiction-Manier Institutionsund<br />

Systemkritik mit der Faszination<br />

des Mysteriösen zusammen und<br />

stoßen gemeinsam an die Grenzen<br />

der Wissenschaft. Denn zu klären<br />

gilt auch: Was ist aus all den verschwundenen<br />

Dorfkindern geworden?<br />

Man merkt schnell, da braut<br />

sich ein Lost-Generation-Gefühl<br />

zusammen, das arg ins Pathetische<br />

driften könnte, glücklicherweise<br />

aber noch als Poesie durchgeht und<br />

letztlich stimmungsvoll zu berühren<br />

vermag. (fs) (Kinostart: 10.<strong>11</strong>.)<br />

<br />

MANCHE HATTEN<br />

KROKODILE<br />

Regie: Christian Hornung<br />

mit: Pepi, Helga, Öner und Frank<br />

Nein, hierbei handelt es sich nicht um<br />

einen Tierfilm. Obschon die Lebenswelt,<br />

die hier beschrieben wird, eine gewisse<br />

Härte und rauen Umgang kennt. Die<br />

Welt der Kiezkneipen von St. Pauli. Ein<br />

Anker für gestrandete Existenzen, doch<br />

ist es eine Welt, die wir kurz vor ihrem<br />

Verschwinden mal eben kurz besuchen.<br />

Mit dem Filmemacher begegnen wir den<br />

Biographien von Charakteren und Typen<br />

wie Papageien-Olle und anderen, die<br />

damals, in den 60er und 70er Jahren,<br />

auf der Flucht vor kleinbürgerlicher<br />

Enge an Orten wie dem „Hong Kong“<br />

oder dem „Freedom“ landeten und<br />

dort zu einer Art Familie wurden. Sie<br />

erzählen von der Suche nach Gold und<br />

sinkenden Schiffen, vom Kiezalltag<br />

und Krokodilen. Und natürlich von<br />

den Sparclubs: In dem Sparschrank an<br />

der Kneipenwand hat jeder von ihnen<br />

immer ein bisschen was, um über die<br />

Runden zu kommen. Und wir bekommen<br />

allemal genug Geschichten, um<br />

über die Dauer von 87 Minuten ganz<br />

gut über die Runden zu kommen. (fs)<br />

(Kinostart: 10.<strong>11</strong>.)<br />

<br />

FILM DES MONATS<br />

ICH, DANIEL BLAKE (OT: I, DANIEL BLAKE)<br />

Regie: Ken Loach<br />

mit: Dave Johns, Hayley Squires, Sharon Percy, Briana Shann, Dylan McKiernan u.a.<br />

Hier kommt er also, der Schuldige. Der Film, der verantwortlich dafür ist, dass<br />

Maren Ade mit ihrem Toni Erdmann bei den diesjährigen Festspielen in Cannes<br />

leer ausging. Und das, obwohl Toni Dinge hat, die Daniel nicht hat: finanzielle<br />

Sicherheit. Die Möglichkeit, sich eine Auszeit und eine Urlaubsreise gönnen zu<br />

können. Eine Karrieretochter in der Hölle der Finanzbranche. Nein, Daniel hat<br />

stattdessen eine sogenannte Arbeitsvermittlerin, die ihm einmal pro Woche<br />

gegenübersitzt, um ihm sein Dasein zur Hölle zu machen. Das für den nicht mehr<br />

jungen, gut geerdeten Zimmermann nach einem Herzinfarkt eh schon schwer<br />

genug ist. „Bei den örtlichen Arbeitsämtern geht es heutzutage nicht mehr<br />

darum, den Menschen zu helfen, sondern ihnen Steine in den Weg zu legen“,<br />

so Ken Loach. Ein Gefühl der Gefäßverengung vermittelt auch das Kameraauge<br />

in diesem kafkaesken Kammerspiel. Gleichzeitig ist es der kämpferischste, rebellischste<br />

und warmherzigste Loach seit Langem geworden. Und sein Triumph<br />

ein Beweis dafür, dass es so etwas wie Gerechtigkeit in der Welt des Kinos gibt.<br />

(fs) (Kinostart: 24.<strong>11</strong>.)<br />

<br />

3D

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