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36 20 JAHRE AARGAUER ZEITUNG<br />
NORDWESTSCHWEIZ<br />
FREITAG, 4. NOVEMBER 2016<br />
Spalte ist kein Weissraum mit Text drin<br />
Früher passierte jeden Tag genau so viel, wie in der Zeitung Platz hatte. Dann kamen die Zeitungsgestalter und<br />
verpassten der Zeitung ein Layout. Und spätestens seither haben die Journalisten und Redaktoren Platzprobleme.<br />
von<br />
Christoph Bopp<br />
Autor, und damals dabei<br />
G<br />
eflügelte Worte tragen<br />
den Stempel ihrer Herkunft.<br />
Einer edlen, wenn<br />
Goethe und Schiller in<br />
den «Xenien» zusammen<br />
über die Kollegen<br />
schimpfen. Oder einer unbekannten,<br />
aber dennoch wahren, wenn der Journalist<br />
und Redaktor spöttisch sagte:<br />
«Hier wäre Platz für Ihre Notizen.» Gemeint<br />
ist der sogenannte «Weissraum».<br />
Der tauchte langsam auf in den Zeiten,<br />
als man die «Aargauer Zeitung» aus der<br />
Taufe hob. Das Layout sollte «luftig und<br />
locker» sein – nebst vielem anderem.<br />
Dafür hatte der Zeitungsgestalter Kurt<br />
Schwerzmann, welcher der AZ das Layout<br />
verpasste, ein ausgeklügeltes Konzept.<br />
Er teilte die Seite vertikal nicht einfach<br />
nur in fünf Spalten auf, sondern<br />
unterlegte ihr ein Raster, das jede Spalte<br />
noch einmal in sechs virtuelle Spalten<br />
unterteilte. Und eine äussere – nach Bedarf<br />
links oder rechts – dieser unsichtbaren<br />
Spalten wurde nicht bedruckt:<br />
Das war der Weissraum.<br />
Das führte auf den damaligen Computersystemen<br />
zu Umsetzungsproblemen,<br />
denn die Programmierer mussten<br />
ja von etwas ausgehen und nahmen damals<br />
noch an, dass die Spaltenbreite<br />
Kein Wunder, müssen die Jugendlichen Wohnraum besetzen, wenn ihnen einfach eine Spalte weggenommen wird. AZ 4. 11. 1996<br />
etwas ziemlich Sakrosanktes war. Also<br />
musste man mit Tricks arbeiten. Das<br />
damalige ATEX-System, auf dem die AZ<br />
produzierte wurde, bot das in Form eines<br />
Sternchens «*», mit dem man die<br />
Anzahl der Spalten verändern konnte.<br />
Am Sonntag, 3. November 1996, war<br />
die Stimmung auf der Aarauer Lokalredaktion<br />
zwar immer noch locker und<br />
luftig, aber doch schon etwas gespannt.<br />
«Kein Platz mehr auf einer Seite mit<br />
diesem modernen Layout-Zeugs»,<br />
schimpfte der damalige Aarau-Chef<br />
Balz Bruder. Und: «Schau dir doch diese<br />
Löcher an im Textverlauf!» – Löcher?<br />
Die sollte es eigentlich nicht geben,<br />
Weissraum hin oder her. «Zeig mal.»<br />
Der Text sah tatsächlich komisch aus.<br />
Was war passiert? «Balz, wo hast du<br />
deine fünfte Spalte?» – «Fünfte Spalte,<br />
was, hier doch», blaffte der – angesichts<br />
des nahenden Redaktionsschlusses –<br />
schon etwas genervte Lokalchef. Er<br />
wies auf die fünf Spalten seines Artikels.<br />
Die waren wirklich da. Nur hatte<br />
er im Layoutsystem mit dem ominösen<br />
Sternchen-Befehl seiner Seite 4-Spaltigkeit<br />
befohlen und seine fünf Spalten<br />
auf eigentlich nur vier verteilt.<br />
«Man weiss nicht recht,<br />
ist jetzt nur die Schrift<br />
schräg und dafür<br />
der Inhalt grotesk –<br />
oder ist es umgekehrt?»<br />
BT-Kabarettist Edgar Zimmermann<br />
zum neuen AZ-Layout<br />
Dieses Sternchen hatte er nicht gesehen,<br />
vielleicht gab es danach andere.<br />
Balz und die Kollegen jedenfalls waren<br />
froh um ihre Spalte plus – das gab doch<br />
ein bisschen Platz mehr und man soll<br />
immer das Gute sehen – und tippten all<br />
das wieder rein, was sie vorher gekürzt<br />
hatten. Um sie nicht zu stören, entfernte<br />
man sich schnell und ausreichend.<br />
Der Streit um die Kursivschrift brachte<br />
– Kurt Schwerzmann hatte sie für den<br />
Lead vorgesehen und wollte sie nicht im<br />
Kommentar – BT-Kabarettist Edgar Zimmermann<br />
noch ein nettes geflügeltes<br />
Wort ein: «Man weiss nicht recht, ist<br />
jetzt die Schrift schräg und der Inhalt<br />
grotesk oder umgekehrt?» Unwiderlegbares<br />
Argument: «In der NZZ war noch<br />
jeder Kommentar kursiv.»