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50 20 JAHRE AARGAUER ZEITUNG<br />
NORDWESTSCHWEIZ<br />
FREITAG, 4. NOVEMBER 2016<br />
«Die gedruckte Zeitung<br />
wird aufgewertet»<br />
Der deutsche Medienforscher Andreas Moring plädiert dafür, dass Tageszeitungen nicht mehr<br />
täglich auf Papier erscheinen. Genau das werde ihr Überleben sichern, ist er überzeugt.<br />
Heute ist Zeitungstag, bisher war jeder Tag Zeitungstag – in Zukunft werden es vielleicht nur noch Dienstag, Donnerstag und Samstag sein, schlägt Medienwissenschafter Andreas Moring vor.<br />
CHRIS ISELI<br />
VON PATRIK MÜLLER<br />
Herr Moring, bis ins Jahr 1969<br />
erschien die «Neue Zürcher<br />
Zeitung» dreimal täglich. Heute<br />
stellen Sie sogar die tägliche<br />
Erscheinungsweise von Tageszeitungen<br />
infrage. Warum?<br />
Andreas Moring: Vor gut einem halben<br />
Jahrhundert gab es noch kein Privatfernsehen,<br />
kein Privatradio, kein Internet,<br />
keine Smartphones, kein Streaming,<br />
keine Social Networks, keine<br />
Messenger-Apps. Es gab also faktisch<br />
keine echten Alternativen zur gedruckten<br />
Zeitung. Weder für Leser, noch für<br />
die Werbewirtschaft. Das ist heute anders.<br />
Das Angebot an medialen Konsummöglichkeiten<br />
ist unüberschaubar<br />
gross. Dabei ist das Zeitbudget der<br />
Menschen für den Medienkonsum heute<br />
so hoch wie nie.<br />
«Bei weniger<br />
Erscheinungstagen muss<br />
ich den Kunden natürlich<br />
zur Kompensation<br />
ein gutes Online- und<br />
Mobilangebot bieten.»<br />
Also mehr Zeit für die Medien. Aber<br />
trotzdem bleibt nicht genügend<br />
Zeit, um täglich Zeitung zu lesen?<br />
Die tägliche gedruckte Zeitung leidet<br />
am stärksten in diesem Wettbewerb.<br />
Die erwähnten Alternativen erfüllen<br />
aus Kundensicht, salopp gesagt, die<br />
Jobs der Tageszeitung viel besser. Und<br />
auch für die Werbewirtschaft gibt es<br />
andere Kanäle und Plattformen. Will<br />
die Zeitung weiter in diesem Wettbewerb<br />
stehen, wird sie verlieren. Deshalb<br />
ist es Zeit, anders zu denken. Erscheint<br />
die Zeitung nur noch an zwei<br />
oder drei Tagen pro Woche auf Papier,<br />
und bringt sie die täglichen News bloss<br />
noch online, kann die Zeitung als Printprodukt<br />
ihre Stärken wieder ausspielen.<br />
Für welche Tage würden Sie sich<br />
entscheiden?<br />
Ich denke, Dienstag, Donnerstag und<br />
Samstag sind sinnvoll.<br />
Zeitungsleser sind Gewohnheitstiere.<br />
Könnten sie sich am Ende nicht<br />
daran gewöhnen, überhaupt keine<br />
Zeitung mehr zu haben?<br />
Wenn man genauer auf den Zeitungskonsum<br />
schaut, dann sieht man, dass<br />
die typischen Zeitungsabonnenten<br />
schon heute ihre Zeitung nur an zwei<br />
bis drei Tagen in der Woche wirklich<br />
nutzen, also länger als 15 bis 20 Minuten<br />
lesen. Wenn ich als Verlag umstelle<br />
auf weniger Erscheinungstage, dann<br />
muss ich den Kunden natürlich gleichzeitig<br />
ein gutes Online- und Mobilangebot<br />
bieten: die gedruckte Zeitung als<br />
hintergründiges Qualitätsprodukt – und<br />
die täglichen News für den schnellen<br />
Überblick online, Mobil und über Social-Media-Kanäle.<br />
Das alles am besten<br />
in einem Paketangebot zu einem Preis.<br />
Die gedruckte Zeitung wird so für die<br />
Leser sogar aufgewertet und steigt in<br />
der Wertschätzung. Deswegen sehe ich<br />
keine Gefahr, dass Kunden auf das<br />
Printprodukt verzichten würden.<br />
Was macht Sie da so sicher?<br />
Wir sehen den positiven Effekt ja auch<br />
bei den guten Auflagen und Verkaufszahlen<br />
für die Samstags- und Sonntagsausgaben<br />
von Zeitungen und von Wochenzeitungen<br />
wie der «Zeit». Für Ver-