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6 20 JAHRE AARGAUER ZEITUNG<br />

NORDWESTSCHWEIZ<br />

FREITAG, 4. NOVEMBER 2016<br />

Der medialen Aufspaltung vorgebeugt<br />

Der Verwaltungsrat des Aargauer Tagblatts war der Fusions-Idee aus politischen Überlegungen zugetan.<br />

von<br />

Hans-Peter Zehnder<br />

Unternehmer und<br />

Verwaltungsrat<br />

der AZ Medien AG<br />

M<br />

ittwoch, 17. Mai 1995:<br />

Im Rotary Club Wynenund<br />

Suhrental war Peter<br />

Wanner als Referent<br />

zur «Mediensituation<br />

im Aargau» eingeladen<br />

worden. Im Restaurant «Herberge»<br />

in Teufenthal berichtete er über die<br />

Trends in der Medienwelt. Brisant waren<br />

seine Ausführungen zur Zeitungslandschaft:<br />

Der Ostteil des Kantons würde<br />

vom Badener Tagblatt (BT) beherrscht,<br />

der Westteil vom Aargauer Tagblatt (AT)<br />

respektive der Mittelland-Zeitung. Seines<br />

Erachtens bestände die Gefahr, dass der<br />

Kanton Aargau sich medienmässig aufspalte,<br />

wenn sich die beiden Zeitungen<br />

vermehrt in Richtung Zürich respektive<br />

Zofingen oder Basel orientierten. Ein solches<br />

Szenario würde auch politisch und<br />

wirtschaftlich zu einer Aufspaltung des<br />

Kantons führen, der damit seine Identität<br />

verlöre.<br />

Nach dem Ende des Lunchs stellte<br />

ich mich bei Peter Wanner vor. Ich hatte<br />

ihn zuvor nie persönlich getroffen,<br />

jedoch von ihm bei den Beratungen im<br />

VR des AT viel gehört. Unser Gespräch<br />

dauerte etwa zehn Minuten. Die Botschaft,<br />

die ich mitnahm: Peter Wanner<br />

bedauerte, dass seitens des AT kein<br />

Wille zu einer engeren Zusammenarbeit<br />

vorhanden sei. Er würde eine<br />

solche begrüssen und deutete auch<br />

weitergehende Verbindungen an.<br />

Mir war sofort klar: Der Informationsstand,<br />

den wir im AT-VR hatten,<br />

war falsch. Denn unser Geschäftsführer<br />

berichtete immer wieder über Gespräche<br />

mit Peter Wanner, bei denen<br />

seitens des BT kein Wille zu einer engeren<br />

Zusammenarbeit erkennbar sei.<br />

«Der VR muss das führen»<br />

Als ich nach dem Lunch wieder im<br />

Büro war, rief ich umgehend Arthur<br />

Gross an, den damaligen VR-Präsidenten<br />

des AT: «Arthur, ich habe heute Peter<br />

Wanner getroffen, und er hat mir<br />

signalisiert, dass wir vom AT uns Gesprächen<br />

über eine engere Zusammenarbeit<br />

verschliessen. Wir sind bisher<br />

falsch informiert worden, nun bist du<br />

am Zug, denn dieses Thema muss der<br />

VR führen, und nicht der angestellte<br />

Direktor.»<br />

Arthur Gross rief Peter Wanner an,<br />

und beide waren sich bald einig, dass<br />

wir nun auf Stufe VR alle Formen einer<br />

engen Zusammenarbeit vertieft prüfen<br />

sollten. Arthur Gross lud mich dann<br />

Als die Zeitung noch im Schaukasten hing: Das alte AT-Gebäude an der Bahnhofstrasse in Aarau.<br />

ein, ihn zu den Arbeitsgesprächen zu<br />

begleiten, was ich gerne machte. Zum<br />

ersten Mal trafen wir uns am 14. August<br />

1995 im Hotel Arte in Spreitenbach mit<br />

Peter Wanner und Philip Funk als Vertreter<br />

des BT. Als neutraler Projektleiter<br />

war Konrad Fischer dabei, ein<br />

sehr erfahrener Wirtschaftsanwalt aus<br />

Zürich. Er stammte aus Aarau und ging<br />

«Der AT-VR war<br />

von Anfang an positiv<br />

eingestellt. Die Vision<br />

einer starken kantonalen<br />

Zeitung als politische<br />

Brückenfunktion<br />

faszinierte uns.»<br />

mit Peter Wanner in die dortige Kanti.<br />

Die Zahl der Mitglieder der Arbeitsgruppe<br />

war bewusst sehr klein gehalten<br />

worden, um so lange wie möglich<br />

höchste Geheimhaltung zu gewährleisten.<br />

Wir gaben dem Projekt den Decknamen<br />

«K».<br />

Der AT-VR war von Anfang an gegenüber<br />

der Idee einer umfassenden Fusion<br />

positiv eingestellt. Die politische Vision<br />

einer starken kantonalen Zeitung<br />

als Brückenfunktion faszinierte uns.<br />

In den meist frühmorgendlichen,<br />

zahlreichen Geheimtreffen der Arbeitsgruppe<br />

prüften wir verschiedene Formen<br />

des Zusammengehens. Neben einer<br />

vollen Fusion erörterten wir auch<br />

Formen einer Teilfusion und viele Kooperationsvarianten.<br />

Es zeigte sich<br />

aber schnell, dass eine Vollfusion die<br />

beste Konfiguration wäre.<br />

Allerdings stellte sich die Bewertungsfrage<br />

als Knackpunkt heraus. Das<br />

BT war damals ertragsstärker, denn wir<br />

Aarauer hatten vorher eine grosse Investition<br />

in den Ausbau der Akzidenzdruckerei<br />

bewilligt, was die Ertragslage<br />

anfänglich belastete.<br />

Für uns Aarauer war nur eine Fusion<br />

zu paritätischen Werten vertretbar.<br />

Obwohl die Unternehmensbewertung<br />

des BT höher als die des AT war,<br />

wussten alle genau, dass solche Berechnungen<br />

keine exakte Wissenschaft<br />

sind. Zudem dachten wir an<br />

die realpolitische Machbarkeit: «Baden<br />

übernimmt Aarau» – an der Generalversammlung<br />

(GV) des AT wäre<br />

dies mit Sicherheit kein mehrheitsfähiger<br />

Antrag gewesen.<br />

KEYSTONE<br />

Auch die ABB-Fusion war paritär<br />

Peter Wanner lenkte – nach anfänglichem<br />

Widerstand – dann schnell ein.<br />

Er führte während unserer Geheimgespräche<br />

immer wieder die ABB-Fusion<br />

als Vorbild an. Und wir erinnerten ihn,<br />

dass diese aus politischen Gründen<br />

ebenfalls eine 50:50-Fusion war.<br />

Am Freitag, dem 15. März 1996, genehmigte<br />

dann der VR AT die Fusionsverträge.<br />

Wie erwartet, löste die Bekanntgabe<br />

der Fusion starke Reaktionen<br />

aus, nicht zuletzt auch deshalb,<br />

weil die Fusionsverhandlungen bis zum<br />

Schluss geheim gehalten blieben. Eigentlich<br />

sehr erstaunlich, denn in den<br />

letzten Monaten nahm die Zahl der<br />

Projektmitarbeiter stark zu.<br />

Eine Gruppe «besorgter AT-Aktionäre»<br />

mit zahlreichen kantonalen Persönlichkeiten<br />

trat Mitte April in Erscheinung<br />

und sorgte am 3. Mai 1996<br />

an der GV in der «Krone» in Lenzburg<br />

für heisse Diskussionen. Über vier<br />

Stunden dauerte diese GV. Mit Genugtuung<br />

konnten wir dann eine Zustimmung<br />

von 82 Prozent der anwesenden<br />

Aktienstimmen erreichen.<br />

Vorausblickende Weisheit<br />

Meine persönliche Rückblende: Ein<br />

mutiges Projekt, in kurzer Zeit mit einem<br />

kleinen Team vorbereitet, wurde<br />

von den AT- und BT-Aktionären in vorausblickender<br />

Weisheit genehmigt.<br />

Denn ohne diese Fusion würden wir<br />

heute vielleicht eine Tageszeitung aus<br />

Zürich, Basel, Luzern oder Bern lesen.<br />

Ich gratuliere der az zum 20. Geburtstag<br />

und wünsche ihr alles Gute für<br />

die Zukunft.

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