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Neue Wege in der Psychiatrie - Barmherzige Brüder Schönfelderhof

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Der Schönfel<strong>der</strong><br />

Empowerment<br />

Gelebte Praxis o<strong>der</strong> Makulatur?<br />

Mit Beg<strong>in</strong>n des Projekts „Entwicklung und Implementierung<br />

e<strong>in</strong>es Qualitätsmanagementsystems <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

geme<strong>in</strong>depsychiatrischen Organisation <strong>Barmherzige</strong><br />

Brü<strong>der</strong> Schönfel<strong>der</strong>hof“ im Jahre 1998 beteiligten<br />

sich betreute Menschen aktiv und kont<strong>in</strong>uierlich an<br />

<strong>der</strong> Entwicklung und Bewertung von Qualitätsstandards<br />

und bee<strong>in</strong>flussen damit das Organisationsgeschehen.<br />

Damit geht <strong>der</strong> Schönfel<strong>der</strong>hof über die seitens des<br />

Gesetzgebers im Rahmen von Heimgesetz und Werkstättenverordnung<br />

gefor<strong>der</strong>te Mitwirkung betreuter<br />

Menschen h<strong>in</strong>aus. Ohne die Bedeutung und Notwendigkeit<br />

von Vertretungsgremien wie Heimbeirat o<strong>der</strong><br />

Werkstattrat <strong>in</strong> Frage zu stellen, muss jedoch e<strong>in</strong>e kritische<br />

Betrachtung dieser Gremien erlaubt se<strong>in</strong>. Wohlgemerkt<br />

richtet sich die kritische Betrachtung nicht auf<br />

die hoch anzuerkennende Arbeit und das Engagement<br />

<strong>der</strong> betreuten Menschen, son<strong>der</strong>n eher auf die Wahrnehmung<br />

und den daraus resultierenden Umgang <strong>der</strong><br />

Organisation und <strong>der</strong>en Mitarbeiter mit diesen Vertretungs<strong>in</strong>stanzen.<br />

Damit soll nicht unterstellt werden, dass Organisation<br />

und Mitarbeiter Vertretungsgremien betreuter Menschen<br />

nicht respektieren und ernstnehmen, bzw. als Alibi zur<br />

Erfüllung <strong>der</strong> gesetzlichen Anfor<strong>der</strong>ungen sehen. Alle<strong>in</strong><br />

aber die Tatsache, dass die Interessenvertretung <strong>der</strong><br />

Betroffenen <strong>in</strong> Form von Bei-/Räten durchaus berechtigt<br />

– <strong>in</strong>stitutionalisiert wurde, verdeutlicht, dass Betroffene<br />

und Mitarbeiter <strong>in</strong>nerhalb e<strong>in</strong>er Organisation<br />

unterschiedlich im schlimmsten Falle gegensätzlich –<br />

positioniert s<strong>in</strong>d.<br />

Der <strong>in</strong> früheren Jahren herrschende und durchaus gewollte<br />

Niveauunterschied <strong>der</strong> Positionen „Betreute“ und<br />

„Mitarbeiter“ nach dem Motto „Ihr da unten, wir da oben“<br />

ist zwischenzeitlich aufgehoben und nivelliert. Bei kritischer<br />

Betrachtung lässt sich dennoch feststellen, dass<br />

die Gruppierungen „Betreute“ und „Mitarbeiter“ oft nicht<br />

paritätisch nebene<strong>in</strong>an<strong>der</strong>, son<strong>der</strong>n sich gegenüber<br />

stehen. Dies mag vor<strong>der</strong>gründig mit verme<strong>in</strong>tlich unterschiedlichen<br />

Interessen dieser Gruppen zusammenhängen,<br />

die seitens <strong>der</strong> Mitarbeiter <strong>der</strong> Kategorie „Betreuungsauftrag“<br />

und aus Sicht <strong>der</strong> Betreuten <strong>der</strong> Rubrik<br />

„Lebens- und Betreuungsqualität“ zugeordnet<br />

werden können.<br />

In <strong>der</strong> Sichtweise e<strong>in</strong>es umfassenden Qualitätsmanagements<br />

(TQM = total quality management) werden die<br />

Kategorien „Betreuungsauftrag“ und „Lebens- und<br />

Betreuungsqualität“ im H<strong>in</strong>blick auf die vere<strong>in</strong>barten<br />

Qualitätsziele mite<strong>in</strong>an<strong>der</strong> kompatibel gemacht. Voraussetzung<br />

ist allerd<strong>in</strong>gs, dass es e<strong>in</strong>e von Mitarbeitern<br />

und Betreuten geme<strong>in</strong>schaftlich erstellte Zielfor-<br />

16<br />

mulierung gibt. E<strong>in</strong>e solche mit Träger, Hausleitung, Mitarbeiterschaft<br />

und Betreuten abgestimmte Zielformulierung<br />

wird <strong>in</strong> den Qualitätszielen des Qualitätsmanagementsystems<br />

des Schönfel<strong>der</strong>hofes abgebildet.<br />

Wie festzustellen ist, ist zwar die Formulierung von<br />

Qualitätszielen, <strong>der</strong>en Diskussion und Tranzparentmachung<br />

e<strong>in</strong>e unabd<strong>in</strong>gbare Voraussetzung für den Prozess,<br />

das „Gegenüber“ <strong>in</strong> e<strong>in</strong> „Mite<strong>in</strong>an<strong>der</strong>“ zu verwandeln,<br />

alle<strong>in</strong> dies reicht jedoch nicht aus, den Gedanken<br />

des demokratischen Mit(e<strong>in</strong>an<strong>der</strong>)-Wirkens <strong>in</strong> gelebte<br />

Praxis umzusetzen.<br />

An dieser Stelle spielt <strong>der</strong> Ansatz des Empowerment<br />

e<strong>in</strong>e gewichtige Rolle. Empowerment als Prozess zur<br />

(Wie<strong>der</strong>)Aneignung von Selbstbestimmung und Lebensautonomie,<br />

be<strong>in</strong>haltet drei Aspekte, die bei <strong>der</strong> praktischen<br />

Umsetzung zu berücksichtigen s<strong>in</strong>d:<br />

1. Selbstbemächtigung problembetroffener Personen<br />

Mit Selbstbemächtigung s<strong>in</strong>d hier durch die Betroffenen<br />

selbst <strong>in</strong>itiierte und gesteuert Prozesse zur (Wie<strong>der</strong>)<br />

Herstellung von Selbstbestimmung <strong>in</strong> <strong>der</strong> eigenen<br />

Lebensgestaltung geme<strong>in</strong>t. Selbsthilfegruppen o<strong>der</strong><br />

Bürgerrechtsbewegungen s<strong>in</strong>d hierfür Beispiele für die<br />

Praktizierung des Empowermentgedankens. Die Fähigkeit<br />

zur Selbstbemächtigung <strong>in</strong> diesem Kontext nimmt<br />

jedoch progredient mit <strong>der</strong> steigenden Abhänigkeit <strong>der</strong><br />

betroffenen Menschen von an<strong>der</strong>en Menschen, Systemen<br />

o<strong>der</strong> Organisationen ab. Bee<strong>in</strong>trächtigungen physischer<br />

o<strong>der</strong> seelischer Art verstärken <strong>in</strong>des die Abhängigkeit.<br />

Empowerment ausschließlich unter diesem<br />

Aspekt zu betrachten, hieße, <strong>in</strong>stitutionell betreuten<br />

Menschen lediglich die strukturellen Rahmenbed<strong>in</strong>gungen,<br />

wie z.B. Räumlichkeiten o<strong>der</strong> Zeitressourcen zur<br />

Verfügung zu stellen, um sich <strong>in</strong> den entsprechenden<br />

Vertretungsgremien zu organisieren. Beisitzer aus <strong>der</strong><br />

Mitarbeiterschaft werden zwar als Vertrauenspersonen<br />

gesehen und sich sicherlich auch redlich um die Wahrnehmung<br />

dieser Position bemühen, werden jedoch<br />

häufig – wie die Praxis zeigt – zu Organisatoren zeitund<br />

raumtechnischer Bed<strong>in</strong>gungen reduziert.<br />

2. Professionelle Unterstützung von Autonomie und<br />

Selbstgestaltung<br />

Dieser Aspekt kommt <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e da zum Tragen, wo<br />

Menschen durch äußere Bed<strong>in</strong>gungen o<strong>der</strong> durch körperliche,<br />

geistige o<strong>der</strong> seelische Bee<strong>in</strong>trächtigungen<br />

„beh<strong>in</strong><strong>der</strong>t werden“, die Gestaltung des eigenen Lebens<br />

nach ihren Vorstellungen <strong>in</strong> die Hand zu nehmen.<br />

Hier bedarf es <strong>der</strong> För<strong>der</strong>ung und Unterstützung von<br />

Selbstbestimmung durch professionelle Helfer. Die Er-

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