17.11.2016 Aufrufe

Der Sämann

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

Als Antwort auf diese Überlegungen entstand ein kreisförmiger<br />

Stempel: Kunst = Brot = Kunst = Brot. Ich verband damit die Hoffnung,<br />

dass erkannt wird, dass Kunst ein geistig-seelisches Grundnahrungsmitteln,<br />

also ein echtes Lebens-Mittel ist. Hinter dem Begriff<br />

Brot steht natürlich viel mehr als das Brot, welches wir beim Bäcker<br />

kaufen. Das Brot ist ein Symbol für die Grundversorgung des Körpers,<br />

während die Kunst die Grundversorgung des Geistes und der Seele<br />

symbolisiert. Das Oben und das Unten – "wie im Himmel so auf Erden".<br />

Heute ist Kunst nicht an Zwecke gebunden und daher relativ<br />

frei, zumindest frei von einem Auftrag. Brot und Kunst sind von ihrer<br />

Natur her zwei komplementäre Energien, die einander bedingen und<br />

ohne einander keinen Bestand haben – keinen Sinn ergeben. Beide<br />

Komponenten gehören zu einem ganzen Menschen; das setzt das Streben<br />

nach Ganzheit voraus. Kunst ist eine Art Nahrung der Seele und<br />

des Geistes und gleichzeitig ihr Ausdruck.<br />

Nachdem mir diese Zusammenhänge klar wurden, wurde mir bewusst,<br />

dass die Lebensmittelbranche gegenüber der Kunstbranche eine komplementäre<br />

Stellung einnimmt. Schon immer dachte ich, wenn ich mal<br />

was anderes mache als Kunst, würde ich in die Lebensmittelbranche<br />

www.antonius-conte.com<br />

gehen, ans andere Ende eben wegen dieses Gegensatzes. Es kam in<br />

mail@antonius-conte.com<br />

meiner persönlichen Biographie dann tatsächlich zu einem Fronten-<br />

10 5 / 1999 Novalis<br />

wechsel. Es befriedigte mich schon länger nicht mehr im Atelier zu<br />

hocken. Seit über 4 Jahren bin ich nun in der BIO-Lebensmittelbranche<br />

als freier Unternehmer tätig. Ich habe eine Marke kreiert für Produkte<br />

aus biologisch-dynamischem und biologischem Anbau und bin<br />

dabei meinen eigenen Aufruf von 1996 zu verwirklichen.<br />

Was geschah nach dem Bioland-Anlass mit dem <strong>Sämann</strong>?<br />

Er blieb einfach auf dem Acker stehen und wurde dann vom ersten<br />

richtigen Wintersturm umgefegt; dann wurden noch die Öfen auf dem<br />

Hof damit angefeuert.<br />

Du warst am 31. August auch mit einem Stand auf dem Hofmarkt<br />

zusammen mit anderen Händlern und Bauern. Wie ist das zu verstehen?<br />

Als wir die Silhouette des <strong>Sämann</strong>s mitten im Acker bauten, stellten<br />

wir ein Pfahlgerüst auf und nagelten Bretter vorne drauf. Nicht akkurat<br />

und schön, sondern schnell, bewusst-pfuschig und expressiv<br />

– obwohl ich sogar einen Plan angefertigt hatte. Dann zeichnete ich<br />

die Figur auf die Fläche und schnitt sie mit der Kettensäge aus. Alles<br />

was abfiel, nahm ich mit und stupfte kleine <strong>Sämann</strong>-Silhouetten auf<br />

die Holzstücke. Die Verwertung des Abfalls vom Abfall. Damit ging ich<br />

am Tag des Bioland-Fests auf den Markt, der Teil der Jubiläumsveranstaltung<br />

war, und bot neben den Bäckern, Käsern und Gemüsehändlern<br />

die Stücke feil. Weit weg in der Achse des Platzes, auf dem ich<br />

den Tisch aufstellte, war die 5 Meter hohe <strong>Sämann</strong>-Silhouette auf dem<br />

Acker zu sehen.<br />

Dies war’s nun. Da stand ich auf dem Markt als Verkäufer! Nicht auf<br />

dem Kunstmarkt. Auf dem Lebensmittelmarkt!<br />

Die Botschaft dieser ganzen Sache ist, dass die Landwirtschaft eine<br />

der großen Künste ist. In dem Sinne ist jeder Landwirt, jeder „Brotmacher“<br />

aufgerufen, sich zu trauen Künstler zu sein. Das heißt einfach<br />

sich von linearen, additiven Konzepten (1+1=2) zu trennen und in<br />

die Schönheit, die Poesie und das schöpferische Risiko zu investieren.<br />

Jeder Künstler kann dazu beitragen, dass das „Brot“ besser wird. Das<br />

heißt sich von Standesdünkel zu trennen und aus dem Atelier raus in<br />

den Wald, auf den Acker, auf den Markt, auf den Bau, in die Fabrik!<br />

Wie hast Du diesen Aufruf selber umgesetzt?<br />

Antonius Conte<br />

1954 (Wädenswil/CH) geboren und aufgewachsen.<br />

1970-74 (Zürich) Bauzeichner-Lehre. Private Ausbildung und<br />

Kurse in Kunstgeschichte, visuelle Kommunikation, Zeichnen,<br />

klassische Gitarre.<br />

1974-77 (verschiedene Orte, CH) autodidaktische Auseinandersetzung<br />

mit Malerei und Plastik.<br />

1977-86 (verschiedene Orte, CH, Amerika, Berlin) Tätigkeiten:<br />

Briefträger, Hilfskrankenpfleger, Holzfäller, Fensterputzer, Kellner.<br />

Später: Dekorations- und Schriftenmaler, Bauhandwerker,<br />

dann Planung und Gestaltung von Innenräumen und Häusern.<br />

1982 löse meinen ganzen Besitz auf und gehe nach Amerika.<br />

Danach direkt nach Berlin.<br />

Ab 1983 fester Wohnsitz in Berlin.<br />

1986 nach einer längeren Pause Neueinstieg in die Malerei.<br />

1991 fange an mit Bauhandwerkermethoden zu arbeiten und<br />

verwende Baustoffe, Junkmaterialien, Abfälle und Natur. Das<br />

gemalte Bild verschwindet.<br />

Gründung der Galerie T&A in Berlin-Mitte mit Tanja Hermann<br />

Gründung des ersten Rügenschen Kunstvereins auf Rügen, Mecklenburg<br />

Vorpommern<br />

1992-94 Atelier in Hennigsdorf bei Berlin. Stromere tagelang in<br />

den Steppen und Müllhalden am Rand der Stadt herum: Heilpflanzen,<br />

Bäume, Erde, Blech, Polster, Büchsen.<br />

1994/95 Heilpraktikerausbildung als Projekt<br />

Die Verbindung zwischen Kunst, Medizin, Bauen und Natur wird<br />

der Inhalt meiner Arbeit.<br />

1995-2000 Atelier in Töpchin / Brandenburg und Berglase/Rügen<br />

1996 Gründung der Marke „NaturKraftWerke®“ für biologischdynamische<br />

und biologische Naturprodukte und Lebensmittel<br />

und Firmierung unter diesem Namen. Aufbau dieses Unternehmens.<br />

1996-2000 Pendeln zwischen<br />

Berlin-Töpchin-Zürich<br />

2001 neues Atelier in Schnerkingen<br />

bei Messkirch / Bodensee-Albregion,<br />

BW

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!