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Der Sämann

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Konstruktionsplan<br />

Thema<br />

gebundenheit an und in einen Prozess aber auch ein Symbol für unsere<br />

menschliche Vollmacht! Vielleicht ist das Zufall aber im Original von<br />

Vincent van Gogh ist der Kopf des <strong>Sämann</strong>es im unteren Feld der riesigen<br />

Sonne in etwa der gleichen Achse wie diese, die linke Hand -das<br />

Tuch haltend, auch in dieser Achse- liegt auf dem Herzen, während<br />

die rechte die Saat auswirft, beinahe aus dem Bild heraus.<br />

Das Ziel meiner Arbeit war ja, diese Bretter so zusammenzuschustern,<br />

dass die Silhouette zum Fotomodell wurde, ich wollte eigentlich<br />

ein Bild machen mit einer sehr umwegigen Methode. Das Ganze ist<br />

gleichzeitig auch eine Skulptur. Das eigentliche Produkt jedoch ist eine<br />

Fotografie, ein neues Bild: Himmel-Mensch-Erde. Und es ist das Bild<br />

von einem Menschen ganz alleine zwischen Himmel und Erde. Weil wir<br />

in unserer Schicksals-Verantwortung ganz kosmisch und ganz alleine<br />

sind wie Sterne selbst wenn wir mitten in der Gesellschaft stecken und<br />

in viele kollektive Geschehnisse verwickelt sind.<br />

Kannst Du dieses Thema „säen-ernten“ noch weiter erläutern und<br />

mit der heutigen Situation in Verbindung bringen<br />

Mehr als je wird es notwendig, aus einem authentischen inneren<br />

Impuls heraus das Leben zu gestalten, ohne sich zu vergleichen oder<br />

ein Resultat zu berechnen! Ganz im Gegensatz zu den Lehrsätzen der<br />

Wirtschaft. Alle sensiblen Verfahren sind heute wirtschaftlich untauglich,<br />

da sie Faktoren beinhalten wie lange Wartezeiten etc. Etwas reif<br />

werden zu lassen ist anachronistisch! In wirtschaftlichen Prozessen mit<br />

den Faktoren Intuition und Vertrauen zu arbeiten ist obsolet.<br />

Unsere Wirtschaft möchte mit allen Mitteln dem Wunsch der<br />

Menschen, alles möglichst schnell und ohne große Investitionen zu<br />

bekommen, entsprechen. Natürlich weil diese Fickerigkeit das Absatztpotential<br />

schlechthin ist. Dabei werden wichtige Gesetzmäßigkeiten<br />

der Natur übergangen. Schließlich können wir nicht erwarten, dass<br />

ein Kern, den wir heute in den Boden bringen, bereits morgen einen<br />

ausgereiften Kürbis für unser Mittagessen hervorbringt. Wir müssen<br />

Geduld aufbringen und sind vielen Faktoren wie dem Wetter ausgeliefert,<br />

wenn es zu trocken ist, fällt die Ernte eben etwas kleiner aus.<br />

Wenn wir uns auf solche Prozesse wirklich einlassen, lernen wir, dass<br />

wir nicht alles in der Hand haben. Doch heute sind wir ja nicht mal<br />

bereit uns auf den Prozess der Nahrungszubereitung einzulassen,<br />

geschweige denn den eigenen Anbau von Gemüse. Wir überlassen<br />

das Kochen, weil es aufwendig und zeitintensiv ist, immer mehr den<br />

Fastfood-Ketten oder greifen auf Fertiggerichte vom Supermarkt oder<br />

vom Eismann zurück oder essen belegte Brote von der Tankstelle. Aus<br />

„Zeitmangel“ wird geschlungen. Wenn wir uns wenigstens die Zeit zum<br />

Kauen unserer Nahrung nehmen würden, könnten wir die Leere und<br />

die Geschmacklosigkeit dieser Gerichte bestimmt nicht ertragen. Die<br />

Schnelligkeit scheint heute vielen Menschen enorm viel zu bedeuten.<br />

Sie ist zu einem absurden Maßstab geworden. Vielfach wird lieber auf<br />

Qualität verzichtet, als auf Schnelligkeit.<br />

Wie entstand diese Arbeit, wie war der Prozess von den ersten<br />

Ideen zur fertigen Figur<br />

Mein <strong>Sämann</strong> entstand in einer Phase, in der ich aufgehört habe einzukaufen.<br />

Natürlich unter dem Einfluss von Beuys, der gesagt hat, dass<br />

der erste Fehler beim Arbeiten ist, wenn man loszieht um Material<br />

einzukaufen. Bei meiner Arbeit standen jedoch auch ökologische und<br />

persönliche Aspekte im Vordergrund, die zur Verweigerung führten,<br />

ressourcen-schädigende Materialien zu verwenden. Ich habe angefangen<br />

mit Dingen zu arbeiten, die rum lagen und die für andere Leute<br />

keinen Wert mehr hatten. Dabei handelte es sich nicht etwa um irgendwelche<br />

interessanten Fundstücke, sondern um wirklichen Abfall,<br />

gar nichts Besonderes! Ich fand Recycling faszinierend und es machte<br />

mir damals großen Spaß in Abfällen herumzustöbern und so verwendete<br />

ich Abfälle. Abfall ist heute der mächtigste und interessanteste<br />

Rohstoff.<br />

Ich besichtigte den Hof in Bisdamitz einige Wochen vor der Jubiläumsveranstaltung<br />

und da war ein Haufen halbmorscher Bretter und<br />

Pfähle vom Abbruch eines alten Nebengebäudes. Ich entschloss mich,<br />

daraus was zu machen. Ich wusste aber noch nicht was und fing an im<br />

Geist herumzustreifen.<br />

Im Berliner Umland nach der Wende konnte man hunderten von<br />

Werbetafeln (Pfahlgerüst plus Frontfläche) an den Straßenrändern sehen,<br />

wie in Amerika oder gewissen Teilen Frankreichs. Immer wieder<br />

kreisten meine Gedanken um diese „Zweckskulpturen“ und der Möglichkeit<br />

dieses Prinzip irgendwie anzuwenden.<br />

Die bäuerischen Themen interessieren mich schon lange, da sie<br />

zur Basis der Kultur gehören, jedoch der Kunst im gesellschaftlichen<br />

Strickmuster entgegengesetzt sind; oder besser ausgedrückt ist die<br />

Landwirtschaft die Wurzel und die Kunst die Blüte der gesellschaftlichen<br />

Gestalt. Das Verhältnis zur Erde ist ein bedeutender Parameter<br />

für das Niveau einer Kultur. Unsere technisch orientierte Zivilisation,<br />

die nur noch Schatten einer Kultur ist, zeigt dies deutlich: die Erde<br />

wird nur noch als Halterung für das Saatgut und die Wurzeln der<br />

Pflanzen verwendet und ansonsten gleich behandelt wie ein Nährboden<br />

im Labor. Es gibt keinen Mythos, keinen Dank, kein Respekt und auch<br />

nicht viel Freude; sie wird als kalter, pragmatischer Faktor und nicht<br />

als Wesen verstanden! Protagonist in der Entmythifizierung und Pornographisierung<br />

der Erde ist Amerika. Für mich wurde nun klar, dass<br />

diese Werbe-Tafelskulpturen an den Straßenrändern eine Art Ikone<br />

eines modernen Mythos sind: der Verkaufs-Show, der Werbung! Die<br />

Werbung nimmt einen enormen Raum ein; sie ist eine neue Kirche, ein<br />

Bindeglied und Orientierungsmittel ohne das man heute wirtschaftlich<br />

nicht überleben kann und ohne dies unser Welt auch sehr grau wäre,<br />

da eine echte Kultur ja fehlt. Einer der bedeutendsten Werber (ein<br />

Amerikaner!) hat mal gesagt, dass die Verkäufer die Helden des 21.<br />

Jahrhunderts sein werden. Also nicht die Kreatoren, Erfinder, Forscher

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