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Haftbedingungen und die Behandlung Strafgefangener

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Informationsblatt – <strong>Haftbedingungen</strong> <strong>und</strong> <strong>Behandlung</strong> <strong>Strafgefangener</strong><br />

Überbelegung von Zellen<br />

Mandic <strong>und</strong> Jovic gegen Slowenien (5774/10 <strong>und</strong> 5985/10) <strong>und</strong> Strucl u.a.<br />

gegen Slowenien (5903/10, 6003/10 <strong>und</strong> 6544/10)<br />

20.10.2011 (Kammer)<br />

Die Verfahren betrafen <strong>die</strong> Zustände in der Haftanstalt von Ljubljana in Slowenien.<br />

Während ihrer dortigen Haft wurden <strong>die</strong> Beschwerdeführer über einen Zeitraum von<br />

mehreren Monaten in Zellen gehalten, in denen ihnen ein persönlicher Bereich von 2,7<br />

m² zur Verfügung stand <strong>und</strong> in denen <strong>die</strong> Durchschnittstemperatur an Nachmittagen im<br />

August 28°C betrug. Darüber hinaus mussten sie einen Großteil ihrer Zeit in der Zelle<br />

verbringen.<br />

Der Gerichtshof stellte eine Verletzung von Artikel 3 fest, da <strong>die</strong> schwierigen <strong>und</strong> harten<br />

Umstände, denen <strong>die</strong> Beschwerdeführer ausgesetzt waren, das Maß der Zumutbarkeit<br />

überstiegen <strong>und</strong> somit eine erniedrigende <strong>Behandlung</strong> darstellten.<br />

Zwangsernährung <strong>und</strong> medizinische Zwangsbehandlung<br />

Nevmerzhitsky gegen <strong>die</strong> Ukraine (54825/00)<br />

05.04.2005 (Kammer)<br />

Yevgen Nevmerzhitsky verbrachte im Zeitraum von 1997 bis 2000 zwei Jahre <strong>und</strong> zehn<br />

Monate in Untersuchungshaft. Er zog sich im Gefängnis mehrere Hautkrankheiten zu,<br />

<strong>und</strong> sein Ges<strong>und</strong>heitszustand verschlechterte sich deutlich. Seine Haft wurde fünf Mal<br />

verlängert <strong>und</strong> sein Antrag auf Entlassung wurde abgelehnt, obwohl <strong>die</strong> gesetzlich<br />

zugelassene Inhaftierungshöchstdauer für Strafgefangene in Untersuchungshaft<br />

überschritten war. Während seiner Haft trat Nevmerzhitsky mehrfach in einen<br />

Hungerstreik, woraufhin er zwangsernährt wurde.<br />

Der Gerichtshof stellte eine Verletzung von Artikel 3 fest. Eine Maßnahme wie <strong>die</strong><br />

Zwangsernährung kann nicht als erniedrigend erachtet werden, wenn sie lebensrettend<br />

ist. In Nevmerzhitskys Fall hatte <strong>die</strong> Regierung jedoch nicht nachgewiesen, dass seine<br />

Zwangsernährung medizinisch notwendig war. Die Maßnahme war daher willkürlich;<br />

angesichts seiner bewussten Verweigerung der Nahrungsaufnahme waren<br />

Verfahrensgarantien nicht eingehalten worden. Darüber hinaus stelle <strong>die</strong> Art <strong>und</strong> Weise<br />

seiner Zwangsernährung, <strong>die</strong> mithilfe von Handschellen, einem M<strong>und</strong>spreizer <strong>und</strong> einem<br />

speziellen, in <strong>die</strong> Speiseröhre eingeführten Gummischlauch durchgeführt wurde, eine<br />

Form von Folter dar.<br />

Jalloh gegen Deutschland (54810/00)<br />

11.07.2006 (Große Kammer)<br />

Abu Jalloh, einem mutmaßlichen Drogendealer, wurde in einem Krankenhaus gegen<br />

seinen Willen ein Brechmittel verabreicht, um das Ausscheiden von Säckchen mit Drogen<br />

zu erwirken, <strong>die</strong> er angeblich bei seiner Festnahme heruntergeschluckt hatte. Die Drogen<br />

wurden anschließend in dem gegen ihn eingeleiteten Strafverfahren als Beweismittel<br />

verwendet.<br />

Der Gerichtshof stellte eine Verletzung von Artikel 3 fest. Er erkannte zwar das<br />

öffentliche Interesse an der Bekämpfung des Drogenhandels an, hielt jedoch fest, dass<br />

Jalloh nicht im großen Stil mit Drogen gehandelt hatte <strong>und</strong> dass <strong>die</strong><br />

Strafverfolgungsbehörden hätten warten können, bis er <strong>die</strong> Drogen auf natürlichem Weg<br />

ausscheidet, da <strong>die</strong>se Methode auch von vielen anderen Mitgliedstaaten des Europarats<br />

bei der Untersuchung von Rauschgiftdelikten angewendet wird. Die zwangsweise<br />

Verabreichung eines Brechmittels stellt ein Ges<strong>und</strong>heitsrisiko dar, eine Methode, <strong>die</strong> in<br />

Deutschland bereits zwei Todesopfer gefordert hat. Darüber hinaus hatte <strong>die</strong> Art der<br />

Verabreichung, <strong>die</strong> in Jallohs Fall gewaltsam mithilfe eines Schlauches erfolgte, <strong>die</strong>sem<br />

höchstwahrscheinlich Schmerzen zugefügt <strong>und</strong> ihn verängstigt.<br />

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