La Vida Mai - August 2014
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
stand und verhindert das druckfreie Entstehen<br />
von Klang. „Muskeln kann man ja trainieren,<br />
mache ich im Sport doch auch“, meint so mancher<br />
und nimmt die Anstrengung in Kauf. Doch<br />
die Nebenwirkungen lassen nicht lange auf sich<br />
warten: Druck und Gegendruck belasten die Klangerzeugung<br />
an ihrem entscheidenden Punkt, den<br />
Stimmlippen. Die werden dadurch verschlissen.<br />
Stimmlippenödeme und sogenannte Knötchen<br />
sind die mittelfristige Folge einer andauernden<br />
Überlastung. Also, wie war das mit der Resonanz<br />
und dem mühelosen, lustvollen Sprechen und<br />
Singen?<br />
An dieser Stelle kommen Deine Ohren ins Spiel.<br />
Denn die können den Unterschied hören, wenn<br />
Dein Bauch locker bleibt, anstatt Luft zu pressen.<br />
Sie können am Klang wahrnehmen, wenn<br />
in Folge dessen auch der Kehlkopf nicht mehr<br />
festgeklemmt werden muss. Sie bemerken die<br />
hörbare Veränderung, wenn Dein Körper vibriert,<br />
anstatt festzuhalten. Mit gesungenen oder auch<br />
nur gebrummten Tönen wird es Dir am Anfang<br />
wahrscheinlich leichter fallen, Unterschiede<br />
wahrzunehmen, als beim Sprechen mit den fortwährenden<br />
Veränderungen durch die Artikulation<br />
von Worten. Experimentiere einfach mal damit!<br />
Wenn Du Dich brummend oder tönend eine Weile<br />
intensiver mit dem Klang in Deinem Inneren<br />
beschäftigst, wird die eine oder andere Überraschung<br />
nicht ausbleiben. Vielleicht spürst Du<br />
Vibrationen an bisher unbekannten Orten in Dei-<br />
schreien kann! Davon wussten bereits unsere<br />
singenden Vorfahren vor dreihundert Jahren.<br />
Entsprechend wurde überliefert, dass die Chorknaben<br />
damals zum Üben eine brennende Kerze<br />
eine Handbreit vor den Mund hielten, und wenn<br />
nun während des Singens die Kerzenfl amme weder<br />
fl ackerte noch gar ausging, wussten sie, dass<br />
sie es richtig machten.<br />
Kommt es aber bei der Klangerzeugung zu einer<br />
Luftbewegung, beispielsweise weil Du Dich<br />
gerade bemühst, lauter zu sprechen, bricht die<br />
stehende Welle zusammen. Der Klang hört sich<br />
verhaucht und substanzlos an, er wird als leiser<br />
empfunden. Viele Menschen lernen instinktiv,<br />
wie sie das verhindern können: sie entdecken<br />
irgendwann, dass sie dem Atemstrom einen<br />
Widerstand entgegensetzen und so die Schwingung<br />
der Stimmlippen doch wieder ermöglichen<br />
können. Aber dafür muss man sich anstrengen:<br />
Druckaufbau für einen höheren Atemstrom und<br />
Widerstand dagegen, der den Atemstrom wieder<br />
bremst, braucht Muskelkraft. Und weil das dafür<br />
aktivierte Muskelgewebe nicht mehr in Resonanz<br />
mit der Schwingung der Stimmlippen gehen und<br />
den Klang so verstärken kann, braucht es mehr<br />
Druck und mehr Widerstand, also mehr muskuläre<br />
Anstrengung, damit es vielleicht ein klein<br />
wenig lauter wird. Das ist wie in der Rüstungspolitik.<br />
Es wird immer weiter gerüstet, denn käme<br />
das Gleichgewicht der Kräfte ins Wanken, wäre<br />
die eigene Sicherheit in Gefahr - denkt der Vernem<br />
Körper, vielleicht melden Deine Ohren, dass<br />
der Klang Deiner Stimme ganz von alleine voller<br />
und lauter wird. Womöglich bekommst Du auch<br />
von Zuhörern ein Kompliment, das Du so nicht<br />
erwartet hast. Es braucht etwas Disziplin und Geduld,<br />
sich auf den Klang und seine Wirkung im<br />
Inneren einzulassen. Nach meiner Erfahrung aus<br />
zwanzig Jahren Stimmpädagogik ist das aber die<br />
nachhaltigste Strategie, wenn Sprechen und/oder<br />
Singen zu Deinem berufl ichen Alltag gehört, oder<br />
Du es zu Deinem Beruf machen willst. Denn so<br />
wird nicht eine kraftzehrende Technik durch eine<br />
noch anstrengendere und Verschleiß fördernde<br />
ersetzt, sondern Du selbst kannst Dir die gesunden<br />
und verlässlichen Grundlagen schaffen, um<br />
Dir jede gewünschte stimmliche Ausdrucksform<br />
zu ermöglichen. Und dann darf es durchaus auch<br />
mal lauter werden. Mit der Unterstützung durch<br />
einen verantwortungsvollen Stimmtrainer Deines<br />
Vertrauens macht dieser Entwicklungsweg auch<br />
richtig Freude.<br />
Norbert Michael<br />
Sänger & Stimmpädagoge<br />
mit Praxis in Freiburg und <strong>La</strong>hr<br />
<strong>La</strong>hrer Strasse 21<br />
77933 <strong>La</strong>hr-Sulz<br />
07821 - 98 24 19<br />
info@stimm-bewusst.de<br />
www.stimm-bewusst.de<br />
9