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LaVida-September-Dezember-2012

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echte Abstinenz in der Hand eines Therapeuten<br />

steckt. Aber vor der Berührung gibt es die Phase<br />

der Vorbereitung, des Vorausphantasierens,<br />

der biographischen Erforschung der familiären<br />

Berührungsgeschichte, des Umgangs mit dem<br />

Körper durch Eltern, Großeltern, Geschwister<br />

und andere bedeutungsvolle Menschen.<br />

Deshalb ist eine Berührung in der richtigen<br />

Atmosphäre der bedeutungsvollste Tränenlöser,<br />

der für viele Patienten erst das lange verschlossene<br />

Tor zum Weinen öffnet. Erst eine<br />

angebotene Hand kann Verwirrung, Übererregung,<br />

Angst und Wut wie Verzweifl ung, aber<br />

auch verschämt verdrängte Freude und Stolz<br />

hervorlocken und bearbeitbar machen. Männer<br />

neigen eher dazu, „Händchenhalten“ unter<br />

Männern für komisch, wenn nicht für zwielichtig<br />

zu halten. Vor allem bei latenter Homoerotik<br />

und Homosexualität sind mildere oder stärkere<br />

vorübergehende Schreckreaktionen möglich.<br />

Es muss aber durchaus nicht bei sanfter oder<br />

beschützender oder haltender Berührung bleiben.<br />

Zum Beispiel bei aggressiv gehemmten<br />

Patienten, deren Wut sich in verbale Entwertung,<br />

Hohn oder Zynismus verwandelt hat, ist<br />

es hilfreich, für eine Wiederbelebung vitaler<br />

Aggression auch eine kämpferische Begegnung<br />

anzubieten. Der Patient drückt mit seinen<br />

beiden Händen gegen die Schulter des<br />

Therapeuten und versucht ihn wegzudrücken.<br />

Der Therapeut, der fest stehen muss, leistet<br />

haltenden Widerstand und erlaubt damit dem<br />

Patienten, seine oft verlorene Kraft und vitale,<br />

nicht ins Sprachliche verdünnte, aber vergiftete<br />

Wut zu zeigen.<br />

Es muss aber nicht bei sanfter oder<br />

beschützender Berührung bleiben.<br />

Eine Variante ist der „Stierkampf “.<br />

Eine Variante ist der „Stierkampf“, bei dem der<br />

Therapeut den gesenkten Kopf des Patienten<br />

hält, was diesem erlaubt sich mit seiner „Mitdem-Kopf-durch-die-Wand-Haltung“,<br />

mit allen<br />

Größenphantasien und dem destruktiven Vernichtungswillen<br />

zu konfrontieren. Wichtig ist<br />

dabei die Mitteilung, dass es nicht um Sieg,<br />

Niederlage oder Demütigung geht, sondern um<br />

die Eingrenzung unintegrierter und gefürchteter<br />

oder gefährlicher Impulse.<br />

Wie bei allen Therapieformen ist Selbsterfahrung<br />

eine wesentliche Voraussetzung für die<br />

Anwendung jeder Methode. Die kann man in einer<br />

eigenen Therapie gewinnen, in Seminaren<br />

und Workshops, aber auch in einer Intervisionsgruppe,<br />

in der die Teilnehmer mit einander<br />

die authentische und hilfreiche therapeutische<br />

Berührung üben können.<br />

Bücher von Tilmann Moser zum Thema:<br />

• „Der grausame Gott und seine Dienerin“,<br />

(Transkribierte, vollständige Protokolle einer<br />

Körperpsychotherapie mit ausführlichen Kommentaren,<br />

damit ein „Lehrbuch für analytische<br />

Körperpsychotherapie“) Psychosozial-Verlag 2010<br />

• „Berührung auf der Couch. Formen der analytischen<br />

Körperpsychotherapie“, 2001<br />

• „Körpertherapeutische Phantasien, Psychoanalytische<br />

Fallgeschichten neu betrachtet“, 1989<br />

(Beide Suhrkamp-Taschenbücher)<br />

Dr. Tilmann Moser<br />

Psychoanalyse<br />

Körperpsychotherapie<br />

Religiöse Störungen<br />

Spätfolgen des Dritten Reiches<br />

Aumattenweg 3<br />

79117 Freiburg<br />

0761 - 60304<br />

tilmann.moser@gmx.de<br />

www.tilmannmoser.de<br />

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