Stadtmagazin_17_low
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22 Portrait<br />
Schließlich ist es Liebe ...<br />
Dass dies ein sehr persönliches Portrait<br />
ist, hat damit zu tun, dass ich Markus<br />
Acquistapace schon einige Jahre kenne.<br />
Seit jener Zeit weiß ich auch um seine<br />
Lebensgeschichte und allein diese Tatsache<br />
zeigt an den hohen Grad unserer gegenseitigen<br />
Wertschätzung. Darauf bin ich stolz,<br />
denn Acquistapace ist ein ganz ungewöhnlicher<br />
Mensch. Er ist verheiratet mit einem<br />
Mann, er ist geschieden von seiner ehemaligen<br />
Frau, hat mit ihr zwei Kinder und ist mit<br />
dieser, seiner ganzen Familie einschließlich<br />
der Eltern und Verwandten im Nordischen<br />
ein glücklicher Mensch. So zufrieden und<br />
glücklich, wie man das nur bei Wenigen sehen<br />
kann.<br />
Wohl bei Markus Acquistapace, den man<br />
als Inhaber des „Bernay´s“ in der Mühlenstraße<br />
am Bernays Platz kennt. Über die Grenzen<br />
der Stadt Cloppenburg hinaus bekannt als<br />
jener Ort, wo musikalische Live Acts und eine<br />
Menge anderer Veranstaltungen regelmäßig<br />
stattfinden, wohin man sich gemütlich zurückziehen<br />
kann, wo man sich trifft, im „Place<br />
to be“.<br />
Das Gesicht dieser Cloppenburger Kulturkneipe<br />
ist Acquistapace, unverwechselbar.<br />
Nicht allein, weil der Vierzigjährige sich mit<br />
dem Konzept des Bernay´s einen Traum erfüllt<br />
hat – vielmehr lebt er ihn. Und das mit<br />
einer Konsequenz, die jenes Bild erschuf, das<br />
seinen persönlichen Rahmen ausfüllt. Dieser<br />
Begriff stammt von ihm und er spiegelt seine<br />
Lebensauffassung bis ins Detail wieder,<br />
geprägt durch die Erfahrungen in der Vergangenheit:<br />
Seine Mühen, seine Nöte, seine<br />
unendlichen Zweifel, seine Ängste und – sein<br />
Sieg über all diese Sorgen, Unwägbarkeiten<br />
und Abgründe. Es ist ein finaler Sieg, denn<br />
er brachte Acquistapace zu seinem „jetzt“, zu<br />
dem Glück darin. Das sich jedoch nur umsetzen<br />
ließ, weil er selbst und er ganz alleine damals<br />
in der Lage war, zu erkennen, dass sein<br />
Alltag aus solchen Zwängen bestand, die er<br />
nicht mehr leben konnte.<br />
Wie mag jener junge Mann sich wohl selbst<br />
empfunden haben im Damals, als Karrieremensch<br />
schlechthin? Der aus Butjadingen<br />
stammt, aufgewachsen im Muster der dortigen<br />
Lebensart, umgeben von familiärem<br />
Zusammenhalt, von Respekt zueinander und<br />
von Liebe. Innerhalb solcher Sozialisationen<br />
funktioniert man dementsprechend. Man<br />
benennt Erwartungen nicht explizit, sondern<br />
nimmt sie als Ziele wahr.<br />
Dass dies eine Szenerie beschreibt, die viele<br />
von uns kennen und ebenso gelebt haben<br />
oder leben, ist Spiegel jenes Teils unserer<br />
Gesellschaft, der gut ist und in diesem Sinne<br />
auch die eigene Persönlichkeit prägt. Wenn,<br />
ja wenn man sich in ihr wiederfinden, sich sehen<br />
und somit sich darin wohl fühlen kann.<br />
Wenn die Leistungen, die man, wie Acquistapace,<br />
während der Ausbildung zum Koch mit<br />
ebensolcher Bravour erfüllte, wie auch die als<br />
profilierter Manager von Center Parcs oder als<br />
Geburtshelfer des Modells der Clubjugendherbergen<br />
und andere berufliche Meisterstücke<br />
– alle bedeutend, alle mit Glanz und Gloria<br />
absolviert. Wie erwartet, aufgrund seines<br />
eigenen Anspruchs an erster Stelle!<br />
Doch wie sah der Mensch Markus Acquistapace<br />
in diesem Rahmen aus? Sicher war sein<br />
Blick nicht so klar und ruhig wie heute, sein<br />
Lächeln nicht so aufrichtig. Doch natürlich<br />
strahlte er, umso mehr, als dass er dann auch<br />
seine Traumfrau kennen lernte. Immer schon<br />
hatte er seine eigene Familie gründen wollen,<br />
mit Kindern, mit allem, was dazu gehört.<br />
Verlobung und Hochzeit wurden als gesellschaftliches<br />
Ereignis gefeiert und die Geburt<br />
der Zwillinge vor nunmehr elf Jahren schien<br />
die Krone zu sein. Mission completed! Aber<br />
nicht für den frisch gekürten Vater, der von<br />
einem Tag auf den anderen vor der größten<br />
und schwersten Mission seines bisherigen Lebens<br />
stand, denn zum Zeitpunkt der Geburt<br />
seiner „liebsten Menschen“ war er bereits<br />
körperlich so krank, dass es nur einen Weg<br />
gab – den auszusteigen. Aus allem, komplett.<br />
Kognitiv war der damals Endzwanziger dem<br />
Grund für seinen Zusammenbruch schon<br />
längst auf der Spur, denn dass er „anders“<br />
war, hatten ihm etliche Situationen in der Vergangenheit<br />
offenbart. „Anders“ ja, aber was<br />
war das denn genau, dieses Anderssein? Wie<br />
anders? Beim Sexualkundeunterricht hätte er<br />
Fragen dazu gehabt, doch stellte er sie natürlich<br />
nicht. Auch wusste er seine Eltern nicht<br />
darauf anzusprechen. Darauf? Worauf? Was<br />
war bei ihm anders und wie? Er verglich und<br />
konnte nichts feststellen. War er ein Weichei,<br />
weil er damals lieber Zivildienst absolvierte,<br />
als zur Bundeswehr zu gehen? Warum lehnte<br />
er sich nicht auf, als er dazu veranlasst, eine<br />
Krankenpflegerlehre einging und abschloss.<br />
Natürlich auch mit Auszeichnung – aber warum<br />
wehrte er sich nicht gegen Ansprüche,<br />
die er nicht als seine erkennen konnte?<br />
Doch was war das, was er später dann als<br />
„seins“ erkannte? Das, was offenbar jenseits<br />
seines bisherigen Rahmens lag, was er sich<br />
aber jetzt offen zugestehen musste, um sich<br />
schlussendlich dazu bekennen zu können: Zu<br />
seiner Homosexualität. Als Ehemann, als Vater<br />
von just geborenen Kindern, als Sohn und<br />
beruflich im Rampenlicht stehend: Schwul.<br />
Schwul und voller Angst, das „Anderssein“<br />
darin erkannt zu haben und nun dazu stehen<br />
zu müssen. Angst frisst den Körper auf, darum<br />
war er krank geworden. Doch Gott würde<br />
ihm durch die kommenden Situationen hindurch<br />
helfen, auch das wusste er. Also ging er<br />
sie an, indem er aus dem gemeinsamen Haus<br />
auszog, sich scheiden ließ, seine berufliche<br />
Stellung kündigte, sich gesundheitlich auskurierte<br />
und den Mut fand, sich einer neuen Beziehung<br />
zu stellen. Die zu seinem Mann, mit<br />
dem er nunmehr seit zehn Jahren ein Paar ist.<br />
Welch ungeheurer Kraftakt das war, wissen<br />
Menschen einzuschätzen, die sich selber<br />
kritisch gegenüberstehen. Die sich nicht<br />
scheuen ihr Tun in Frage zu stellen, es auf<br />
den Prüfstand zu heben und es zu ändern,<br />
wenn´s nicht (mehr) passt. Das aber in erster<br />
Linie zu einem selbst! Denn das, was die Mitmenschen<br />
beurteilen, wie sie das Gegenüber<br />
sehn und verstehen, welche Wichtigkeit sie<br />
seinem Tun beimessen, all das ist völlig egal<br />
vor dem Hintergrund dessen, wie man selbst