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Mittelstand

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Der <strong>Mittelstand</strong>. | 6 | 2016<br />

POLITIK<br />

25<br />

bei komplexen Verfahren lediglich in jedem 50.<br />

Fall ein Fehler einschleicht, ist dies nach unserer<br />

Meinung kein Grund, den uneingeschränkten Bestätigungsvermerk<br />

zu verweigern. Übrigens sind<br />

die Fehlerquoten dort besonders hoch, wo der<br />

Gesetzgeber komplizierte Vorschriften erlassen<br />

hat. Deshalb empfehlen wir, diese Regeln klar und<br />

einfach zu gestalten.<br />

Wo liegen die Hauptursachen für Fehlinvestitionen?<br />

Früher war das Shared Management, also der<br />

Bereich, in dem die Mitgliedstaaten EU-Mittel<br />

verwalten und verausgaben, erheblich fehleranfälliger<br />

als die Bereiche, in denen die Europäische<br />

Kommission die unmittelbare Verantwortung für<br />

Ausgaben hatte. Das hat sich inzwischen auch<br />

durch die Aktivitäten des Rechnungshofes geändert.<br />

Heute ist die geschätzte Fehlerquote im Bereich<br />

der Zuständigkeiten der Mitgliedstaaten nur<br />

geringfügig höher, als bei den unmittelbar von der<br />

Kommission getätigten Ausgaben.<br />

Gibt es Länder, die hier besonders auffällig sind?<br />

Nein. Die Stichprobe von 1.200 Transaktionen, die<br />

wir im Schnitt in 16 Ländern pro Jahr erheben, genügt<br />

nach mathematisch statistischen Methoden<br />

nicht, um länderspezifische Aussagen treffen zu<br />

können. Dies ist auch nicht unsere Aufgabe, und<br />

unsere Kapazitäten würden dafür nicht ausreichen.<br />

Der EU-Haushalt ist nicht nur mit Wunschvorstellungen<br />

überfrachtet, er ist auch zunehmend<br />

fragmentiert. Besteht die Gefahr, dass wir angesichts<br />

der Zunahme neuer Finanzinstrumente die<br />

demokratische Kontrolle über den europäischen<br />

Haushalt verlieren?<br />

Das Transparenzproblem haben wir im Jahresbericht<br />

deutlich angesprochen. Der Vorsitzende des<br />

Haushaltsausschusses des Europäischen Parlaments<br />

spricht angesichts der unterschiedlichen Finanzierungsinstrumente<br />

schon von einer Galaxie<br />

der Haushalte. Ich habe Verständnis dafür, dass<br />

Mitgliedstaaten und EU-Institutionen für Aufgaben,<br />

die aufgrund aktueller Entwicklung während<br />

einer laufenden Finanzierungsperiode entstehen,<br />

kreativ neue Finanzierungsmethoden entwickeln<br />

müssen. Dabei muss man aber die Übersicht behalten<br />

und die Risiken abwägen. Auch die Prüfungsrechte<br />

des Rechnungshofes müssen uneingeschränkt<br />

gelten. Am Ende muss das Ziel stehen,<br />

alle Finanzierungsinstrumente unter einem Dach<br />

zu vereinen. Und wir sollten spätestens in der<br />

nächsten Finanzierungsperiode nach 2020 den<br />

europäischen Haushalt flexibler gestalten.<br />

Im Großen und Ganzen wurden die Mittel aus<br />

dem EU-Haushalt sinnvoll ausgegeben. Von 100<br />

Euro waren über 96 Euro nicht zu beanstanden.<br />

Gibt es Punkte, die einen lobenden Prüfvermerk<br />

verdienen?<br />

Betrachtet man die Entwicklung, haben sich die<br />

Verhältnisse im europäischen Haushalt eindeutig<br />

verbessert. In den Neunzigerjahren gab es keine<br />

funktionierenden internen Kontrollsysteme<br />

der Kommission. Die Fehlerquoten in manchen<br />

Bereichen des EU-Haushaltes waren zweistellig.<br />

Durch die Aktivitäten des Rechnungshofes, der<br />

Kommission, aber auch der Mitgliedstaaten und<br />

durch Druck aus dem Europäischen Parlament ist<br />

es gelungen, die Qualität der Haushaltsführung<br />

deutlich zu steigern.<br />

Der gebürtige Düsseldorfer Klaus-Heiner Lehne ist seit dem 1. Oktober<br />

2016 Präsident des Europäischen Rechnungshofes. 2014 wurde der ehemalige<br />

Europaabgeordnete (1994 – 2014, EVP) deutsches Mitglied dieser<br />

Institution. Im EP war er Vorsitzender des Rechtsausschusses sowie Vorsitzender<br />

der Konferenz der Ausschussvorsitze. 1992-1994 saß er für die<br />

CDU im Bundestag.<br />

Der Druck europakritischer Populisten nimmt<br />

zu, das Vertrauen in die EU-Institutionen sinkt.<br />

Kann der EuRH einen eigenständigen Beitrag<br />

leisten, um Misstrauen abzubauen?<br />

Davon bin ich überzeugt. Wir sind zwar von den<br />

sieben EU-Institutionen die kleinste. Die großen<br />

Spieler sind andere, insbesondere Kommission,<br />

Parlament und Rat. Aber wir sind schon wichtig.<br />

Unsere Aufgabe ist es, frühzeitig Probleme aufzudecken<br />

und Vorschläge für Abhilfe zu machen.<br />

Das tun wir immer erfolgreicher und können so<br />

Vertrauen aufbauen.<br />

Welche weiteren Ziele erfolgen Sie als neuer<br />

Präsident des EuRH?<br />

Wir arbeiten intensiv daran, unsere Produkte zu<br />

optimieren. Wir planen, die Inhalte der Sonderberichte<br />

mehr an den Bedürfnissen von Parlament<br />

und Ministerrat auszurichten. Wir wollen auch im<br />

Jahresbericht stärker Qualitätsgesichtspunkte<br />

berücksichtigen, statt uns einseitig auf Rechtmäßigkeitsprüfungen<br />

zu konzentrieren. Mein persönliches<br />

Ziel ist vor allem, die Wahrnehmung des<br />

Hofes nach außen zu verbessern.<br />

Das Interview führte Rotger Kindermann. <br />

Der Europäische Rechnungshof wurde 1977<br />

errichtet, Sitz in Luxemburg, seit 1993 gleichgestellt<br />

mit anderen EU-Institutionen, heute<br />

„Hüter der EU-Finanzen“, Kollegialorgan mit 28<br />

Mitgliedern, ein Vertreter aus jedem EU-Staat,<br />

Amtszeit sechs Jahre, Präsident drei Jahre. Die<br />

Gesamtausgaben im EU-Haushalt 2015 betrugen<br />

141,2 Milliarden Euro<br />

•<br />

Klaus-Heiner Lehne

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