20.12.2016 Aufrufe

kooky-rooster-the-good-the-bad-and-the-gay

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

Kooky Rooster<br />

<strong>the</strong> <strong>good</strong>, <strong>the</strong> <strong>bad</strong> <strong>and</strong> <strong>the</strong> <strong>gay</strong><br />

Gay Romance<br />

... <strong>the</strong> <strong>gay</strong>.


<strong>the</strong> <strong>good</strong>, <strong>the</strong> <strong>bad</strong> <strong>and</strong> ...<br />

Ich werde diesen verdammten Hurensohn töten.<br />

Die Sonne knallt runter. Die Häuser werfen keine Schatten. Schweiß brennt in meinen<br />

Augen. Ich poliere Lilli, überprüfe die Trommel, hauche und rubble den Lauf. Dusty<br />

schnaubt und scharrt mit den Hufen im Kies, seine Ohren zittern. Die scheiß Fliegen<br />

machen ihm zu schaffen. Mir auch. Die Luft über der Wüste flirrt, zaubert Trugbilder. Mir<br />

wäre jetzt nach einem Whiskey, aber das hier ist eine verfluchte Geisterstadt. Weiß der<br />

Teufel, wann der letzte Mensch verreckt ist. Heute wird wieder einer hier krepieren.<br />

Hurensohn verdammter. Bastard.<br />

Ich habe mich schon in vielen Duellen geschlagen, dabei bin ich nicht einmal ein<br />

Hitzkopf – vielmehr ziehe ich mit meiner ruhigen Art Hitzköpfe an, die mich provozieren<br />

wollen. Für gewöhnlich fordert mich so ein Grünschnabel, der sich für Jesse James hält,<br />

heraus, halbe Knaben oft noch, die vom Fieber des Ruhms ergriffen sind. Es macht mir<br />

keinen Spaß, die vorlauten Söhne frommer Frauen zu erschießen, aber diese Bengel<br />

laufen schon seit ihrem vierten Lebensjahr mit einer Zielscheibe auf der Stirn herum.<br />

Manchmal frage ich mich, wie sie es überhaupt geschafft haben, so lange zu überleben,<br />

um mir zu begegnen. Sie müssten schon mindestens einem Dutzend Männer begegnet<br />

sein, die die Welt von diesen vorlauten Kröten befreien wollten.<br />

Normalerweise tritt irgendwann so ein halbes Kind vor mich hin und bettelt um den<br />

Gnadenschuss. Keine Ahnung, wo die das aufgeschnappt haben, dass sie sich mit jedem<br />

fremden Kerl, der in ihre Stadt kommt, duellieren müssen. Es ist eine verdammte Seuche<br />

geworden, die die Knaben von ganz Texas befallen hat und sie in Duelle stürzen lässt wie<br />

Lemminge von einer Klippe.<br />

Diesmal aber habe ich das Duell gefordert.<br />

Meine Erfahrung ist: Derjenige, der das Duell fordert, wird dabei sterben. In meinen<br />

einsamen aber abenteuerlichen achtunddreißig Jahren habe ich an die hundert Duelle<br />

miterlebt, als Beteiligter oder als Zuseher – und es war ausnahmslos immer so, dass der<br />

Herausforderer draufging. Das sage ich übrigens auch immer den hitzköpfigen Jungs,<br />

aber die Jugend ist so dumm, wie sie mutig ist.<br />

Wahrscheinlich werde ich heute sterben, aber immerhin als ehrbarer Mann, der sich<br />

nicht umwerben lässt wie eine Frau. Verfluchter Bastard, ich hab das nicht mal kommen<br />

sehen. Alle wussten es, der ganze verdammte Saloon wusste, was mit dem Kerl nicht<br />

stimmt. Man hätte eine Laus husten hören, so still war es, als dieser Hurensohn auf mich<br />

zukam. Ich dachte noch, nein, nicht wieder so ein Lebensmüder, der Lillis Gnade in so<br />

jungen Jahren erfahren will. Bei näherer Betrachtung stellte ich fest, dass er gar nicht<br />

mehr so jung war, wie ich zunächst annahm, was mich etwas stutzen ließ.<br />

Damit eines klar ist – ich steh nicht auf Männer – aber der Kerl, das muss ich sagen,<br />

der war geradeaus gewachsen. Vermutlich gab es keinen Rock in der ganzen Stadt, der<br />

nicht hinter ihm her war. Er war jem<strong>and</strong>, dem man nie zugetraut hätte … Er sah einfach<br />

wie ein richtiger Kerl aus. Einer, mit dem man eine Bank überfallen könnte, einen<br />

Eisenbahnraub begehen oder eine Ranch führen. Ein Kerl mit Armen und Schultern und<br />

rauem, wettergegerbten Gesicht. Was ich damit sagen will: Nichts an ihm bereitete mich


auf das vor, was er dann tat.<br />

Ich balle beim bloßen Gedanken daran die Faust um Lillis Griff. Vielleicht sollte ich auf<br />

eine Flasche schießen, oder eine Dose, um mit diesem Hass fertigzuwerden. Seit der Kerl<br />

mir das angetan hat, bin ich von einem Geist besessen oder so etwas. Vielleicht bin ich<br />

verflucht und wenn ich den Hurensohn töte, bin ich wieder frei. Oder ich sterbe – dann bin<br />

ich auch von diesem Fluch befreit. Verdammte Seuche.<br />

Ich bin ein weitgereister Mann und weiß, dass es Abgründe gibt. Ich habe sie gesehen,<br />

diese Kerle, die sich von <strong>and</strong>eren Kerlen kaufen lassen wie eine gottverdammte Nutte.<br />

Arme Teufel, die das Geld brauchen oder keine Frau abbekommen. Nie bin ich davon<br />

ausgegangen, dass ein Mann das freiwillig macht. Und dann komme ich in diese<br />

verdammte Stadt, will in aller Ruhe in diesem verfluchten Saloon einen Whiskey kippen,<br />

und dann das. Das war keine spezielle Bar, wenn Sie verstehen, zumindest wies nichts<br />

darauf hin, dass man hier als Mann nicht sicher ist.<br />

Ich könnte kotzen. Seitdem hab ich so einen komischen Druck auf der Brust und keinen<br />

Appetit. Vermutlich hat mich der Kerl auch noch mit irgendetwas angesteckt. Wenn ich<br />

nur dran denke, dass er vielleicht einen Schwanz gelutscht hat, kurz bevor er mich dann<br />

vor allen geküsst hat … Garantiert bin ich jetzt krank. Ich fühle mich seit heute Morgen<br />

auch schon ganz schwach auf den Beinen.<br />

Sie haben gelacht. Die Männer im Saloon. Sie wussten, dass das passiert. Offenbar<br />

zieht dieser Kerl das mit jedem Fremden ab, ich gehe ja nicht davon aus, dass dieser<br />

Hurensohn sich in mich verliebt hat. An so etwas glaube ich nicht. Den Wind um dieses<br />

ganze Liebesding habe ich nie verst<strong>and</strong>en. Ich halte das für eine Erfindung der Poeten, um<br />

die Frauen verrückt zu machen und auch manche intellektuelle Männer. Ich hab nie<br />

irgendetwas gefühlt, das ich hätte Liebe nennen wollen. Nichtmal Sex ist so ein<br />

Riesending, wie alle immer sagen. Er ist erschreckend belanglos und wenn die <strong>and</strong>eren<br />

das mal erkennen würden, würden sie sich auch diesen ganzen Hokuspokus mit Heirat,<br />

Kinder und ein Leben lang an eine launische Frau gebunden zu sein, ersparen.<br />

Mit Zunge.<br />

Dieser Scheißkerl hat mir direkt die Zunge in den Mund gesteckt. Das kam so<br />

überraschend, dass er irgendeinen Reflex oder so auslöste. Erst als alle Männer laut<br />

brüllten, merkte ich, was da überhaupt los war. Nicht, dass sie uns rausgeworfen und<br />

verprügelt haben, im Gegenteil, sie haben frenetisch gegrölt und uns angefeuert. Das<br />

begreife ich absolut nicht. Wo auch immer ich bisher war – wenn auch nur der Verdacht<br />

aufkam, dass ein Typ unter Männern auf die Pirsch ging, bekam er einen Denkzettel, den<br />

er ein Leben lang nicht vergessen würde. In diesem Saloon jedoch nicht. Als wäre diese<br />

Widerwärtigkeit alltäglich. Dass das Brüllen ein Lachen war, registrierte ich auch erst<br />

später.<br />

Sie lachten mich aus.<br />

Vielleicht hielten sie mich für so einen Perversen. Ich meine, ich sehe nicht so aus …<br />

aber dieser Kerl sah ja auch nicht so aus. Wie soll man sich da noch auskennen? Auf<br />

jeden Fall konnte ich das nicht auf mir sitzen lassen. Heute Mittag wird einer von uns<br />

beiden sterben und, zur Hölle, mir ist sogar egal, wer. Lieber alleine in der Hölle, als in<br />

einer Welt, in der dieser Kerl herumläuft und anständige Männer küsst.<br />

Er müsste schon längst da sein.<br />

Überrascht mich, dass er ein feiger Kerl ist? Nicht wirklich. Zumindest wenn er so einer


ist. Vielleicht war das alles nur ein perverser Witz unter gelangweilten Ranchern.<br />

Allerdings ein sehr feuchter und intensiver Witz – die Zunge hätte es dafür nicht<br />

gebraucht. Wenn der Kerl nicht auftaucht, erkläre ich dem ganzen Saloon den Krieg.<br />

Sei es mein Tod.<br />

Ich forderte den Hurensohn heraus und er wählte den Ort. Sinn für morbide Plätze hat<br />

er, das muss man ihm lassen. Sich in einer Stadt zu duellieren, in der es nur Tote gibt, das<br />

hat Stil.<br />

Lilli ist schon ganz ungehalten, sie will endlich feuern. Dusty hat Durst, aber in diesem<br />

verfluchten Kaff hier gibt es keinen Brunnen. Vermutlich sind deswegen alle verreckt.<br />

Vielleicht will der Bastard, dass ich hier ebenfalls krepiere.<br />

Das kann er vergessen!<br />

Ich werde warten, bis der Schatten der baufälligen Bank die staubtrockene<br />

Pferdetränke berührt, dann such ich den Feigling auf und wenn es sein muss, erschieße<br />

ich ihn beim Scheißen.<br />

Mir ist gar nicht gut.<br />

Ich betrachte meine Hände. Die Finger zittern. Vermutlich die Hitze, mein Kreislauf<br />

kollabiert. Auch mein Bauch rebelliert. Weiß der Teufel, wie lange ich hier schon in der<br />

sengenden Sonne stehe und auf diesen Hurensohn warte.<br />

Vielleicht sollte ich in einem der baufälligen Häuser auf ihn lauern. Wenn ich noch<br />

lange in der Sonne brutzle, schlägt sich das auf meine Reaktionsfähigkeit, dann sterbe ich<br />

sicher, obwohl ich eine verdammt schnelle H<strong>and</strong> habe. Man sagt, ich ziele schneller als<br />

mein Schatten, aber das ist Legendenbildung. Ich habe es versucht. Es stimmt nicht. Was<br />

aber stimmt, ist, dass es im Inneren der Bank erträglicher ist. Von hier aus habe ich<br />

zudem einen guten Ausblick über den Platz. Ich werde also sofort sehen, wenn der<br />

Bastard kommt.<br />

Er oder ich.<br />

Der Gedanke, dass das meine letzte Stunde sein könnte, beunruhigt mich nicht. Wenn<br />

ich ehrlich bin, hat das Abenteuer Leben seinen Reiz verloren. Ich habe alles gesehen, eine<br />

Zeit bei den Rothäuten gelebt, war im Gefängnis gewesen, habe mich dutzende Male<br />

duelliert und war sogar für einige Monate Sheriff. Ich lebe in einer Zeit, in der ein Mann<br />

alles sein kann. An einem Tag ein gesuchter Verbrecher, am nächsten ein respektierter<br />

Staatsdiener. Ich war reich und ich war bettelarm. Irgendwann ist alles nur noch<br />

Wiederholung. Das Einzige, das ich bisher nicht war, ist sesshaft, aber dazu fehlt mir bis<br />

heute die Motivation. Ich habe immer auf diese Stimme gewartet, die mir flüstert, dass<br />

ich wo bleiben, eine Familie gründen und ein L<strong>and</strong> bewirtschaften soll. Aber da ich keine<br />

Frau an mich heranließ, säuselte mir das auch niem<strong>and</strong> ins Ohr.<br />

Ich bin nicht Lebensmüde, das nicht.<br />

Ob dieser Kerl etwas hat, auf das er sich freut? Ob für ihn auch bereits alles<br />

Wiederholung ist? Was interessiert mich dieser Perverse? Ich werde ihn umlegen, oder er<br />

mich. Wie auch immer, unser Zusammentreffen wird nur Sekunden dauern und dann ist<br />

einer von uns Kojotenfutter.<br />

Vielleicht ist es die Todesstunde, die mich verwirrt, die elende Hitze, die Tatsache, dass<br />

ich seit gestern nichts mehr gegessen habe und in der vergangenen Nacht keinen Schlaf<br />

f<strong>and</strong>, denn ich bekomme Wahngedanken. Wahnvorstellungen. Irgendwie glaube ich, den<br />

Hurensohn zu riechen – was schon deswegen absurd ist, weil ich nicht weiß, wie er riecht.


Dennoch, der Geruch … ich will es fast Duft nennen … berührt mich, zieht durch meine<br />

Nase, meine Lippen, ich kann ihn richtig schmecken, dann wird mir die Brust schwer.<br />

Ich frage mich, ob mich der Mann, den ich töten werde, noch einmal küssen würde.<br />

Weiß der Geier, woher auf einmal diese verrückte Idee kommt, aber sie lässt mich nicht<br />

mehr los. Schlimmer, sie wühlt mich regelrecht auf. Dabei hasse ich diesen Kerl. Ich habe<br />

noch nie so gehasst, so tief und innig, es tut fast weh, zerreißt mich und ist dabei doch<br />

wohltuend. Ich hätte in meinem Leben mehr hassen sollen. Seltsamer Gedanke. Wenn ich<br />

das Duell überlebe, dann werde ich fortan mehr hassen. Ich sollte die Knaben vielleicht<br />

nicht belächeln, ehe ich sie erschieße, sondern von ganzem Herzen hassen. Es fühlt sich so<br />

lebendig an und zugleich vernebelt es die Sinne wie ein Traum.<br />

Ich befühle Lillis kühlen Stahl.<br />

Ich bin von Sinnen, muss wieder zu mir kommen. Ein weiteres Mal überprüfe ich die<br />

Trommel, sechs Patronen, eine wird reichen, ich bin ein verdammt guter Schütze, treffe<br />

üblicherweise direkt ins Herz. Was er wohl für eine Kanone hat? Ich stelle mir vor, dass er<br />

sie mir zeigt. Als wären wir Freunde, lässt er sie in meine H<strong>and</strong> gleiten, sie von mir<br />

betasten. Schade, dass ich ihn töten muss. Er wirkt sympathisch – wie ein Kerl, mit dem<br />

man Waffen tauschen würde. Vielleicht könnten wir das tun! Welch verrückte Idee. Wir<br />

könnten mit der Waffe des <strong>and</strong>eren dieses Duell bestreiten. Andersrum. Ein schöner<br />

Gedanke. Und so neu. Keine Wiederholung. Von der Idee ganz verblödet muss ich grinsen,<br />

kann nicht <strong>and</strong>ers.<br />

Da höre ich schon das regelmäßige Geklacker von Hufen.<br />

Er ist da.<br />

Ich springe hoch, stürze zum Fenster. Eine seltsame Euphorie schießt in meine Glieder.<br />

Noch nie habe ich mich so auf ein Duell gefreut. Der Gedanke, dabei draufzugehen,<br />

beflügelt mich wohl richtiggehend. Am liebsten würde ich wie verrückt aus der Bank<br />

rennen, direkt zu ihm hin und ihm begeistert von der Idee mit dem Revolvertausch<br />

erzählen. Aber vermutlich würde er mich im Reflex erschießen. Ich würde es, also warte<br />

ich, bis er vom Pferd gesprungen ist. Wie elegant. Seine Stiefel scharren im Kies, er schiebt<br />

den Hut zurecht, sieht sich um – und ich weiche hinter dem Fensterrahmen zurück, damit<br />

er mich nicht entdeckt.<br />

Es gibt keinen Grund, warum ich es mache, ich tu es einfach.<br />

Er geht zu Dusty, krault seine Stirn. Der Hengst mag das und prustet begeistert.<br />

Derweil kann ich an der strammen Rückansicht des Hurensohns abschätzen, was für ein<br />

Schütze er ist. Bisher habe ich zwar noch nicht von einem Hintern Rückschlüsse auf die<br />

Zielsicherheit gezogen, aber heute ist der Tag, an dem alles <strong>and</strong>ers sein soll, warum nicht<br />

auch meine Methode, einen Gegner einzuschätzen?<br />

Er spricht mit Dusty. Verflucht, welcher Irre spricht mit fremden Pferden? Vermutlich<br />

einer, der sein Pferd Dusty tauft, denn ich tu das auch – wenn keiner zusieht. Wieder ein<br />

sympathischer Zug. Hätte dieser Bastard mich nicht geküsst, könnten wir Freunde<br />

werden. Jetzt dreht er sich um und starrt direkt her. Hat er mich entdeckt? Der Blick aus<br />

stechend blauen Augen trifft mich unvermittelt.<br />

Verdammt!<br />

Vor Schreck beginnt mein Herz zu rasen und ich drücke mich mit dem Rücken gegen<br />

die W<strong>and</strong>. Der ganze Brustkorb hämmert so heftig, dass ich befürchte, er macht noch die<br />

Pferde scheu. Warum ich mich plötzlich in einem dummen Versteckspiel wiederfinde, kann


ich mir selbst nicht beantworten. Ebenso wenig, warum ich nicht sofort nach Lilli greife,<br />

als der Hurensohn bei der Tür hereinkommt.<br />

Ich rechne damit, sofort erschossen zu werden.<br />

Überraschenderweise aber denkt der Kerl nicht einmal daran, seine Waffe zu zücken,<br />

sondern kommt direkt auf mich zu. Die Sohlen der Stiefel donnern auf den Holzdielen,<br />

alles, was er an Metall an sich trägt, scheppert und sein Geruch ist noch vor ihm da. Wie<br />

in meiner Halluzination von vorhin, schmecke ich ihn bereits, noch ehe er vor mir steht. Er<br />

stützt einen Arm neben meinem Kopf ab und kommt mir auf diese Weise so nah, wie ein<br />

Schuldeneintreiber bei einer Drohgebärde. Einem Reflex folgend schlucke ich.<br />

Wir könnten ja die Waffen tauschen, ehe wir ein<strong>and</strong>er erschießen, will ich vorschlagen,<br />

aber meine Kehle schnürt sich zu. Scheiße, ich kann die Wärme seines Körpers spüren, so<br />

nah steht er vor mir. Meine H<strong>and</strong> gleitet über Lillis schlanken, kalten Körper.<br />

Er oder ich.<br />

Selbst eine öde Wiederholung ist besser, als tot zu sein. Er bemerkt, was ich vorhabe.<br />

Natürlich bemerkt er es, er steht praktisch auf meinen Zehen. Anstatt seine Waffe zu<br />

ziehen, legt er eine H<strong>and</strong> sanft auf meine. Ich weiß nicht, ob ich Lilli hochhebe und an<br />

seine Brust drücke, oder ob er meine H<strong>and</strong> dahin führt. Es ist wie ein Tanz, halb schiebt er<br />

mich, halb dräng' ich ihn. So war das nicht geplant. Auf diese Weise wäre es glatt Mord.<br />

Es macht mehr Sinn, wenn er ebenfalls eine Waffe auf mich richtet.<br />

Tut er aber nicht.<br />

Ich sollte abdrücken, verdammt noch einmal. Er sagt kein Wort und grinst mich an.<br />

Nerven hat er. Wenn mir ein Kontrahent eine Waffe an die Brust drücken würde, könnte<br />

ich vermutlich nicht mehr so ruhig sein und blöd grinsen. Nicht, dass ich ein Feigling<br />

wäre, aber ich würde spätestens hier zu Verh<strong>and</strong>eln beginnen. Er auch – aber auf seine<br />

üblich riskante Art.<br />

Es ist nun nicht mehr nur der Geschmack seiner Aura, den ich auf meiner Zunge spüre.<br />

Den Finger fest um den Abzug gespannt, lasse ich zu, dass er mich ein weiteres Mal küsst.<br />

Auch wenn ich nach gestern Stein und Bein geschworen hätte, dass ich niemals wieder<br />

den Kuss eines Mannes erwidern würde, mache ich mit. Es passiert einfach. Vermutlich<br />

das Gesetz der Trägheit, es wäre schwerer, es nicht zu tun. Es ist anregend. Warum auch<br />

immer, was er da macht, zieht an meinem Schwanz und dieses Gefühl hatte ich in dieser<br />

Intensität schon verdammt lange nicht mehr. Natürlich nehme ich Lilli nicht von seiner<br />

Brust. Sobald er den Kuss beendet hat, werde ich ihn umlegen.<br />

Er hat Argumente.<br />

In Form seiner Hände liegen sie auf meinem Schritt und kneten mich. Ab jetzt habe ich<br />

Mühe, nicht abzudrücken, denn das hier will ich bis zum Ende auskosten. Seine Hände<br />

sind kräftig und seine Finger wissen genau, was sie tun. Bald massiert er nicht nur<br />

meinen Schritt, sondern meine Schenkel, meine Hüften, meinen Hintern, meinen Bauch,<br />

meine Brust, meine Schultern. Er nimmt mir den Hut ab und lächelt meinen Scheitel an,<br />

dann lüftet er seinen eigenen blonden Lockenschopf.<br />

Er ist die Ruhe in Person, obwohl eine Waffe auf ihn gerichtet ist … zwei … Waffen,<br />

um genauer zu sein. Als mache er sich für ein Bad fertig, knöpft er sein Hemd auf,<br />

entblößt den kräftigen, sonnengegerbten Körper. Ja, der Kerl ist harte Arbeit gewöhnt.<br />

Es wirkt regelrecht unschicklich, die stahlnackte Lilli auf seine stahlnackte Brust zu<br />

drücken – doch als ich sie wegschiebe, führt er meine H<strong>and</strong> sanft wieder in Position. Das


Spiel begreife ich nicht. Ich könnte ihn jederzeit abknallen und genau genommen will ich<br />

das auch wegen genau dem, was er gerade macht – das weiß er. Dennoch korrigiert er<br />

den Lauf der Waffe, damit ich, im Fall des Falles, auch sicher sein Herz treffe. Ein<br />

perverser Tanz mit dem Tod.<br />

Als seine bloßen Hände die nackte Haut meiner Kronjuwelen berühren, drücke ich<br />

tatsächlich fast ab, so überwältigend rau und direkt ist diese Berührung. Er weiß<br />

vermutlich, in welcher Gefahr er schwebt, er weiß es sicher, aber er hat Nerven wie<br />

Stahlseile. Während er also mit beiden Händen da unten zugange ist, stopft er seine<br />

Zunge wieder in meinen Mund und ich schnappe gierig danach. Mir scheint, die Sache mit<br />

dem Waffentausch lässt sich doch noch verh<strong>and</strong>eln.<br />

Die Wahl dieses Ortes stellt sich nicht nur als wunderbar morbid heraus, sondern auch<br />

als äußerst praktisch. Die Geister stören sich kaum an meinen Schreien. Sanfte, warme<br />

Hände legen sich über meine Finger und dirigieren Lilli abwärts. Dahin nämlich sinkt der<br />

blonde Schönling und während der Lauf meiner Waffe direkt auf seinen Scheitel zielt,<br />

leckt er an mir und saugt mich schließlich tief in seine Mundhöhle.<br />

Hol mich der Teufel, so etwas Geiles habe ich noch nicht erlebt!<br />

Allmählich beginne ich zu begreifen, warum Leute sesshaft werden und sich ganze<br />

Familien antun. Wenn es so etwas zum Ausgleich gibt, würde ich auch glatt eine Familie<br />

gründen und eine Ranch führen.<br />

Der Hurensohn massiert mich mit seinem Mund nicht nur, bis ich den Verst<strong>and</strong> verliere,<br />

er saugt mich dabei regelrecht aus. Das Bild, das wir abgeben, könnte etwas <strong>and</strong>eres<br />

vermitteln, als das, welches den nackten Tatsachen entspricht. Auch wenn Lilli gegen<br />

seinen Scheitel drückt, bin ich die Geisel, nicht er. Meine Beine zittern und meine Kehle ist<br />

vom Keuchen und Schreien ganz trocken.<br />

Als er sich erhebt, grinst er und wischt sich mit dem H<strong>and</strong>rücken über den Mund. Lilli<br />

zielt auf seine steile, bloßgelegte Erektion und mit sanftem Druck auf mein H<strong>and</strong>gelenk<br />

richtet er ihren Lauf wieder neu auf sein Herz aus.<br />

Auch wenn ich noch immer eine feste Tötungsabsicht habe, frage ich mich, wie er mit<br />

der begonnenen Sache weitermachen will. Er erwartet doch nicht etwa, dass ich dasselbe<br />

bei ihm mache?<br />

Mein Finger zurrt sich fester um den Abzug.<br />

Er merkt es. Er scheint zu wissen, was ich denke. Er fängt meinen Blick auf und greift<br />

nach meiner freien H<strong>and</strong>, um sie an sein Gemächt zu führen. Mein Stolz weigert sich aber<br />

zugleich ist etwas in mir verdammt neugierig, will ihn berühren. Ich trage einen Kampf in<br />

mir aus, strecke die Finger aus und streife mit den Kuppen die samtige Haut. Im Reflex<br />

gebe ich Lilli beinahe den tödlichen Auftrag. Die Sache hier ist gefährlich wie nur was. Die<br />

heiße Härte ist zu verlockend und ich muss richtig hingreifen. Der Bastard umfasst meine<br />

H<strong>and</strong>, hält sie fest und so stehe ich starr da und leihe ihm eine Faust für einen kurzen<br />

aber heftigen Fick während die <strong>and</strong>ere mit dem Revolver auf seine schweißnasse Brust<br />

zielt. Absurd. Der Schwanz reibt immer heftiger meine H<strong>and</strong>fläche und kurz darauf werde<br />

ich Zeuge seines Orgasmus.<br />

Ich sollte ihn abknallen.<br />

Den Hurensohn.<br />

Jetzt.<br />

Immerhin ein schöner Moment zum Abkratzen. Stattdessen erinnere ich mich an die


Idee, die ich hatte, als er in diese verfluchte Geisterstadt kam.<br />

Lass uns die Waffen tauschen, schlage ich kühn vor und komme nicht auch nur für<br />

eine Sekunde auf die Idee, dass er das komisch finden könnte.<br />

Okay, meint er, während er sich anzieht und reicht mir seinen Revolver mit solcher<br />

Selbstverständlichkeit, wie eine Flasche Whiskey. Mein Herz hüpft, als ich seine Waffe<br />

nehme und ihm dafür Lilli überantworte. Er hat eben erst bewiesen, dass seine Hände gut<br />

zu ihr sein werden. Wortlos verlassen wir die Bank, treten hinaus in die stechende Sonne.<br />

Die Ohren der Pferde zucken.<br />

Sie prusten aus ihren Nüstern.<br />

Der Hurensohn und ich entfernen uns vonein<strong>and</strong>er, zwanzig Schritte jeder. Ich höre<br />

seine Stiefel im Kies knirschen und werfe einen Blick auf seinen Revolver in meiner H<strong>and</strong>.<br />

Aus reiner Routine überprüfe ich die Trommel und mir wird, trotz des Wüstenklimas,<br />

eiskalt. Leer. Nicht eine einzige Patrone. Instinktiv taste ich nach meinem Gürtel, wo ich<br />

Munition … der liegt noch in der Bank.<br />

Verdammt!<br />

In wenigen Sekunden werden wir aufein<strong>and</strong>er schießen – ich mit einer leeren Waffe, er<br />

mit meiner gut gefütterten Lilli.<br />

Es ist zu spät, um abzubrechen.<br />

Nach der Kälte auf meinem Rücken jagt Hitze hoch. Wenn wir nicht die Waffen<br />

getauscht hätten, hätte ich einen unbewaffneten Mann erschossen.<br />

Er kam hierher, um zu sterben.<br />

Jetzt werde ich sterben.<br />

Welch Ironie, dass ich noch immer seinen Mund an meinem Schwanz spüre. Ich drehe<br />

mich um und sehe ihn in der grellen Sonne stehen. Schön, wie ein Mensch nur schön sein<br />

kann und vom eben erfolgten Orgasmus befällt mich eine angenehme Müdigkeit. Statt<br />

mich über den Haufen ballern zu lassen, würde ich nun lieber in seinen Armen liegen und<br />

etwas dösen. Nun, schlafen werde ich in wenigen Augenblicken für immer.<br />

Wir stehen breitbeinig da, die H<strong>and</strong> schwebt über dem Griff der Waffe im Holster. Mir<br />

ist klar, dass ich das Spiel antreibe. Er kam, um sich erschießen zu lassen, er wird Lilli erst<br />

wecken, wenn ich ziehe. Somit entscheide ich, wann ich sterbe.<br />

Mir wird schnell klar, dass es keinen Sinn hat, das Für und Wider von Leben und Tod<br />

jetzt abzuwägen. Je länger ich darüber nachdenke, umso schwerer wird es für mich<br />

werden. Immerhin sterbe ich durch Lilli und die sanftesten Hände, die mich je berührten.<br />

Das ist doch was, an das ich mich erfreuen kann, während ich im Fegefeuer Kohlen<br />

schaufle. Ich schließe die Augen, halte die Luft an und schnelle mit der H<strong>and</strong> zum Holster,<br />

um seine Waffe zu ziehen.<br />

Ein lauter Knall prallt von den Häuserfronten wider, wie ein waberndes Echo. Ich sinke<br />

in mich zusammen und verliere das Bewusstsein.


... <strong>the</strong> <strong>gay</strong><br />

Übrigens denke ich bei der harten Arbeit in der sengenden Hitze wirklich oft daran, wie<br />

seine sanften Hände Lilli und <strong>and</strong>ere Waffen (Höhö) halten. Allerdings ist es nicht der<br />

Leibhaftige, der mich antreibt, sondern mein geliebter Hurensohn. Wer hätte gedacht, wie<br />

schön es sein kann, sesshaft zu werden und eine Ranch zu führen? Die Geisterstadt haben<br />

wir wiederbelebt. Sie heißt nun Little Death.


Texte: Kooky Rooster<br />

Bildmaterialien: Kooky Rooster<br />

Alle Rechte vorbehalten.<br />

Tag der Veröffentlichung: 08.09.2016<br />

https://www.bookrix.de/-narrentod

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!